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Der Tourismus ist ein gewaltiger wirtschaftlicher Faktor weltweit, der zugleich auch einen bedeutenden kulturellen Aspekt hat. Religion im modernen Tourismus behandelt erstmals die Frage nach der Wechselbeziehung von Tourismus und Religion, der man bislang aus dem Weg gegangen ist, da Tourismus und Religion auf unserer mentalen Landkarte Gegenpole besetzen: Tourismus gilt als oberflächlicher Zeitvertreib, Religion hingegen als eine tiefgründige Begegnung mit dem Transzendenten. Doch der Zusammenhang ist offensichtlich. Religiöse Vorgaben beeinflussen das Reiseverhalten, religiöse…mehr

Produktbeschreibung
Der Tourismus ist ein gewaltiger wirtschaftlicher Faktor weltweit, der zugleich auch einen bedeutenden kulturellen Aspekt hat. Religion im modernen Tourismus behandelt erstmals die Frage nach der Wechselbeziehung von Tourismus und Religion, der man bislang aus dem Weg gegangen ist, da Tourismus und Religion auf unserer mentalen Landkarte Gegenpole besetzen: Tourismus gilt als oberflächlicher Zeitvertreib, Religion hingegen als eine tiefgründige Begegnung mit dem Transzendenten. Doch der Zusammenhang ist offensichtlich. Religiöse Vorgaben beeinflussen das Reiseverhalten, religiöse Organisationen nehmen gestalterischen Einfluß auf den Tourismus. Umgekehrt markiert die Besichtigung religiöser Stätten wie Klöster, Kirchen, Tempel, Stupas, Pyramiden oder Moscheen oft den Höhepunkt einer Reise. Religionen sind für den Tourismus ein unersetzliches Kapital. Zum globalen Thema der Migration gehört auch die permanente Kurzzeitmobilität, die den Tourismus kennzeichnet.Die 'Touristifizierung' religiöser Stätten stellt allerdings für diese Orte und ihre Institutionen eine große Herausforderung dar, wenn religiöse Stätten zu 'Touristenkirchen' oder religiöse Gruppen zu Touristenattraktionen werden, wie beispielsweise die Amische in den Vereinigten Staaten oder die Schamanen in Zentralasien und Südamerika. Neben religiösen Stätten im engeren Sinne begegnen religiöse Elemente auch an anderen Orten des Tourismus, in Themenparks oder 'Ferienparadiesen' und in der Rhetorik der boomenden 'Wellness'-Branche. Auch vergangene Religionen werden im Medium Tourismus wieder zugänglich; religiöse Motive und Symbole werden als Souvenirs mit nach Hause genommen.
Autorenporträt
Stausberg, MichaelMichael Stausberg, geboren 1966 in Köln, Professor für Religionswissenschaft an der Universität Bergen. Von 1996 bis 2000 Tätigkeit an der Universität Uppsala und von 2000 bis 2004 an der Universität Heidelberg. Forschungsschwerpunkte: europäische Religionsgeschichte und Geschichte der Religionswissenschaft, Zoroastrismus sowie Ritual- und Religionstheorien. Michael Stausberg ist europäischer Herausgeber der internationalen Fachzeitschrift Religion (Elsevier).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.07.2010

Ich bin dann mal spirituell unterwegs

Heute beginnt in einigen Bundesländern die Ferienzeit. Seit dem Bestseller "Ich bin dann mal weg" von Hape Kerkeling steht außer Frage, dass die Urlaubszeit eine Hochzeit der religiösen Erfahrung sein kann. Dass dies nicht nur für den Jakobsweg gilt, möchte der Religionswissenschaftler Michael Stausberg zeigen. Jede Besichtigung eines Gotteshauses, wie sie bevorzugt im Urlaub geschieht, ist eine Begegnung mit Religion, die nicht selten über den touristischen Anlass hinaus wirkt. Aber - so Stausberg - auch kräftezehrende Wanderungen können ähnlich asketische Züge wie eine Pilgerreise annehmen. Zur Wechselwirkung von Tourismus und Religion hat der Autor Beispiele aus aller Welt zusammengetragen, die er in einem materialreichen und kurzweiligen Buch bündelt (Michael Stausberg: "Religion im modernen Tourismus". Verlag der Weltreligionen, Berlin 2010. 231 S., geb., 24,80 [Euro]).

Die Hadsch der Muslime nach Mekka zeigt, dass Religion sogar zum Reisen verpflichten kann. Neben Pilgern und Wallfahrern kommen auch Bildungs- und Individualreisende mit Religion in Kontakt. Sakralbauten gehören Stausberg zufolge zu den beliebtesten Reisezielen: Die Kathedrale Notre-Dame als wohl meistbesuchte Attraktion Europas stelle hinsichtlich ihrer Besucherzahlen sogar das Pariser Disneyland in den Schatten. Für manche Besucher verkörperten die Gebäude unter säkularen Gesichtspunkten Ästhetik oder Geschichtsträchtigkeit, anderen dienten sie als Raum, in dem sie religiöse Riten vollzögen. Doch häufig seien beide Gruppen eben nicht strikt voneinander zu trennen. Denn manche Städtereisende besichtigten etwa das Museum Ludwig in Köln und bekreuzigten sich anschließend im Dom nebenan.

Das Prekäre am Verhältnis von Religion und Tourismus erläutert Stausberg anhand der nordindischen Stadt Pushkar. Dass die lokalen Priester wegen der Rucksackreisenden die Dauer der Rituale verkürzt und sie teilweise auf Englisch durchgeführt hätten, habe besonders unter Hindunationalisten Missfallen hervorgerufen. Sie seien um die Entweihung ihrer Religion besorgt gewesen. Andere Religionsgemeinschaften hingegen versuchen, sich den internationalen Tourismus zunutze zu machen. Anlässlich der Fußball-Weltmeisterschaft in Südkorea im Jahr 2002 hätten buddhistische Klöster Touristen dazu eingeladen, mehrere Tage bei ihnen zu verbringen und am Klosteralltag teilzunehmen. Der Besuch bei Religionsgemeinschaften könne zwar deren Musealisierung bewirken, sie andererseits aber auch in ihrer Selbstbehauptung stärken.

Beliebtestes Reiseziel der Deutschen sei Deutschland, ermittelte die BAT-Stiftung für Zukunftsfragen zu Beginn dieses Jahres. Spirituell unterwegs sein kann man auch hierzulande: Stausberg verweist auf ein Gemeinschaftsprojekt von christlichen Kirchen und dem Wirtschaftsministerium von Sachsen-Anhalt. Ziel ist, dem "spirituellen Potential" der Region Geltung zu verschaffen. Darin besteht Einigkeit. Was man aber unter dem inflationären Begriff Spiritualität, der sich zunehmend an die Stelle des Wortes Religiosität setzt, genau zu verstehen hat - das wissen die Götter.

JULIA LAUER

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 09.07.2010

Zu jedem schönen Urlaub gehört ein heiliger Ort
Pilgerwanderungen, Wellness-Tempel und die obligatorische Kirchenbesichtigung: Eine Studie zum Verhältnis von Tourismus und Religion
In Orlando, Florida, gibt es seit 2001 einen „Holy Land Experience Park“. Dieser Freizeitpark, ein evangelikales Konkurrenzangebot zur Disney World, wird folgendermaßen beschrieben: „Man findet dort eine Nachbildung des Jerusalemer Tempels, kann die Via Dolorosa bis zum Kalvarienberg entlangflanieren und sich gegenüber den Qumran-Höhlen einen Hot Dog oder eine Brezel schmecken lassen oder Getränke kaufen.“ In Deutschlands größtem Freizeitpark in Rust, zwischen Freiburg und Straßburg, ist eine komplette norwegische Stabkirche nachgebaut, „als eine Oase der Ruhe“, wie es im Prospekt heißt, „inmitten von quirliger Lebendigkeit zwischen Wildwasser-Rafting und Achterbahn“.
Selten präsentieren sich religiöse Inhalte und Bauten so direkt als touristische Angebote. Viel häufiger sind Begegnungen des heutigen Reisenden mit Orten des Glaubens, die gar nicht für den massenhaften Fremdenverkehr konzipiert wurden. Als man die alten Kirchen und Tempel baute, war das Konzept der Urlaubsreise, ein Produkt der modernen Arbeitswelt sowie moderner Transportmöglichkeiten, noch unbekannt. Die Freizeit bestand für die Menge der Menschen in Sonntagen und Feiertagen, und die verbrachte man zu Hause, von speziellen Wallfahrten und Pilgerreisen abgesehen. Heute aber strömt man in Flip-Flops in die christlichen Altarräume und die buddhistischen Pagoden, weil ein Besuch solcher Kultorte einfach zu schönen Ferien dazugehört. Und dies ganz unabhängig davon, wie beim Einzelnen kulturhistorisches Interesse und die Suche nach Erhabenheit gemischt sind, und ob er daheim im Alltag praktizierend religiös ist oder nicht. Rund sechs Millionen Menschen aus aller Welt besuchen pro Jahr jeweils Sacré-Cœur in Paris und den Kölner Dom. Und die Kathedrale Notre-Dame in Paris ist mit rund dreizehn Millionen Besuchern im Jahr „vermutlich die populärste Attraktion des Kontinents, knapp gefolgt von Disneyland Resort Paris“.
Doch die klassische Kirchenbesichtigung, bei der so viele Menschen auch ohne Kunstführer in der Hand ein inspirierendes ästhetisches Erlebnis erwarten, ist keineswegs der einzige Berührungspunkt von Tourismus und Religion. Es gibt beim „Ausspannen“ vom Arbeitsstress immer eine Flucht- und Besinnungskomponente, eine gewollte oder ungeplante außeralltägliche Sinnsuche, die zum Aufflackern religiös-meditativer Gefühle führen kann. Solches gilt schon für den Schwellencharakter jeder Reise, und bei vielen erst recht in ihrem Jahresurlaub, denn dieser ist ja kein Übergang im Leben, sondern ein Loch.
Es gibt die Jakobsweg-Mode im Gefolge entsprechender Bestseller von Paulo Coelho, Shirley Mac Laine und Hape Kerleling („. . . nimmt dir alle Kraft und gibt sie dir dreifach zurück . . .“) und die Faszination der Mönche in Tibet, es gibt Tänze, Prozessionen und sonstige Rituale als Sehenswürdigkeiten, in Andalusien, Nepal oder Oberammergau. Auch der Spa- und Wellness-Boom, der nicht mehr, wie einst das Seebad und die Kur, medizinisch begründet wird, lässt sich in (ersatz)religiösen Kategorien beschreiben: als Ritual von Askese und Luxus zugleich, mit spirituellen Reinigungen, Elementen fernöstlicher Glaubensrichtungen und „Tempeln“ der Erholung und des Kopffreikriegens. Und der Reformator Martin Luther, der noch zu Fuß nach Rom lief, ist aus der Sicht des zuständigen Wirtschaftsministeriums „eine der tragenden Markensäulen für den Tourismus in Sachsen-Anhalt“.
Der Verlag der Weltreligionen, der zum Teil selbst als eine Erscheinungsform der religiösen Tourismus bezeichnet werden kann, hat nun eine Studie über „Religion im modernen Tourismus“ herausgebracht. Der Autor, Michael Stausberg, lehrt Religionswissenschaft im norwegischen Bergen. Der Forscher kam auf das Thema, weil er sein Büro an verschiedenen Universitäten jeweils in der Nähe von Kirchen hatte, die gerne von Touristen besucht werden. Der Befund des Buches: „Eine zentrale religionsgeschichtliche Signifikanz des Tourismus besteht darin, dass er weltweit Menschen in Kontakt mit anderen Religionen oder Spielarten der eigenen religiösen Tradition bringt. Tourismus ist ein globales Forum punktueller und abgegrenzter Religionskontakte.“
Stausbergs Buch ist in der kulturellen Deutung und der historischen Erklärung ziemlich defizitär. Beispielsweise wird beim Wellness-Phänomen nicht auf die maßgebliche Gemengelage von Lebensreformbewegung, Körperkult und Kulturprotestantismus eingegangen, also die Welt zwischen Monte Verità und Schloss Elmau. Die beiden Grundthesen „Tourismus als Religionsersatz in der Säkularisierung“ und „Säkularisierung durch Tourismus“ werden zurückgewiesen, aber kaum durch eigene Gedanken ersetzt. Und als der Autor den Schlangentanz der Hopi-Indianer behandelt, wird Aby Warburg mit seinen Studien darüber nicht einmal erwähnt. Dünn sind auch die Bemerkungen zur Kulturreligion, die den bürgerlichen Tourismus stark geprägt haben: Die Kultur wird sakralisiert, während zugleich das Sakrale zum Kulturgenuss wird.
Wenn dieses Buch also in der Analyse eher schwach ist, so ist es doch eine hochinteressante Bestandsaufnahme, passend zur Reisezeit. Aufschlussreich ist, was der Autor von einer „Touristifizierung“ der Wallfahrten und einer „Verwallfahrtung“ des Reisens berichtet. Das vorrangig religiös motivierte Reisen nutzt die Mechanismen des seit Thomas Cook entwickelten Massentourismus: Da finden sich Pauschalfahrten nach Mekka; Luxusrestaurants während der Pilgerwanderung; jüdische Kreuzfahrten oder jüdische Single-Reisen; spezialisierte Anbieter für den protestantischen Israel-Tourismus; eigene Magazine der christlichen Tourismusbranche in den USA wie Going on Faith oder Travel with Spirit; Hotels für Muslime, ohne Alkoholausschank und mit Geschlechtertrennung im Spa. Natürlich ist im Pilgern, nach Rom etwa, überhaupt einer der Ursprünge des Fremdenverkehrs zu suchen (Bildungsreisende sind seit der Renaissance und besonders seit dem 18. Jahrhundert hinzugekommen); aber der moderne Massentourismus hat ihm doch, allein schon logistisch, einen völlig neuen Charakter gegeben.
Umgekehrt hat der vorrangig säkulare Tourismus nicht nur allerlei Religionskontakte – auch in Museen –, sondern er geht auch auf spezifische Erfahrungen des Andersseins aus, die unter dem sehr unangenehmen Wort „Spiritualität“ laufen. So erfreut sich der Schamanen-Tourismus so großer Beliebtheit, dass die Bereitstellung „echter“ Schamanen gar nicht hinterherkommt. Man sucht sogenannte Kraftorte auf und wähnt sich gleichgestimmt mit den indigenen Kulturen: Machu Pichu in Peru, die Pyramiden von Yucatán in Mexiko, den Ayers Rock in Australien, Stonehenge in England . . . Auch der Besinnungstourismus temporärer Klosterbesuche ist so ein Phänomen.
Doch ob Touristen die „Energie“ heiliger Orte auf sich wirken lassen oder nur Sightseeing treiben – all das bringt nicht bloß erhebenden Austausch und Bereicherung, sondern auch Konflikte. Die Einheimischen, ob Katholiken oder Hindus, sind gespalten: Sie profitieren vom Geld der Besucher, fürchten aber die Disneyfizierung ihres Glaubens und ihrer Tradition. Verhalten und Kleidung der Besucher schaffen Probleme; soll man Fotos zulassen, Eintrittsgeld nehmen? Und wie hält man einen „normalen“ Ritus aufrecht, wenn man von Schaulust umstellt ist? Und, allgemeiner gefragt angesichts der Kulturkonflikte unserer Zeit: Liegt die Toleranz in der Einfühlung oder gerade auch im Nichtverstehen? Das Buch von Michael Stausberg, das nicht das Schlusswort der Forschung zum Thema ist, macht empfänglich für diese Fragen. Und nun gute Reise – so Gott will. JOHAN SCHLOEMANN
MICHAEL STAUSBERG: Religion im modernen Tourismus. Verlag der Weltreligionen im Insel Verlag, Berlin 2010. 230 Seiten, 24,80 Euro.
Wir nehmen einen Hot Dog an den
Qumran-Höhlen und strömen in
Flip-Flops in die Notre-Dame
Zwischen Sightseeing und Sinnsuche: Der Ferienreisende verlangt Einlass in die Geheimnisse von Kirchen und Tempeln. Oben: Die Liebfrauenkirche in Antwerpen, unten: Massenfertigung von Buddha-Statuen in Sri Lanka. Fotos: Bildagentur-online/TIPS-Images, Abbas/Magnum Photos/Agentur Focus
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Keine Frage, Johan Schloemann hat seine Vorbehalte gegenüber diesem Buch des Religionswissenschaftlers Michael Strausberg. Die Korrelationen zwischen Religion und Tourismus vermag ihm der Autor nur ungenügend kulturell und historisch zu deuten. So vermisst Schloemann weiterreichende Hinweise zur Lebensreformbewegung, zu Aby Warburg und zur Kulturreligion. Findet der das Buch an eigenen Gedanken und Analysen eher schwach, so bleibt dem Rezensenten dennoch, eine "hochinteressante" Bestandsaufnahme zu loben, die passend zur Reisezeit erscheint und ihm vom protestantischen Israel-Tourismus bis zu Schamanen-Ferien Aufschlussreiches über religiös motiviertes Reisen, seine Bereicherungen und seine Konflikte, zu berichten weiß.

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