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Bellis-Perennis
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Wien

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Insgesamt 1144 Bewertungen
Bewertung vom 03.10.2025
Maly, Beate

Advent im Grandhotel (eBook, ePUB)


sehr gut

Ernestine Kirsch und Anton Böck haben eine Einladung zu einer Kunstausstellung erhalten, bei der das eine oder andre Bild zugunsten einer Hilfsorganisation für Kriegswaisenkinder versteigert werden soll. Die Veranstaltung findet am Semmering im legendären Südbahnhotel statt, das nicht ganz so mondän wie das Panhans ist, in den sich Ernestine und Anton kennengelernt haben. Und weil Antons Tochter Heide in wenigen Wochen das zweite Kind erwartet, nehmen die beiden Antons Enkelin Rosa und ihren Freund Fritzi mit, denn die Aussicht auf Zuckerwatte, Lebkuchen und eine winterliche Schlittenfahrt, lassen auf ein gemütliches Wochenende schließen.

Wer Beate Maly kennt, kann sich ausrechnen, dass es nicht ganz so gemütlich wird, denn zum einem gibt es Reibereien unter den Ausstellern, nörgelnde Hotelgäste und antisemitische Sprüche und zum anderen verschwinden zwei jener Bilder, die versteigert werden sollen.

Nun ist der Spürsinn von Ernestine wieder gefragt ...

Meine Meinung:

Wie mir Autorin Beate Maly, die ich am vergangenen Wochenende bei einer Lesung getroffen habe, erklärt hat, ist dieser historische Roman kein Krimi sondern eine Adventgeschichte. Daher wird mehr Wert auf das vorweihnachtliche Ambiente gelegt, denn auf Spannung. Wir streifen durch das Südbahnhotel, das seine besten Jahre schon hinter sich hat . Direktor Silberstein erhofft sich von der Veranstaltung neues Klientel. Wie wir unschwer erraten können, erfüllen sich seine Erwartungen nicht, denn im Jahr 1926 haben die wenigsten Leute Geld für Urlaub.

Natürlich dürfen Rosa und Fritzi ihren Beitrag zur Aufklärung beitragen. Eine Nebenhandlung beschäftigt sich mit dem harten Los der Dienstmädchen sowie den Übergriffen, denen Balletttänzerinnen ausgesetzt sind.

Das Cover passt mit seinen an den Jugendstil angelehnten Elementen perfekt zur Krimi-Reihe.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem vorweihnachtlichen Roman, der uns in die Zwischenkriegszeit auf den Semmering entführt, 4 Sterne. Für mich hätten es durchaus ein paar Seiten mehr sein dürfen.

Bewertung vom 03.10.2025
Matzko, Caro

Alte Wut


ausgezeichnet

Caroline Caro Matzko, die im deutschen Fernsehen bekannte Moderatorin, hat in ihrem Leben bereits einige Therapien gemacht, Klinikaufenthalte inklusive, um unter anderem ihre Magersucht, ihre Depression und ein Burn-out in den Griff zu bekommen.

Zudem herrscht in der Familie eine angespannte Stimmung in der der Vater, Jahrgang 1934, wie ein Feldwebel agiert. Während ihr zehn Jahre älterer Bruder recht bald auszieht, muss die kleine Caro den Vater aushalten. Ungefragt erzählt er jedem, über seine Flucht als Zehnjähriger aus Ostpreußen, erzählt, wie er mehrmals dem Tod gerade noch entkommt, wie er in die Mündung eines deutschen und auch eines russischen Gewehrs schauen muss und was er alles auf der Flucht erlebt hat. Er erzählt, dass sein Vater von den Russen abtransportiert worden ist. Jahre später kommt eine trockene Karte mit der Meldung über seinen Tod in einem Arbeitslager. Das kann ein Kind kaum verarbeiten, zumal man vor allem den Jungs damals Emotionen abtrainiert hat. Der „Erfolg“? Eine Generation von Kriegskindern und in weiterer Folge Kriegsenkel, die ihre Traumata mit sich herum schleppen und mehrheitlich nicht wissen, warum sie so sind, wie sie sind.

Es scheint, als wären die vererbten Traumata ihres Vaters, eine der Ursachen von Caros eigenen Problemen. Nach Rücksprache mit einer ihrer Therapeutinnen packt Caro Matzko ihren Mann Rainer, die Tochter Fanny sowie den Familienhund und begibt sich auf ein dreiwöchige Reise zu den Orten, die ihr Vater einst als Heimat bezeichnet hat.

Stadt für Stadt, Dorf für Dorf bereisen sie seine Fluchtroute in die Vergangenheit zurück, bis sie in Osterode ankommen, wo Ekkehart Matzko mit seiner Familie gelebt hat und just in dem Hotel absteigen, das gegenüber dem 2016 abgerissenen Hotels der Matzkos errichtet worden ist und in dessen Treppenhaus das alte Hotel als Fototapete grüßt.

Die Reise ist für Caroline Matko nicht ganz einfach, hat sie doch selbst einige Vorurteile ihres Vaters im Gepäck, obwohl sie dessen politische Ansicht und Meinung nicht teilt. Doch beinahe überall begegnet sie Menschen, die ihr weiterhelfen, so wie die 90-jährige Roza, die einst Rosemarie hieß und ihren Namen in die polnische Variante ändern musste, um nicht vertrieben zu werden.

Wie es Touristen häufig machen, nimmt Caro Matzko ein paar Steine, die sie für Überreste des alten Hotels hält, sowie ein Sackerl voll (Heimat)Erde mit nach Hause, ohne zu wissen, dass sie damit ihrem Vater seinen Herzenswunsch erfüllt.

Nach der Rückkehr nach Deutschland, schreibt sie dieses Buch, in dem sie auch über Therapieansätze und Erfolge berichtet. Es scheint, dass sich dabei einige Knoten bei ihr gelöst haben.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem schnörkellosen und dennoch emotionalen Einblick in eine schwierige Vater-Tochter-Beziehung 5 Sterne.

Bewertung vom 03.10.2025
Kästner & Kästner

Tatort Hafen - Die letzte Fähre nach Dockland / Wasserschutzpolizei Hamburg Bd.3


ausgezeichnet

Fesselnd bis zur letzten Seite

Melanie Cullmann, Logistikerin im Hamburger Hafen, wird tot am Elbufer gefunden. Zunächst wird ein Selbstmord angenommen, was der Ehemann Fred vehement abstreitet und voller Wut auf eigene Faust Nachforschungen anstellt, die in tief in seine Vergangenheit führt.

Recht bald bemerkt Jonna Jacobi vom LKA, dass sowohl Melanie als auch Fred ihre Geheimnisse haben. Melanie scheint bei ihrer Arbeit am Eurocon Containerterminal in Unregelmäßigkeiten verwickelt zu sein. Daher wird Tom Bendixen von der Wasserschutzpolizei den LKA-Team zugeteilt und schleust seinen Mitarbeiter Quetsche im Containerterminal als Zivilfahnder ein.

Wenig später entdecken die Ermittler die wahre Identität von Fred Cullmann als ehemalige Kiezgröße. Da er vermutlich immer noch Verbindungen hat, wird die Jagd nach dem Mörder seiner Frau zu einem Wettlauf mit der Zeit. Denn weder schläft der Hamburger Hafen noch das organisierte Verbrechen...

Meine Meinung:

Das Autoren-Duo Angelique und Andreas Kästner führt uns nun zum dritten Mal in den Hamburger Hafen, der eine eigene faszinierende Welt für sich ist und die immer wieder für spannende Geschichten sorgt. Ob Drogenschmuggel oder illegale Einwanderung - der Hafen Hamburg ist ein großes Einfallstor für Waren aller Art und die Zollbehörden sind chronisch unterbesetzt. Sie können nur einen kleinen Bruchteil der umgeschlagenen Container kontrollieren, was sich kriminelle Banden zu Nutze machen. Und wenn dann noch der eine oder andere Container durchgeschleust wird, erreichen die Gewinnmargen ein Maximum.

Geschickt wird eine Kiste mit Zollplomben, die während des Elbhochwassers aus dem Hafen geborgen wird, zu einer, nicht von allen, beachteten Hauptdarstellerin (siehe vorherigen Fall). Erst nach einiger Zeit und weiteren Toten erkennt Tom Bendixen die Bedeutung des Inhalts dieser Kiste.

Wir begegnen den Charakteren aus den beiden vorherigen Fällen und lernen neue interessante Figuren kennen. Diesmal ist keine gekommen, um zu bleiben. Das gilt vor allem für den liebenswerten Schrotti, einen ehemaligen Barkassenführer, der bei einem Unglück seine Familie verloren hat und noch immer darauf wartet, dass die Elbe die sterblichen Überreste seiner Frau hergibt.

Wie immer können sowohl Angelique Kästner als auch Andreas Kästner aus ihrem reichen Erfahrungsschatz schöpfen. Sie als ausgebildete Psychotherapeutin und er als ehemaliger Hauptkommissar der Wasserschutzpolizei. Sie flechten Fakten, wie zum Beispiel das Barkassenunglück von 1984, bei dem 19 Menschen, darunter 11 Kinder ihr Leben verloren haben, in fiktive Charaktere ein. Daneben erfahren wir Wissenswertes über den Hafen Hamburg, der für die meisten von uns Lesern zahlreiche Geheimnisse birgt, sowie über den Hamburger Kiez und seine kriminellen Bewohner und das Nadelöhr der Stadt - die Köhlbrandbrücke.

Einigen Lesern sind die nautischen und polizeilichen Begriffe vielleicht nicht so präsent, daher gibt es ein ausführliches Glossar.

Ich freue mich schon auf den vierten Fall für Tom Bendixen, Jonna Jacobi und Charlotte Severin, der - wie man der Leseprobe entnehmen kann - im Umfeld des Hafengeburtstags spielen wird.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem Krimi, der im Hamburger Hafen spielt und bis zur letzten Seite fesselt, 5 Sterne und eine Leseempfehlung.

Bewertung vom 28.09.2025
Tägder, Susanne

Die Farbe des Schattens (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Tristesse im Plattenbau

Winter 1992 in Mecklenburg: Der elfjährige Matti Beck verschwindet aus der Plattenbausiedlung des fiktiven Ortes Wechtershagen. KHK Arno Groth, der vor rund einem Jahr aus Hamburg in seine frühere Heimat zurückgekehrt ist, mobilisiert gemeinsam mit den Eltern und den Nachbarn eine Suchaktion. Doch Matti bleibt verschwunden und lässt das Schlimmste befürchten, denn in der klirrenden Kälte scheint es kein Überleben zu geben.

Recht bald gerät ein alkoholkranker Obdachloser in das Visier der Polizei, der in einem der leerstehenden Abbruchhäuser zu überwintern versucht und dabei die Leiche von Matti entdeckt. Ist der Fall damit gelöst? Und welches Motiv steckt dahinter?

Doch dann erhält Groth den Hinweis auf einen ähnlichen Fall, bei dem vor rund sechs Jahren ein Kind ermordet worden ist. Zufall? Groth holt den damaligen Ermittler, der wegen seiner Stasi-Vergangenheit aus der Polizei ausgeschlossen worden ist, als Berater zurück.

Gemeinsam rollen sie den alten Fall auf und entdecken einige Übereinstimmungen mit dem aktuellen Verbrechen. Haben sie es mit einem Triebtäter zu tun? Oder warum liegt zwischen den beiden Morde ein so großer Zeitraum? Gibt es noch weitere Fälle, die ihnen bislang nicht bekannt sind?

Meine Meinung:

Wie schon im ersten Krimi (Das Schweigen des Wasser), wird auch diesmal großes Augenmerk auf die Zeit und die Umstände sowie auf die handelnden Personen gelegt.

Der Krimi gibt die Stimmung sehr gut wieder, die hier in der eingeschworenen Dorfgemeinschaft herrscht. Die Grundtendenz ist trist, grau wie das Wetter in diesen Herbst. und Wintertagen. Die alte Ordnung der DDR ist noch nicht ganz weg und die neue hat noch nicht den Weg in die Köpfe der Menschen gefunden.
Autorin Susanne Tägder lüftet ein klein wenig den einen oder anderen Schatten aus Arno Groths früherem Leben. Ausführlicher beschreibt sie das Leben der Menschen in Wechtershagen, in dem vor allem die Männer arbeitslos sind und die Frauen sind es, wie Mattis Mutter, die Doppelschichten als Krankenschwester fährt, die die Familie ernähren. Das kratzt am Ego der Männer, die sich wenig um ihre Kinder kümmern und sich daher selbst überlassen bleiben. Ein Jugendklub, der rechtsradikale Ideen verbreitet, bietet einigen Jugendlichen eine neue Familie.

Für eingefleischte Krimi-Fans, die es gerne zackig haben, wird dieser Krimi wohl nicht die erste Wahl sein. Hier werden mehrfach Klinken geputzt und die Ermittlungen recht realistisch dargestellt. Das beinhaltet auch das Verhör des Verdächtigen, dem man zunächst ein Geständnis entlockt, das er aber widerruft. Nun beginnt die Tätersuche von vorne.

Fazit:

Obwohl es hier kaum strahlende Helden gibt, erhält dieser zweite Fall für Arno Groth von mir 5 Sterne.

Bewertung vom 28.09.2025
Huwyler, Marcel

Frau Morgenstern und die Offenbarung


ausgezeichnet

Beste Krimiunterhaltung!

Damit hätte Violetta Morgenstern, pensionierte Lehrerin und Auftragskillerin im Namen des Staates, nicht (mehr) gerechnet: mit einem Privatleben an der Seite von Miguel Schlunegger, seinen Zwillingstöchtern Ida und Frida sowie dem grauhaarigen Gilbert, der als Reserveopa immer dann einspringt, wenn Miguel und Violetta im Auftrag des TELL-Ministeriums Leute umbringen.

Der aktuelle Auftrag, es sind elf Personen, die dem Staat gefährlich werden könnten, zu eliminieren, bringt das Team Schlunegger und Morgenstern an seine Grenzen. Der Auftrag ist asap auszuführen, wobei die übliche Praxis, die Morde als Unfall oder natürliche Todesursache darzustellen, aus Zeitmangel außer Acht gelassen werden muss. Nachdem sich sich herausstellt, dass die elf gemeinsam an einer Ausgrabung in Ägypten beteiligt gewesen sind, wo man ein, die Schweizer Geschichte veränderndes Geheimnis entdeckt hat, bleibt eigentlich nur eine Portion Semtex übrig. Doch mitten in der Stadt ein Gebäude in die Luft jagen? Das hört sich sowohl für den ehemaligen Scharfschützen Miguel als auch für die pensionierte Lehrerin, die gerne subtile Methoden benützt, ziemlich grobmotorisch an.

Noch bevor sie Details ausgearbeitet haben, kommt ihnen jemand zuvor. Beim gemütlichen Fondue-Essen ereilt die Gruppe mittels schnödem Sprengstoffanschlag der Tod. Lediglich der Dr. Gottlieb, der Leiter der Ausgrabung, kann bevor er dem ägyptischen Totengott Anubis gegenübersteht, der Reinigungskraft des Instituts eine verschlüsselte Nachricht zukommen lassen.

Meine Meinung:

Auch bei diesem Krimi kommt der schwarze Humor des Autors bestens zur Geltung. So nimmt er einerseits die Gepflogenheit der Schweizer, so ziemlich jede Erfindung oder Entdeckung für sich zu reklamieren aufs Korn und andererseits zeigt er Schlunegger als einen liebenden Vater, der sich im Dickicht der Bürokratie zu verstricken droht, hat er doch für seine Zwillinge, die aus der Affäre mit der Politikerin Caminada stammen, keine ordentlichen Papiere. Doch Schlunegger und Omistern Violetta arbeiten nicht umsonst im Ministerium TELL, das unmögliches möglich macht.

Schmunzeln musste ich über die Verwandlung des ehemaligen Scharfschützen Schlunegger, den wir als kaltblütig und die Ruhe selbst kennen, zu einem veritablen Nervenbündel wird, wenn es um seine Zwillinge geht.

Huwylers Schreibstil ist herrlich wie immer. Seine Wortschöpfungen wie Omistern und oder das Akronym PEST für das Jugendamt, was nicht nur Schlunegger wie die gleichnamige Krankheit empfindet, sind legendär.

Und das Geheimnis, das, wenn es an die Öffentlichkeit käme, die Schweizer Geschichte umkrempeln würde? Ich lüfte es nicht. Das müsst ihr schon selbst lesen.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem rabenschwarzen Krimi, der mich abermals bestens unterhalten hat, eine Leseempfehlung und 5 Sterne.

Bewertung vom 28.09.2025
Quirico, Domenico

Kalaschnikow. Wie eine Waffe unser Zeitalter der Konflikte prägt (eBook, ePUB)


sehr gut

Die drei Wörter Taxi, Cola und Kalaschnikow kennt man, laut Kriegsberichterstatter Domenico Quirico, auf der ganzen Welt. Was liegt daher näher, sich mit der AK-47, wie die militärische Abkürzung der Kalaschnikow heißt, zu beschäftigen? Doch der Autor sieht sein Buch als Manifest gegen die Kalaschnikow.

„Um eines gleich zu Beginn klarzustellen: Dieses Buch handelt nicht von einer Waffe. Wer etwas über die Benutzung der Kalaschnikow, ihre technischen Parameter oder die Gefechtstaktiken erfahren will, bei denen sie seit siebzig Jahren in Dschungel-, Wüsten- oder Straßenkämpfen von regulären Truppen, Guerillas und Kriminellen eingesetzt wird, braucht gar nicht weiterzulesen. Dieses Buch ist eine Abhandlung über das Böse. Und dieses Böse hat einen Zeitrahmen, der sich genau eingrenzen lässt. Er reicht von den 1950er-Jahren, dem Beginn des Kalten Krieges bis in die heutige Zeit, in das dritte Jahrtausend. Vor allem in das dritte Jahrtausend.“

Zwischen den Stationen seiner Karriere als Kriegsberichterstatter, die ihn von Mosambik über Gaza und Somalia bis Syrien, Tschetschenien und der Ukraine geführt haben, flicht Quirico die Autobiografie von Michail Kalaschnikow ein, erzählt in mehreren Abschnitten wie aus dem Sohn einer enteigneten und nach Sibirien verschleppten Kulakenfamilie, der Erfinder einer der bekanntesten Waffe geworden ist. Mit einem Preis von nur rund 40 US-Dollar ist die Waffe für jedermann (und jederfrau) erschwinglich. Damit wird die AK-47 zum Symbol der Revolte und der Massaker.

Egal welche Ziele die sich gegenüberstehenden Konfliktparteien haben, eines eint sie:

„Denn es gibt einen stets präsenten Gegenstand, dessen verlässlicher Mechanismus Das Geschehen bestimmt und auf zeitlose Weise alles miteinander verbindet: die Kalaschnikow.“

Fazit:

Gerne gebe ich diesem interessanten Sachbuch über die zahlreichen Konflikte der letzten sieben Jahrzehnte, in denen die AK-47 eine bedeutende Rolle spielt, 4 Sterne.

Bewertung vom 28.09.2025
Prange, Peter

Dem Himmel so nah / Herrliche Zeiten Bd.2 (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

In diesem zweiten Teil der Dilogie stehen neben den Protagonisten des ersten Bandes, Vicky, Paul und Auguste, deren Kinder im Mittelpunkt. Sie sind durch freundschaftliche bzw. verwandtschaftliche Beziehungen ebenso verbunden wie die Länder Großbritannien, Frankreich und Deutschland. Nicht alle Erwartungen der Eltern und Kinder erfüllen sich. Statt in das Familienunternehmen einzutreten, wird einer Soldat, ein anderer liebäugelt mit dem Sozialismus. Von den Töchtern wird erwartet, sich den üblichen Konventionen zu unterwerfen, also hübsch und pflegeleicht zu sein, sowie eine vorteilhafte Ehe zu schließen. Die Konflikte in den Familien sind daher vorprogrammiert.

Wenig von den Träumen gelingt im ersten Anlauf. Es müssen persönliche Schicksalsschläge hingenommen werden, bis sich letzten Endes doch einige erfüllen.

Meine Meinung:

Peter Prange hat mit diesem historischen Roman, der wie es für ihn üblich ist, wortgewaltig und opulent daherkommt, ein Weltbild geschaffen, in dem es gärt. Letztlich wird der gesamte Kontinent wie Schlafwandler (© Christopher Clark) in den Ersten Weltkrieg taumeln. Geschickt verquickt er historische Fakten mit seinen fiktiven Charakteren. So werden den deutschnationalen, antisemitischen und kolonialistischen Ansichten von Alfred Hugenberg (1865-1951) und dessen Freunde vom Alldeutschen Verband mehrmals großen Raum eingeräumt. Die Gegner des Engagements in Afrika („Was haben wir in Afrika verloren?“) bleiben ungehört.

Gut gelungen ist Peter Prange, dass er die zahlreichen Handlungsstränge, die zwischenzeitlich ein wenig aus dem Ruder laufen, wieder einfängt und zu den ursprünglichen Charakteren Vicky, Paul und Auguste zurückkehrt.

Eine Kritik muss ich allerdings anbringen: Die Art und Weise wie Claire ihr Medizinstudium absolviert, ist wenig glaubwürdig.

Fazit:

Gerne gebe ich dieser Fortsetzung 5 Sterne.

Bewertung vom 26.09.2025
Wolf, Klaus-Peter

Der Weihnachtsmannkiller Bd.3


ausgezeichnet

Unerwartetes Finale

Alle Welt wähnt den Weihnachtsmann-Killer Tobias Henner aus den beiden Vorgängern tot in der Ostsee, als sich Susi Gröpeling bei ihrer Therapeutin Dr. Boden meldet und sie zu ihrer Hochzeit bei einer Fischbude einlädt. Ihr schwant Böses, weshalb sie Ann Kathrin Klaasen verständigt.

Noch herrscht sommerliches Getriebe an der Ostsee. Doch als die Geschäfte mitten im August Lebkuchen und Spekulatius in die Regal räumen, beginnt Tobias akribisch mit den Vorbereitungen zum diesjährigen Showdown. Die Liste der Personen, die er vernichten will muss, ist länger denn je. Allen voran Ann-Kathrin Klaasen, für die in seinem Adventkalender das 24. Türchen reserviert ist. Doch auch Jörg Tapper, der Chef des Café Ten Cate, und Vincent Pötter, jener Pseudokünstler, der den Weihnachtsmann-Killer verhöhnt, stehen ganz weit oben.

Doch es kommt anders als er denkt, denn Fluchtgefährtin Susi erlebt einen dramatischen Flashback in ihre eigene Vergangenheit...

Meine Meinung:

Mit einem unerwarteten Finale endet die Reihe um den Weihnachtsmann-Killer, die fast ganz Ostfriesland in Atem gehalten hat.

Wie schon in den Vorgängern wird der Krimi aus verschiedenen Perspektiven erzählt. So dürfen wir an den Gedanken von Tobias Henner und Susi Gröpeling teilhaben, den Diskussionen der Kripo-Beamten lauschen, machen uns gemeinsam mit Frau Dr. Bogen ein bisschen Sorgen um Henner und erleben den Medienhype rund um PennywiseNullZwo, der um der Reichweite in den sozialen Medien willen, beinahe über sprichwörtliche Leichen geht.

KHK Rupert schafft es wieder einmal durch seine unbedachten und zotigen Macho-Sprüche Kriminaldirektorin Schwarz in Weißglut zu versetzen. Bin schon sehr neugierig, wann sie, entnervt von der Truppe rund um Ann Kathrin Klaasen das Handtuch wirft.

Wie wir es von Klaus-Peter Wolf gewöhnt sind, baut er durch zahlreiche unerwartete Wendungen die Spannung immer weiter auf, bis sie sich zuletzt in einem fulminanten Showdown entlädt.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem packende Finale der Weihnachtmann-Killer-Trilogie 5 Sterne.

Bewertung vom 26.09.2025
Maiwald, Stefan

Alle weg


ausgezeichnet

Hat mich gut unterhalten

Wenn nach dem Ferragosto (15. August) die Anzahl der Touristen in Italiens Touristengebieten schlagartig abnehmen, kehrt auch an der Oberen Adria, in diesem Fall in Grado, wieder ein wenig Ruhe ein. Die Einheimischen können aufatmen und sich zwischen September und April wieder ihren eigenen Vorlieben widmen, bevor die neue Saison beginnt.

Der deutsche Autor Stefan Maiwald fängt genau diese Momente ein. Wir Leser können ihn und die Gradeser in den Monaten September bis April beobachten. Fixpunkt seiner Betrachtung ist Pinos Bar, in der nun wieder der Fernseher läuft und sich Grados Bewohner Schnurren und Anekdoten erzählen. Dabei nimmt Maiwald, der mit seiner italienischen Frau und den Töchtern in Grado lebt, die Rolle des (deutschen) Beobachters ein, der über manche Angewohnheit nur staunen kann.

Stefan Maiwalds Schreibstil ist präzise und humorvoll. Mehrmals musste ich beim Lesen hellauf lachen. Die meisten seiner Texte sind kurz, oft scharf formuliert, ohne jedoch (ab)wertend zu sein. Der Autor wirkt auf mich, obwohl er schon länger in Grado lebt, nach wie vor wie ein Staunender. Ein bisschen wie ein Kind vor dem beleuchteten Christbaum. Apropos Christbaum! Maiwalds Töchter können sich glücklich schätzen, zu Weihnachten gleich mehrfach beschenkt zu werden, denn er hat einige Traditionen aus Deutschland in der Familie eingeführt.

Und bevor man sich an die Beschaulichkeit gewöhnt hat, stehen im April die ersten Touristen wieder ad portas ...

Fazit:

Gerne gebe ich diesem vielschichtigen Einblick in das Leben von Grado nachdem alle weg (die Touristen nämlich) sind, 5 Sterne.

Bewertung vom 25.09.2025
Dische, Irene

Prinzessin Alice (eBook, ePUB)


sehr gut

Fakten und Fiktion verschwimmen

Ich hatte schon das Vergnügen, die Lebensgeschichte der Alice von Battenberg kennenzulernen, nämlich im Sachburg „Coburg Darmstadt Windsor“ von Mark Grinsted sowie in der Biografie "Alice von Battenberg, Schwiegermutter der Queen" von Katrin Feurstein-Praßer.

Daher erschien es mit außerordentlich reizvoll, eine mögliche Perspektive der Alice von Battenberg kennenzulernen. Da es kaum Korrespondenz oder gar ein Tagebuch zu geben scheint, kann sich die Autorin in ihren Dialogen austoben.

Alice von Battenberg wird 1885 geboren. Sie ist ein hübsches Kind, doch dann bemerkt man, dass sie gehörlos ist. Zu jener Zeit ist Taubstummheit ein Makel, gleichbedeutend mit einer geistigen Behinderung. Heute würde man versuchen, mittels Cochlea-Implantat Abhilfe zu schaffen. Allen Unkenrufen zum Trotz ist sie intelligent und lernt in mehreren Sprachen Lippen Iesen, weshalb sie wie andere der zahlreichen Prinzessinnen aus dem weitverzweigten Hause Coburg-Darmstadt-Windsor, aus Staatsräson verheiratet wird. Zwar scheinen Alice und Andreas von Griechenland einander zugetan, trotzdem geht er recht bald eigene Wege. Bekannte Verwandte sind Alix, die spätere Alexandra Fjodorowna, letzte Zarin von Russland sowie deren Schwester Elisabeth „Ella“, die ebenfalls einen Romanow geheiratet hat und ermordet worden ist.

Sie bringt insgesamt vier Töchter und einen Sohn, Philip, der später eine bedeutende Rolle spielen wird, zur Welt, bevor sie 1922 aus Griechenland vertrieben werden. Während sich Andreas nach Monaco abseilt, müssen Alice und ihre Kinder als arme Verwandte ihr Leben fristen. Ohne Vermögen, ohne Beschäftigung und ohne Ehemann, dafür abhängig von der Gnade ihrer Schwägerinnen Edwina und Marie Bonaparte. Ausgerechnet Marie Bonaparte, die selbst ihre psychischen Probleme hat, mischt sich nachhaltig in Alices Leben ein. Alice driftet (vermutlich) in eine Depression. Die von Bonaparte bezahlten Ärzte diagnostizieren Schizophrenie und sperren sie in eine Klinik, in der sie allerlei grausamer Therapien unterzogen wird. Sie scheint auch mit den damals üblichen Medikamenten voll gepumpt zu sein, weshalb wir Leser nie genau wissen, was real oder was vom Medikamentennebel hervorgerufen ist. Während ihres Klinikaufenthaltes werden, ohne ihr Wissen, ihre Töchter verheiratet und Philip in ein Internat gesteckt.

Ihre tiefe Religiosität, in die sich in Ermangelung menschlicher Wärme geflüchtet hat, scheint mir nicht absonderlich oder unwahrscheinlich zu sein. Erschütternd finde ich die Rolle die Marie Bonaparte in Alices Leben gespielt hat. Eine Frau, deren Leben ebenfalls durch eine dynastische Heirat mit einem augenscheinlich homosexuellen Mann, de facto nur auf dem Papier besteht, die selbst massive psychische Probleme hat (und später Psychotherapeutin arbeitet) erdreistet sich, eine „Diagnose“ zu stellen und Alice in eine Anstalt sperren zu lassen. Über das Warum kann nur spekuliert werden. Eifersucht, weil Alice und Andreas sind trotz aller Seitensprünge seinerseits, nahe stehen? Ihre Bemühungen Sigmund Freud aus dem von den Nazis besetzten Wien herauszubekommen, sind zwar löblich, doch scheint dies mit gewissen Hintergedanken passiert zu sein.

Die Alice nachgesagte, ungezügelte Sexualität und Sinnlichkeit kann wohl nur vom Hörensagen oder eigenem Wunschdenken stammen. Wo wären hier die Beweise? Da sie gehörlos ist, kann es durchaus sein, dass ihre anderen Sinne stärker ausgebildet sind. Möglicherweise hat sie, in ihren Kreisen völlig unüblich, Menschen öfter berührt, was man als shocking und degoutant empfunden hat.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem Roman, der den rüden Umgang mit einem Familienmitglied, das nicht der Norm (oder was man dafür hält) entspricht, aufzeigt, 4 Sterne.