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yellowdog

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Insgesamt 2118 Bewertungen
Bewertung vom 29.07.2021
Suah, Bae

Weiße Nacht


ausgezeichnet

Ein surrealer Sommer in Seoul

Koreanische Literatur kann für westliche Lesern häufig ungewöhnlich sein, man denke z.B. an Han Kang (Die Vegetarerin), Bae Suah erinnert mich latent an diese Autorin. Auch in Weisse Nacht sind manche Passagen durchaus rätselhaft und außergewöhnlich. Das hat einen eigenen Reiz!

Weisse Nacht wurde von Sebastian Bring aus dem koreanischen übersetzt.
Zur Handlung:
Ayami war eine erfolglose Schauspielerin, die daher als Angestellte in einem Hörtheater arbeitete, das jetzt leider schließen muss. Für Ayami droht Arbeitslosgkeit.

Ayami ist eine verschlossene, zurückhaltende Frau, die rätselhafte Dinge und Menschen anzuziehen scheint. Meistens ist sie für sich, außer ab und zu mit dem Direktor des Hörtheaters und einer Lehrerin. Ein Thema ist daher auch die Einsamkeit.
Ich mag die Gespräche. Es sind reflektive, bedeutungsvolle Dialoge.

Eine weitere wichtige Figur im Mittelteil ist Buha, der Dichter werden möchte.
Ayami holt dann für eine Freundin einen Schriftsteller vom Flughafen ab. Der Grat zwischen Fiktion und Realität wird immer schmaler. Eine gewisse Desorientierung durchzieht den Roman.

Bae Suah verfügt über einen eigenwilligen Stil, den ich sehr schätze und bei dem sie häufig mit Themen und Motiven spielt, die im Roman immer wieder in leicht veränderter Form auftauchen und es gibt auch surreale Momente.

Ich hoffe auf weitere Büchern von Bae Suah in Deutscher Übersetzung.

Bewertung vom 28.07.2021
Gundar-Goshen, Ayelet

Wo der Wolf lauert


ausgezeichnet

Wo der Wolf lauert ist ein bemerkenswert dichtes Hörbuch, das von Anfang an eine innere Dramatik besitzt, die den Zuhörer nicht mehr loslässt.

Es ist die Geschichte einer Familie in den USA. Lilach und Michael Schuster und ihr Sohn Adam stammen aus Israel.
Das Hörbuch ist stark von der Erzählperspektive geprägt. Die Handlung wird von Lilach erzählt. Ihre Gedanken durchziehen den ganzen Text und daher funktioniert es als Hörbuch besonders gut. Die Sprecherin Milena Karas spricht genau passend und angemessen. Ihre Stimme lässt einen ganz dicht an die Figur heranrücken.
Ich musste stark an den Roman Die Hauswaffe von Nadine Gordimer denken, der mir sehr gut gefallen hatte und der ein vergleichbares Thema hatte und Ayelet Gundar-Goshens Buch hat ähnlich hohe Qualität.

Bewertung vom 25.07.2021
Offutt, Chris

Unbarmherziges Land


sehr gut

Atmosphärisch


Chris Offuts Kentucky-Krimi ist mehr als der Untertitel suggeriert, da es viel mehr um die handelnden Figuren geht als um einen Kriminalfall. Andererseits ist der Untertitel doch treffend, da Kentucky als wichtiges Element eingesetzt wird.
Hier ist es streckenweise karg, und nicht nur die Landschaft. Die Mentalität der Menschen ist eine besondere.

Eine große Stärke des Romans ist der Protagonist, der Ermittler bei der Army ist und seiner Schwester zur Hilfe eilt, die als Polizistin ein einem Mordfall ermittelt.
Mick ist eine ehrliche Haut, aber auch oft abwesend. Daher läuft es in seiner Ehe nicht so gut. Seine Frau ist Schwanger, aber nicht von ihm.

Die familiären Probleme nehmen einen großen Platz in der Handlung ein. Das hat gut funktioniert, da auch die rasanteren Szenen nicht zu kurz kommen.
Der Roman ist also gut ausgewogen und gut durchkomponiert.

Bewertung vom 21.07.2021
Schmalz, Ferdinand

Mein Lieblingstier heißt Winter


sehr gut

Der österreichische Dramatiker Ferdinand Schmalz gewann 2017 mit einem Prosatext den Ingeborg Bachmann-Preis, der jetzt auch den Titel für den Roman liefert.
Vom Theater kommend hat auch dieses episodenhaft aufgebautes Buch bemerkenswerte Settings und einen Detailreichtum.
Altmodisch wirken die Namen der Figuren an, Franz, Harald, Heinz, Norbert etc.
Sprechende Nachnamen wie Schlicht, Schauer oder Schimmelteufel machen dann endgültig Typen aus ihnen.

Es gibt eine Rahmenhandlung, die die Szenen miteinander verbindet.
Ansonsten dominiert aber die Sprache, die natürlich auch für eben diese starken Sprachbilder verantwortlich ist.
Ferdinand Schmalz fügt eine gehörige Portion Ironie hinzu und prägt damit die Figuren.

Manchmal kann einem die Handlung etwas viel werden. Ob einem dieser Roman gefällt hängt davon ab, ob man sich über diese teilweise absurden Sprachszenarien und dem Sarkasmus amüsieren und erfreuen kann. Ich finde, es ragt dadurch aus der Masse an konventionell erzählten Neuerscheinungen heraus.

Bewertung vom 20.07.2021
Krause, Robert

Dreieinhalb Stunden


ausgezeichnet

Ensemblefilm als Hörbuch

Im Hörbuch von Robert Krause, dass ein weitreichendes Ereignis am 13. August 1961 betrachtet, treten eine ganze Reihe von Figuren auf. Daher ist es sinnvoll, dass die Sprecher Tanja Fornaro und Robert Frank das unter sich aufteilen.
Dieser 13.August ist der Tag, an dem die DDR die Grenzen zur BRD schließt.

Robert Krause schreibt Drehbücher. Auch Dreieinhalb Stunden basiert auf einem Drehbuch. Das merkt man auch diesem Hörbuch an, denn die Figuren werden filmsszenisch entwickelt, das bedeutet auch eine gewisse eindimensionalität. Sie nehmen die ihnen zugewissenen Rollen ein und mehr wird von ihnen anfangs auch nicht erwartet. Später gewinnen die Figuren durch ihre Emotionalität.

Erzähltechnisch wird schnell zwischen den Figuren gewechselt und damit gibt es immer wieder verschiedene Perspektiven.
Zu den Reisenden, die bald schon in einem inneren Konflikt stehe, gehören das Ehepaar Marlis und Gert, Rudolf, seine Verlobte Ingrid und deren Sohn Hans, die Sängerin Carla und ihre aus 3 jungen Männern bestehende Band.
Weitere Reisende und auch die Lokführerin Edith Salzmann werden betrachtet.
Außerdem gibt es einen innerlich getriebenen, westdeutschen Kommissar, der den Zug besteigt, um zu ermitteln.

Alles in allem erinnert das an große Ensemblefilme vergangener Zeiten (Hotel International, Mord im Orienexpress, etc.)

Die Sprecherleistung würde ich als ordentlich einstufen.
Dias Hörbuch war unterhaltsam und das Thema vermochte zu interessieren.

Bewertung vom 20.07.2021
Hyde, Catherine Ryan

Der Mut kommt auf kleinen Füßen


sehr gut

Die Geschichte einer Mutter, die ihre 2jährige Tochter verliert und der jungen Molly, die das Kind findet.

Ein Autodieb stiehlt ein Auto, in dem sich ein 2jähriges Kind befindet, das er einfach aussetzt. Dort findet die knapp 16jährige Molly, die von ihren Eltern rausgeworfen wurde, das Kind und kümmert sich um sie.

Der amerikanische Alltag in L.A. ist so, dass es viele Menschen nicht einfach habe. Brooke kommt als alleinerziehende kaum über die Runden und muss bei ihrer mürrischen Mutter wohnen.
Und Molly lebte auf der Straße. Nach dem Vorfall mit dem Kind kommt sie bei einer Pflegefamilie unter, aber da wird sie nur ausgenutzt und sie läuft weg.
Doch Brooke und Molly kommen sich in ihren jeweiligen Situationen langsam näher und die Begegnung wird ihr Leben verändern.
Die Erzählperspektiven wechseln zwischen Molly und Brooke hin und her.

Dem Buch fehlt es wirklich nicht an Pathos und es wird oft emotional.
Zwar ist die Handlung dick aufgetragen, aber es liest sich wirklich fesselnd.

Bewertung vom 19.07.2021
Nunez, Sigrid

Was fehlt dir


sehr gut

Die beiden letzten in Deutsch erschienen Bücher von Sigrid Nunez (Der Freund und Sempre Susan) waren faszinierend. Ihh neuer Roman „Was fehlt dir“ ist nicht so einfach fassbar. Nüchtern und sachlich erzählt. wirft er einen Blick auf die Gesellschaft der zeitgenössischen USA, dazu mit einem leicht ironischen Unterton und überwiegend handlungsarm.

Das die Erzählerin leicht stachelig und schwer greifbar ist, macht aber auch einen Teild es Reizes an dem Roman aus.
Sigrid Nunez ist einmalig darin, einserseits prägnant zu schreiben, andererseits Abschweifungen, z.B. Gedanken über einen Dokumentarfilm oder über die Malerin Carrington, nicht zu scheuen. Außerdem gibt es einige literarische Zitate und Verweise, wie auf David Foster Wallace und Ingeborg Bachmann.

Sigrid Nunez, die einst für Susan Sontag arbeitete, ist inzwsichen selbst auf dem Weg zur erzählerischen Ikone, die ich sogar mit Joan Didion vergleichen würde.

Bewertung vom 18.07.2021
Krien, Daniela

Der Brand


ausgezeichnet

Unter der Oberfläche

Daniela Krien ist eine bewährte Autorin, die mit Büchern wie „Irgendwann werden wir uns alles erzählen“ und „Die Liebe im Ernstfall“ überzeugen konnte.
Mit Der Brand hat sie jetzt die Geschiche der Krise eines Paares beschrieben.
Rahel und Peter sind schon lange verheiratet, haben sich zuletzt aber voneinader entfernt.
Es ist Rahels Perspektive, die im Vordergrund steht. Nachdem sie wegen eines Brandes in ihrem Ferienhaus nicht in die Ferien fahren können, hüten sie aushilfsweise gemeinsam den Hof eines befreundeten Paares.
Hier tritt ihre Krise offen zu Tage, aber immer noch scheuen sie sich, offen darüber zu sprechen.
Dann taucht auch noch ihrer erwachsene Tochter mit ihren Kindern auf, die sich von ihrem Mann trennen will.

Ich schätze an Daniela Krien ihre ruhige, nur voprdergründig sachliche Art zu schreiben. Eine innere Dramatik ist spürbar. Schnell kommt sie den Emotionen ihrer Figuren auf die Spur. Es brodelt unter der Oberfläche. Die Intensität der Gefühle ist spürbar.
Ihre Prosa hat einen eigenständigen Ton.

Bewertung vom 16.07.2021
Düffel, John

Die Wütenden und die Schuldigen


sehr gut

John von Düffel hat wieder einen Familienroman geschrieben. Stellenweise erinnert er mich anm seinen früheren Erfolg Houweland.
Der Roman ist ganz in der Gegenwart angelegt, also auch zu Zeiten von Cotona und Quarantäne.
Die Familie setzt sich zusammen aus Richard, der schwer erkrankt ist, seine Tochter Maria und deren Kinder Jakob und Selma.
Auffällig das fehlen vom Sohn Holger, doch das wird erst gegen Ende thematisiert.
Die Situation ist angespannt, besonders die junge Selma leidet darunter.
Die im Blickpunkt stehenden Figuren wechseln mit den Kapiteln und zeigen so ein Gesamtbild des emotionalen Zustandes einer Familie aus verschiedenen Perspektiven. das ist sehr gut gemacht.
Zwar ist fraglich, wie stellvertretend diese Familie für den Querschnitt der Deutschen sein soll oder kann, aber immerhin hat von Düffel sein Familienporträt kompakt gehalten.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 16.07.2021
Lowe, T. I.

Sophies Café


gut

Der Roman erzählt von einer Frau, die jahrelang durch die Ehehölle geht und dann einen Neuianfang wagt.

Zuerst muss hier eine Warnung ausgesprochen werden. Die ersten Seiten sind von erschreckender Brutalität. Die schwangere Gabriella wird von ihrem gewalttätigen Ehemann so schlimm verprügelt, dass sie sogar das Baby verliert. Das wird ausführlich und detalliert geschicldert und vielleicht kann das nicht jede Leserin oder Leser ertragen.

Erst dann kommen entspanntere Abschnitte. Gabriella nennet sich jetzt Leah. Sie ist nach Rivertown, South Carolina geflüchtet und kommt bei der warmherzigen Sophie unter. Und sie lernt Crowley kennen, der sich für sie interessiert.

Diesen Plotverlauf gab es schon in vielen Büchern und manchmal kommt mir der Verdacht, diese Elemente werden zu kalkuliert eingesetzt.
Es fehlt mir ein psychologischer Unterbau, der eine gewalttätige Situation erläutert.

Was bleibt ist ein routiniert gemachter Roman des Genres, der auf bewährten Kleinstadtcharme, Freundschaft und Liebe setzt. Bewährte Zutaten, die auch hier funktionieren.