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lustaufbuch

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Insgesamt 228 Bewertungen
Bewertung vom 27.10.2025
Zola, Émile

Die Früchte des Meeres


ausgezeichnet

»Ganz besonders entzückte es sie, sich jederzeit inmitten der Felsen umdrehen und das Meer in seiner stillen Größe betrachten zu können, das sich überall dort auffächerte, wo seine blaue Linie zwischen den Felsblöcken auftauchte.«

Die erste der beiden Novelle „Die Muscheln des Monsieur Chabre“ erzählt von eben jenem älteren Mann namens Monsieur Chabre, einem ehemaligen Getreidehändler, der sehr unter der Kinderlosigkeit mit seiner jungen Frau Estelle leidet. Als ihm von einem Arzt empfohlen wird, viele Muscheln zu essen und ans Meer zu fahren, machen sie sich auf den Weg. Dort begegnen sie dem jungen Hector, von dem beide – jedoch auf unterschiedliche Weise – sehr angetan sind. Estelle und Hector verbringen viel Zeit miteinander und Monsieur Chabre ist dankbar dafür, wenn auch etwas eifersüchtig. Doch neun Monate später scheint die Muschel-Kur geglückt zu sein, zumindest für den Monsieur.

„Das Fest in Coqueville“, die zweite Novelle, spielt sich an dem nicht mal zweihundert Einwohner*innen umfassenden titelgebenden Ort Coqueville ab, der sich – ähnlich wie bei Shakespeares „Romeo und Julia“ – in zwei verfeindeten Familien und deren Anhänger gespalten hat. Nebenbei finden sich trotz der Kürze des Texts Liebesdramen sowie eine erfüllende Liebesgeschichte und atmosphärische Beschreibungen des Meeres. Als plötzlich ein englischer Frachter direkt vor der Küste untergeht und die Bewohner*innen in den Genuss unzähliger Fässer verschiedenen Alkohols gelangen, löst sich dieser uralte Zwist langsam auf.

Die beiden Novellen waren meine ersten Texte von Émile Zola und beide, ergänzt durch das Nachwort von Kristina Maidt-Zinke, haben mir sehr gefallen, wobei mich die erste persönlich etwas mehr begeistern konnte. Eine gewisse Leichtigkeit, voller Humor, aber auch Raffinesse und der richtigen Sinn für Details, machen diese Erzählungen zu einer besonderen Lektüre und sorgen – neben der grandiosen Übersetzung von Anne-Kathrin Häfner sowie der schönen Gestaltung des Buchs – dafür, dass sie zeitlos bleiben und auch in unserer heutigen Zeit zu unterhalten wissen.

Bewertung vom 27.10.2025
Benidze, Salome

Maro


ausgezeichnet

»Eine am Abend neben ihr explodierte Handgranate hat ihr keine Möglichkeit mehr gegeben, sich vor ihrer Heimat und ihren Eltern zu verabschieden.«

Maro Makaschwili kennt in Georgien jeder, aber ich hatte noch nie von ihr gehört, weswegen ich mich sehr auf dieses Buch gefreut habe, um etwas über sie und ihren Kampf für ein unabhängiges, demokratisches Georgien zu erfahren.
Eingebettet in eine Rahmenhandlung, die 2022 spielt und in der sich die Protagonistin Nina, zusammen mit zwei Freundinnen, während einer Geburtstagsfeier mit dem Tagebuch der jungen Maro beschäftigt, bekommen wir einen Einblick in deren Leben. Ein Leben, das in seinen von ihr festgehaltenen Facetten z.B. über Alltäglichkeiten und Schwärmereien der Liebe, so menschlich wirkt, dass es scheinbar nicht zu einer Nationalheldin gehören könnte. Aber der Schein trügt, denn Maros Leben ist dem Ziel der georgischen Unabhängigkeit gegenüber dem Aggressor der Roten Armee ausgerichtet, sodass sie sogar ihr junges Leben gab, um in den Krieg zu ziehen. Mit nur 19 Jahren starb sie an der Explosion einer Handgranate, doch das Andenken an sie bleibt für immer in Erinnerung.

Dabei ist das Buch kein Roman, sondern ursprünglich ein Libretto, welches nun in deutscher Übersetzung von Iunona Guruli erschienen ist. Ergänzt wird der Text durch passende Illustrationen von Tatia Nadareischwili.
Insgesamt liest man das knapp sechzig Seiten umfassende Buch in einer guten halben Stunde und begibt sich währenddessen auf eine Zeitreise einerseits ins Georgien der Jetztzeit sowie andererseits ins historische Georgien, auf dessen Weg hin zu seiner Unabhängigkeit zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Auch für das heutige Land ist diese Geschichte noch immer von großer Bedeutung und leider auch aktueller relevant, ebenfalls für die von Russland unterjochte Ukraine.
Die Autorin Salome Benidze bringt dies alles im Nachwort präzise auf den Punkt: „Sie vereint in sich alles, woran wir glauben, wofür wir leben und sterben.“

Bewertung vom 27.10.2025
Kafka, Franz

Erzählungen


ausgezeichnet

»Der Grundsatz, nach dem ich entscheide, ist: Die Schuld ist immer zweifellos.«

Wenn man Kafka liest, begibt man sich immer in eine andere Welt. Eine Welt, in der nichts sicher scheint und niemanden zu trauen ist, denn auch auf die eigene Wahrnehmung sei kein Verlass!
So auch in diesem ersten Band, der von Kafka-Biograf und Experte Reiner Stach kommentierten Ausgabe, der Erzählungen.
Die Erzählungen, beginnend mit seiner ersten Buchpublikation „Betrachtung“, sind geprägt von kranken, vom Schicksal geplagten, einsamen, aber auch wissbegierigen Figuren an teils abgelegenen Orten. Einige davon werden von der patriarchalen Macht von Kafkas Vater überschattet, die er literarisch verarbeitete und dadurch Einblicke in seine Familie gab.

Auch wenn ich erst vor etwa drei Jahren alle Erzählungen Kafkas gelesen habe, kam es mir bei fast allen – mit Ausnahme „Der Verwandlung“ und „In der Strafkolonie“ – so vor, als läse ich sie zum ersten Mal. Bei den kurzen Texten ist das nicht wirklich verwunderlich, da deren Inhalt oftmals nicht so bedeutungsvoll ist und die mich persönlich auch nicht so begeistern können. Bei den längeren hat es mich jedoch mehr verwundert.

Mein Highlight dieses Bands bleibt ganz klar „Die Verwandlung“, welche einfach zu dem Besten gehört, was Kafka geschrieben hat und ein unbedingtes Must-Read für alle ist, die sie bisher noch nicht gelesen haben. Aber auch die Erzählungen „Das Urteil“, „Erinnerungen an die Kaldabahn“ und besonders „Blumfeld, ein älterer Junggeselle“ haben mir gut gefallen und konnten mich überzeugen.

Ohne Zweifel muss man Kafkas Texte mehrmals gelesen haben, um sie ansatzweise zu verstehen.
Deshalb empfand ich, wie schon beim ersten Band dieser kommentierten Ausgabe zu dem Roman „Der Process“, die Kommentare von Reiner Stach hilfreich, um den thematischen und biografischen Kontext der Erzählungen zu erfassen.

Bewertung vom 22.10.2025
Illies, Florian

Wenn die Sonne untergeht


ausgezeichnet

»Wir sind eine erlauchte Versammlung - aber einen Knacks hat jeder«, diagnostiziert Thomas Mann im Tagebuch ganz nüchtern.

Es ist der 11. Februar des Jahres 1933, mit dem dieses Buch beginnt. Der 28. Hochzeitstag von Katia und Thomas Mann und zugleich der letzte Tag, den sie im vertrauten München auf deutschem Boden verbringen, bevor sie auf eine Vortragsreise zum 50. Todestag – des vom Nobelpreisträgers so geschätzten – Komponisten Richard Wagners quer durch Europa aufbrechen und sich ausgehend davon direkt – ohne es geplant, erwartet oder hat gehofft zu haben – ins Exil begeben. Aber auch an Frankreichs exilantenträchtiger Küste in Sanary gestrandet und den Jetzt-Zustand akzeptierend, möchten die Manns nicht auf ihren gewohnten Anspruch verzichten, von dem andere jedoch nur träumen konnten.
In diesen Wochen wird versucht, nicht die Nerven zu verlieren und zugleich immer wieder so gelebt, als wäre ihr Zustand eine freiwillige, zum Spaße ausgelegte Sache.

Aber in diesem Buch sollen nicht nur die Geschehnisse Thomas Manns oder des Ehepaars erzählt werden, sondern auch die Geschichten der sechs Kinder sowie der Großeltern von Katia – ein Familienpanorama mit vielen Tragödien.
Schließlich eint sie alle das gleiche Schicksal, wenn auch auf unterschiedliche Art und Weise. Aus unzähligen Briefen, Tagebucheinträgen und Werken der erwähnten Personen, schöpft Illies seine Informationen für dieses Buch und setzt sie gekonnt in einen Zusammenhang, der einen sonst, in dieser fast bildlichen Weise, nicht zugänglich wäre.

Wie von Florian Illies schon von seinen bisherigen Büchern gewohnt, ist auch dieses, über ein eigentlich schweres und bedrückendes Thema – den Beginn des Exils der Familie Mann –, nicht nur wahnsinnig toll erzählt, sondern auch mit viel pointiertem Humor und Ironie versehen.
Ich bin mir sicher, das hätte Thomas Mann gefallen – was sicher das größte Kompliment für dieses Buch sein kann –, auch wenn er manchmal nicht eben in gutem Licht oder beschönigt da steht, sondern einfach realistisch wie er war.

Bewertung vom 04.10.2025
Arenz, Ewald

Katzentage


ausgezeichnet

»Wir sind beide befangen, dachte er, und vielleicht sprechen wir über andere Dinge, weil wir über die eigentlichen nicht so richtig reden können.«

Nach einer Fortbildung, die so ganz anders endete, als Paula und Peter es erwartet hätten, befinden sie sich nun auf ihrem Heimweg. Doch der Zugstreik macht ihnen einen Strich durch ihre Rechnung und sie – es bleibt ihnen auch gar nichts anderes übrig – stranden im herbstlichen Würzburg. Die Ärztin und der Jurist versuchen das Beste aus der Situation zu machen und verbringen die folgenden Tage, bis die Weiterfahrt wieder möglich ist, mit dem gemeinsamen Erkunden der Stadt. Schließlich verstehen sie sich gut, sehr gut sogar. Und zudem müssen sie sich noch über ihre aktuelle Gefühlslage klar werden, um sich die gestrige gemeinsame Nacht erklären zu können. Peter möchte gerne wissen, woran er bei ihr ist, doch sie den Moment dadurch nicht zerstören lassen. Dementsprechend kommen die ihnen nun geschenkten Tage gelegen.

Ewald Arenz erzählt von diesen Tagen, indem er die Figuren selbst durch wechselnde Perspektiven zu Wort kommen lässt. So bekommen die Leser*innen detaillierte Einblicke in die Gefühlswelt und das obwohl die Erzählungen manchmal kleine Sprünge beinhaltet.
Dabei schafft er es, diese Liebesgeschichte eindrücklich und doch mit einer Leichtigkeit zu erzählen und zugleich beim Lesen eine herbstliche Stimmung zu erzeugen, als wäre man es selbst gewesen, der sich verliebt durch das herbstliche Würzburg treiben lässt.
Zwischen verliebten, frechen Neckereien und immer wieder ernsteren, tiefergehenden Themen jonglieren diese in der fränkischen Stadt erlebten Katzentage. Einfach nur zu leben – im Hier und Jetzt. Zeit, darüber nachzudenken, was morgen sein wird, bleibt auch später noch.
Auch wenn man die Erzählung schnell gelesen hat, ist sie auf so eindrückliche und bildhafte Weise erzählt, dass sie lange in Erinnerung und im Herzen bleiben wird.

Wenn es ein Must-Read für den Herbst gibt, dann ist es diese, mit gelungenen Illustrationen von Florian Bayer, verschönerte Erzählung.

Bewertung vom 04.10.2025
Haratischwili, Nino

Europa, wach auf!


ausgezeichnet

»Ich will die Komplexität meines Ichs genauso aushalten wie die der Welt, denn komplexe Fragen zu stellen, halte ich für unser aller Pflicht, die wir in diesem Bereich tätig sind.«

Die sechzehn in diesem Buch ausgewählten Reden und Essays der Autorin Nino Haratischwili, welche zwischen 2013 und 2025 gehalten oder publiziert wurden, handeln von bröckelnden Demokratien, Diktaturen und immer wieder von dem großen, scheinbar allmächtigen und stets machtgierigen Riesen – Russland. Insbesondere von dessen Leidtragenden. Aber sie geben auch Mut und Hoffnung, rütteln auf und sind in ihrer Fülle ein warnender Appell an unsere Gesellschaft.

Eindrücklich und doch mit wohlgeformten Sätzen und poetischer Wucht, die man von ihren Roman gewohnt ist, liest man diese Reden und Essays, die niemand kalt lassen können.

Es geht um Heimat, Identität und immer wieder schwebt über allem – Krieg und Gewalt.
Aber nicht weniger geht es auch um Kunst, Literatur und Theater.
Man merkt, wie sehr die Autorin die besprochenen Themen beschäftigen. Immer wieder blitzen Wut und Hoffnungslosigkeit durch, nicht zuletzt große Enttäuschung.
Anders als in ihren Romanen thematisiert Haratischwili erstmals in ausgewählten Texten mit autobiografischen Sequenzen ihr eigenes Leben. Ihr Aufwachsen in Georgien und der stetige an sie gerichtete Vorwurf sich zwischen ihrem Deutsch- und Georgischsein zu entscheiden. Dabei plädiert sie für mehr Dialog und Austausch und keine Entweder-Oder-Szenarien, sondern stattdessen ein Und zuzulassen und zu akzeptieren.

Eine Sache ist ganz klar: Nino Haratischwili ist eine der wichtigsten Stimmen unserer Gegenwart! Das hat sie mit ihren Romanen und Stücken bewiesen und manifestiert es mit ihren Reden und Essays erneut.

Bewertung vom 14.09.2025
Gomringer, Nora;Voland & Quist

Am Meerschwein übt das Kind den Tod


ausgezeichnet

»Ab einem gewissen Punkt reißt die eine Welt von der anderen ab, und da, wo du stehst, bist du.«

Wenn die eigene Mutter stirbt, schwindet nicht nur ein geliebter Mensch, sondern auch ein Teil des eigenen Lebens. Denn das Leben der Mutter ist auch zugehörig zum eigenen Ich, welches sie meist lebenslang geprägt hat. Ohne sie gäbe es einen nicht und auch wenn die Beziehung oftmals nicht eben leicht erscheinen mag, reißt diese innere Verbindung niemals ab.
So auch bei Nora Gomringer. Ihre Mutter Nortrud verstarb am Dienstag, den 08. Dezember 2020. Seitdem sind fast fünf Jahre vergangen, doch der Schmerz des Verlusts und dessen Trauer hält bis heute an.
Zeit, um der Erinnerung ihren Raum zu geben, die sie zu beabsichtigen gedenkt. Aus diesem Anlass entstand der erste Roman der Autorin und zwar in Form eines von ihr so benannten „Nachroughs“.
Erinnerung ist schmerzlich, doch das Leben nicht minder.
Ihr wechselhaftes Erzählen über die Mutter – zwischen Nähe und Distanz – besteht aus Episoden der Kindheit und vielen Einblicken in das Leben der Gomringers, welches selten ein leichtes war. Sie gedenkt ihrer Mutter, versetzt sich in sie hinein und hinterfragt dabei teils ihre Entscheidungen, z.B. sich von ihrem Mann so vereinnahmen zu lassen, statt ihr eigenes Leben mehr zu genießen. Dann auch noch die Kinder aus verschiedenen Partnerschaften, seine Affären und allgemein der schwierige Umgang mit ihm.
Man merkt es schon: Immer wieder blickt neben der Mutter, die eigentlich die Protagonistin sein sollte, der Vater Eugen Gomringer hervor und nimmt Platz für sich in Anspruch, denn sowohl die eheliche Beziehung als auch die zwischen Vater und Tochter war von schwieriger Natur.

Dass Nora Gomringer nicht nur eine Meisterin der Lyrik ist, sondern auch die Langstrecke der Prosa beherrscht, hat sie hiermit eindeutig bewiesen und lässt hoffen, dass in Zukunft Weiteres kommen wird. Ein in seiner Form einzigartiges Buch, das Notrud Gomringer ein literarisches Denkmal für die Ewigkeit setzt.

Bewertung vom 14.09.2025
Milbrandt, Tobias;Höper, Florian

Lesen ist deine Superkraft


ausgezeichnet

»Viele Menschen unterschätzen, was ein einziges Buch im Leben bewirken kann. Vielleicht, weil sie nie erfahren haben, was Lesen wirklich ist.«

Bücher über das Lesen gibt es zuhauf, doch dieses ist etwas ganz anderes.
Obwohl Tobias Milbrandt selbst lange nicht gelesen hat, schätzt er es jetzt umso mehr und genau das war sicherlich auch sein Ansatz, zusammen mit Florian Höper, dieses Buch zu schreiben: Er möchte seine Erfahrungen und die vielen Vorteile, die ihm das Lesen bietet, mit möglichst vielen teilen. Schlichtweg weil lesen so viel mehr ist, es den eigenen Horizont erweitern und ganz neue Welten eröffnen kann.

Auch wenn dieses Buch eher für Leute gedacht ist, die nicht (mehr) oder nur wenig lesen, konnte ich – obwohl ich selbst viel lese – einiges daraus mitnehmen. Spätestens wenn man sich bei einem Buch erwischt, immer wieder vor sich hin zu nicken oder innerlich dem Gelesenen zuzustimmen, trifft es unzweifelhaft direkt ins Schwarze.
Denn auch Menschen, die häufig lesen, werden dieses Buch mit Gewinn lesen. Schließlich zeigen beide Autoren bspw. auf, wie man aus bestimmten Büchern mehr mitnehmen und besonders das Lesen besser in den Alltag integrieren kann. Darüberhinaus wird auf verschiedene Lesetechniken eingegangen und warum Lesen nicht nur dem persönlichen Genuss und der Weiterbildung dienlich ist, sondern sogar unserer Gesundheit!

Auch wenn ich kein Vergleich mit anderen Ratgebern habe, denn als solchen würde ich dieses Buch hier beschreiben, hat es mir wirklich gut gefallen, weil er nicht nur an der Oberfläche kratzt, sondern auch in die Tiefe geht, Problemstellung deutlich anspricht und allem voran Lösungen darlegt, um sein Verhalten hinsichtlich des Lesens verändern zu können. Noch dazu war es flüssig zu lesen und informativ.
Gewünscht hätte ich mir ausschließlich, etwas weniger Wiederholung ähnlicher Aspekte und einen Blick mehr auf Belletristik.

Das Plädoyer zum Schluss:
Das Handy mal weglegen und ein Buch zur Hand nehmen – aber wem sage ich das.

Bewertung vom 14.09.2025
Maar, Michael

Das violette Hündchen


ausgezeichnet

»Woran erinnert man sich, wenn man sich an Lektüren erinnert?«

Wenn man nach einiger Zeit, gar Jahren an bestimmte Bücher zurückdenkt, weiß man oft nur noch, ob sie einem gefallen haben oder eben nicht.
Trotz Anstrengung bleiben nicht selten weder Handlung noch Plot im Gedächtnis, dafür – zumindest bei guten Büchern – einige Details. Und das, weil sie berührend waren, außergewöhnlich, unerwartet oder gar absurd.
Eben dieser Spur folgen wir durch Maars Bibliothek und streifen dabei sowohl etliche Klassiker als auch zeitgenössische Bücher.
Auf unserer Suche nach dem Geheimnis großer Literatur lassen sich auch Ähnlichkeiten und Gemeinsamkeiten mancher Werke erkennen, z.B. im Falle von Jane Austens „Mansfield Park“ und Goethes „Wahlverwandtschaften“. Die Analysen zeigen darüberhinaus interessante Erkenntnisse, z.B. inwiefern „Dracula“ ein höchst antisemitisches Werk ist oder ob Jesus wirklich am Kreuz starb.

Aber es geht nicht nur um die Werke, sondern auch um die Autor*innen selbst, ganz prägnant das einzigartige Rätsel um Shakespeare oder die Blutspur, welche das gesamte Werk Thomas Manns durchstreift.

Ich selbst kannte einige Autor*innen überhaupt nicht, teils waren mir die Werke nur vom Hören-Sagen ein Begriff und dennoch, obwohl ich nur die wenigsten davon bisher gelesen habe, konnte man dem Buch immer gut folgen, ohne überfordert oder andererseits gelangweilt zu werden.

Michael Maar pustet die Staubspur von den Klassikern und zeigt, wie vielfältig und lesenswert diese sind - Literaturunterricht par excellence!
Wer dieses Buch gelesen hat, wird seine Leseliste um mehr als nur einige Werke verlängert wissen.

Besonders das wie, ist hierbei ausschlaggebend. Denn das Buch ist nicht nur genial, mit Humor und viel persönlicher Leidenschaft des Autors erzählt, sondern wahrhaftig spannend und mit Sogwirkung und wirkt selbst wie ein Klassiker der Literaturwissenschaft, der unsereins ganz sicher überdauern wird.
Wer sich für Literatur und die Autor*innen dahinter interessiert, muss dieses Buch lesen!

Bewertung vom 14.09.2025
Gröschner, Annett

Schwebende Lasten


weniger gut

»Das war noch nicht alles, dachte Hanna in der Notunterkunft, da kommt noch mehr, und sie sollte recht behalten. Das war erst der Anfang.«

Hannas achtzigjähriges Leben verlief nicht gradlinig, sondern hatte einige harte Proben zu bestehen. Schläge, die das Leben, beeinflussbar oder nicht, bereithält.
Eigentlich ist Hanna Blumenbinderin und das mit leidenschaftlicher Begeisterung. Doch ihren Laden kann sie nicht lange weiterführen, denn der aufkommende Nationalsozialismus frisst nicht nur Seelen, sondern auch das Geld der Leute und Blumen werden zum seltenen Luxus. Zudem kommen ihre eigenen Kinder, für die sie eine gute Mutter sein möchte. Der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs verschlimmert die Sachlage drastisch.
Das unerträgliche Leid, dem Hanna ausgesetzt ist, raubt immer mehr von ihrem Leben und doch versucht sie selbst in der schlimmsten Misere umsichtig nach vorne zu schauen, um das Beste für ihre Familie zu erlangen.
Neben all diesen, schlängeln sich Blumen durch den Roman, der neben deren Schönheit auch das Handwerk von Florist*innen eine würdevolles literarisches Denkmal setzt.

Wie viel verträgt eigentlich ein Mensch, bevor er zerbricht?
Auf nicht einmal 300 Seiten erzählt Gröschners Roman ein ganzes Leben über mehrere schwierige politische Zeiten hinweg, vom Krieg, der alles bisher Gewohnte zerstört hat und einer Frau, die nicht nur mit mehreren Abtreibungen und den Verlust mehrerer Kinder klarkommen musste.

Doch nun zum großen Aber … Wie gerne hätte ich, wie so viele andere, diesen fulminanten Roman geliebt. Jedoch konnte ich es nicht. Schon gleich das erste Kapitel war für mich sehr verwirrend, sodass ich gar nicht mehr durchblicken konnte, wer jetzt wer ist. Danach wurde es besser. Aber trotzdem konnten mich die Figuren und die Geschichte emotional nicht abholen und blieben für mich ohne Tiefe und nur an der Oberfläche. Insgesamt war es für mich einfach zu viel.
Auch wenn ich den Roman gerne gemocht hätte, konnte schlussendlich selbst die mehrmalige Erwähnung Thomas Manns das Ruder für mich nicht mehr herumreißen …