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"Ein Kaleidoskop aus Menschenschicksalen." Guardian
Warum bricht es einem Vater fast das Herz,als er auf seiner wöchentlichen Einkaufstour eine Packung Fusilli in den Wagen legt? Was geht einem Zwölfjährigen durch den Kopf, bevor er seiner Mutter das Küchenmesser klaut? Was hält eine junge Ehefrau davon ab, das beste Hemd ihres Mannes zu waschen?
Es sind Alltagsszenen, fragile Augenblicke und Gefühle, die Graham Swift in den 25 Erzählungen dieses Bandes mit klarer Sprache ertastet wie Gebilde aus sehr dünnem Glas. Vor dem Hintergrund großer gesellschaftlicher Ereignisse und Veränderungen
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Produktbeschreibung
"Ein Kaleidoskop aus Menschenschicksalen." Guardian

Warum bricht es einem Vater fast das Herz,als er auf seiner wöchentlichen Einkaufstour eine Packung Fusilli in den Wagen legt? Was geht einem Zwölfjährigen durch den Kopf, bevor er seiner Mutter das Küchenmesser klaut? Was hält eine junge Ehefrau davon ab, das beste Hemd ihres Mannes zu waschen?

Es sind Alltagsszenen, fragile Augenblicke und Gefühle, die Graham Swift in den 25 Erzählungen dieses Bandes mit klarer Sprache ertastet wie Gebilde aus sehr dünnem Glas. Vor dem Hintergrund großer gesellschaftlicher Ereignisse und Veränderungen - Krieg, Wirtschaftsaufschwung, Krise - sind es die scheinbar unbedeutenden, fast beiläufigen Begebenheiten, die Duldsamkeit ein Ende setzen, Aufbruch verheißen, Lebenswegen eine neue Richtung geben. Swift erfasst mit seiner Prosa seismografisch genau Veränderungen und spürt der Frage nach, was ein Menschenleben vor dem Zerbrechen bewahrt, was ein Land zusammenhält.
Autorenporträt
Swift, Graham
Graham Swift, geboren 1949 in London, wo er auch heute lebt. Nach dem Studium in Cambridge arbeitete er zunächst als Lehrer. Seit seinem Roman 'Wasserland', der mit Jeremy Irons verfilmt wurde, zählt er zu den Stars der britischen Gegenwartsliteratur. 'Letzte Runde', wurde 1996 mit dem Man Booker-Prize ausgezeichnet und, hochkarätig besetzt, von Fred Schepisi verfilmt. Zuletzt erschien der hochgelobte Erzählungsband 'England und andere Stories'. 'Ein Festtag', in siebzehn Sprachen übersetzt, wurde enthusiastisch als sein herausragendes Werk gefeiert und auf Anhieb ein internationaler Bestseller.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 04.06.2016

LITERATUR
Privat und alle Kassen
Graham Swift ist wie ein guter Arzt für seine Figuren da: In seinen neuen Erzählungen versammelt er England zum Gruppenbild
Woran liegt es, dass die Figuren, denen der Leser in diesem Buch begegnet, sich am Ende zu einem Gruppenporträt zu formieren scheinen, das ihn lange nicht loslässt? Sie kennen einander doch gar nicht, stammen aus 25 verschiedenen Erzählungen, manche leben in London, andere irgendwo an einer Küste, die einen erleben den Ersten Weltkrieg, den Great War, die anderen den Zweiten, und was kann William Harvey, der Arzt aus dem 17. Jahrhundert, schon von den Glasfassaden der Hochhaustürme wissen, deren Schatten im frühen 21. Jahrhundert über die Docklands und das Leben des kleinen, kompakten Fensterputzers Charlie Yates fällt?
  „England und andere Stories“ heißt das Buch, dem diese Figuren entstammen, fast alle sind Engländer, aber keine winkt dem Leser mit dem bekannten Fähnchen zu, auf dem „Englishness“ steht. Sie sind Engländer mit derselben Selbstverständlichkeit, mit der sie Juristen oder Geschäftsleute, Schüler, Pfarrer oder Lehrer sind. Manche erleben große, manche erleben kleine Katastrophen, manche gehen durch Ereignisse, die nur kurz aufschäumen und dann wieder abebben im Gleichmaß des Alltags, manche haben am Ende einer Erzählung keine Zukunft mehr.
  Graham Swift, geboren 1949 in London, hat neun Romane geschrieben – für „Last Orders“ („Letzte Runde“, 1996) erhielt er den Booker Preis –, auch einen Essayband, gerade ist in England „Mothering Sunday“ mit dem Untertitel „A Romance“ erschienen. „England und andere Stories“ ist ein Höherpunkt in seinem Werk. In einem Gruppenporträt hält das Licht die Figuren zusammen, oft sieht man ihnen die Berufe an, denen sie nachgehen, der Raum, in dem sie stehen, die Requisiten, die daliegen, all das gehört zu ihnen. So ist es auch hier. Die gelassene Prosa, die kleinen Eigenheiten und Routinen, etwa das Joggen am Sonntagmorgen oder eine Berührung zwischen Paaren notiert, übernimmt die Rolle des Lichts. Im Ton des beiseite Gesprochenen entwirft sie den Handlungsraum, in den sie die Figuren stellt: „Jetzt waren sie verheiratet, und man hatte ihnen gesagt, sie sollten ihr Testament machen, als wäre das der nächste Schritt im Leben, und deshalb gingen sie eines Tages zu einem Notar, einem Mr. Reeves. Er war anders, als sie erwartet hatten. Er hatte eine leise Stimme, Silberhaar und eine gütige Art.“
  Die Beschwörungsformel, die diese Erzählung im Titel trägt – „Vergiss dies nie!“ –, gerät zwischen eine Formalie, das Testament, und einen nie abgeschickten Liebesbrief, über den das Leben hinweggeht. Und ein schwarzer Schirm weiß nicht recht, ob er an Fledermausflügel und eine Beerdigung, also den Tod, erinnern soll, oder an den gestrafften Stoff enger schwarzer Frauenröcke, also an Sex. Es treten überhaupt bei Graham Swift den Figuren häufig die Dinge und Requisiten an die Seite, wie in der Erzählung „Messer“, die auf wenigen Seiten eine Situation einfriert, die nicht preisgibt, worauf sie zuläuft: Ein zwölfjähriger Junge steht in der Küche vor der offenen Schublade mit dem Messer, während seine Mutter im Schlafzimmer nebenan Sex mit dem Geliebten hat. Ein Messer, ein Junge, Geräusche im Haus, Geräusche auf der Straße, abgerissene Erinnerungen – mehr braucht Swift nicht, um eine Innenwelt lebendig werden zu lassen.
  Als Zufallsbekanntschaften treten dem Leser diese Figuren vor Augen, und die nuancierte Vielfalt, in der das geschieht, hat mit der Aufmerksamkeit zu tun, die Graham Swift ihren Berufen zuwendet: ob er einen Architekten das Standardmodell des Ehebruchs mit einer polnischen Haushaltshilfe bei abwesender, aber geliebter Ehefrau wie eine missglückte Bauzeichnung ausführen lässt, oder der schlichte Fensterputzer aus East London durch die Glasfassaden der Finanzindustrie in den Docklands reich wird, die seinen Sohn verschlingen wird. Und wenn in „Ich lebe allein“ ein Mann, der vor nicht allzu langer Zeit seine Frau verloren hat, erfährt, dass er selber nicht mehr lange zu leben hat, wird der Clinch zwischen den inneren Turbulenzen, die das auslöst, und der Fassung, die gewahrt werden will, durch den Umstand befördert, dass hier dem Arzt ein Jurist und erfahrener Scheidungsanwalt gegenübersitzt, ein Experte im Abfedern von Lebenskrisen.
  Es gibt hier nicht eine Erzählerstimme, die alle 25 Stücke des Bandes beherrscht und wie Perlen auf einer Schnur aufreiht. Immer wieder tauchen Ich-Erzähler auf, männlich wie weibliche, und manchmal haben ihre Berufe mit dem Erzählen zu tun. Das gilt vor allem für den Friseur, der in „Leute sind Leben“ keine rechte Lust hat, allzu genau der traurigen Geschichte seines Stammkunden zuzuhören, der immer bei seinen Eltern gelebt hat.
  Graham Swift gehört der Nachkriegsgeneration an. Vielleicht stehen darum in diesen Erzählungen über England die Kriege des zwanzigsten Jahrhunderts so selbstverständlich neben den Friseurgeschichten und Alltagsuntiefen, von den Shell shocks des Ersten Weltkriegs bis zum Supermarkt, in dem in der Geschichte „Fusilli“ der letzte Anruf seines in Afghanistan stationierten Sohns einen Vater vor dem Nudelregal erreicht: „Diese kleinen Dinger, die wie Spiralen aussehen.“
  Wer über England im 20. und 21. Jahrhundert erzählt, muss der nicht vom Ende des Empire erzählen? Graham Swift verweigert mit großem Gewinn alles Enzyklopädische, Panoramatische. Aber er hat die moderne englische Gesellschaft genau im Blick. Er erzählt von Soldaten, die sich im Zweiten Weltkrieg weigerten, sich von einem indischen Arzt behandeln zu lassen, von indischstämmigen Kardiologen, die nie in Indien waren, von einer verwirrten alten Polin, die sich an den Luftkrieg erinnert, und in der Titelerzählung, die ganz am Ende steht, trifft Kenneth, der bei der Küstenwache arbeitet, auf einen seltsamen Unglücksvogel mit dunkler Hautfarbe, der die eigene Existenz in seltsame Schwingungen versetzt.
  Die Erzählung, die am weitesten zurückreicht, ist ein Brief. Der Entdecker des Blutkreislaufs, William Harvey, schreibt ihn am 7. Februar 1649, gut eine Woche nach der Hinrichtung des Königs Charles I., dessen Arzt und Freund er war. Der Brief ist nicht nur die Abbreviatur eines historischen Romans über den Konflikt zwischen Krone und Parlament, über England und Europa. Was der Arzt über die Anatomie sagt, charakterisiert zugleich die Kunst des Erzählens: „Die Anatomie kennt keine Unterschiede“, schreibt Harvey an seinen Cousin, der geholfen hat, den König aufs Schafott zu bringen, „ich habe Verbrecher seziert und Könige untersucht. Ich bin Arzt, Ned, ich muss unterschiedslos für jeden da sein.“
  Graham Swift ist unterschiedslos für jede seiner Figuren da, er sinnt wie William Harvey dem Verlauf des Blutes nach, horcht auf die Schläge der Herzen, findet sehr viel heraus, was es womöglich überall auf der Welt gibt, aber wer diese Erzählungen gelesen hat, kehrt, wenn er das Buch aus der Hand legt, aus England zurück.
LOTHAR MÜLLER
Wer diese Geschichten
gelesen hat, ist eine
Zeit lang in England gewesen
          
  
  
Graham Swift: England
und andere Stories.
Aus dem Englischen
von Susanne Höbel.
dtv, München 2016.
304 Seiten, 21,90 Euro. E-Book 18,99 Euro.
Erzählt von England, ohne das Fähnchen der Englishness zu schwenken: Graham Swift.
Foto: Verlag
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Thomas David macht sich auf einen Spaziergang mit dem Autor Graham Swift durch das heutige London. Was dabei über den jetzt auf Deutsch vorliegenden Band mit Erzählungen herausspringt, ist allerdings mager. Die 25 Kurzgeschichten eines der bedeutendsten Erzähler der britischen Gegenwartsliteratur, wie Thomas David Swift nennt, beeindrucken den Rezensenten mit intimen Momenten aus dem Leben der "gewöhnlichen Leute", mit ihren Gefühlen und Gedanken und mit Alltagseindrücken, die in ihrer Gesamtheit laut David ein faszinierendes Kaleidoskop der Conditio humana ergeben.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.05.2016

Der Griff zum Küchenmesser

Filme nach seinen Romanen "Waterland" und "Letzte Runde" haben Graham Swift auch bei uns bekannt gemacht. In England zählt er zu den besten zeitgenössischen Schriftstellern, gleichrangig mit so subtilen Autoren wie Ian McEwan oder Julian Barnes. Mit Kurzgeschichten hat Swift begonnen und diese konzentrierte Form der Literatur zu höchster Meisterschaft entwickelt. Der neue Band "England und andere Stories" bestätigt seinen Ruhm als Seismograph des Lebensgefühls der kleinen Leute aus den Vororten Londons und anderer Städte. Seine Protagonisten sind Dachdecker, Friseure, einfache Soldaten, Hausfrauen. Auch ein indischer Arzt ist dabei, der lakonisch feststellt, dass seine britische Staatsangehörigkeit keineswegs rassistische Vorurteile ihm gegenüber aufgehoben hat.

Es sind Einblicke in Alltägliches, aber auch manchmal in außerordentliche Situationen, in denen sich die Zerbrechlichkeit einer Beziehung oder die Verlässlichkeit einer Freundschaft zeigen. Das Weltgeschehen, Krieg und Todesnähe bilden den angstmachenden Hintergrund anfangs harmlos erscheinender Begebenheiten. Den Spannungsbogen dehnt Graham Swift oft bis zum Zerreißen, und nicht selten überlässt er es sogar dem Leser, das Ende selbst zu finden. So in der Geschichte eines Zwölfjährigen, der, gepeinigt von Geräuschen im Nebenzimmer, in dem sich seine Mutter mit einem ihrer Liebhaber vergnügt, nach dem Küchenmesser greift.

Auf einem Dutzend Seiten gelingt es Graham Swift, ein ganzes Leben zu erahnen und teilzunehmen am Wendepunkt eines Schicksals. Männer im vorgerückten Alter, kurz vor oder nach der Pension sind es vor allem, die Bilanz ziehen und vergeblich versuchen, ihrer Einsamkeit zu entfliehen. Oft sind sie verwitwet. Nein, heiter sind Swifts Kurzgeschichten selten. Aber sie sind auch nie zynisch oder spöttisch. "Look, I'm in the same boat", hat der Autor einmal in einem Interview gesagt. Es gelingt ihm nicht nur Mitgefühl zu wecken, er nimmt seine Leser in diesem Boot mit. Das ist sein Geheimnis.

MARIA FRISÉ.

Graham Swift: "England und andere Stories".

Aus dem Englischen von Susanne Höbel.

dtv Verlagsgesellschaft, München 2016.

304 S., geb., 21,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"Es sind sehr beeindruckende Geschichten, tolles Handwerk, große Kunst."
Hans Helge Ott, Radio Bremen 09.05.2016