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Als der Sommer 1914 mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs ein jähes Ende findet und lauter nationalistischer Jubel die pazifistischen Stimmen überdröhnt, zeigt sich Romain Rolland, dessen 150. Geburtstag 2016 begangen wird, von euphorischem Überschwang wie hasserfüllter Hysterie unbeeindruckt. Vom Kriegsausbruch in der Schweiz überrascht, bleibt er bewusst dort, arbeitet ehrenamtlich beim Roten Kreuz und steht - wie seine legendäre Schrift - "Über dem Getümmel". Alsbald scheiden sich an ihm die Geister: Als Symbolfigur wird er entweder aufs schärfste bekämpft oder respektvoll verehrt. Ein…mehr

Produktbeschreibung
Als der Sommer 1914 mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs ein jähes Ende findet und lauter nationalistischer Jubel die pazifistischen Stimmen überdröhnt, zeigt sich Romain Rolland, dessen 150. Geburtstag 2016 begangen wird, von euphorischem Überschwang wie hasserfüllter Hysterie unbeeindruckt. Vom Kriegsausbruch in der Schweiz überrascht, bleibt er bewusst dort, arbeitet ehrenamtlich beim Roten Kreuz und steht - wie seine legendäre Schrift - "Über dem Getümmel". Alsbald scheiden sich an ihm die Geister: Als Symbolfigur wird er entweder aufs schärfste bekämpft oder respektvoll verehrt. Ein Echo-Raum dieser Stimmen ist Rollands Tagebuch der Kriegsjahre, das auf einzigartige, vielschichtige und vielstimmige Weise die Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts dokumentiert. Erstmals erscheint nun eine Auswahl aus den weit über 2000 Seiten umfassenden Aufzeichnungen des Nobelpreisträgers von 1915.
Autorenporträt
Romain Rolland (1866 –1944) war Schriftsteller, Dramatiker, Essayist, Biograf und Musikkritiker. Berühmt wurde er mit seinem zehnbändigen, in den Jahren 1904 bis 1912 erschienenen Roman „Jean-Christophe". 1916 wurde ihm – rückwirkend für 1915 – der Nobelpreis für Literatur verliehen, als Anerkennung für den hohen Idealismus seines dichterischen Werkes und für die Wärme und Wahrhaftigkeit, mit der er die Menschen in ihrer Verschiedenartigkeit dargestellt hat.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Jeder Gymnasiast sollte die Tagebücher des französischen Pazifisten Romain Rolland lesen - auch in dieser abgespeckten Version, die ein Auszug aus der 3-teiligen deutschen Ausgabe von 1963 ist, erklärt Rezensent Thomas Laux. Er ist tief beeindruckt von Rollands Haltung. Der Schriftsteller, der vom Ausbruch des Ersten Weltkrieges in der Schweiz überrascht wurde und dort blieb und für das Rote Kreuz arbeitete, wurde mit seiner radikal pazifistischen Auffassung, die alle kriegführenden Parteien verurteilte, auf einen Schlag zu einem Außenseiter nicht nur der französischen Gesellschaft, sondern auch bei vielen europäischen Intellektuellen. Doch das focht ihn nicht an, so der bewundernde Rezensent. "Allumfassende Humanität", das war Rollands Mission, und die ist heute so aktuell wie eh, meint Laux.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 03.12.2015

Durch die seelische Wüste
Die hellsichtigen Tagebuchaufzeichnungen Romain Rollands im Ersten Weltkrieg gibt es jetzt erstmals auf Deutsch
Im Jahr 2014 jährte sich die Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts zum einhundertsten Mal. Die Auswahl aus den Tagebuchaufzeichnungen Romain Rollands, die nun in der feinen textura-Reihe des Beck Verlags erstmals auf Deutsch vorliegt, hätte damals in der Flut von neuerer Literatur zur Grande Guerre leicht untergehen können. Jetzt kann man die während der vier Kriegsjahre niedergeschriebenen Notate des leidenschaftlichen Europäers und französischen Humanisten gut als nachgetragene Ergänzung zum Briefwechsel zwischen Rolland und Stefan Zweig lesen, der 2014 unter dem Titel „Von Welt zu Welt. Briefe einer Freundschaft 1914-1918“ bei Aufbau erschienen ist.
  Gleich zu Beginn von „Über den Gräben“ beeindruckt die Hellsichtigkeit Romain Rollands. Er verbringt gerade in der Schweiz seine Sommerfrische, als Ende Juli 1914 die Büchse der Pandora geöffnet wird, und notiert: „Dieser europäische Krieg ist die größte Katastrophe der Geschichte seit Jahrhunderten . . .“. Im Gegensatz zu vielen seiner Künstlerkollegen im In- und Ausland ergreift ihn keinerlei patriotischer Furor. So brandmarkt er Thomas Manns marktschreierischen Aufsatz „Gedanken zum Kriege“ als „das Schrecklichste, was ich bis jetzt von einem deutschen Intellektuellen gelesen habe“.
  Schon gar nicht glaubt Rolland an ein schnelles Ende des Krieges. Im Gegenteil. Für den 48-Jährigen ist dieser Krieg gleichbedeutend mit dem „Bankrott der Zivilisation“ – weshalb Julia Encke in ihrem Nachwort „Über den Gräben“ als „Anti-Kriegstagebuch“ bezeichnet. Angesichts des Leidens der Soldaten, aber auch der täglichen Anfeindungen, der er sich als Herzenspazifist und Philanthrop von allen Seiten ausgesetzt sieht, wird der feinnervige Autor psychisch krank. Ein ums andere Mal wünscht er sich nichts sehnlicher als tot zu sein. „Man hat keine Lust mehr zu leben“, schreibt er im Oktober 1914.
  Doch Rolland erwacht aus seiner Schockstarre, beginnt sich zu engagieren. Er meldet sich bei der Kriegsgefangenenauskunftstelle in Genf als freiwilliger Helfer. Täglich beantwortet er Suchmeldungen und kümmert sich um die Anliegen von Kriegsgefangenen. Oftmals tief gerührt vertraut er die fremden Schicksale seinem Tagebuch an, ganze Briefe schreibt er ab. Etwa den eines französischen Sergeanten, der einer Deutschen den Tod ihres Mannes mitteilt: „Ich muss Ihnen also schweren Herzens sagen, dass Ihr lieber Fritz bei Richecourt ruht. Eine unserer Kugeln hat ihn getötet . . . Unsere Leute wollten ihn nicht töten; aber so ist es im Krieg. In jedem Augenblick kann ich an der Reihe sein. Ihr lieber Gatte hat nicht gelitten. (Möge Ihnen das ein Trost sein!) Heute Abend begraben wir ihn, wie sich's gehört.“
  „Über den Gräben“ ist weit mehr als das intime Zwiegespräch eines Schriftstellers mit sich selbst. Rolland erhält 1916, kriegsbedingt rückwirkend für das Jahr 1915, den Literaturnobelpreis für seinen „Jean Christophe“, das idealistisch beseelte Epos einer deutsch-französischen Künstlerfreundschaft. Seine Tagebücher sind ein vielstimmiges Zeugnis, das durch die darin mitgeteilten Soldatenbriefe einen authentischen Einblick in die Brutalität und Absurdität des jahrelangen Graben- und Stellungskrieges gewährt. Und auch vom zunehmenden Leid der europäischen Zivilbevölkerung angesichts der immer schlimmer werdenden Versorgungssituation berichten diese Aufzeichnungen.
  Romain Rolland trifft sich mit Hermann Hesse und Albert Einstein, resümiert die internationale Presse, führt Statistik über die Gefangenen und Toten, zählt akribisch Kriegstag um Kriegstag. Um schließlich zu fragen: „Wird sich derjenige, der später vielleicht diese endlosen Aufzeichnungen liest, klar werden über die endlosen Tage, Monate, Jahre, die wir in einer seelischen Wüste gelebt haben, inmitten einer vor Fanatismus und Hass irreredenden Menschheit . . .?“ Wer immer diese Tagebücher heute liest – und es sind hoffentlich viele –, wird auf Rollands bange Frage nur mit einem „Ja“ antworten können.
FLORIAN WELLE
  
Romain Rolland: Über den Gräben. Aus den Tagebüchern 1914-1919. Mit einem Nachwort von Julia Encke. C.H. Beck Verlag, München 2015. 176 Seiten, 16,95 Euro.
Täglich beantwortet Rolland
Suchmeldungen von Angehörigen
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