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Gibt es für das Betreten und unser Leben in der Intim-Landschaft zwischen Mann und Frau Regeln? Es gibt die Gesetze jenes Mannes, der mit zwei Schrifttafeln beladen vom Berg Sinai zu seinem Volk herunterstieg, um ihm mit dem Imperativ "Du sollst nicht..." die Regeln zu geben. Navid Kermani tritt in diese Landschaft ein, und was er uns von seinen Begehungen und Wanderungen durch die Täler und auf die Höhen dieser Topographie erzählt, ist nichts weniger als ein erotisches Itinerarium, ein Stationenverzeichnis des an Konflikten und Reibungspunkten reichen Zusammenlebens von Mann und Frau. Sein…mehr

Produktbeschreibung
Gibt es für das Betreten und unser Leben in der Intim-Landschaft zwischen Mann und Frau Regeln? Es gibt die Gesetze jenes Mannes, der mit zwei Schrifttafeln beladen vom Berg Sinai zu seinem Volk herunterstieg, um ihm mit dem Imperativ "Du sollst nicht..." die Regeln zu geben. Navid Kermani tritt in diese Landschaft ein, und was er uns von seinen Begehungen und Wanderungen durch die Täler und auf die Höhen dieser Topographie erzählt, ist nichts weniger als ein erotisches Itinerarium, ein Stationenverzeichnis des an Konflikten und Reibungspunkten reichen Zusammenlebens von Mann und Frau. Sein Imperativ "Du sollst" setzt die biblischen Gesetze nicht außer Kraft, nein, er behauptet ihre Gültigkeit, indem er auf das Verhalten, die Ängste und Sündenfälle zwischen zwei heute Liebenden blickt - und solchen, die sich einmal geliebt haben. Unverblümt ist die Sprache und zugleich voller Poesie, eine Sprache, die an die heiligen Bücher der Menschheit erinnert, auch und gerade, wo sie den Schmutz nicht scheut. Den Fängen dieser deftigen Geschichten werden wir uns so schnell nicht entziehen können, auch wenn sie uns zum Widerspruch herausfordern in ihrer fast schon prophetischen Konsequenz. "Du sollst" ist ein Buch, das auf den Nachttisch aller Liebenden gehört.
Autorenporträt
Navid Kermani, geboren 1967, promovierter Islamwissenschaftler und Publizist, gilt als führender Iran-Experte in Deutschland und hat zwischen 1995 und 2000 für die Frankfurter Allgemeine Zeitung die Entwicklung in Iran verfolgt. Für das Studienjahr 2000/2001 ist er an das Wissenschaftskolleg in Berlin berufen worden. 2010 wurde Navid Kermani mit der "Buber-Rosenzweig-Medaille 2011" ausgezeichnet und 2011 erhielt er den "Hannah-Arendt-Preis" für seine "lagerüberwindenden, religionswissenschaftlichen und politischen Analysen". Im Jahr 2012 wurde er für seine gesellschaftliche Auseinandersetzung mit den Religionen sowie den von ihm betriebenen Dialog der Kulturen mit dem "Kölner Kulturpreis" ausgezeichnet, im Oktober erhielt er den "Cicero Rednerpreis" für "herausragende rhetorische Leistungen". Im November desselben Jahres wurde ihm der "Kleist-Preis" verliehen. 2014 erhielt er den "Joseph-Breitbach-Preis" für sein Gesamtwerk, 2015 wurde ihm der "Friedenspreis des Deutschen Buchhandels" verliehen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.08.2005

Tristesse und Triebe
Geheimnisse des Bettlakens: Navid Kermanis Erzählungen

Wenn ein begabter Autor sich verhebt, ist das keine Schande und keine Beschädigung seines Talents. Er kann noch viele Bücher schreiben und viele literarische Gewichte stemmen, auf einen gescheiterten Versuch kommt es nicht an. Aber irgendwann ist die Zeit der Talentproben vorbei, und man will wissen, woran man mit einem Autor wirklich ist. Bei Navid Kermani wäre dieser Punkt mit "Du sollst", seiner dritten belletristischen Veröffentlichung (neben seinen Essays und Studien zur islamischen Welt) nach dem "Buch der von Neil Young Getöteten" (2002) und den Prosaminiaturen der "Vierzig Leben" (2004), eigentlich erreicht gewesen. Aber am Ende der Lektüre möchte man die Frage nach dem Rang des Schriftstellers Kermani lieber noch bis zum nächsten Mal aufschieben. Denn "Du sollst" verrät zwar viel über das, was Kermani gern können würde, aber zuwenig darüber, was er tatsächlich kann. Es ist eine Schreibanstrengung, die sich an sich selbst erschöpft, ein Kraftakt ohne Kraft.

Das Buch beginnt verheißungsvoll. In indirekter Rede, gleichsam als Nacherzählung eines alten Mythos, wird ein irdisches Paradies beschworen, das zugleich eine Art Hölle ist, ein Garten der Lüste wie von Breughel und Bosch, in die die Ausgesperrten durch Fenster hineinschauen können, während drinnen hinter roten Türen schrille Schreie ausgestoßen werden und unheimliche Dinge vor sich gehen. Dieser Vorspann gibt ein Versprechen, das in dem folgenden Prosastück weiterschwingt, einem Dialog zwischen Mann und Frau, die miteinander im Bett liegen, ohne daß ganz klar wird, ob ihr Tun und Reden eher einer Vergewaltigung oder einem Liebesakt gleicht. Es ist das Versprechen eines Erzählens, in dem das Begehren des Körpers und der Seele beschworen, aber nicht in Beschreibungen breitgetreten wird. Die Verheißung eines Schreibens über Erotik, das sich vom Erotikgeschreibsel nicht infizieren läßt. Und ebendieses Versprechen hält das Buch nicht ein.

Das beginnt schon mit dem nächsten kurzen Text, in dem zwei ganz verschiedene Szenen ineinandergeblendet werden, das leise Drama einer abendlichen Masturbation mit Zeugin im ausgeleierten Beziehungsbett und das lautere einer anonymen Verabredung zum Sex, und in dem ganz plötzlich der schiefe Satz steht von dem "Hörspiel, das sie anwiderte und dennoch allabendlich bang erwartete". Der Satz wäre auch in jedem anderen Buch falsch, aber in dem Zusammenhang, in dem er bei Kermani steht, ist er besonders fatal, weil er die Spannung so plötzlich und unwiderruflich zerstört wie ein Schluckauf beim Beischlaf. Diesen Schluckauf hat Kermanis Sprache auch an anderen Stellen, etwa wenn er eine weitere Bettszene mit dem Blick des Mannes auf die Schlafzimmerwand einleitet: "Die Struktur des Putzes, Weiß in Weiß wie auf dem Mond, interessierte ihn." Eine Frau, deren Partner ihr jedes Liebesgeständnis verbietet, ist dennoch gerührt von der "Sorgsamkeit seines Bekümmerns". Eine andere weist einen Mann ab, "weil seine Liebe auslag". Eine dritte fragt: "Und woher weiß ich, daß du mich nicht wirst noch schlechter reden?" Man will dieses Buch wirklich nicht schlechter reden, als es ist, aber es gehört schon einige Sorglosigkeit dazu, solche Sätze für druckfähige Prosa zu halten.

"Du sollst" besteht, neben der Vorrede, aus zehn kurzen und einem mittellangen Prosatext, die als Überschrift die alttestamentarischen Zehn Gebote und ein Zitat aus dem zweiten Buch Mose tragen. Das Schlußstück, sechzig Seiten lang, liefert die fehlenden Erklärungen für das lakonische Kamasutra der Triebe und Tristessen, das die anderen Stücke entfalten, es macht aus den verstreuten Erzählgliedern eine Kette, die sich als sexuelle Biographie eines nicht nur leicht verrückten Islamistikprofessors entpuppt. Dieser Mann erklimmt das "Ultimum der Wehklage", den Gipfel der Selbsterniedrigung, indem er öffentlich seinen Glauben verleugnet und sich mit seinem Assistenten, dem er sexuell hörig ist, in eine Privathölle zurückzieht. Seltsamerweise ist man über seine Tat kein bißchen entsetzt, was vor allem daran liegt, daß man über den Professor trotz aller Beschreibungsbemühungen Kermanis im Grunde nichts erfährt. Er hat mit vielen Frauen geschlafen und mit Männern auch, er nennt sein Geschlechtsteil Tortellini und bekommt Drohbriefe in seltenen Sprachen, aber ein Charakter ist dieser Mann nicht, eher ein Model, eine literarische Puppe, die sich in viele Stellungen und Geschichten hineinbiegen läßt. Und Navid Kermani biegt und biegt.

Botho Strauß hat vor sechzehn Jahren eine Erzählung geschrieben, "Kongreß", an die vieles in "Du sollst" erinnert. Auch bei Strauß ging es um eine Folge von Modellgeschichten, eine "Kette der Demütigungen", in welcher der Wahnsinn und das Glück des Begehrens in immer neuen Variationen beschworen werden sollten. Bei Strauß war das ein erlesenes, aber beliebiges Spiel, bei Kermani, der weder die literarische Erfahrung noch die Geschicklichkeit seines Vorgängers besitzt, überschreitet es die Grenze zur Peinlichkeit und zur Pornographie. Das Geheimnis der Laken ist keine Beute für Berserker, es läßt sich nicht erobern, sondern nur geduldig entwirren. Navid Kermani hat diese Geduld in "Du sollst" nicht gehabt. Er bleibt ein Talent, aber der literarischen Meisterschaft ist er nicht näher gekommen mit diesem Buch.

Navid Kermani: "Du sollst". Erzählungen. Ammann Verlag, Zürich 2005. 160 S., geb., 17,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

"Ziemlich enttäuscht legt Rezensent Andreas Kilb diese Erzählungen beiseite. Denn auch mit seiner dritten belletristischen Veröffentlichung hat es Navid Kermani aus seiner Sicht nicht geschafft, aus dem Stadium des ewigen Talents in die Meisterklasse aufzusteigen. Leider hat dieses Buch Kilb nämlich nur gezeigt, was Kermani gerne können würde, "aber zuwenig darüber, was er kann". Dabei beginnt es mit einer Erzählung über eine paradiesische Hölle für den Rezensenten zunächst durchaus verheißungsvoll. Aber schon die zweite Erzählung läßt bei ihm den Verdacht keimen, dass hier ein Versprechen gegeben wird, dass der Autor und seine Erzählungen nicht einlösen werden: "die Verheißung eines Schreibens über Erotik, das sich vom Erotikgeschreibsel nicht infizieren läßt". Bald nämlich werden Suspense und erotische Spannung von Sätzen zerstört, die Kilb empfindet wie einen "Schluckauf beim Beischlaf". Kermanis Sorglosigkeit, solche (von Kilb reichlich zitierten) Sätze tatsächlich für "druckfähige Prosa" zu halten, irritieren ihn. Am Ende sieht er Kermani auch noch die "Grenze zur Peinlichkeit und zur Pornografie" überschreiten.

© Perlentaucher Medien GmbH"