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Frauen, die im Magischen leben und in paradiesischen Sinnesfreuden schwelgen, die sich selbst und fremde Länder erkunden, und Männer, die an alten Wunden und unerfüllten Sehnsüchten zu zerbrechen drohen, sind die Protagonisten des Romans von Alice Walker. Seine vielfältigen Erzählstränge und kunstvoll verwobenen Vor- und Rückblenden ranken sich um ein Familiendrama, das lange nachwirkt. In die entlegensten Ausläufer der Sierra Madre, irgendwo in Mexiko, hat es in den vierziger Jahren eine amerikanische Familie verschlagen: die beiden Schwestern Susannah und Magdalena und ihre Eltern. Es ist…mehr

Produktbeschreibung
Frauen, die im Magischen leben und in paradiesischen Sinnesfreuden schwelgen, die sich selbst und fremde Länder erkunden, und Männer, die an alten Wunden und unerfüllten Sehnsüchten zu zerbrechen drohen, sind die Protagonisten des Romans von Alice Walker. Seine vielfältigen Erzählstränge und kunstvoll verwobenen Vor- und Rückblenden ranken sich um ein Familiendrama, das lange nachwirkt. In die entlegensten Ausläufer der Sierra Madre, irgendwo in Mexiko, hat es in den vierziger Jahren eine amerikanische Familie verschlagen: die beiden Schwestern Susannah und Magdalena und ihre Eltern. Es ist das anthropologische Interesse des Vaters, das die Robinsons hierhergeführt hat. Um diesen Aufenthalt finanzieren zu können, musste er in die Rolle eines Geistlichen schlüpfen. Und es scheint, als habe der vormals so vitale und freimütige Mr. Robinson mit der schwarzen Robe auch gleich die Leibfeindlichkeit und Doppelmoral der offiziellen Kirche angenommen. Dabei hätte er von den Mundos, einem Vol k indianisch-afrikanischer Abstammung, so viel lernen können: ihr Wissen, dass schon eine Lüge ausreicht, eine Gemeinschaft zu zerstören; ihre Wertschätzung der Frauen, die ihrer Gesellschaft matriarchalische Züge verleiht, und vor allem die Freude, die Mundo-Väter empfinden, wenn ihre Töchter und Söhne die Freuden der Liebe kennenlernen: "Und deshalb singt ein junges Mädchen, wenn es zu ihrem Liebsten geht, dieselben Worte wie ein junger Mann: Im Lichte des Lächelns meines Vaters." Aber Robinson lächelt nicht, als er erfährt, dass seine Tochter Magdalena einen jungen Indio liebt, erprügelt sie mit dem Silbergürtel, den der Geliebte ihr geschenkt hat. Und entzweit damit die ganze Familie, weil er sich durch diesen Gewaltausbruch auch seiner eigenen Frau und seiner zweiten Tochter Susannah entfremdet. So tiefgreifend, dass er nach dem Tod eine verlorene Seele ist, ein Umherirrender, der nicht ahnt, dass er noch eine Chance auf Wiedergutmachung erhalten wird. Nach jahrelang er Konzentration auf politische Arbeit legt Alice Walker jetzt einen neuen einfühlsamen Roman vor.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.04.2000

Gesuchter Sinn
Alice Walker lässt das Licht der Liebe leuchten, bis es kracht

Dezent zu sein ist Alice Walkers Sache nicht. Sie hat ein Anliegen, sie kann schreiben, und sie scheut sich nicht, mit der geballten Kraft ihrer Fantasie und voll orchestrierten Sprache für eine bessere Welt zu streiten: eine Welt, in der die Frauen und unter ihnen vor allem die besonders erniedrigten Schwarzen zu ihrem Recht kommen. Krieg, Vernichtung, Vergewaltigung, systematische Beschädigung hätten dann ein Ende, ein Leben in schwesterlicher Solidarität könnte sich entfalten.

Diese Vision ist ehrenwert, aber sie beruht auf einer schlichten Zuordnung von Gut und Böse, die Alice Walker in ihren besseren Büchern selbst schon differenzierter geschildert hat. In "Die Farbe Lila" oder den gelungenen Short Stories kann man es nachlesen: Auch unter den Schwarzen herrscht Brutalität, auch unter den Frauen entsteht Zwietracht, auch Männer können Einsicht und Mitgefühl entwickeln. Aber bei allen Zwischenklängen ist doch die Botschaft von der Integrität des Weiblichen und der Aggression des Männlichen immer deutlich vernehmbar. Walker als guter Mensch bleibt ihr Sprachrohr - nur ein guter Mensch, hat sie einmal gesagt, könne gut schreiben.

Die endlose Debatte über die moralische Verpflichtung des Schriftstellers hat Alice Walker schon in ihrem ersten Roman "The Third Life of Grange Copeland" für sich entschieden. Damit liegen auch die Gefährdungen für ihr Schreiben auf der Hand. Wenn sie von verstümmelten, gebrochenen, beschnittenen, gedemütigten Frauen erzählt, tobt ein auflagen steigernder Sturm der Empörung durch die Texte, der Zweifel, gar Selbstzweifel kaum gelten lässt und manchmal nur schwer vom Brausen einer Windmaschine zu unterscheiden ist. Hollywood lauert überall.

Vielleicht sind die Filmrechte für Alice Walkers neuen Roman schon vergeben, denn was special effects angeht, ist "Das Lächeln der Vergebung" sicher eines ihrer aufwendigsten Bücher. Die Toten beobachten aus dem Jenseits ihre Lieben, kommentieren wohlgesinnt ihr Tun und Lassen, warten und wirken behutsam darauf hin, dass die Botschaft der schwesterlichen Liebe endlich Einzug halte in die engen Köpfen der Erdenwesen. Diesmal hat Alice Walker, und da hilft auch die originelle Erzählperspektive nicht, allerdings die Zwischentöne restlos getilgt.

Dieses Buch ist, und das macht es fast unerträglich, reine Lehre, geschrieben im missionarischen Ton eines hundertprozentigen Gutmenschen. Nichts, was ein politisch korrektes Bewusstsein empören müsste, ist ausgelassen: Ausbeutung der Erde, Ausbeutung der Frauen, Kolonialisierung ethnischer Randgruppen und so weiter. Hinter dem Rundumschlag, der sofort als Einführungsvorlesung zum Thema "Identity and Otherness in Western Civilisation" an jeder kalifornischen Universität durchgehen könnte, steht als Gegenbild und Erlösungsmythos die archetypische Frau, Göttin, Urquell der Geschichte, der Weisheit und Menschlichkeit. Die Zwergin Irene, die Seherin Magdalena, die Dichterin Susannah, die Anthropologin Lanley - sie alle leben wahrhaftig und leidenschaftlich, sie alle suchen den Sinn und werden ihn finden, und wehe dem, der ihnen nicht folgt.

Die magere Handlung führt am Beispiel der Familie Robinson die Sackgasse und den Goldenen Weg vor. Das Ethnologenpaar Robinson will den geheimnisumwobenen mexikanischen Indianerstamm der Mundo erforschen und lebt mit ihnen in den Bergen, getarnt als christliche Missionare. Wie es in der Natur der Geschlechter liegt, so muss es kommen: Während sie sich einfühlsam an die Gebräuche des Stammes herantastet, macht er sich die Dogmen seiner Kirche immer mehr zu Eigen und verbietet seiner Tochter Magdalena die Liebe zu einem Mundo-Jungen. Daraus entstehen lebenslange Entfremdungen. Die wilde Magdalena bleibt hasserfüllt und ungefügig und frisst sich ein zentnerschweres Schutzpolster an, ihre Schwester Susannah ist zerrissen zwischen Vaterliebe, Schuldgefühlen und Freiheitsdrang.

Doch Walkers Kritik am Bekehrungsdrang der schwarzen Mittelklasse verliert sich zwischen Tränenausbrüchen, psychologischen Hohlformen und den Sphärenklängen des Jenseits. Dort landen alle Figuren früher oder später und schauen weise herab auf menschliche Irrungen und Lesbensex. In engelhafter Gegenwart sorgen die Toten dafür, dass ihre Schützlinge allmählich erkennen, was die Mundo in ihren raunenden Gesängen immer schon gewusst haben: Die Welt ist Eros, das Licht der Liebe leuchtet. Nein, dezent zu sein ist Alice Walkers Sache nicht.

ANNETTE PEHNT.

Alice Walker: "Das Lächeln der Vergebung". Roman. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Maja Ueberle-Pfaff. Europa-Verlag, München, Wien 1999. 256 S., geb., 36,- DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

In ihrem Verriss bemüht sich Annette Pehnt um Gerechtigkeit: Alice Walker setze sich für eine gerechte Sache ein und verfüge über Fantasie und große Ausdrucksmöglichkeiten. Trotzdem findet Pehnt den Roman "fast unerträglich" in seiner Schwarzweißmalerei: Die Männer beuten aus und versklaven, die Frauen dagegen sind integrer Urquell der Weisheit. Pehnt kritisiert die "magere Handlung" als sentimental und voller psychologischer Klischees. Walker sei so von ihren guten Absichten überzeugt, dass für "Zweifel, gar Selbstzweifel" kein Platz mehr sei.

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