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yellowdog

Bewertungen

Insgesamt 2182 Bewertungen
Bewertung vom 25.09.2021
Ahrens, Henning

Mitgift


gut

Henning Ahrens war mir bisher vor allen als Übersetzer begegnet.
Sein Familien- und Gesellschaftsroman zeigt das Schicksal der Bauernfamilie Leeb über einen langen Zeitraum. Startpunkt ist 1962, aber es geht streckenweise stark in die Vergangenheit. Erstaunlich, wie schnell die Zeiten in diesen Roman wechseln. Doch so ganz erreichte mich das Buch nicht.
Erkennbar sind die Auswirkungen der Kriegszeit, speziell im Landwirtschaftsbereich. Die im Mittelpunkt stehende Figur ist ein Großbauer, der in Kriegsgefangenschaft war, danach aber seine Familie tyrannisierte.
Es gibt einige starke Bilder im Roman, aber die Handlung packte mich kaum.
Erzählerische Schwächen sind unübersehbar.
Meiner Meinung nach gab es schon eindrucksvollere Romane dieser Thematik.

Bewertung vom 25.09.2021
Dath, Dietmar

Gentzen oder: Betrunken aufräumen


gut

Gentzen oder: Betrunken aufräumen ist ein sehr ungewöhnliches Buch, zu dem man schwer Zugang findet. Der Untertitel Kalkülroman irritiert zusätzlich.

Der Mathematiker Gerhard Gentzen ist 1945 gestorben. Seine Leistungen haben viel für die Informatik getan. Mir war er vor diesem Roman nicht bekannt. Die wenigen Passagen im Roman, die ihn als handelnde Figur in seiner Zeit zeigen, sind recht interessant. Es werden aber auch andere Personen ins Spiel gebracht.
Ditemar Dath geht frei assozierend mit der historischen Figur Gentzen um, z.B. wenn der zusammen mit Lady Gaga ins Kino geht.
Dietmar Dath tritt selbst in der Handlung auf. Es geht auch um Frank Schirrmacher. Daher gibt es neben den sehr vielen Diskussionen über Mathematik auch ein wenig um den Literaturbetrieb. Ein unerwartetes Kapitel dreht sich um den Science Fiction-Autor Harlan Ellison.

Das Buch krankt daran, dass es überfrachtet ist und an seiner Überlänge. Es ist sehr speziell. Daher wunderte es mich, dass es für den Deutschen Buchpreis 2021 auf der Longlist stand.

Bewertung vom 25.09.2021
Fritz, Sophia

Steine schmeißen


sehr gut

Der Roman Steine schmeißen erzählt vom Lebensgefühl von Young Adults.
Sprachlich nimmt es Motive von einem Jugendroman und führt es zu einem zeitgenössischen Bild zusammen.
Dabei steht die Gefühlswelt der Icherzählerin Anna im Vordergrund. Sie hat Verluste erlitten, zum Beispiel den Tod des Vaters und das ihr langjähriger Freund Alex sie verlassen hat. Viel ist sie noch mit ihrem schwulen Freund Jede zusammen, den sie ebenfalls noch aus der Schulzeit kennt.
Dann gibt es noch Samir und Marie.
Zentral steht ein Silvestertag und -abend, an dem die Freunde zusammenkommen. Das ergibt auch viele bildhaft getextete Passagen.

Die Autorin Sophie Fritz ist 24 und offensichtlich nahe dran an den Figuren und kann die Emotionen und Selbstzweifel glaubhaft darstellen.
Vom provokanten Titel und irritierenden Cover bis zum Stil ist der Roman ausdrucksstark.

0 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 24.09.2021
Heidenreich, Elke

Hier geht's lang!


sehr gut

In Hier geht’s lang berichtet Elke Heidenreich darüber, welche Bücher sie in den verschiedenen Stadien ihres Lebens gelesen hat. Es geht also nach einer Einleitung mit Kinderbüchern los, z.B. die berühmten Elke-Bücher. Und andere Mädchenbücher.
Schon bald wird es aber hochwertige Literatur wie Die Schatzinsel und Enid Blyton, auch Nesthäkchen und Der Trotzkopf.

Die Cover der alten Bücher sind abgebildet, dadurch wird es ein ansprechendes Buch.
Öfter vergleicht Heidenreich Die Plots der Bücher mit ihren Leben, verleiht dem Buch somit etwas autobiografisches, teilweise erwähnt sie auch Merkmale der Zeit. Das ist aber dezent gemacht. Im Vordergrund bleiben die Bücher.

Spätestens ab Heidenreichs Backfischjahren wird ihre Lektüre hauptsächlich aus Literatur bestehen und hier werden in erster Linie große Autorinnen erwähnt: Francoise Sagan, Colette, Carson McCullers, Ruth Klüger, Christa Wolf und natürlich Virginia Woolf. Es wird auch ausgearbeitet, was davon wichtig wird und warum.
Auch Gedichte spielen eine große Rolle für Elke Heidenreich, zum Beispiel Wisława Szymborska,
Es folgen die Kapitel Die Studentin und Die junge Frau, wo sie merkt, dass sich ihr Lesegeschmack ändert. Und ihre Karriere geht los. Sie schreibt fürs Radio und große Zeitungen. In Die besten Jahre ist schon sehr etabliert. Das zieht sich bis zum Heute.

Es ist ein Buch für Leser, die Elke Heidenreich und die Literatur mögen. Es ist außerdem ein verschenktaugliches Buch, daher kann ich es empfehlen.

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 24.09.2021
Ponthus, Joseph

Am laufenden Band (eBook, ePUB)


sehr gut

Prosa wie ein Gedicht
Dieser autobiografische wie literarische Bericht ist aufgrund von mehreren Aspekten bemerkenswert.
Zum einen zeigt er einen Ablauf in einer Fabrik und was ein Arbeiter dabei empfindet.
Zwar ist der intellektuelle Joseph Ponthus vielleicht nicht gerade der typische Fabrikarbeiter. Andere, die sich nie außerhalb dieser Branche gewesen sind, reflektieren vermutlich anders, aber immerhin. Und dann bereichern seine Reflektionen das Buch über das eigentliche Thema hinaus.
Zum anderen ist der Stil des Buches außergewöhnlich und wirklich faszinierend. Es hat die Form eines Prosagedichtes, bleibt aber durchgängig gut lesbar.
Leider ist der Autor dieses Jahr gestorben, mit nur 42 Jahren an Krebs. Was er ansonsten literarisch noch erschaffen hätte, wäre überaus interessant gewesen.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 23.09.2021
Hoppe, Felicitas

Die Nibelungen


gut

Ein deutscher Stummfilm ist der Untertitel, dabei ist doch Felicitas Hoppes überbordene Erzählstimme. Die bekannten Teile der Sage werden durch die Aufführung des Stoffes im Heute nacherzählt, doch es ist nicht die Handlung sondern Ton und Stimmung, die Hoppe erzeugt.

Dem entgegen steht, dass Siegfried, Brunhild, Hagen und andere aus meiner Sicht kaum zu eigenständigen, lebendigen Figuren werden und nicht wirklich Profil erlangen.
Das Buch stand auf der Longlist des deutschen Buchpreises. Das ist für mich okay, aber auch, dass es für die Short List nicht reichte.

Bewertung vom 23.09.2021
Lenz, Siegfried

Florian, der Karpfen


sehr gut

Einen bisher noch unveröffentlichten Text von Siegfried Lenz zu veröffentlichen ist löblich, aber man musste noch ein paar andere Texte und ein Vorwort sowie ein Nachwort dazunehmen, um gerade so ein Buch daraus zu machen.
Der Haupttext ist Florian, der Karpfen. Ein Märchen! Ich halte es für Kinder von heute für ungeeignet. Als Erwachsener Leser hatte ich auch nicht so richtig Zugang, obwohl einige Figuren doch putzig sind. Zum Beispiel der Krebs Hans von Zwickau oder das Brassenmädchen Rosa.
Schließlich gab das wirklich gut gemachte Nachwort einige Erläuterungen,, die auf interessante Themen hinweisen.

Mit Die Fische gibt es dann sogar ein Gedicht, Außerdem eine Festrede

Es dürfte ein Buch für echte Lenz-Fans und für am Maritimen und Tauchen Interessierte sein, aber vielleicht gibt es ja noch mal eine Veröffentlichung von noch unveröffentlichten Lenz-Erzählungen mit mehr Substanz.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 22.09.2021
Bjerg, Bov

Deadline


sehr gut

Der Debütroman

Der Roman erschien 2008 erstmals. Es geht um Paula, Übersetzerin, übergewichtig, Ende 30, lebt in ihrer Wahlheimat, den USA.
Sie kehrt kurzzeitig aufgrund dem Grab ihres Vaters und der Krankheit ihrer Mutter nach Deutschland zurück und nimmt ein anderes Lebensgefühl wahr, das zeigt sich durch ein anderes Tempo, denn in den USA muss immer alles schnell gehen.
Immer wieder werden Merkmale der Zeit (im Jahr 2005) genannt. Auch das prägt das Buch.

Wahrnehmung steht im Vordergrund und Bov Bjerg findet die Sprache dafür, dem Ausdruck zu geben. Damit verbunden ist leicht kühle und etwas schwermütige Stimmung.

Bemerkenswert auch das Nachwort von Kanon-Verlag-GründerGunnar Cynybulk, das er aktuell für diese neue Buchausgabe geschrieben hat.

Vergleicht man Deadline mit Bov Bjergs letzten Roman Serpentinen, sieht man, dass er sich weiterentwickelt hat. Aber sein einmaliger Stil ist auch schon in Deadline in ausgeprägter Form vorhanden.

Bewertung vom 21.09.2021
Sanyal, Mithu

Identitti


sehr gut

Zuerst wollte ich den Roman nicht lesen, weil ich befürchtete, dass er sich zu plakativ an die Themen des MeToo und Persons of Color hängt.
Doch als der Roman immer mehr Aufmerksamkeit und positive Stimmen bekam und sogar für den Deutschen Buchpreis nominiert wurde, habe ich doch zum Buch gegriffen.
Und tatsächlich ist der Roman gut geschrieben, empathisch in der Figurendarstellung und oft auch witzig.
Die Vorfälle um den Skandal um eine Professorin Saraswati und ihrer kulturellen Aneignung werden von der Studentin Nivedita beobachtet. Als Leser ist man dicht an ihr dran. Sie hat einen deutschen Vater und eine indische Mutter.
Die Sozialen Medien und was sie in Bewegung setzen können, werden in diesem Buch ziemlich genau dargestellt.
Ein rasantes Buch!

1 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 19.09.2021
Reyer, Sophie

1431


sehr gut

Sophie Reyer nutzt die Geschichte von Johanna, der Jungfrau von Orleans, um tief in eine Zeit abzutauchen und sich in einen sprachlichen Rausch zu begeben.
1431 ist das Jahr, in dem Jeanne d‘Arc verbrannt wurde.

Der Roman hat einige Rückblenden. So wird beispielsweise Johanna auch als aufgewecktes Kind mit ersten Visionen gezeigt und wie sie später als junge Frau in den Krieg zieht. Sophie Reyer zeigt Johanna wie sie brennt und wütet.
Der Hauptstrang zeigt sie aber in Gefangenschaft, beobachtet von Nicolas Loyseleur, ihren angeblichen Beichtvater Seine Gedanke über Johanna nehmen auch viel Raum ein..

Schon oft wurde der Stoff verarbeitet, Sophie Reyer fügt ihm keine neuen Akzente zu. Aber sie nutzt ihn, um ein Sprachfest zu feiern.