Marktplatzangebote
9 Angebote ab € 1,89 €
  • Gebundenes Buch

1 Kundenbewertung

Durch einen Unfall verliert Gerson das Augenlicht. Plötzlich merken seine älteren Zwillingsbrüder, wie schwer es ist, blind zu sein in einer Welt, die zum Sehen gemacht ist. Sie versuchen alles, um ihrem Bruder zu helfen. Ein aufwühlendes Buch aus einer ungewöhnlichen "Wir"-Perspektive.

Produktbeschreibung
Durch einen Unfall verliert Gerson das Augenlicht. Plötzlich merken seine älteren Zwillingsbrüder, wie schwer es ist, blind zu sein in einer Welt, die zum Sehen gemacht ist. Sie versuchen alles, um ihrem Bruder zu helfen. Ein aufwühlendes Buch aus einer ungewöhnlichen "Wir"-Perspektive.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 10.10.2001

Es fehlt ein Mensch
Die ungewöhnliche Familiengeschichte dreier Brüder
Es bleibt eine Traurigkeit. Auch der Leser spürt den Verlust eines Menschen, der ihm lieb geworden ist, und fragt sich „Warum”. Nicht warum der Unfall geschah, nicht warum Gerson blind geworden ist, sondern warum er keinen Ausweg aus diesem „Schwarz” finden kann. Früher hatten die drei Brüder „Schwarz” gespielt, hatten erlebt, wie sich die Welt verändert, wenn man mit geschlossenen Augen seinen Weg sucht. Als Gerson für immer in diesem Schwarz bleiben muss, verliert er jede Zuversicht. Ein zu harter Schlag für ihn oder ein Schlag zuviel für einen, der schon zu viel eingesteckt hat?
Es ist scheinbar eine Vier-Männer-Idylle, von der die Zwillinge in ihrer irritierenden Wir-Form in Birnbäume blühen weiß des niederländischen Autors Gerbrand Bakker berichten. Sie unterscheiden nicht in Klaas und Kees, sondern sprechen voneinander in der dritten Person, oder als Wir. Es gibt kein Ich. Dieses Doppelwesen sind liebevolle große Brüder, aber ihnen gegenüber ist der drei Jahre jüngere Gerson ein Einzelner; er ist allein. Es ist nicht wirklich eine Idylle, denn es fehlt ein Mensch: Vor Jahren ist die Mutter mit dem Auto weggefahren und nie wiedergekommen. Sie schreibt zum Geburtstag und vermeidet es, ihre Adresse preiszugeben. So ist sie auch nach dem Unglück nicht da, als Gerson in die Schwärze seiner Depression versinkt.
Die zweite Erzählstimme ist die von Gerson. Erst sind es Eindrücke, während er im Koma liegt, dann sein Aufwachen, Bewusstwerden, resigniertes Verzweifeln. Er weigert sich, seine Situation zu akzeptieren, wird bissig und grantig. Als er einmal konstatiert, dass er sich im Haus immer besser orientieren kann, weiß er, dass er darüber froh sein sollte. „Aber ich weigere mich, froh zu sein, ich will sehen.” Die letzte Szene seines Lebens schildert der Hund Daan, der ängstlich zusieht, wie Gerson während eines Gewitters ins Wasser geht. Dass es Gerbrand Bakker gelingt, diesen Hundemonolog zu schildern, ohne ins Kitschige abzudriften, zeigt vielleicht am Besten, welche literarische Kraft dieser niederländische Autor hat. Kunstvoll ohne gekünstelt zu wirken, errichtet er aus der Sicht der Zwillinge die Umstände, die zu Unfall und Tod führen. Nachdenklich lässt er sie über die Endstation von Gewöhnung philosophieren, über die Trauer und das Vergessen. Zwei große Abwesenheiten entfalten sich, die der Mutter und die von Gerson, als er im Koma liegt, und alle um ihn herum stehen, sich alles um ihn dreht, er aber unsichtbar zu sein scheint.
In den inneren Monologen von Gerson wird seine größer werdende Einsamkeit greifbar, das Gefühl, für immer in einem Käfig eingesperrt zu sein. Er sehnt sich nach seiner Mutter, glaubt, es würde alles wieder gut, wenn sie nur da wäre. Immer mehr gibt er auf. Sehnt sich nach Ruhe. Die Erzählung bewirkt eine Art der Erschütterung, die nicht mit einer lauten Explosion daher kommt, sondern einem leisen Beben gleicht, das die gewohnte Welt verschiebt.
Bakkers erster Jugendroman ist eine literarische Entdeckung und gehört zum Besten der diesjährigen Produktion. Es gelingt ihm aufzuwühlen, nachdenklich zu machen und von der ersten Zeile an in seine Geschichte hineinzuziehen, die mit dem Satz endet: „Wir müssen Marianne suchen”. (ab 13 Jahre)
GABRIELA
WENKE
GERBRAND BAKKER: Birnbäume blühen weiß. Aus dem Niederländischen von Andrea Kluitmann. Patmos Verlag 2001. 127 Seiten, 19,80 Mark.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
…mehr

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.12.2001

Mit geschlossenen Augen das Ziel finden
Meister der leisen Töne: "Birnbäume blühen weiß" von Gerbrand Bakker

Es war ein Unfall. Aber das ist kein Trost für den Vater, der am Steuer saß und das Fahrzeug von rechts nicht gesehen hatte. Ein Unfall, der das Leben der drei Brüder mit einem Schlag veränderte und für einen von ihnen nicht mehr lebenswert machte. Gerbrand Bakkers Geschichte hat kein glückliches Ende.

Überfordert man jugendliche Leser nicht mit dieser Tragödie einer Familie, die es auch vorher schon nicht leicht hatte? Gerard, der Vater, Rechtsanwalt von Beruf, ist nicht darüber hinweggekommen, daß ihn seine Frau mit einem anderen Mann verlassen hat und außer Postkarten aus Italien nichts von sich hören läßt. Die Söhne sind wütend auf ihre Mutter, fühlen sich alleingelassen und sehnen sich nach ihr.

Früher, das heißt vor dem Unfall, haben sie oft "Schwarz" gespielt. Es galt mit geschlossenen Augen ein Ziel zu finden. Für Gerson, den jüngeren Bruder, ist es nun kein Spiel mehr: Nachdem er tagelang bewußtlos im Krankenhaus gelegen hat, ist er als Blinder aufgewacht. Seine Zwillingsbrüder versuchen ihm zu helfen, wo sie nur können. Sie möchten ihn beschützen und teilnehmen lassen am Leben, dem er sich nicht mehr gewachsen fühlt. Abwechselnd erzählen sie, was in diesen Wochen seit dem Autounfall geschah: Gersons Krankengeschichte und wie sie beide versucht haben, ihren Bruder aus dem Koma zu wecken. Ihre Stimmen sind kaum zu unterscheiden. Die Zwillinge sind immer zusammen, waren nie allein, wie Gerson es jetzt viel mehr noch ist als zuvor. Als er im tagelangen Koma in seinem Bett lag, haben sie ihn gestreichelt, geküßt, haben ihm heimlich seinen Hund ins Krankenhaus gebracht und alles getan, was der verständnisvolle Krankenpfleger ihnen geraten hat.

Jetzt, nachdem er nach Haus zurückgekehrt ist, müßte der blinde Bruder selbst etwas tun, doch er zieht sich zurück, möchte nur in Ruhe gelassen werden, träumt davon, wie er "früher" die Blüten von Apfel- und Birnbäumen unterscheiden konnte. "Birnbäume blühen weiß" ist sein letzter Satz gewesen, bevor der Laster das kleine Auto zermalmte, bevor die Welt für ihn schwarz wurde. Nach Wochen fahren der Vater und seine Söhne noch einmal die Strecke entlang, wo das Unglück geschah. Vielleicht, so hoffen sie, wird es Gerson gelingen, die Wirklichkeit zu akzeptieren, vielleicht wird er sich in der liebevollen Obhut der Großeltern erholen und die ersten Schritte in die Selbständigkeit machen.

Doch sein erster Spaziergang allein mit dem weißen Stock, den einer seiner Brüder für ihn geschnitzt hat, endet in dem See nicht weit vom Haus seiner Großeltern. Erst am nächsten Tag wird er tot gefunden. Diesmal treffen die Schuldgefühle die ganze Familie, und die Frage, ob es ein Unfall war, läßt keine Entlastung zu.

Gerbrand Bakker hat sich mit seinem ersten Jugendroman als ein Meister der leisen Töne bewiesen. Dem schwierigen Thema ist er mit genauer Beobachtung, fast ohne Emotionen auszusprechen, gerecht geworden. Indem er die Brüder erzählen läßt, weckt er im Leser Anteilnahme und Betroffenheit. Ein Buch, das lange nachklingt. Es regt an, über Schuld, Versagen, Schicksal, Zufall oder Verhängnis nachzudenken.

MARIA FRISÉ.

Gerbrand Bakker: "Birnbäume blühen weiß". Aus dem Niederländischen übersetzt von Andrea Kluitmann. Patmos Verlag, Düsseldorf 2001. 126 S. , geb. l9,80 DM. Ab 12 J.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

""Ein Buch, das lange nachklingt", schreibt Rezensentin Maria Frise. Bakker habe sich mit seinem ersten Jugendroman als "ein Meister der leisen Töne" bewiesen. Erzählt wird die Geschichte dreier Brüder, von denen einer durch einen schweren Autounfall erblindet. Das blinde Kind stirbt am Ende, und wenn man die Rezensentin richtig versteht, bleibt offen, ob es ein Selbstmord war. Dem schwierigen Thema sei Bakker mit genauer Beobachtung, fast ohne Emotionen anzusprechen, gerecht geworden. Das Buch rege an, über "Schuld, Versagen, Schicksal, Zufall oder Verhängnis" nachzudenken. Maria Frise fragt aber auch, ob man jugendliche Leser mit dieser Familientragödie vielleicht überfordert.

© Perlentaucher Medien GmbH"