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Geheimnisvolle, magische Geschichten aus dem Reich der Einsamkeit und der Angst, der Unschuld und der Leidenschaft, des Hasses und der Sehnsucht, aus praller Mittagshitze und mondfinstrer Nacht. Zuviel oder zuwenig Liebe als Möglichkeit der Selbsterkenntnis, der Selbstkorrektur oder einer paradoxen Form von Glück.

Produktbeschreibung
Geheimnisvolle, magische Geschichten aus dem Reich der Einsamkeit und der Angst, der Unschuld und der Leidenschaft, des Hasses und der Sehnsucht, aus praller Mittagshitze und mondfinstrer Nacht. Zuviel oder zuwenig Liebe als Möglichkeit der Selbsterkenntnis, der Selbstkorrektur oder einer paradoxen Form von Glück.
Autorenporträt
Ray Bradbury, am 22. August 1920 in Waukegan, Illinois geboren, schieb neben Romanen und Erzählungen Gedichte, Essays und Filmscripts; etliche seiner Werke wurden verfilmt. Sein Werk wurde mit dem National Book Award ausgezeichnet. 2007 erhielt Ray Bradbury im Rahmen der Pulitzer-Preis-Verleihung eine besondere Ehrung für sein Lebenswerk. Ray Bradbury starb am 5. Juni 2012 in Los Angeles.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.08.2006

Latein vor den Latz geknallt
Von Hunden, Spinnen, Stan und Ollie: Bradburys Erzählungen

Um eine Auswahl mit "hundert besten Geschichten" veröffentlichen zu können, muß einer erst mal einen ordentlichen Fundus angelegt haben. Der amerikanische Schriftsteller Ray Douglas Bradbury, der in diesem Monat, am 22. August, seinen sechsundachtzigsten Geburtstag feiert, konnte locker auf fünfmal so viele Storys zurückgreifen, als er 1980 seine erste Best-of-Sammlung zusammenstellte. Sein hohes Alter und die gut sechzig Dienstjahre im Geschäft der Literatur mit dem Schwerpunkt Science-fiction allein erklären aber noch nicht diese ungeheure Produktivität. Hinzu kommt eine offensichtliche Immunität gegen jede Form von Schreibblockade oder Veröffentlichungsskrupel, wie sie so manchen seiner amerikanischen Kollegen plagt - heißen sie nun Harper Lee, Ralph Ellison, Henry Roth, Jerome David Salinger oder Thomas Pynchon.

Und so mischt Bradbury im unausgesprochenen Wettstreit um den Titel "produktivster amerikanischer Autor jenseits des Rentenalters " ganz vorn mit. In Reichweite sind nur der Jurist Louis Stanton Auchincloss, achtundachtzig, der die Ostküsten-Oberschicht fest im Blick hat, dicht gefolgt von Thomas Berger, zweiundachtzig, der in allen Genres zu Hause ist. Nimmt man die Bekanntheit bei uns als Richtschnur, dann ist der "Mars-Chronist" aus Waukegan, Illinois, längst der Sieger.

Der Verlegersohn, den der von François Truffaut verfilmte gesellschaftskritische Roman "Fahrenheit 451" aus dem Jahr 1953 berühmt machte (aber auch so kühn, wegen der Ähnlichkeit des Titels gegen Michael Moores Dokumentarfilm "Fahrenheit 9/11" zu klagen), kann neben den fünf- bis sechshundert Erzählungen auf der Habenseite seines von der Kritik gelegentlich kritisch beäugten, vom Publikum aber fast ausnahmslos gierig aufgesogenen Werkes auch zwei Dutzend Romane sowie Filmskripte und Jugendbücher, Theaterstücke und Musicals, Hörspiele und Fernsehbeiträge, Gedichte und Essays verbuchen.

Der Diogenes Verlag hat mit der Aufnahme Bradburys in den Kreis seiner illustren Autorenriege Mitte der siebziger Jahre bestehende Zweifel an der literarischen Qualität des Vielschreibers zerstreut. Davon zeugen - um nur die lieferbaren Titel zu nennen - neben "Fahrenheit 451" der Roman "Das Böse kommt auf leisen Sohlen" sowie die Erzählungsbände "Der illustrierte Mann", "Die Mars-Chroniken" und "Geisterfahrt". Neu hinzugekommen ist jetzt die Story-Sammlung "Schneller als das Auge", die in den Vereinigten Staaten unter dem Titel "Quicker than the Eye" allerdings schon vor zehn Jahren erschienen ist; Hans-Christian Oeser hat die einundzwanzig darin versammelten Geschichten übersetzt.

Seltsam dabei: Für jedes Buch des Amerikaners hat Diogenes einen anderen Übersetzer engagiert. Und noch seltsamer: Man merkt kaum einen Unterschied. Das spricht ein wenig gegen Bradbury. Um es mal so auszudrücken: Seine Bücher leben mehr von den Einfällen als von der Sprache.

Die Geschichten in "Schneller als das Auge" spielen in der Vergangenheit und in der Zukunft, berichten aus der Stadt und vom Land, sind mal realistisch, mal phantastisch angelegt. Es geschehen Morde, Dorian Gray rackert sich im Fitness-Studio ab, riesige Spinnen verschlucken Kinder, junge Menschen küssen sich unter einem Bienenschwarm, ein steinaltes Ehepaar heiratet noch einmal, ein anderes Paar versucht, sich gegenseitig umzubringen. Ein Soldat besucht die Bibliothek seiner Kindheit, und ein junger Mann will auf dem Friedhof gratis Erde abholen. Es geht in dem Band zu wie in einem Gemischtwarenladen. Und dort gibt es Sonderangebote und Ladenhüter, verderbliche Ware und Geheimtips. Wenn es ein gemeinsames Thema gibt, dann dieses: Die Zeit vergeht, und sie läßt sich nicht aufhalten.

Einen aufschlußreichen Einblick in die Entstehung seiner Bücher und seinen Schreiballtag gewährt der Autor in dem Nachwort, das er mit der forschen Aufforderung "Verlieren Sie keine Zeit, leben Sie" überschrieben hat. Ideenmangel ist ihm demnach so fremd wie einem Beduinen das Gefühl von Seekrankheit: "Auf Inspiration brauche ich nicht lange zu warten. Die rüttelt mich jeden Morgen wach. Kurz vor dem Morgengrauen, wenn ich lieber weiterschlafen würde, quatscht mir das verdammte Zeug mit den Stimmen meines Morgentheaters die Ohren voll." Und dann haut der Mann mit der Hornbrille schnell und ziemlich kräftig in die Tasten, was nicht immer zu des Lesers Gewinn ist.

Die unterschiedliche Qualität der Geschichten belegt die Platitüde, daß der Autor gute wie schlechte Tage haben kann. Und soviel Zeit scheint Bradbury auch gar nicht zu investieren. "Zwei Stunden später ist eine neue Kurzgeschichte fertig, die sich hinter meiner medulla oblangata die ganze Nacht schlafend gestellt hatte." Manchmal kommt bei dieser schnellen Produktion schlicht das Handwerk zu kurz. "Ein schöner Schlamassel", eine Geschichte über sein Lieblingsteam Stan Laurel und Oliver Hardy, liefert - alle Ökonomie aus den Augen lassend - auf den ersten sechs Zeilen nicht weniger als dreimal den Hinweis darauf, daß die Geschichte "in der Nacht", "gegen drei Uhr morgens", also "in der Nacht" ihren Auftakt nimmt. Der Autor scheint nicht viel Vertrauen in seine Idee zu haben, die Geister des ungleichen Paares wieder und wieder das Pianola die Treppe hochwuchten zu lassen - wie damals 1928, als die Szene an der Effie Street in Los Angeles für den Film gedreht wurde. Auch in "Der U-Boot Arzt " meint er uns mehrfach darauf hinweisen zu müssen, daß "der unglaubliche Zwischenfall" bei seinem Analytiker "in meiner dritten Sitzung" geschah. Eine Pointe zieht er aus dieser Wiederholung allerdings nicht. Es hätte auch die vierte Sitzung sein können, in der der Psychiater sich plötzlich als U-Boot-Arzt fühlt und wild das Kommando "Tauchen!" schreit.

Das psychologisch überzeugendste Stück ist nicht etwa die Titelgeschichte, in der Miss Quick blitzschnell Zirkusbesucher um ihre Brieftaschen erleichtert und der Ich-Erzähler mit ansehen muß, wie ein Mann, der ihm zum Verwechseln ähnlich sieht, von der Trickkünstlerin erniedrigt wird, sondern "Bug", ein melancholischer Blick auf das Ende der dreißiger Jahre, als der Tanz Jitterbug groß in Mode war. Bert Bagley, genannt Bug, war der heißeste Tänzer: Er brauchte nicht einmal eine Partnerin. Mit geschlossenen Augen gab er sich selbstvergessen der Musik hin und erntete tosenden Applaus. Und Tausende Trophäen. Als der Erzähler Jahrzehnte später Bug wiedertrifft und ihn an die wunderbare Zeit erinnert, entgegnet der nur: "Hab' vergessen, wie das geht." Mit einem Trick gelingt es ihm, seinen alten Freund noch einmal zur alten Hochform zu bringen.

Ohne Frage: Bradbury ist ein intelligenter Mann, umfassend gebildet und auf vielen Wissensgebieten zu Hause. Und seine Geschichten haben oft eine ganz überraschende, manchmal sogar zwingende Idee. Aber es gibt da ein Problem: Er überträgt sein Wissen und seine Fragen arglos auf all seine Erzähler und Protagonisten, ungeachtet ihrer Berufe. Dann rätseln sie: "Warum gehen Geister überhaupt um? Aus Rache? Aus Vergeltung?" Oder: "Die Umwelt, heißt es, umgibt dich. Nun gut, umgibt dich nicht auch der Körper, mit seinen Wasserspeichern, seinem Knochenbau, seiner Fülle oder Ödnis?" Bradbury scheut sich auch nicht, dem Leser Latein vor den Latz zu knallen. Mit den Geschichten "Der Geist in der Maschine", "Sterbesakramente" und "Die Hexentür" liefert er der Science-fiction-Fangemeinde die bewährten Reisen mit der Zeitmaschine inklusive Laserstift. Besonders hier quetscht Bradbury aber alte Ideen aus, ohne daß der Saft so recht fließen will.

Und wenn Raymond Chandler selbstkritisch eingestanden hat, daß er "den Vergleich in Grund und Boden geritten" hat (und Chandler war nun wirklich ein Meister der Vergleichs), dann müßte Bradbury, wenn ihn eine ähnliche Erkenntnis träfe, sagen: "Ich habe mit dem Vergleich Schindluder betrieben." Da sind die Beine einer Frau "so dick wie Berninis Kolonnaden auf dem Petersplatz in Rom", ihr Gesicht "wie der Vollmond im September". Ganz arg ist es bei Naturphänomenen: "Die Sonne war eine frische Zitrone", und der tote Hund lag da "wie der soeben beendete Zweite Weltkrieg, eine einzige Verheerung".

Bei einem Buch, das manche Ungereimtheit enthält und in dem sich hinter zahllosen geheimnisvollen Türen rätselhafte Dinge in unbestimmten Zeiten ereignen, ist es ziemlich passend, daß es bei dem Titel eine Merkwürdigkeit gibt: Ein Buch gleichen Namens steht bei mir nämlich schon seit zwei Jahren im Regal - von dem Schweizer Schriftsteller Claude Cueni. Vor solchen Dubletten, hatte ich gedacht, stünde der deutsche Titelschutz. Aber den hat Ray Bradbury mit seinen magischen Kräften vielleicht einfach außer Kraft gesetzt.

REINHARD HELLING

Ray Bradbury: "Schneller als das Auge". Erzählungen. Aus dem Amerikanischen von Hans-Christian Oeser. Diogenes Verlag, Zürich 2006. 320 S., geb., 19,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Reinhard Helling kann nicht umhin, die enorme Produktivität des Viel- und Schnellschreibers Ray Bradbury zu bewundern, auch wenn er feststellen muss, dass die Qualität der Texte dabei manchmal auf der Strecke bleibt. So findet er auch angesichts des Bandes mit Erzählungen "Schneller als das Auge", der im amerikanischen Original bereits vor zehn Jahren erschienen ist, dass darin das "Handwerk" mitunter doch zu kurz kommt. Er bemängelt unnötige Wiederholungen, unlogische Handlungsverläufe oder quälende lateinische Zitate. Dabei komme es Bradbury offensichtlich weniger auf sprachliche Finessen an als auf die Einfälle, so Helling, wobei er allerdings feststellen muss, dass der Autor "alte Ideen" mitunter allzu sehr ausschlachtet. Als psychologisch am besten gelungen lobt der Rezensent die Erzählung "Bug", in der ein alter Mann noch einmal an seine Zeit als bewunderter Tänzer erinnert wird.

© Perlentaucher Medien GmbH
»Ray Bradbury ist ein Titan!« zitty Berlin zitty Berlin