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"Wir haben alle eine - merken es aber erst, wenn wir uns am liebsten draufbeißen würden." (Mithu Sanyal) Florian Werner ergründet in seinem Portrait "Die Zunge" bekannte und unbekannte Facetten dieses Körperteils.
Sprechen, Schmecken, Lecken, Küssen, Zeigen: Die menschliche Zunge ist der soziale Muskel schlechthin. Wer aber respektiert werden will, sollte sie im Zaum halten. Fast könnte man meinen, dass wir diesem Organ, das so zentral ist für unsere Weltbeziehung, misstrauen. Als wäre die Zunge ein Wesen mit eigenem Willen - unberechenbar wie die Schlange, die eine gespaltene Zunge hat.…mehr

Produktbeschreibung
"Wir haben alle eine - merken es aber erst, wenn wir uns am liebsten draufbeißen würden." (Mithu Sanyal) Florian Werner ergründet in seinem Portrait "Die Zunge" bekannte und unbekannte Facetten dieses Körperteils.

Sprechen, Schmecken, Lecken, Küssen, Zeigen: Die menschliche Zunge ist der soziale Muskel schlechthin. Wer aber respektiert werden will, sollte sie im Zaum halten. Fast könnte man meinen, dass wir diesem Organ, das so zentral ist für unsere Weltbeziehung, misstrauen. Als wäre die Zunge ein Wesen mit eigenem Willen - unberechenbar wie die Schlange, die eine gespaltene Zunge hat.
"Die Zunge" beschreibt dieses Organ erstmals in seiner ganzen Komplexität: als Sprachinstrument und Geschmacksorgan, als erogene Zone und obszönes Zeichen, als Gegenstand von Literatur, Musik, Kunst, Film und Werbung. Florian Werner setzt diesem unterschätzten Körperteil endlich das Denkmal, das er verdient.
Autorenporträt
Florian Werner, 1971 geboren, ist promovierter Literaturwissenschaftler und Autor. Er schreibt erzählende Sachbücher und Prosa, lehrt an der Hochschule der Künste in Bern und arbeitet für den Hörfunk. Seine Werke wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt und mehrfach ausgezeichnet. Bei Hanser Berlin erschien zuletzt "Die Raststätte. Eine Liebeserklärung" (2021). Er lebt mit seiner Familie in Berlin.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.11.2023

Sie hat Boris Becker verraten

Herzlich willkommen im Glossozän: Florian Werner untersucht die biologische und kulturelle Rolle der Zunge in einem lesenswerten Porträt.

Ein Jahrzehnt ist es her, dass Giulia Enders' Sachbuch "Darm mit Charme" auf den internationalen Bestsellerlisten stand. Allerdings hatten sich abseits der leicht verdaulichen populärmedizinischen Ratgeber schon lange Kulturgeschichten einzelner Körperteile etabliert. Analysen von Ohren oder Händen, wissenschaftliche Aufsätze zu Gesäß oder Haut sowie Museumsausstellungen über den Tastsinn zeugen vom ungebrochenen Interesse daran, wie wir unsere Leiblichkeit in der Welt erleben.

Jetzt ist die Zunge dran. Der Literaturwissenschaftler Florian Werner hat diesem Muskel ohne Knochen und Knorpel ein Porträt gewidmet, in dem es gleichermaßen um biologische Grundlagen und kulturelle Darstellungen geht. Die Zunge, das wird schnell klar, ist allgegenwärtig und ausgesprochen vielseitig. Sie ist Teil des Mundraums, kann den Körper aber bei Bedarf verlassen. Sie erlaubt Genüsse beim Essen oder erotischer Art - und gilt daher immer als leicht vulgär. Sie verleiht uns die Fähigkeit zu sprechen und verbindet uns zugleich anatomisch mit Tieren, "mit sabbernden Hofhunden, Fliegen fangenden Fröschen oder Katzen, die mit der Zunge das kotverschmierte Fell ihres Nachwuchses saubermachen".

Zungen sind ausgesprochen unattraktiv, mit einer Oberfläche, die sich "zwischen Krötenhaut und nass gewordenem Schmirgelpapier" bewegt. Doch ihre Erscheinungsformen - diejenige der Giraffe misst ganze fünfzig Zentimeter - und die Fähigkeit der auf ihrer Haut angesiedelten Papillen und der darin enthaltenen Geschmacksknospen, verschiedene Aromen zu erkennen, ist so faszinierend wie im Zweifelsfall lebensrettend: Eine möglicherweise giftige Speise kann im letzten Moment erkannt und wieder hinausbefördert werden.

Werner betrachtet tierische und menschliche Zungen im Wechsel und schließt an die Erkenntnisse der derzeit prominenten Sinnesgeschichte an, die die kulturelle Prägung des Körpers betont, ohne die biologischen Grundlagen zu verleugnen. Es ist angenehm, dass der Autor dabei nur sparsam auf Pierre Bourdieu zurückgreift, dessen soziologische Studien über den Geschmack als Mittel der feinen sozialen Unterschiede sonst oft als erschöpfende Theorie for all things tasteful dienen.

Das Buch ist kurz und gerät doch an einigen Stellen zu lang. Die Freude des Autors an seinen Beispielen aus der Populärkultur überträgt sich nicht immer auf das Publikum. Inhaltsangaben von Filmen, die nicht jeder gesehen hat, oder Beschreibungen von Werken, die nicht abgebildet sind, stören den Lesefluss. Dass das Innere des Körpers lange als Entsprechung der Unterwelt gelesen wurde, lässt sich zwar anhand von zahlreichen Quellen gut nachzeichnen: Frühneuzeitliche Menschen in Not verschwinden im Rachen von Ungeheuern, der biblische Prophet Jesaja spricht vom Totenreich, das seinen Schlund weit aufgesperrt habe. Aber dann wird es doch schnell recht wild, wenn der Autor schreibt, der Mundraum gleiche "dem Höllenrachen", nämlich "als Eingangstor zu diesem Schreckensreich, wobei die Zunge wie ein feuerroter Teppich fungiert, der ausgerollt wird, um die Sünder in den endzeitlichen Abgrund rutschen zu lassen".

Gelegentlich lässt sich Werner, dessen vorangegangene Bücher zur Weisheit von Vögeln oder "Elternschaft als philosophisches Abenteuer" Zeugnis für seine Beschäftigung mit Mensch, Tier und Umwelt ablegen, von der Begeisterung über sein Thema mitreißen. Ob die Zunge tatsächlich das "orale Erhabene" verkörpert, das den Menschen schier überwältigt, darf man bezweifeln: "Die Machtlosigkeit, die wir gegenüber unserer Zunge empfinden, versinnbildlicht im Kleinen den Mangel an Einfluss, den wir im nationalen und erst recht globalen Maßstab in Bezug auf politische, ökonomische und ökologische Prozesse erfahren." Kurz: Wir lebten in nichts anderem als dem "Zeitalter der Zunge", dem Glossozän.

In diesem Fall ist solch eine Überhöhung unnötig, denn die Zunge ist, wie der Autor eindrücklich zeigt, ein fesselnder Muskel. Sie kann lecken, schlabbern, saugen, schmatzen, schnalzen oder klicken. Sie kommuniziert nicht nur in Sprachen, sondern auch in sozialen Codes. Rausgestreckt gilt sie als Auflehnung gegen Konventionen oder als Beleidigung.

Für Andre Agassi war die Zunge seines Gegners sogar ein spielentscheidender "Vektorpfeil in die Zukunft": Er las an Boris Beckers Zunge, die den Mund des Tennisstar zuverlässig beim Aufschlag in verschiedene Richtungen verließ, erfolgreich die Bahn des Balles ab. Welche Effekte der Umgang mit Zungen selbst nur in der Beschreibung auslösen kann, zeigt sich im Kapitel "abschneiden". Ob herausgerissen oder abgesäbelt - die verschiedenen Arten, antike Christen, nordamerikanische Sklaven oder heutige Opfer von Krieg und Verbrechen zu verstümmeln, lassen den Leser zusammenzucken.

Die Zunge, schreibt Werner, ist ein körperliches und soziales Phänomen, oft übersehen, aber bereits vor der Geburt essenziell für unsere Selbstvergewisserung in der Welt: Babys nuckeln schon im Mutterleib am Daumen oder nippen am Fruchtwasser. Sie ist zugleich eminent politisch, sei es, weil sie durch ihre Präsenz beim Lachen Armin Laschet möglicherweise die Kanzlerschaft kostete, sei es, weil der türkische Präsident noch 2022 erklärte, wer den Propheten Adam beleidige, verdiene es, die Zunge herausgerissen zu bekommen. KERSTIN MARIA PAHL

Florian Werner: "Die Zunge". Ein Portrait.

Hanser Berlin Verlag, Berlin 2023. 224 S., geb., 24,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensentin Kerstin Maria Pahl liest Florian Werners Buch über die Zunge mit gemischten Gefühlen. Einerseits findet sie das Thema spannend, die Zunge scheint ihr ein hinreichend vielseitiges Organ mit allerhand kulturellen, sozialen und politischen Implikationen zu sein, denen sich unterhaltsam nachspüren lässt. Andererseits treibt es der Autor ihr oft zu wild, so wenn er sich hinreißen lässt zu Spekulationen über die Zunge als roter Teppich zum Höllenschlund etc. Ob wir wirklich im Glossozän leben, möchte Pahl bezweifeln. Fesselnd ist die Zunge auch ohne solche Überhöhungen, findet sie.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Ein amüsantes, kluges, gut recherchiertes Buch." Nele Pollatschek, ZDF Literarisches Quartett, 01.12.23

"Lesenswert ... Die Zunge ist, wir Florian Werner eindrücklich zeigt, ein fesselnder Muskel." Kerstin Maria Pahl, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10.11.23

"Ein unverwechselbarer Werner, zwischen Kulturgeschichte und Phänomenologie. Barocklyrik trifft Hiphop, Weinprobe trifft Zungenkuss. Beim Lesen läuft das Wasser im Mund zusammen." Richard Kämmerlings, Welt am Sonntag, 15.10.23

"Zum Lobe von Florian Werners Buch über Zungen müsste man in Zungen reden ... Florian Werner versteht es, aus oft dröger Natur- bis Kulturwissenschaft in subtilen Tiefenbohrungen und verblüffenden Konstellationen Kurzweil mit Langzeitwirkung zu erzeugen. Nicht zuletzt nimmt für ihn ein, dass er weder mit Einstein noch den Rolling Stones ins Haus fällt, sondern sich bis gegen Mitte des Buches zurückhält. Ein Werk von delikatem Geschmack!" Erhard Schütz, Der Freitag, 07.12.23

"Bemerkenswert ist, wie Florian Werner aus den ambivalenten Aspekten dieses Muskels eine Zeitbeobachtung macht." Andreas Platthaus in der Jury des Bayerischen Buchpreises, 07.11.23

"Jedes Phänomen kann sich glücklich schätzen, wenn Florian Werner sich seiner annimmt. ... Ich bin ziemlich beeindruckt." Cornelius Pollmer in der Jury des Bayerischen Buchpreises, 07.11.23

"Wer dieses Buch liest, entdeckt sie plötzlich überall: die Zunge und ihre verborgene Bedeutung für unsere Kultur." Marie Schoeß, BR, 07.09.23

"Florian Werner gelingt der Spagat zwischen Cocktailparty-Wissen und ernsthafter Gegenwartsanalyse und verleiht dem Buch eine Sinnlichkeit, die ihresgleichen sucht." Julie Metzdorf, BR2, 08.10.23

"Überaus lesenwert .. Ist man erst einmal mit Florian Werner in das dunkle Reich des menschlichen Muskels, seiner Fähigkeiten und vielfältigen Bedeutungen eingetaucht, meint man, nicht nur anders zu schmecken, sondern auch dem eigenen Sprechen und den Worten der anderen auf neue Weise nachzuhorchen." Harry Nutt, Frankfurter Rundschau, 19.11.23

"Florian Werner ist ein glänzender Stilist. Er schreibt nicht nur sehr klar, verständlich und elegant, ... er versteht es, mit Sprache zu spielen. ... Dieses Buch ist ein Genuss: Es entsteht kein Moment von Langeweile." Josef König, Gehirn und Geist Magazin, 01.03.24

"Florian Werner ist ein glänzender Stilist. Er schreibt nicht nur sehr klar und elegant, er versteht es auch, mit Sprache zu spielen. Dieses Buch ist ein Genuss!" Josef König, Spektrum der Wissenschaft, 11.11.23

"Ein glossolal kolossales Buch. Passioniert schreibt Werner über die diversen Eigenschaften der Zunge." Alexander Kluy, Der Standard, 06.01.24

"Eine mit lockerem Zungenschlag und Verve formulierte Ode an ein eigenwilliges Körperteil. ... Das originellste Werk, das diesem Körperteil je gewidmet wurde." Juliane Fischer, Falter, 11.10.23

"Auf der Zunge trifft die Materialität der körperlichen Lautproduktion auf die menschliche Sprachfähigkeit, das Lallen auf den Logos. Florian Werner verbindet beides in einem sehr körperlichen Schreiben, das sich kunstvoll auf die Glitschigkeit seines Untersuchungsgegenstands einlässt." Lea Wintterlin, Philosophie Magazin, 07.09.23

"Von der Doppelzüngigkeit über die erotische Komponente bis hin zur Frage, wie sehr Geschmack als Distinktionsmerkmal genutzt wird, liefert Werner eine kenntnisreiche, unterhaltsame und immer überraschende Ode an ein komplexes, wundersames Organ." Stefanie Jaksch, Buchkultur, 12.10.23
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