Benutzer
Benutzername: 
yellowdog

Bewertungen

Insgesamt 2118 Bewertungen
Bewertung vom 14.08.2025
Dröscher, Daniela

Junge Frau mit Katze


ausgezeichnet

Leben mit Krankheiten und Katze
Junge Frau mit Katze liest sich wie eine Fortsetzung von Daniela Dröschers wunderbaren, autofiktionalen Roman Lügen über meine Mutter.
Es ist wieder ein gut lesbares Buch, der aus der Sicht der Erzählerin geschildert wird. Sie ist inzwischen Mitte Zwanzig und bereitet sich auf ihre Doktorarbeit vor. Das ist stressig für sie.
Ela lebt mit ihrem sensiblen Kater Sir Winston und hat mit Leo und deren Kind eine gute Freundschaft.
Ihr Leben wird aber beherrscht von Krankheiten verschiedenster Art, wobei man als Leser nicht genau weiß, ob sie teilweise nicht eingebildet sind.
Es scheint, als wenn die Krankheiten psychologisch mit den Problemen der Familienprobleme der Kindheit bedingt sind.

Das ernste Thema wird aber mit Wortwitz abgemildert.
Auch Elas Mutter hat wieder eine Rolle, wenn auch kleiner als im anderen Buch.
Dröschers Art zu schreiben, ermöglicht Anteilnahme am Leben ihrer Figuren.

Bewertung vom 14.08.2025
Gary, Romain

Europäische Erziehung


sehr gut

Europäische Erziehung ist der erste Roman von Romain Gary, noch im Krieg geschrieben. Die Handlung ist 1942 angelegt. Der 14jährige Januk wird von seinem Vater im Wald versteckt während in Stalingrad die Schlacht tobt. Nach dem Tod des Vaters flüchtet Januk zu den Partisanen und wird dort eine Rolle einnehmen. Er wird schnell vom Kind zum Mann.
Man merkt dem Buch an, wann er entstanden ist, da ein Roman, der z.B. von einem heutigen Autor in diese zeit gelegt ist, niemals so authentisch sein kann.
Romain Gary zeigt die ganze Härte dieser Zeit.
Gleichzeitig hat das Buch doch auch eine Frische, die vermutlich auch von der neuen Übersetzung gespeist wird.

Bewertung vom 14.08.2025
Konishi, Masateru

Die Bibliothek meines Großvaters


sehr gut

Unterhaltungsroman mit Krimielementen

Der Großvater der Lehrerin Kaede ist an Demenz erkrankt, dennoch ist er noch ein scharfsinniger Mann. Ihr Verhältnis zueinander ist liebevoll und eng. Sie teilen auch die Liebe zu Büchern, zum Beispiel den klassischen Kriminalromanen, wie z.B. Cornell Woolrich, Conan Doyle oder Dickson Carr. Das wird wichtig für da Buch, denn Kaede und ihr Großvater sprechen intensiv über rätselhafte Kriminalfälle. Die Dialoge zwischen den beiden sind brillant und machen einen Großteil des Buches aus. Manchmal gibt es aber auch fast poetische Beschreibungen.
Für japanische Romane ist es typisch, dass die Erzählerin zurückhaltend und nachdenklich ist. Das trifft auf Kaede sehr zu.
Der Krimianteil könnte das Buch für Cozy-Fans interessant machen, aber es ist auch ein Roman mit gefühlvollen Momenten. So ist es in erster Linie ein guter Unterhaltungsroman.

Bewertung vom 12.08.2025
Engler, Leon

Botanik des Wahnsinns


sehr gut

Familienchronik der anderen Art

Leon Engler, bekannt durch seinen Auftritt beim Bachmannpreis, wo er den 3Sat-Preis gewonnen hatte, lässt den Icherzählers des Romans einen Blick auf die Familiengeschichte werfen. Die ist durchzogen von psychische Erkrankungen verschiedenster Art. Kein Wunder, dass der Protagonist sich fürchtet, ob es auch ihn selbst treffen wird. Ironischerweise wird er dann selbst als Psychologen in einer Psychiatrie anfangen zu arbeiten.
Es wird rückerinnernd erzählt. Er zeigt auch einen Teil seines Lebens, z.B. die Beziehung zu Ellen, die er liebt.
Leon Engler geht ziemlich weit bei der Familienchronik. Es ist wirklich eine tragische Botanik des Wahnsinns, von Bipolar bis Schizophrenie.
Die Emotionen des Protagonisten werden nachvollziehbar. Er agiert eher ruhig und verhalten, manchmal mit Selbstmitleid. Daraus entwickelt sich der Erzählton, bei dem ich nur zum Teil mitgehen. Insgesamt ist es ein sorgfältig gemachter Roman.

Bewertung vom 12.08.2025
Handke, Barbara

Bernadette ändert ihr Leben


sehr gut

Bernadette ist geschieden, aber ein mütterlicher Typ. Als dann ihre 14jährige Tochter zu ihren Exmann zieht, gerät sie in eine Krise. Wohin jetzt mit ihrer Fürsorglichkeit? Da ist sie froh, dass es ihr unerwartet beruflich möglich wird, für 4 Wochen nach Madrid zu reisen.
Hier trifft sie auf den Fotografen Tom, der aktuell auch familiäre Probleme und eine Trennung hat. Die Autorin gewährt Tom auch Passagen für sich selbst, während sonst überwiegend Bernadette im Mittelpunkt steht.

Barbara Handke schafft es, dem Leser Zugang zu Gedanken und Emotionen ihrer Figuren, besonders Bernadette, zu ermöglichen.
Bernadette kann in den Wochen in Madrid nachdenken und über ihre Entscheidungen für den Lebensweg reflektieren.
Ich halte den Roman besonders auch auf der Sprachebene für sehr gelungen.
Es ist ein sympathischer Roman, der elementare alltägliche Probleme ernst nimmt.

Bewertung vom 11.08.2025
Bryla, Kaska

Mein Vater, der Gulag, die Krähe und ich


ausgezeichnet

Vielzahl von Themen

Die österreichisch-polnische Schriftstellerin Kaśka Bryla bringt in ihrem Buch verschiedene Aspekte zusammen. Zum einen ist es offenbar ein autofiktinaler Text. Es ist ein Corona-Text, ein Vater-Buch, ein Trauerbuch. Es wird über die polnische Geschichte erzählt. Und es ist ein Buch darüber, wie die Erzählerin sich zärtlich um eine am Flügel verletzte Babykrähe kümmert.
Immer wieder geht es fast fließend ineinander.
Durch die Vielzahl dieser Themen wird es in der Summe zu einem einzigartigen und dichten Text.

Bewertung vom 11.08.2025
Serre, Anne

Einer reist mit


weniger gut

Reisen mit Vila Matas

Von der französischen Schriftstellerin Anne Serre kommt ein ungewöhnlicher, fantasievoller Roman, den sie spielerisch gestaltet.
Die Protagonistin, die mit der Autorin viel gemeinsam hat, macht eine Reise zu einem Literaturfestival, bei sie eingeladen ist. Auf der Zugreise liest sie ein Buch von Enrique Vila-Matas, ein Autor, den sie bewundert. Aber auch Kafka, Modiano, Thomas Bernhard erwähnt sie. Literatur ist ein wichtiges Thema im Buch.
Das Buch har drei Teile. Nach dem erwähnten Anfang mit der Zugfahrt gibt es eine kurze Story, in der Vila Matas mitwirkt. Der dritte Teil reflektiert dann noch mal über die ersten beiden.
Die Leichtigkeit bestimmt den Roman, aber gleichzeitig ist er eigentlich sehr raffiniert gemacht.

Bewertung vom 10.08.2025
Maschik, Anna

Wenn du es heimlich machen willst, musst du die Schafe töten


ausgezeichnet

Familienchronik
Dieser Roman mit dem ungewöhnlichen Titel, der sich im Text aber erklärt, ist eine Familienchronik über vier Generationen. Der Blick liegt schwerpunktmäßig auf den Frauen.
Erzählt wird die Geschichte von Alma, der jüngsten in dieser Familie. Der Text beginnt bei den Urgroßeltern und dann über die kommenden Kinder und deren Leben hinweg. So wird auch mal ein ein ganzes Leben von Geburt bis zum Tod gezeigt. Und die Autorin zeigt, wie sich vieles wiederholt.
Wie die Wiener Autorin Anna Maschik sagt, wollte sie nicht episch schreiben. Daher wirkt einiges fragmentarisch, was aber nicht stört. Die verbliebenen Lücken lassen Spielraum für den Leser. Und der Text wirkt trotz der Form nie sperrig. Der Text wird außerdem durch eine Spur Magie belebt. Diese Magie ist mit der ansprechenden Sprache verknüpft. Ein Stück magischer Realismus der Art eines Gabriel Garcia Marquez, den man in der deutschen Literatur nur selten antrifft. Ein wenig erinnerte mich das Buch an die leider jung verstorbene Helene Adler mit ihren viel bewunderten Büchern.
Es ist zu hoffen, das Anna Maschiks Buch eine ähnlich hohe Anerkennung erhält.

Bewertung vom 10.08.2025
Wood, Benjamin

Der Krabbenfischer


ausgezeichnet

Niedrigwasser

Der Krabbenfischer ist ein stimmungsvoller Roman, der in den sechziger Jahren in England verortet ist und mit Thomas einen jungen Mann zeigt, der einerseits von seiner Arbeit als Krabbenfischer lebt, aber weiß, dass das eventuell nicht von Dauer ist. Er ist ein Mann, der im Einklang mit dem Meer und dem Strand lebt, aber auch geheime, versteckte Hoffnungen auf ein anderes Leben hat.
Thomas lebt mit seiner Mutter, die ein starker Charakter ist.
Dann kommt ein Mann, der im Filmgeschäft ist und bietet Thomas eine Chance als Experte für die Gegend.
Es geht auch um Hoffnungen und Träume, aber auch um Realität.
Benjamin Wood ist gut in den Beschreibungen und stark bei den Dialogen.

Der Roman ist auf der Longlist des Booker Awards, was bei der Kürze des Buches eigentlich eine Überraschung ist. Aber vielleicht nutzt das Buch seine Außenseiterchance und kommt in die Shortlist.

Bewertung vom 04.08.2025
Allende, Isabel

Mein Name ist Emilia del Valle


ausgezeichnet

Neuer Roman des Literaturstars!

Wie für Isabel Allende typisch prägt eine ausdrucksstarke und selbstbewusset Erzählerin den Roman. Dank dieser Erzählstimme ist man sofort in dem Roman drin und Allende überzeugt als souveräne Autorin, auch wenn es manchmal zu dick aufgetragen wirkt. Zu recht wird der Roman als Pageturner bezeichnet und es gibt sogar lose Zusammenhänge zu Das Geisterhaus.
Es ist die zweite Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts.
Zu Beginn erzählt sie von ihrer Mutter in den USA, die ungewollt schwanger wurde. Der Vater ist Chilenischer Herkunft. Somit sind wieder Allendes wichtigste Länder in Kontakt.
Das Buch hat Tempo und schon nach wenigen Seiten ist Emilia Anfang Zwanzig und wird Journalistin. Das führt sie schließlich in den chilenischen Bürgerkrieg 1891.

Nach den letzten, starken Romanen Violeta und „Der Wind kennt meinen Namen“ hat der Literaturstar Isabel Allende mit Mein Name ist Emilia del Valle ein weiteres bemerkenswertes und lesenswertes Werk hinzugefügt.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.