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Bellis-Perennis
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Wien

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Insgesamt 1148 Bewertungen
Bewertung vom 05.10.2025
Weigold, Christof

Der deutsche Tycoon / Hardy Engel Bd.5


ausgezeichnet

Dieser fünfte und möglicherweise, wie der Autor im Nachwort andeutet, letzte Fall für Hardy Engel gibt uns zunächst einen kurzen Rückblick in das Jahr 1920, als Hardy, damals noch als Reinhard Engel in die USA einwandert und am Pier in New York entscheidende Hilfe von Paul Levy erhält.

1932, Engel ist aktuell ein arbeitsloser Privatdetektiv, als sich die beiden wieder begegnen. Levy, nunmehr Paul Bern, hat es geschafft! Er ist nun einer der mächtigen Filmproduzenten von Metro-Goldwyn-Mayer und Ehemann von Hollywood-von Leinwandikone Jean Harlow (obwohl er eigentlich noch mit einer anderen Frau verheiratet ist).

Paul Bern beschafft Hardy einen lukrativen Job, was sowohl für den Privatdetektiv als auch für seinen besten Kumpel, den Barbesitzer Buck, der bei der Mafia hohe Schulden hat, einen Glücksfall darstellt. Wenig später wird Paul Bern ermordet und Hardy, der für seine Freunde so ziemlich alles tun würde, verbeißt sich in den Mordfall, der als Selbstmord vertuscht werden soll.

Natürlich geht das Ganze nicht ohne Blessuren für Hardy ab. Doch schlimmer ist die Erkenntnis, dass man in Hollywood niemandem trauen kann.

Meine Meinung:

Wie üblich verknüpft Autor Christof Weigold Fakten und Fiktion. Gekonnt stellt er die Schlangengrube Hollywood an den Pranger, die auch vor so manchem mächtigen Mann nicht Halt macht. Ob Bern Suizid beging oder doch einem Mord zum Opfer gefallen ist, ist nach wie vor Anlass für Spekulationen.

Wir begegnen zahlreichen etablierten Hollywood-Größen wie Clark Gable oder solchen, die es später, wie Cary Grant, noch werden sollten. Und ja, die zahlreichen echten oder erfundenen Sex-Affären von Clark Gable & Co machen auch vor Hardy Engel nicht Halt. Hollywood - DER Sündenpfuhl ist gespickt mit zahlreichen Affären zwischen Filmpartnern, ob Mann oder Frau, ungewollte Schwangerschaften, Ehebruch oder Bigamie.

Abermals hat Autor Christof Weigold viel Herzblut in die Recherche gesteckt und einen höchst komplexen Kriminalfall entwickelt. Manchmal ist nicht klar, ob Hardy aus diesem Interessenkonflikt unbeschadet herauskommen wird.
Jedenfalls steht sein Entschluss, dem Intrigantenstadel und Moloch Hollywood den Rücken zu kehren, fest. Wird es ihm gelingen?

Fazit:
Für Fans von komplexen Krimis, in denen gekonnt Fakten mit Fiktion verknüpft werden, ist die Hardy-Engel-Reihe höchst empfehlenswert. Gerne gebe ich hierfür 5 Sterne und hoffe doch auf eine Fortsetzung.

Bewertung vom 05.10.2025
Lotter, Johann Christian

Im Bann der Freibeuter (eBook, ePUB)


sehr gut

Eine Leseempfehlung!

Johann Christian Lotter entführt uns mit diesem historischen Roman in das 17. Jahrhundert. Als Rahmen dient die bevorstehende Hinrichtung des als Freibeuter verurteilten Richard Kreutzner, der eigentlich Sohn eines Silberminenbesitzers aus Freiberg in der Mark Meißen ist, und 1697 als 17-Jähriger der väterlichen Tyrannei entkommen ist. Bibliothekar in London wollte er werden. Doch in Hamburg fällt er auf einen Schwindel herein und findet sich auf einem Segler wieder, der anstatt nach London zu segeln auf die lange Reise nach China geht. wenig später wird aus dem ehemaligen Bergknappen ein unfreiwilliger Seemann und Freibeuter.

„Das Leben als Pirat ist anstrengend und der Gesundheit abträglich.”

In New York kommen Richard seine bergmännischen Kenntnisse zugute. Doch es hilft alles nichts. In London macht man ihm gemeinsam mit Captain Kidd und einigen anderen Männern den Prozess wegen Piraterie.

Während Richard Kreutzner mit fünf anderen Männern, darunter einem Mann namens Thursday, auf den Docks von London auf seine Hinrichtung durch den Strang wartet, wittert der Gerichtsreporter und Dichter Daniel Defoe eine spannende Story und lässt sich von Kreutzner die Geschichte seines Lebens erzählen.

Wird er in letzter Sekunde vom König begnadigt werden?

Meine Meinung:

Autor Johann Christian Lotter hat hier einen historischen Abenteuerroman geschrieben, der sich sehr gut lesen lässt. Wir begegnen historischen Personen wie William Kidd, der zunächst mit offiziellem Kaperbrief der englischen Krone ausgestattet, Jagd auf französische Schiffe macht, sowie unter anderem Daniel Defoe, der seinen Lebensunterhalt als Gerichtsreporter bestreitet.

Schon bei der Erwähnung der Namen Thursday und Daniel Defoe sind bei mir Erinnerungen an einen mehrfach verfilmten Lesestoff hochgekommen. Der geneigte Leser kann sich denken, dass es hier um Robinson Crusoe handelt.
Ist schon Defoes Robinson ein Tausendsassa, der angebliche 28 Jahre auf einer einsamen Insel überlebt, so steht ihm Christian Kreutzner in nichts nach. Als Bücherwurm hat er einiges theoretisches Wissen angehäuft und kann dieses nun endlich (?!) in die Praxis umsetzen. So baut er sich aus Holzstücken einen Jakobsstab mit dem er eine recht grobe Ortsbestimmung durchführen kann. Entzückend auch die Liebesgeschichte mit einer indischen Prinzessin, die ihm an Einfallsreichtum und handwerklichen Fertigkeiten ebenbürtig ist. ,

Schmunzeln musste ich, weil Kreutzner als Seemann nur bedingt geeignet ist. Er hat Höhenangst, weshalb das Klettern in den Wanten für ihn ein Albtraum ist und davon befreit wird. Nun ja, das halte ich für ein wenig geschönt und unwahrscheinlich. Genauso wird das harte Leben an Bord ein wenig weichgespült. Ja, es gibt den einen oder andern Seemann, der Richard nicht mit Wohlwollen begegnet. Als Geschützmeister macht Kreutzner seine Sache recht gut.

In den vier Jahren seit seiner Flucht vor dem Vater erlebt Richard mehr Abenteuer als ihm lieb sind. Dass sein Vater ein besonderes Exemplar an Unmenschlichkeit ist, zeigt der Brief, den er an den Sherriff von London schickt in dem erstens seinen Sohn als Piraten bezeichnet und zweitens einen Geldbetrag von neunzig Pfund Sterling und zwei Shilling einfordert.

Interessant ist die Erwähnung der Fahrkunst, einer frühen Variation eines bergmännischen Aufzuges, mit dem die Kumpel in die Stollen und Schächte befördert worden sind.

Fazit:

Diesem gelungenen Abenteuerroman, der sich flott lesen lässt, gebe ich gerne 4 Sterne.

Bewertung vom 05.10.2025
Töpfner, Astrid

Die verschwundenen Jahre


ausgezeichnet

Während der Aufstieg der Nationalsozialisten und der anschließende Zweite Weltkrieg längst Eingang in die Belletristik gefunden haben, so habe ich den Eindruck, der Spanische Bürgerkrieg und die Franco-Diktatur sind (noch) nicht so präsent. Astrid Töpfner schafft hier durch diesen historischen Roman ein wenig Abhilfe.

Marina, die Enkelin der 102-jährigen Clara, ist TV-Journalistin und soll eine Reportage rund um die Exhumierung und neuerliche Beisetzung von Spaniens Diktator Francisco Franco vorbereiten. Noch weiß sie nicht, wie der Bürgerkrieg ihre eigene Familie betroffen hat. Klar ist nur, dass sowohl das Verhältnis zwischen Großmutter Clara und ihrem Sohn Ivo (Marinas Vater) zerrüttet ist als auch ihre eigene Beziehung zum Vater ein gespanntes ist, denn Ivo ist voll Wut. Auf Frauen im allgemeinen, auf seine beiden Ex-Frauen, seine Tochter, auf die Politik und vermutlich auch auf sich selbst. Obwohl Marina in ihrem Job selbstbewusst ist, muss sie sich eingestehen, dass keine ihrer Beziehungen Bestand hat. Hat das alles mit den Ereignissen von 1936 zu tun? Eine Art epigenetisches Trauma?

In den langen Gesprächen mit Clara werden wir in die Zeit ab 1936 zurückkatapultiert, in eine Zeit, die nach wie vor nicht aufgearbeitet worden ist und unsägliches Leid über Spaniens Familien gebracht hat.

Astrid Töpfner pendelt geschickt zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart hin und her. Die Ereignisse von 1936 erzeugen eine Sogwirkung, der man sich kaum entziehen kann. Die Autorin hat penibel recherchiert und erzählt nicht nur über die Grausamkeiten des Regimes sondern auch eine Familiengeschichte, die von verpassten Chancen, Missverständnissen, Neid, Trauer, Liebe, Schuld und Vergebung zerrissen ist.

Der Roman wird aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt, sodass hier eine spannende wie tragische Geschichte, in der nicht klar ist, wer Freund oder Feind ist, entstehen kann.

Die Charaktere sind sehr gut herausgearbeitet. Wie sehr die Ereignisse die Menschen prägen, ist an der Figur Ivo zu sehen. Mit einer Mutter, die vor Trauer um ihren Mann kaum lebensfähig ist, die weil sie als Regimegegnerin gilt, weder Lebensmittelmarken, Arbeit noch eine Witwenrente erhält, kann das Kind Ivo keine gesunde Entwicklung nehmen. In der Schule verachtet und verprügelt, wird er, um weiter nicht aufzufallen, zu einem Opfer der Indoktrination durch Lehrer sowie Mitschüler und zu einem fast fanatischen Anhänger Francos.

Wie schon erwähnt, weiß ich über den Spanischen Bürgerkrieg und seine bis heute bestehenden Nachwirkungen und die immer wieder aufpoppenden Konflikte (ETA, Autonomie- bzw. Abspaltungsbestrebeungen) zu wenig Bescheid. Meine bisherige Lektüre hat sich eher mit den Internationalen Brigaden, der Legion Condor oder der Rolle der Intellektuellen wie Picassos (Stichwort Guernica) beschäftigt. Ich weiß zwar, dass man Familien, die im Verdacht gestanden sind, Regimegegner also Kommunisten und Sozialisten zu sein, die Kinder weggenommen hat, um sie in Klöstern und/oder regimetreuen Familien zu linientreuen Untertanen zu erziehen. Wie viele Kinder betroffen waren und sind, lässt sich nicht genau eruieren, weil der Wille diese Grausamkeiten der Franco-Diktatur aufzuarbeiten, (noch?) nicht vorhanden ist. Es braucht mehr solcher Kriegsenkel wie Marina, die ihre Familientraumata begreifen und verarbeiten wollen.

Fazit:

Dieser historische Roman, der auf wahren Begebenheiten beruht, steht stellvertretend für alle jene Familien, die während und nach der Franco-Diktatur unsägliches Leid erfahren haben. Gerne gebe ich hier 5 Sterne und eine Leseempfehlung.

Bewertung vom 05.10.2025
Prosser, Robert

Das geplünderte Nest


sehr gut

Erst vor kurzem ist der Ich-Erzähler aus Beirut in seine Heimat nach Alpach in Tirol zurückgekehrt. Im Gepäck hat er zahlreiche Eindrücke des vom Bürgerkrieg geschüttelten Landes, von Toten und Verwundeten, verfeindeten Clans und als krassen Gegensatz dazu rauschend Partys, bevor die nächsten Granaten einschlagen sowie einer aktiven Graffiti-Szene. Bei der Bearbeitung des Fotomaterials in seinem, vom Großvater Ludwig geerbten, Haus, erinnert er sich an seine eigene Jugend, in der er selbst als Sprayer unterwegs gewesen ist, und an Hugo Lenz, jenen einarmigen Berliner Maler, der 1944, also lange vor seiner Geburt, nach Alpach gekommen ist und dem man nachsagte, ein Spion zu sein. Später hat Lenz ihn unter seine Fittiche genommen hat, um ihm alles über die Malerei beizubringen. Dazu haben die beiden ausgedehnt Spaziergänge unternommen, bei denen auch Gerüchte über die Rolle Ludwigs in der NS-Zeit zur Sprache gekommen sind.

Als der Ich-Erzähler wenig später den Historiker Martin Reischer kennenlernt, der über Partisanen in Tirol schreibt, muss er sich wohl oder übel mit der Vergangenheit seines Großvaters, der Aufseher im nahe gelegenen Kriegsgefangenenlager gewesen sein soll. Hat er mit dem Verschwinden des ukrainischen Gefangenen Artem zu tun?

Meine Meinung:

Autor Robert Prasser schickt in diesem interessanten Roman einen Enkel (den Ich-Erzähler) auf die Spuren seines Großvaters und dessen Rolle im Zweiten Weltkrieg. Wie häufig, wurde in den Familien nicht über die NS-Zeit gesprochen. Sei es, dass man von der Verfolgung betroffen oder daran beteiligt war.

Mir hat der Roman recht gut gefallen. Leider greift Robert Prasser zur modernen Unsitte, keine Redezeichen bei der direkten Rede zu verwenden.

Spannend zu lesen ist, wie der Ich-Erzähler langsam, in die Vergangenheit des Großvaters eintaucht, um Gerüchte Halbwahrheiten und Tatsachen zu erfahren, die Auswirkungen bis in seine aktuelle Gegenwart haben.

Fazit:

Gerne gebe ich dieser interessanten Spurensuche, die so oder so ähnlich häufig vorkommt, 4 Sterne.

Bewertung vom 03.10.2025
Maly, Beate

Advent im Grandhotel (eBook, ePUB)


sehr gut

Ernestine Kirsch und Anton Böck haben eine Einladung zu einer Kunstausstellung erhalten, bei der das eine oder andre Bild zugunsten einer Hilfsorganisation für Kriegswaisenkinder versteigert werden soll. Die Veranstaltung findet am Semmering im legendären Südbahnhotel statt, das nicht ganz so mondän wie das Panhans ist, in den sich Ernestine und Anton kennengelernt haben. Und weil Antons Tochter Heide in wenigen Wochen das zweite Kind erwartet, nehmen die beiden Antons Enkelin Rosa und ihren Freund Fritzi mit, denn die Aussicht auf Zuckerwatte, Lebkuchen und eine winterliche Schlittenfahrt, lassen auf ein gemütliches Wochenende schließen.

Wer Beate Maly kennt, kann sich ausrechnen, dass es nicht ganz so gemütlich wird, denn zum einem gibt es Reibereien unter den Ausstellern, nörgelnde Hotelgäste und antisemitische Sprüche und zum anderen verschwinden zwei jener Bilder, die versteigert werden sollen.

Nun ist der Spürsinn von Ernestine wieder gefragt ...

Meine Meinung:

Wie mir Autorin Beate Maly, die ich am vergangenen Wochenende bei einer Lesung getroffen habe, erklärt hat, ist dieser historische Roman kein Krimi sondern eine Adventgeschichte. Daher wird mehr Wert auf das vorweihnachtliche Ambiente gelegt, denn auf Spannung. Wir streifen durch das Südbahnhotel, das seine besten Jahre schon hinter sich hat . Direktor Silberstein erhofft sich von der Veranstaltung neues Klientel. Wie wir unschwer erraten können, erfüllen sich seine Erwartungen nicht, denn im Jahr 1926 haben die wenigsten Leute Geld für Urlaub.

Natürlich dürfen Rosa und Fritzi ihren Beitrag zur Aufklärung beitragen. Eine Nebenhandlung beschäftigt sich mit dem harten Los der Dienstmädchen sowie den Übergriffen, denen Balletttänzerinnen ausgesetzt sind.

Das Cover passt mit seinen an den Jugendstil angelehnten Elementen perfekt zur Krimi-Reihe.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem vorweihnachtlichen Roman, der uns in die Zwischenkriegszeit auf den Semmering entführt, 4 Sterne. Für mich hätten es durchaus ein paar Seiten mehr sein dürfen.

Bewertung vom 03.10.2025
Matzko, Caro

Alte Wut


ausgezeichnet

Caroline Caro Matzko, die im deutschen Fernsehen bekannte Moderatorin, hat in ihrem Leben bereits einige Therapien gemacht, Klinikaufenthalte inklusive, um unter anderem ihre Magersucht, ihre Depression und ein Burn-out in den Griff zu bekommen.

Zudem herrscht in der Familie eine angespannte Stimmung in der der Vater, Jahrgang 1934, wie ein Feldwebel agiert. Während ihr zehn Jahre älterer Bruder recht bald auszieht, muss die kleine Caro den Vater aushalten. Ungefragt erzählt er jedem, über seine Flucht als Zehnjähriger aus Ostpreußen, erzählt, wie er mehrmals dem Tod gerade noch entkommt, wie er in die Mündung eines deutschen und auch eines russischen Gewehrs schauen muss und was er alles auf der Flucht erlebt hat. Er erzählt, dass sein Vater von den Russen abtransportiert worden ist. Jahre später kommt eine trockene Karte mit der Meldung über seinen Tod in einem Arbeitslager. Das kann ein Kind kaum verarbeiten, zumal man vor allem den Jungs damals Emotionen abtrainiert hat. Der „Erfolg“? Eine Generation von Kriegskindern und in weiterer Folge Kriegsenkel, die ihre Traumata mit sich herum schleppen und mehrheitlich nicht wissen, warum sie so sind, wie sie sind.

Es scheint, als wären die vererbten Traumata ihres Vaters, eine der Ursachen von Caros eigenen Problemen. Nach Rücksprache mit einer ihrer Therapeutinnen packt Caro Matzko ihren Mann Rainer, die Tochter Fanny sowie den Familienhund und begibt sich auf ein dreiwöchige Reise zu den Orten, die ihr Vater einst als Heimat bezeichnet hat.

Stadt für Stadt, Dorf für Dorf bereisen sie seine Fluchtroute in die Vergangenheit zurück, bis sie in Osterode ankommen, wo Ekkehart Matzko mit seiner Familie gelebt hat und just in dem Hotel absteigen, das gegenüber dem 2016 abgerissenen Hotels der Matzkos errichtet worden ist und in dessen Treppenhaus das alte Hotel als Fototapete grüßt.

Die Reise ist für Caroline Matko nicht ganz einfach, hat sie doch selbst einige Vorurteile ihres Vaters im Gepäck, obwohl sie dessen politische Ansicht und Meinung nicht teilt. Doch beinahe überall begegnet sie Menschen, die ihr weiterhelfen, so wie die 90-jährige Roza, die einst Rosemarie hieß und ihren Namen in die polnische Variante ändern musste, um nicht vertrieben zu werden.

Wie es Touristen häufig machen, nimmt Caro Matzko ein paar Steine, die sie für Überreste des alten Hotels hält, sowie ein Sackerl voll (Heimat)Erde mit nach Hause, ohne zu wissen, dass sie damit ihrem Vater seinen Herzenswunsch erfüllt.

Nach der Rückkehr nach Deutschland, schreibt sie dieses Buch, in dem sie auch über Therapieansätze und Erfolge berichtet. Es scheint, dass sich dabei einige Knoten bei ihr gelöst haben.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem schnörkellosen und dennoch emotionalen Einblick in eine schwierige Vater-Tochter-Beziehung 5 Sterne.

Bewertung vom 03.10.2025
Kästner & Kästner

Tatort Hafen - Die letzte Fähre nach Dockland / Wasserschutzpolizei Hamburg Bd.3


ausgezeichnet

Fesselnd bis zur letzten Seite

Melanie Cullmann, Logistikerin im Hamburger Hafen, wird tot am Elbufer gefunden. Zunächst wird ein Selbstmord angenommen, was der Ehemann Fred vehement abstreitet und voller Wut auf eigene Faust Nachforschungen anstellt, die in tief in seine Vergangenheit führt.

Recht bald bemerkt Jonna Jacobi vom LKA, dass sowohl Melanie als auch Fred ihre Geheimnisse haben. Melanie scheint bei ihrer Arbeit am Eurocon Containerterminal in Unregelmäßigkeiten verwickelt zu sein. Daher wird Tom Bendixen von der Wasserschutzpolizei den LKA-Team zugeteilt und schleust seinen Mitarbeiter Quetsche im Containerterminal als Zivilfahnder ein.

Wenig später entdecken die Ermittler die wahre Identität von Fred Cullmann als ehemalige Kiezgröße. Da er vermutlich immer noch Verbindungen hat, wird die Jagd nach dem Mörder seiner Frau zu einem Wettlauf mit der Zeit. Denn weder schläft der Hamburger Hafen noch das organisierte Verbrechen...

Meine Meinung:

Das Autoren-Duo Angelique und Andreas Kästner führt uns nun zum dritten Mal in den Hamburger Hafen, der eine eigene faszinierende Welt für sich ist und die immer wieder für spannende Geschichten sorgt. Ob Drogenschmuggel oder illegale Einwanderung - der Hafen Hamburg ist ein großes Einfallstor für Waren aller Art und die Zollbehörden sind chronisch unterbesetzt. Sie können nur einen kleinen Bruchteil der umgeschlagenen Container kontrollieren, was sich kriminelle Banden zu Nutze machen. Und wenn dann noch der eine oder andere Container durchgeschleust wird, erreichen die Gewinnmargen ein Maximum.

Geschickt wird eine Kiste mit Zollplomben, die während des Elbhochwassers aus dem Hafen geborgen wird, zu einer, nicht von allen, beachteten Hauptdarstellerin (siehe vorherigen Fall). Erst nach einiger Zeit und weiteren Toten erkennt Tom Bendixen die Bedeutung des Inhalts dieser Kiste.

Wir begegnen den Charakteren aus den beiden vorherigen Fällen und lernen neue interessante Figuren kennen. Diesmal ist keine gekommen, um zu bleiben. Das gilt vor allem für den liebenswerten Schrotti, einen ehemaligen Barkassenführer, der bei einem Unglück seine Familie verloren hat und noch immer darauf wartet, dass die Elbe die sterblichen Überreste seiner Frau hergibt.

Wie immer können sowohl Angelique Kästner als auch Andreas Kästner aus ihrem reichen Erfahrungsschatz schöpfen. Sie als ausgebildete Psychotherapeutin und er als ehemaliger Hauptkommissar der Wasserschutzpolizei. Sie flechten Fakten, wie zum Beispiel das Barkassenunglück von 1984, bei dem 19 Menschen, darunter 11 Kinder ihr Leben verloren haben, in fiktive Charaktere ein. Daneben erfahren wir Wissenswertes über den Hafen Hamburg, der für die meisten von uns Lesern zahlreiche Geheimnisse birgt, sowie über den Hamburger Kiez und seine kriminellen Bewohner und das Nadelöhr der Stadt - die Köhlbrandbrücke.

Einigen Lesern sind die nautischen und polizeilichen Begriffe vielleicht nicht so präsent, daher gibt es ein ausführliches Glossar.

Ich freue mich schon auf den vierten Fall für Tom Bendixen, Jonna Jacobi und Charlotte Severin, der - wie man der Leseprobe entnehmen kann - im Umfeld des Hafengeburtstags spielen wird.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem Krimi, der im Hamburger Hafen spielt und bis zur letzten Seite fesselt, 5 Sterne und eine Leseempfehlung.

Bewertung vom 28.09.2025
Tägder, Susanne

Die Farbe des Schattens (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Tristesse im Plattenbau

Winter 1992 in Mecklenburg: Der elfjährige Matti Beck verschwindet aus der Plattenbausiedlung des fiktiven Ortes Wechtershagen. KHK Arno Groth, der vor rund einem Jahr aus Hamburg in seine frühere Heimat zurückgekehrt ist, mobilisiert gemeinsam mit den Eltern und den Nachbarn eine Suchaktion. Doch Matti bleibt verschwunden und lässt das Schlimmste befürchten, denn in der klirrenden Kälte scheint es kein Überleben zu geben.

Recht bald gerät ein alkoholkranker Obdachloser in das Visier der Polizei, der in einem der leerstehenden Abbruchhäuser zu überwintern versucht und dabei die Leiche von Matti entdeckt. Ist der Fall damit gelöst? Und welches Motiv steckt dahinter?

Doch dann erhält Groth den Hinweis auf einen ähnlichen Fall, bei dem vor rund sechs Jahren ein Kind ermordet worden ist. Zufall? Groth holt den damaligen Ermittler, der wegen seiner Stasi-Vergangenheit aus der Polizei ausgeschlossen worden ist, als Berater zurück.

Gemeinsam rollen sie den alten Fall auf und entdecken einige Übereinstimmungen mit dem aktuellen Verbrechen. Haben sie es mit einem Triebtäter zu tun? Oder warum liegt zwischen den beiden Morde ein so großer Zeitraum? Gibt es noch weitere Fälle, die ihnen bislang nicht bekannt sind?

Meine Meinung:

Wie schon im ersten Krimi (Das Schweigen des Wasser), wird auch diesmal großes Augenmerk auf die Zeit und die Umstände sowie auf die handelnden Personen gelegt.

Der Krimi gibt die Stimmung sehr gut wieder, die hier in der eingeschworenen Dorfgemeinschaft herrscht. Die Grundtendenz ist trist, grau wie das Wetter in diesen Herbst. und Wintertagen. Die alte Ordnung der DDR ist noch nicht ganz weg und die neue hat noch nicht den Weg in die Köpfe der Menschen gefunden.
Autorin Susanne Tägder lüftet ein klein wenig den einen oder anderen Schatten aus Arno Groths früherem Leben. Ausführlicher beschreibt sie das Leben der Menschen in Wechtershagen, in dem vor allem die Männer arbeitslos sind und die Frauen sind es, wie Mattis Mutter, die Doppelschichten als Krankenschwester fährt, die die Familie ernähren. Das kratzt am Ego der Männer, die sich wenig um ihre Kinder kümmern und sich daher selbst überlassen bleiben. Ein Jugendklub, der rechtsradikale Ideen verbreitet, bietet einigen Jugendlichen eine neue Familie.

Für eingefleischte Krimi-Fans, die es gerne zackig haben, wird dieser Krimi wohl nicht die erste Wahl sein. Hier werden mehrfach Klinken geputzt und die Ermittlungen recht realistisch dargestellt. Das beinhaltet auch das Verhör des Verdächtigen, dem man zunächst ein Geständnis entlockt, das er aber widerruft. Nun beginnt die Tätersuche von vorne.

Fazit:

Obwohl es hier kaum strahlende Helden gibt, erhält dieser zweite Fall für Arno Groth von mir 5 Sterne.

Bewertung vom 28.09.2025
Huwyler, Marcel

Frau Morgenstern und die Offenbarung


ausgezeichnet

Beste Krimiunterhaltung!

Damit hätte Violetta Morgenstern, pensionierte Lehrerin und Auftragskillerin im Namen des Staates, nicht (mehr) gerechnet: mit einem Privatleben an der Seite von Miguel Schlunegger, seinen Zwillingstöchtern Ida und Frida sowie dem grauhaarigen Gilbert, der als Reserveopa immer dann einspringt, wenn Miguel und Violetta im Auftrag des TELL-Ministeriums Leute umbringen.

Der aktuelle Auftrag, es sind elf Personen, die dem Staat gefährlich werden könnten, zu eliminieren, bringt das Team Schlunegger und Morgenstern an seine Grenzen. Der Auftrag ist asap auszuführen, wobei die übliche Praxis, die Morde als Unfall oder natürliche Todesursache darzustellen, aus Zeitmangel außer Acht gelassen werden muss. Nachdem sich sich herausstellt, dass die elf gemeinsam an einer Ausgrabung in Ägypten beteiligt gewesen sind, wo man ein, die Schweizer Geschichte veränderndes Geheimnis entdeckt hat, bleibt eigentlich nur eine Portion Semtex übrig. Doch mitten in der Stadt ein Gebäude in die Luft jagen? Das hört sich sowohl für den ehemaligen Scharfschützen Miguel als auch für die pensionierte Lehrerin, die gerne subtile Methoden benützt, ziemlich grobmotorisch an.

Noch bevor sie Details ausgearbeitet haben, kommt ihnen jemand zuvor. Beim gemütlichen Fondue-Essen ereilt die Gruppe mittels schnödem Sprengstoffanschlag der Tod. Lediglich der Dr. Gottlieb, der Leiter der Ausgrabung, kann bevor er dem ägyptischen Totengott Anubis gegenübersteht, der Reinigungskraft des Instituts eine verschlüsselte Nachricht zukommen lassen.

Meine Meinung:

Auch bei diesem Krimi kommt der schwarze Humor des Autors bestens zur Geltung. So nimmt er einerseits die Gepflogenheit der Schweizer, so ziemlich jede Erfindung oder Entdeckung für sich zu reklamieren aufs Korn und andererseits zeigt er Schlunegger als einen liebenden Vater, der sich im Dickicht der Bürokratie zu verstricken droht, hat er doch für seine Zwillinge, die aus der Affäre mit der Politikerin Caminada stammen, keine ordentlichen Papiere. Doch Schlunegger und Omistern Violetta arbeiten nicht umsonst im Ministerium TELL, das unmögliches möglich macht.

Schmunzeln musste ich über die Verwandlung des ehemaligen Scharfschützen Schlunegger, den wir als kaltblütig und die Ruhe selbst kennen, zu einem veritablen Nervenbündel wird, wenn es um seine Zwillinge geht.

Huwylers Schreibstil ist herrlich wie immer. Seine Wortschöpfungen wie Omistern und oder das Akronym PEST für das Jugendamt, was nicht nur Schlunegger wie die gleichnamige Krankheit empfindet, sind legendär.

Und das Geheimnis, das, wenn es an die Öffentlichkeit käme, die Schweizer Geschichte umkrempeln würde? Ich lüfte es nicht. Das müsst ihr schon selbst lesen.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem rabenschwarzen Krimi, der mich abermals bestens unterhalten hat, eine Leseempfehlung und 5 Sterne.

Bewertung vom 28.09.2025
Quirico, Domenico

Kalaschnikow. Wie eine Waffe unser Zeitalter der Konflikte prägt (eBook, ePUB)


sehr gut

Die drei Wörter Taxi, Cola und Kalaschnikow kennt man, laut Kriegsberichterstatter Domenico Quirico, auf der ganzen Welt. Was liegt daher näher, sich mit der AK-47, wie die militärische Abkürzung der Kalaschnikow heißt, zu beschäftigen? Doch der Autor sieht sein Buch als Manifest gegen die Kalaschnikow.

„Um eines gleich zu Beginn klarzustellen: Dieses Buch handelt nicht von einer Waffe. Wer etwas über die Benutzung der Kalaschnikow, ihre technischen Parameter oder die Gefechtstaktiken erfahren will, bei denen sie seit siebzig Jahren in Dschungel-, Wüsten- oder Straßenkämpfen von regulären Truppen, Guerillas und Kriminellen eingesetzt wird, braucht gar nicht weiterzulesen. Dieses Buch ist eine Abhandlung über das Böse. Und dieses Böse hat einen Zeitrahmen, der sich genau eingrenzen lässt. Er reicht von den 1950er-Jahren, dem Beginn des Kalten Krieges bis in die heutige Zeit, in das dritte Jahrtausend. Vor allem in das dritte Jahrtausend.“

Zwischen den Stationen seiner Karriere als Kriegsberichterstatter, die ihn von Mosambik über Gaza und Somalia bis Syrien, Tschetschenien und der Ukraine geführt haben, flicht Quirico die Autobiografie von Michail Kalaschnikow ein, erzählt in mehreren Abschnitten wie aus dem Sohn einer enteigneten und nach Sibirien verschleppten Kulakenfamilie, der Erfinder einer der bekanntesten Waffe geworden ist. Mit einem Preis von nur rund 40 US-Dollar ist die Waffe für jedermann (und jederfrau) erschwinglich. Damit wird die AK-47 zum Symbol der Revolte und der Massaker.

Egal welche Ziele die sich gegenüberstehenden Konfliktparteien haben, eines eint sie:

„Denn es gibt einen stets präsenten Gegenstand, dessen verlässlicher Mechanismus Das Geschehen bestimmt und auf zeitlose Weise alles miteinander verbindet: die Kalaschnikow.“

Fazit:

Gerne gebe ich diesem interessanten Sachbuch über die zahlreichen Konflikte der letzten sieben Jahrzehnte, in denen die AK-47 eine bedeutende Rolle spielt, 4 Sterne.