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Bellis-Perennis
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Wien

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Insgesamt 1173 Bewertungen
Bewertung vom 25.08.2022
Kühmel, Miku Sophie

Kintsugi (eBook, ePUB)


gut

An diesem Buch hat mich vor allem der Titel angesprochen. „Kintsugi“ ist die japanische Reparaturkunst, Zerbrochenes zusammenzufügen und und es dadurch kostbarer zu machen. Keramik- oder Porzellanscherben werden dabei sorgfältig mit einem besonderen Lack geklebt und die fehlenden Teile mit einer Kittmasse, in der feinstes Pulver aus Gold, Silber oder Platin enthalten sind, ergänzt. Die dabei entstehenden Risse sollen erkennbar sein und das Gefäß wertvoller machen. Ganz ähnlich wie Archäologen mit gefundenen Artefakten umgehen. Und das sind nun gleich zwei Beziehungen zu diesem Roman: Einerseits ist einer der Protagonisten, nämlich Max, Archäologe und andererseits zeigen sich während des Wochenendes an einem See in der Uckermark Risse in den Beziehungen der Freunde.

Max und der Künstler Reik sind seit zwanzig Jahr ein Paar und feiern dieses Jubiläum gemeinsam mit einem früheren Lover Reiks, der nun eine Tochter hat, die er gemeinsam mit den anderen beiden Männern erzieht. Welch eine seltsame, interessante Konstellation!

Meine Meinung:

Sprachlich ist das Buch ein Highlight. Die Sprachlosigkeit der vier Personen wird zur Kunst. Allerdings frage ich mich, warum sich nicht einer der drei Männer ein Herz fasst, und die schwelenden Konflikte anspricht. Ach ja, es sind ja Männer, die sprechen über Gefühle nicht.

Wir Leser dürfen an den Gedanken der einzelnen Personen teilhaben. Nicht einmal habe ich mir gedacht „Spuck`s doch endlich aus!“. So plätschert die Handlung ohne rechte Höhepunkte dahin. Dabei könnte doch, ganz im Sinne des Titels, die Beziehung wie ein Keramikgefäß zerbrechen und wieder gekittet werden.

Leider konnten mich weder die Charaktere noch die Geschichte als solches fesseln. Allein die schöne Sprache ist beeindruckend.

Fazit:

Diesem ruhigen Roman über Beziehungen und Zwischenmenschliches gebe ich drei Sterne.

Bewertung vom 23.08.2022
Wächter, Torkel S

Meines Vaters Heimat (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Nach dem Tod des Vaters schlummern dessen Briefe, Tagebücher und andere Aufzeichnungen vorerst einmal für lange Jahre fast vergessen auf dem Dachboden des Hauses, bis der Sohn und Autor die vergilbten Briefe aus dem KZ Fuhlsbüttel entdeckt und glaubt, der Briefschreiber Walter sei der Zwillingsbruder seines Vaters Michael, der in den Wirren des Zweiten Weltkriegs auf ungeklärte Weise verschwunden ist. Als er dann begreift, dass Walter und Michael ein und dieselbe Person sind, ist seine Neugier geweckt und begibt sich auf Spurensuche.

Denn er kennt seinen Vater Michael nur als Leiter des militärpsychologischen Instituts und Hochschullehrer, der nebenbei noch für schwedische Zeitungen schreibt.

Da er weder deutsch noch die Sütterlinschrift beherrscht, muss er die Texte transkribieren und übersetzen lassen.

Dabei entdeckt er, dass die Lebensgeschichte seines Vaters schon lange auch seine eigene ist.

Meine Meinung:

Dieses Buch ist ein sehr wichtiges, jedoch an manchen Stellen kaum auszuhalten.
Sehr spannend zu lesen ist, dass nicht nur Täter ihre NS-Vergangenheit verschwiegen haben, sondern auch das Opfer des Regimes Walter. Es ist wie so oft, dass man erst nach dem Tod eines Angehörigen diesen erst kennenlernt, aber es zu spät ist, Fragen zu stellen und beantwortet zu bekommen. Alles was Torkel recherchiert (und das ist nicht wenig), ist aus zweiter oder gar dritter Hand.

Torkel S. Wächter beschreibt die Annäherung an seinen Vater, seine eigenen Zweifel, sein Konvertieren zum Judentum und sein ererbtes Trauma.

Nicht immer ganz chronologisch rekonstruiert Wächter das Leben seines Vater anhand der Dokumente und betagten Weggefährten. Als er sich eines Übersetzers für deutsch und Sütterlin bedient, weiß er noch nicht, dass dieser Mann seine Angebot dazu benützt, sein eigenes Gewissen zu beruhigen und sich zahlreiche Unverschämtheiten herausnimmt.

Dieses Buch spielt in mehreren Zeitebenen. Durch zahlreiche Rückblicke kann der Leser tief in die Gräuel der NS-Zeit eintauchen, was nicht immer leicht zu ertragen ist.

Fazit:

Ein tragische und gleichsam berührendes Eintauchen in die Welt des Vaters, von der Torkel S. Wächter so gar keine Ahnung hatte. Gerne gebe ich hier 5 Sterne.

Bewertung vom 22.08.2022
Penner, Sarah

Die versteckte Apotheke (eBook, ePUB)


sehr gut

Dieser Roman spielt auf zwei Zeitebenen in London. Zum einen im 18. Jahrhundert und zum anderen in der Gegenwart.

Gleich vorweg, der historische Teil hat mir besser gefallen.

Inhalt:

Im London von 1791 führt Nella eine von ihrer Mutter geerbte Apotheke. allerdings ist diese Apotheke keine gewöhnliche: Es gibt das öffentliche Angebot zu allerlei Frauenleiden und ein verstecktes. Dieses richtet sich an Frauen, die sich von trunksüchtigen Männern und unerwünschten Schwangerschaften befreien wollen. Mit dem Auftauchen des Mädchen Eliza wird eine Kette von Ereignissen in Gang gesetzt, die Nella und auch Eliza in große Gefahr bringen.

Mehr als zweihundert Jahre später stößt die Amerikanerin Caroline Parcewell auf Nellas Spuren. Ihr Leben hat große Ähnlichkeiten mit dem jenen Frauen, die bei Nella Hilfe suchen: Ihr Mann ist zwar nicht offensichtlich gewalttätig, aber durch seine manipulative Art hat er Caroline zu einer unselbständigen Frau gemacht. Als sie ihn vor kurzem beim Fremdgehen erwischt hat, lässt sie die ursprünglich gemeinsam Reise nach London alleine antreten, nichts ahnend, dass sich ihr Leben von Grund auf ändern wird.

Meine Meinung:

Wie schon erwähnt, ist in meinen Augen der historische Teil besser gelungen. Ein bisschen widersprüchlich ist allerdings, dass Nella einerseits im Verborgenen „Aufträge“ annimmt, aber gleichzeitig akribisch Buch führt, wer welches Mittel für wen erhält.

Auch der Handlungsstrang in der Gegenwart ist nicht frei von Zufällen und Klischees. Dass in einer geschäftigen Großstadt wie London ein Grundstück mehr als 200 Jahre unbebaut bleibt, erscheint mir ein wenig seltsam. Das fremde Grundstück und dann noch in den Keller einzudringen, ist schon ziemlich riskant. Hausfriedensbruch nennen das die Juristen. Und das ganze ohne Taschenlampe? Nun ja, ich habe für alle Fälle immer ein Maglite und einen Leatherman einstecken - man weiß ja nie (lach). Im Ernst, das ist schon ein bisschen naja.

Mein Lieblingscharakter ist allerdings Gaynor, die sich mit alten Landkarten beschäftigt und auch auskennt.
Gut herausgearbeitet ist Carolines Zerrissenheit: soll sie ihrem Mann verzeihen oder die Scheidung einreichen? Doch dieser Seitensprung ist nur das Tüpfelchen auf dem I der jahrelangen Kränkungen. Wie manipulativ ihr Mann ist, zeigt sich, als er nach London nachkommt.

Von „mudlarking“ habe ich bislang nichts gewusst. Man sieht, lesen bildet. Die Idee dadurch einen Konnex zur Vergangenheit zu finden, hat mir gefallen.

Fazit:

Ein Roman, der mich gut unterhalten hat und deshalb 4 Sterne erhält.

Bewertung vom 17.08.2022
Kärger, Walter Christian

See ohne Wiederkehr


ausgezeichnet

Dieser 7. Fall für Max Madlener und Harriet Holtby ist der wohl bislang Persönlichste für die beiden, wenn auch aus unterschiedlichsten Gründen.

Bereits der Prolog beginnt mit einem Paukenschlag: Harriet sitzt in Untersuchungshaft, denn sie soll mit ihrer Dienstwaffe einen Immobilienmakler erschossen haben. Sie kann sich an nichts erinnern, aber die Spurenlage am Tatort legt dies nahe. Obwohl Madlener nach der Explosion an der Tankstelle (siehe „Der Tote aus dem See“) nach wie vor rekonvaleszent ist, beginnt er mit seinen Nachforschungen. Denn weder er noch die anderen Kollegen können glauben, dass Harriet einen Mord begangen hat.

Um Harriet, die sich weder verteidigt noch einen Anwalt haben will, zu helfen, bieten die Kollegen alles auf, was möglich ist. Selbst die Kollegen, die eher für einen gemütlichen Feierabend zu haben sind, aktivieren ihre Kräfte.

Doch je tiefer Max in die Geschichte eintaucht, desto komplexer wird der Fall. In einem abermals furiosen Finale macht Max Madlener seinem Spitznamen „Mad Max“ alle Ehre…


Meine Meinung:

So manche Krimi-Reihe verliert nach vier, fünf Bänden ihren Schwung. Bei Walter Christian Kärger ist das nicht der Fall. Ja mit jedem überführten Verbrecher, mit jedem gelösten Kriminalfall scheint das Duo Madlener/Holtby besser aufeinander eingespielt.

Doch wie wird es nun weiter gehen? Harriet ist nun quasi „entzaubert“, ihr Nimbus der Unnahbaren ist gelüftet. Wird ihre Vergangenheit in der Dienststelle ein Thema werden? Nicht dass Mad Max eine Plaudertasche wäre, aber Gerüchte machen schnell die Runde.

Mir hat dieser Krimi sehr gut gefallen, zeigt er doch, dass, wenn es sein muss, auch lethargische Kollegen ihren inneren Schweinehund überwinden. Selbst der Polizeidirektor, der Max Madlener und auch Harriet Holtby am liebsten in einer anderen Dienststelle sehen möchte, toleriert Mad Max‘ unkonventionelle Ermittlungsmethoden.

Mehrmals musste ich über die Schilderungen von Max‘ Verhalten auf der Reha grinsen. Nun ja, Geduld ist nicht seine größte Tugend und Befehle gibt er lieber selbst.

Ich freue mich schon auf einen nächsten Band.

Fazit:

Diesem komplexen Krimi gebe ich gerne 5 Sterne.

Bewertung vom 16.08.2022
Scheiflinger, Bettina

Erbgut


sehr gut

Es heißt, jeder Mensch ist die Summe seiner Erfahrungen. Doch zusätzlich verbirgt sich in jedem das Erbgut seiner Vorfahren. Das muss auch die Protagonistin dieses Buches erfahren. Ohne es tatsächlich zu wissen ist sie den Ereignissen der Vergangenheit ausgesetzt. Die Ich-Erzählerin erfährt in Gedankensplittern einiges über ihre Familie. Obwohl manchmal nicht ganz eindeutig ist, ob diese „Erinnerungen“ aus dem Erbgut stammen oder von Eltern, Großeltern oder anderen Verwandten erzählt oder angedeutet worden sind.

Das Buch beginnt mit der Geburt der Protagonistin und endet mit der Entbindung der eigenen Tochter. So ist der Bogen schön gespannt. Dazwischen liegen Jahre der Unsicherheit, des Suchens und der Erkenntnis.

Meine Meinung:

Dieses Debüt ist nichts für Zwischendurch. Es ist nötig genau zu lesen und auf die Zwischentöne zu achten.

Inzwischen ist ja wissenschaftlich bewiesen, dass Traumata - wie z.B. Kriegserlebnisse - über an die Nachkommen weitergegeben werden. Mit welchen Dämonen wohl das Neugeborene zu kämpfen haben wird?

Fazit:

Diesem Buch, das durch seine schöne Sprache besticht, gebe ich 4 Sterne.

Bewertung vom 14.08.2022
Bernard, Caroline

Die Wagemutige (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Dieser biografische Roman ist Teil einer Reihe, die sich mit bekannten und weniger bekannten Frauen beschäftigen. Zu den weniger bekannten zählt die Widerstandskämpferin und Fluchthelferin Lisa Fittko (1909-2005).
Geboren ist sie als Elizabeth Ekstein noch in der Donaumonarchie als Tochter eines säkularen jüdischen Ehepaares.

Lisa lebt mit den Eltern und Bruder Hans seit 1922 in Berlin. Als ihr 1933 die durch eine kurze Ehe mit einem Deutschen erworbene Staatsbürgerschaft entzogen wird, geht sie in den Untergrund und beginnt ihren Widerstand gegen das NS-Regime. Nach mehreren Stationen über Prag, Basel und Amsterdam erreicht Lisa Paris, wo ihre Eltern und Bruder Hans bereits leben.
Mit dem Einmarsch der deutschen Truppen in Frankreich geht die Flucht weiter in den unbesetzten Süden und letztlich landet Lisa als feindliche Ausländerin, wie zahlreiche andere deutsche Flüchtlinge, im Camp de Gurs. Genau hier setzt der Roman ein. Es werden die Zustände beschrieben und wie Lisa gemeinsam mit Paulette die Flucht aus dem Lager gelingt.

In Marseille bzw. Banyuls, einem kleinen Ort am Fuße der Pyrenäen beginnt dann ihre Karriere als Fluchthelferin. Mit Hilfe des damaligen Bürgermeisters Vincent Azéma, der falsche Papiere ausstellt. Eine nicht unbedeutende Rolle spielt auch der amerikanischen Journalisten Varian Fry, dem es gelingt, mit Lisas Hilfe an die 200 Personen die Flucht aus Frankreich zu ermöglichen.

Erst im Sommer 1941 entschließt sich Lisa Fittko gemeinsam mit ihrem Mann Frankreich zu verlassen. Sie werden die letzten sein, denen Fry ein Einreisevisum beschaffen kann - Ziel ist Kuba.

Meine Meinung:

Mit diesem biografischen Roman würdigt die Autorin nicht nur Lisa Fittko, sondern auch alle anderen Frauen, die dem NS-Regime die Stirn geboten haben. Sei es, dass sie so wie Fittko als Fluchthelferinnen tätig waren, aktiven Widerstand in der Résistance wie z.B. Nancy Wake geleistet haben oder wie die große Anzahl jener Frauen, die desertierte oder abgeschossene Soldaten, verfolgte Juden oder Kinder versteckt haben oder durch kleine Gaben ein Überleben auf der Flucht erst möglich machten.

Gut gelungen ist die Einbindung der fiktiven Liebesgeschichte mit Louis sowie die Verzweiflung die Fittko mehrmals überfällt. Der flüssige Schreibstil lässt die Seiten nur so dahin fliegen.

Interessant ist, dass Lisa Fittko den Weg des gewaltsamen Widerstands, den Freundin Paulette einschlägt, ablehnt und auf ihre Art zahlreichen Menschen das Leben rettet. Lange Zeit wird Lisa Fittko nur auf die Rettung von Walter Benjamin reduziert. Das gesamte Ausmaß ihrer Tätigkeit kommt erst spät ans Tageslicht. Dazu trägt auch dieser biografische Roman bei.

Fazit:

Wer gerne biografische Romane über starke Frauen liest, ist hier richtig. Gerne gebe ich diesem Buch 5 Sterne.

Bewertung vom 14.08.2022
Roth, Charlotte

Ich bin ja heut so glücklich


ausgezeichnet

In diesem biografischen Roman nimmt sich Charlotte Roth eines fast vergessenen
Filmstars an: Renate Müller (1906-1937).

Renate Müller - nie gehört? Wer zum Teufel ist das denn? Das werden sich einige Leser fragen. Anders als Marlene Dietrich, Henny Porton oder Pola Negri ist es Renate nie gelungen, als DER Superstar im Gedächtnis zu bleiben.

Wer ist sie nun, diese Renate Müller?

Geboren als Tochter eines Journalisten wächst sie, gemeinsam mit ihrer jüngeren Schwester Gabi, in Emmering bei München wohlbehütet und in einigem Wohlstand auf. Renates Traum, Schauspielerin zu werden, geht 1924 in Erfüllung - zuerst am Theater, dann beim Stummfilm, später dann auch beim Tonfilm. Da hilft ihr die ausgebildete Singstimme. Allerdings wird sie nicht als strahlende Heldin besetzt, sondern als braves Mädel von nebenan. Denn Renate ist ein wenig pummelig, während aktuell der androgyne Typ im Film gefragt ist. Doch Renate klettert langsam die Erfolgsleiter hinauf.

Obwohl sie in einem politischen Elternhaus aufgewachsen ist, interessiert sie sich nicht für die Politik und übersieht die Änderungen in der politischen Landschaft, in der nun die Nazis immer mehr die Zügel an sich reißen.

Einer, der sich bei den neuen Machthabern profiliert, ist Werner Lohse, Renates Freund aus den Kindertagen in Emmering. Werner ist seit seiner Kindheit davon überzeugt, dass Renate seine Frau wird. Nach zahlreichen beruflichen Misserfolgen wird er Chauffeur bei Joseph Goebbels. Nun hat Werner die Möglichkeit Renate häufig zu sehen und sie regelrecht zu verfolgen. Zwei Personen machen seinem Traum allerdings einen Strich durch die Rechnung: Zum einen Renate selbst, die ein heimliches, weil verboten, Verhältnis mit dem jüdischen Bankierssohn Georg Deutsch unterhält, der Lohse schon seit jeher verhasst ist, und zum anderen Joseph Goebbels, der Renate Adolf Hitler als Geliebte andienen will.

Nachdem Renate sich weigert, für das Regime zu arbeiten, gleitet sie eine Depression ab, die sie mit Alkohol und Drogen betäubt. Letzten Endes findet man sie schwer verletzt auf der Terrasse ihres Hauses. Wenig später stirbt sie mit nur 31 Jahren. Die Umstände ihres Sturzes aus dem ersten Stock bleiben ungeklärt. Unfall, Selbstmord oder haben die Schergen des Regimes ein wenig nachgeholfen?

Meine Meinung:

Ich habe erst unlängst eine Doku über mehrere Frauen in Hitlers Dunstkreis gesehen, die unter zweifelhaften Umständen ums Leben gekommen sind. Renate Müller ist neben Geli Raubal eine von ihnen.

Autorin Charlotte Roth betont in ihrem Nachwort, dass das vorliegende Buch nicht als Biografie, sondern als Hommage an sie zu verstehen ist.
Renate Müller teilt ihr trauriges Schicksal mit zahlreichen anderen Künstlern, die sich nicht vereinnahmen lassen wollten. Nicht wenige, die es nicht schafften das Land rechtzeitig zu verlassen, haben Selbstmord begangen oder sind dem dem Regime zum Opfer gefallen.

Charlotte Roths Schreibstil lässt die Zwischenkriegszeit und die Anfänge des deutschen Films lebendig auferstehen. Die historischen Details sind penibel recherchiert.

Der Titel des Buchs Ich bin ja heut so glücklich ist übrigens aus dem Film „Die Privatsekretärin“ (1931), der wie im Buch beschrieben von ihr selbst gesungen worden ist und zu einem überaus populären Schlager avanciert ist.

Fazit:

Eine Leseempfehlung für alle jene, die gerne in die Anfänge des deutschen Films eintauchen wollen. Gerne gebe ich hier 5 Sterne.

Bewertung vom 14.08.2022
Wimmer, Barbara

Jagd im Wiener Netz


ausgezeichnet

Autorin und Netzjournalistin Barbara Wimmer entführt uns in das Wien von 2028. Die Stadt unterscheidet sich nicht allzu viel von heute, außer dass die Digitalisierung weiter fortgeschritten ist und viel tiefer in die Leben der Protagonisten eingreift als denen lieb ist.

Staranwalt Stefan Huss bricht beim Joggen tot zusammen. Wenig später findet man ihn mit einem Zettel auf der Brust, auf dem sein Todestag und ein großes X steht. Chefinspektor Leyrhofer, der die Tage bis zu seinem Pensionsantritt zählt, wird mit den Ermittlungen betraut. Recht bald stellt sich heraus, dass Huss jede Menge Feinde hatte, denn er kannte die dunklen Geheimnisse seiner Mandanten. Von Betrug bis zur Korruption wirft man den Lobbyisten, die zu seiner Klientel zählen, vor.

Wenig später landen eben jene Dossiers, die Huss über seine Kunden angelegt hat, auf dem Rechner der Journalistin Stefanie Laudon, die im vorherigen Fall („Tödlicher Crash“) Machenschaften rund um den damaligen Finanzminister, der mit seinem manipulierten Elektroauto einen tödlichen Unfall hatte, an die Öffentlichkeit gebracht hat.

Während Chefinspektor Leyrhofer auf klassische Polizeiarbeit setzt, stochert Stefanie gemeinsam mit ihren Freunden im Internet herum. Als sie eine vielversprechende Spur entdecken, wird Stefanie selbst zur Gejagten.

Meine Meinung:

„Wer die Daten hat, hat die Macht.“ Dieses Zitat des Wiener Filmemachers Werner Boote passt auch zu diesem Krimi.

Geschickt wird der IT-Hintergrund in den Krimi integriert. Nämlich ohne, dass die Leser vor den Fachbegriffen kapitulieren.

Autorin Barbara Wimmer weiß, worüber sie schreibt: Sie ist Journalistin und als Redakteurin ist die „Futurzone“ der Tageszeitung Kurier. Sie schreibt über KI und Datenkraken sowie die damit einhergehenden Risiken und Nebenwirkungen, gegen die weder Arzt noch Apotheker einen Gegenmittel haben.

So beschreibt sie, wie Landwirte ihre Melkanlagen nicht mehr selbst warten können, weil dies um teures Geld nur vom Anlagenbauer gemacht werden soll. Diese Vernetzung treibt den einen oder anderen Landwirt in den Ruin, da diese Anlagenbauer natürlich durch ihre Monopolstellung die Preisgestaltung völlig in der Hand haben. Gleichzeitig beleuchtet Barbara Wimmer das wachsende Segment der Selbstoptimierung durch dubiose Nahrungsergänzungsmittel.

Mir hat dieser Krimi - wie schon sein Vorgänger „Tödlicher Crash“ - sehr gut gefallen. Die Story ist fesselnd erzählt, ein bisschen Humor, viel Technik und auch die zwischenmenschliche Seite kommen nicht zu kurz.

Der Titel erinnert ein wenig an den „Dritten Mann“, bei dem ein Verbrecher durch das Wiener Kanalnetz hetzt.

Fazit:

Eine gelungene Fortsetzung, der ich gerne 5 Sterne und eine Leseempfehlung gebe.

Bewertung vom 13.08.2022
Siebold, Henrik

Inspektor Takeda und das schleichende Gift / Inspektor Takeda Bd.6


ausgezeichnet

In ihrem 6. gemeinsamen Fall müssen Inspektor Takeda und KHK Claudia Harms den Mord an Peter Haffner, einem Promianwalt, der erschossen in seiner Villa liegt aufklären. Noch ist nicht klar, ob das Motiv im beruflichen oder im privaten Umfeld des Toten zu suchen ist.

Als dann eine Spur zu einem 40 Jahre alten Cold Case führt, müssen Takeda und Harms streckenweise getrennt ermitteln. Hat die Polizei, allen voran KHK Hinnerk Mattusek, damals geschlampt und des schnellen Erfolges wegen den Falschen verhaftet?

Meine Meinung:

Auch dieser 6. Fall hat mir spannende Lesestunden beschert. Diesmal harmoniert das Ermittlerpaar nicht ganz so gut, denn die von Claudia beendete Liebesbeziehung mit Ken Takeda schwingt noch nach. Claudia muss sich nicht nur mit ihrem Seelenleben beschäftigen, sondern auch mit dem drohenden Wohnungsverlust, da ihr Vermieter Eigenbedarf angemeldet hat. Und, wie man weiß, sind erschwingliche Wohnungen in Hamburg schwer zu bekommen. Das alles führt dazu, dass Claudia einen Moment unachtsam ist und wieder in - sprichwörtlich - Teufels Küche gerät.

Subtil und unaufgeregt flicht Autor Henrik Seibold Szenen aus der japanischen Lebensart ein. Im letzten Band hat Claudia eine kostbare Teeschale an die Wand geworfen. Diese ist nun durch die japanische Kunst des Kintsugi wieder zusammengefügt worden. Aus zerbrochenem Alten wird etwas Neues - ob wir da einen Hinweis erhalten, dass die beiden ihre Beziehung wieder aufnehmen? Vor allem auch deswegen, weil Ken eine große Wohnung mietet und die beiden über eine WG nachdenken.

Fazit:

Wieder ein fesselnder Krimi aus dieser Reihe, dem ich gerne 5 Sterne gebe.