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Svanvithe

Bewertungen

Insgesamt 147 Bewertungen
Bewertung vom 15.07.2019
Salz im Wind
Benden, Johanna

Salz im Wind


ausgezeichnet

Anna scheint ein Glückskind zu sein. Sie lebt in Glückstadt, der Kleinstadt an der Elbe, und schätzt deren Vertrautheit und Beschaulichkeit sowie die Verlässlichkeit der Bewohner. Außerdem steht ihre Hochzeit mit ihrem Traummann Oliver, der wie sie in der Firma ihres Vaters – Storm Energie – arbeitet, unmittelbar bevor. Und obwohl sie inzwischen nicht mehr klein, blond und zart wie eine Fee ist, sondern eher Maße im handfesten Format aufzuweisen hat, möchte sie es sich nicht nehmen lassen, in einem wunderschönen Kleid vor den Traualtar zu treten. Dafür verzichtet sie gern auf ihre geliebten Pralinen. Sie versucht es zumindest.

Es könnte also nicht besser laufen. Doch weit gefehlt, ganz so einfach ist es nicht. Denn nach Begegnungen mit Erik, ihrem ehemaligen Babysitterkind, und Robert, dem Aufsichtsrat von Storm Energie, kommen Zweifel an der Richtigkeit ihrer Entscheidung auf. Und das betrifft nicht nur die geplante Hochzeit.

Ist es wirklich so, dass Anna keinen anderen Mann als Olli finden wird, der sie mit ihren paar Pfunden zu viel liebt und mit ihr sein Leben teilen will, wie ihr Vater behauptet?

Johanna Benden hat eine leichte und zugleich spritzige Erzählmelodie, mit der sie in „Salz im Wind. Nach der Ebbe kommt die Flut“ den richtigen Ton trifft und vergnügliche Lesestunden bereitet. Ihr gelingt es auf wunderbare Weise, den Leser in das Geschehen einzubinden, damit dieser es mit viel Freude begleitet. Dabei offenbart die Autorin ein großes Talent, ihre Figuren mit ihren Vorzügen und Schwächen zu charakterisieren, ohne diese vorzuführen. Sie bilden das Gerüst der Geschichte, werden einem schnell vertraut und dürfen aber wie Annas Vater auch ordentlich kantig und bestimmend sein.

Besonders Anna ist unbefangen, ehrlich und ein Schatz, der (noch) im Verborgenen blüht und von ihrem Weg abgewichen ist, das allerdings gar nicht sieht. Genauso wenig bemerkt sie, dass sie in ihrer Tätigkeit als Controllerin in der Firma von ihrem Vater – bewusst oder unbewusst – klein gehalten wird. Ihre Schwäche für Pralinen ist zu gut nachzuvollziehen. Anna kann prima zuhören und sich hervorragend auf andere Menschen einlassen, spürt, wie es ihnen geht. sie ist ein kreativer Mensch, hat jedoch leider ihre Kunstfertigkeit beiseite gelegt und sich mit ihrer Gegenwart arrangiert.

Erst Erik und Robert locken sie aus ihrem Schneckenhaus, in dem sie es sich mit Olli gemütlich machen wollte, hervor. Beide Männer zeigen nämlich ebenfalls großes Interesse an ihr.

Erik, auf den Anna als Kind aufgepasst hat, würde immer noch als ihr Ritter Kunibert für sie in die Bresche springen. Er offenbart eine unkomplizierte, herzliche und zugewandte Art, die nicht nur Annas Herz höher schlagen lässt.

Nicht minder liebenswürdig und aufrichtig ist Robert, der gleichermaßen mit Wertschätzung und Zuneigung gegenüber Anna aufwartet. Er ist der Meinung, dass Anna jemanden verdient, der sie respektiert, bestärkt und unterstützt, um ihre Träume zu verwirklichen.

Und so kommt, was kommen muss: High Noon in Glückstadt. Welcher der drei Männer wird den „Kampf“ gewinnen? Das wird hier natürlich nicht verraten...

Bewertung vom 30.06.2019
Ich werde fliegen
Czapnik, Dana

Ich werde fliegen


gut

New York 1993/1994. Lucy Adler ist 17, jeweils zur Hälfte Jüdin und Italienierin, stammt aus einem liebevollen Elternhaus und hat einen schlauen Kopf, mit dem sie alles hinterfragt. Sie geht auf eine elitäre Privatschule in Manhattan, spielt mit sehr viel Talent Basketball. Es gibt nur zwei Probleme. Sie ist ein Mädchen, und sie ist heimlich in ihren besten Freund Percy verliebt. Mit dem kann sie zwar über französische Existenzialisten diskutieren, mehr als ihre Gedanken teilt er allerdings nicht mit ihr.

Percy selbst bekommt nämlich von Lucys Gefühlen gar nichts mit. Er sieht gut aus, ist den Mädchen gegenüber sehr aufgeschlossen und wechselt sie wie Kaugummi, ohne je wirkliche emotionale Bindungen einzugehen. Percy bewegt sich mit Leichtigkeit durch die Welt, hat ein echtes Problem mit Autoritäten, nutzt jedoch die ihm als Sohn reicher Eltern gegebenen Freiheiten aus und versucht gleichzeitig, sich deren Einfluss zu entziehen. Im Grunde bleibt ihm aber wegen seiner schlechten schulischen Leistungen nichts anderes übrig, sich dem Willen und den Konventionen zu beugen, weil er ohne Hilfe keine Möglichkeit hat, auf einer Elite-Universität angenommen zu werden. Etwas, das für Lucy keine Mühe darstellt...


Dana Czapnik wurde in New York geboren und ist begeistert von ihrer Heimatstadt. Das wird in ihrem Debütroman „Ich werde fliegen“ in einer sehr intensiven Art und Weise durch umfangreiche und atmosphärisch dichte Beschreibungen deutlich. Die Detailverliebtheit ist für indes für Außenstehende, die New York nicht kennen, in ihrer Üppigkeit das eine oder andere Mal zu viel.

Ansonsten fällt die Autorin mit einem lebhaften Schreibstil auf, der aufrichtig und authentisch klingt und mit jugendlicher Energie angereichert ist. Leider zeigt sich hierbei ebenfalls ein Hang zur Ausschweifung, der das Lesen ab und an anstrengend macht.

Dana Czapnik hat sich hervorragend in das Seelenleben ihrer Protagonistin hineinversetzt, wenn diese aus ihrer Sicht über ihre Stadt, ihre Generation, die Klassenunterschiede in der Gesellschaft, ihre Zukunft und Träume, ja auch über ihr Liebesleben und die Stellung der Frauen nachdenkt.

Lucy ist kein Mädchen von der Stange. Sie ist keine Schönheitskönigin, eher eine Außenseiterin, die sie ab und an danach sehnt, einem bestimmten Ideal zu entsprechen.

_„Nietzsche sagt, dass Schönheit dann am edelsten ist, wenn sie allmählich in das Herz und den Verstand einsickert. Er nennt es den langsamen Pfeil der Schönheit. Die Art von Schönheit, die man zuerst vielleicht gar nicht wahrnimmt, die uns dann aber nicht mehr loslässt. Was für eine wunderbae Vorstellung. Ich wünschte, ich könnte daran glauben.“_ (Seite 108 f.)

Dabei hat Lucy das mit ihrer aufgeweckten und erfrischenden Art, Dinge anzugehen, gar nicht nötig. In ihr verknüpfen sich Natürlichkeit mit Intelligenz und Nachdenklichkeit mit Verletzlichkeit, treffen Selbstbewusstsein auf Unsicherheit und Zynismus auf Weisheit.

Bei einem Blick in die Tiefen ihrer Seele entpuppt sich eine vielschichtige Persönlichkeit, die in sich die Tochter, Freundin, Basketballspielerin und das Mädchen mit Liebeskummer trägt, aber nicht zu denen gehört, die sich von ihrem Schmerz über unerwiderte Liebe brechen lassen.

Denn das Leben hält noch viel für sie bereit. Lucy wird ihre Flügel ausbreiten und fliegen…

3,5 Sterne

Bewertung vom 22.04.2019
Liebe nicht erlaubt
Fritz, Manuela

Liebe nicht erlaubt


sehr gut

Charlotte, die im Unternehmen ihres Vaters beschäftigt ist, soll mit einer entsprechenden Crew eine große Yacht von Triest nach Zypern überführen. Es ist das Verlobungsgeschenk für einen der Colfer-Brüder. Charly hat keine angenehmen Erinnerungen an Dorian und Devin, sondern spürt nur pure Abscheu. Denn bereits als Kind war sie den Hänseleien und bösartigen Streichen der beiden ausgesetzt.

Tatsächlich wird Dorian seinem Ruf als Fiesling auf jeden Fall gerecht. Devon jedoch entpuppt sich wider Erwarten nicht als der Mann, den Charly erwartet hat. Vielmehr wirft seine anfänglich Reserviertheit sie total aus der Bahn, so dass sie hinter seine Fassade sehen will. Sein melancholischer Blick berührt ihr Herz. Devin scheint ernsthaft an ihr interessiert und nicht nur daran, sie als Lustobjekt zu betrachten, wie es Dorian mit jeder Frau, die in seine Reichweite gelangt, tut. Devin ist nicht nur behutsam und zurückhaltend, sondern auch energisch und zielorientiert, und Charly kann sich seinem Charme nicht entziehen. Er verspricht ihr nichts, und Charly ist bewusst, dass eine Beziehung mit Devin nicht von Dauer sein wird. Da sie aber längst Feuer gefangen hat, beginnt sie eine Affäre mit ihm und versinkt bald in einem Strudel ihrer Sehnsucht. Sie vermutet, dass das Ende der Reise schmerzhaft ist, und ahnt nicht, wie sehr sie verletzt wird...


„Liebe nicht erlaubt“ mutet zunächst wie eine klassische Liebesgeschichte an, in der die Liebe – wie es der Titel bereits aussagt – nicht erlaubt ist. Doch Manuela Fritz gestattet sich, der aus Sicht von Charly und Devin erzählten glaubhaften Geschichte neben leichten und frischen Szenen zudem einen ernsten Hintergrund mit durchaus traurigen Momenten zu geben.

Die Autorin lässt ihre Figuren vor allem auf beschränktem Raum der Yacht agieren und ihre Gefühle entwickeln. Im Verlauf der Ereignisse bindet Manuela Fritz ebenso die Umgebung mit ein und punktet hier mit Lokalkolorit.

In der Handlung gibt es viele Andeutungen, doch wenn es um den Akt als solches geht, blendet Manuela Fritz das Geschehen aus. Damit macht sie deutlich, dass nicht die Erotik im Vordergrund steht, sondern die Emotionen ihrer Protagonisten. Vielleicht hätte sie Charly und Devin zumindest eine Szene gönnen sollen...

An ihrer Figurenführung gibt es bis auf kleine Abstriche nichts zu bemängeln. Mit Charlotte und Devon hat sie sympathische und ansprechende Menschen kreiert, die sich durch eine lebendige Empfindungswelt auszeichnen und neben ihren Stärken auch ein paar Schwächen besitzen.

Charly verlässt nicht gern die Wohlfühlzone ihres Schreibtisches und steht im Mittelpunkt. Sie ist geschickt, ein Organisationstalent und behält den Überblick. Der direkte Umgang mit Kunden liegt ihr nicht. Schon gar nicht, wenn es sich um solch ein arrogantes, gemeines, boshaftes und halt- und rücksichtsloses Ekelpaket wie Dorian Colfer handelt, der im Luxus schwelgt und den sie wegen der vielen Drangsalierungen in der Kindheit hasst.

Auch Devin gilt anfänglich ihre Abneigung. Doch im Gegensatz zu seinem Bruder hat er sich verändert. Er schätzt zwar die Annehmlichkeiten, die ihm auf Grund der Vermögenssituation der Familie geboten werden, verabscheut aber die Zurschaustellung, wie sie sein Bruder pflegt. Gegen den Strich geht ihm außerdem, dass er Dorians Arbeit erledigt, ohne die ihm gebührende Aufmerksamkeit zu erhalten, und ständig hinter diesem aufräumen muss, wenn er wieder einmal über die Strenge schlägt.

Und doch ist es Devin, der Charly etwas verheimlicht und nicht aufrichtig zu ihr ist...

Wer also eine Liebesgeschichte mit viel Gefühl und ein wenig Drama lesen will, ist mit „Liebe nicht erlaubt“ gut beraten.

Bewertung vom 17.04.2019
Liebe Gegen Den Strom / Die Bradens at Peaceful Harbor Bd.3
Foster, Melissa

Liebe Gegen Den Strom / Die Bradens at Peaceful Harbor Bd.3


sehr gut

Sam Braden betreibt in Peaceful Harbor ein erfolgreiches Unternehmen für Rafting- und Abenteuertouren. Außerdem ist er – salopp gesagt - ein Frauenheld, und reihenweise erliegt das weibliche Geschlecht seinem Charme. Eine feste Beziehung kommt für ihn nicht in Frage, bis er sieht, wie glücklich seine Brüder mit ihren Partnerinnen sind und er das Gefühl hat, etwas zu verpassen. Und bis er ein Auge (oder vielmehr zwei) auf Faith Hayes, die Arztassistentin seines Bruders Cole, wirft. Diese lässt ihn nämlich abblitzen, obwohl sie – zugegebener Maßen – auch ihn richtig heiß findet, allerdings von seinem Ruf abgeschreckt wird…

Mit „Liebe gegen den Strom“ nimmt uns Melissa Foster erneut mit zu den Bradens nach Peaceful Harbour. Im dritten Band der Reihe steht Sam, ein weiterer unverschämt gut aussehendes Mitglied der Familie, im Mittelpunkt des Geschehens. Er ist nicht nur nett und anziehend, sondern auch selbstbewusst, fokussiert und entschlossen. Sam hat viel Spaß mit Frauen, behandelt diese jedoch immer respektvoll und macht die Stunden des Beisammenseins zu etwas Außergewöhnlichem. Als er sein Herz für Faith entdeckt, glaubt er, die richtige Frau fürs Leben gefunden zu haben. Und je mehr er sich um sie bemüht, umso intensiver werden seine Gefühle für sie.

Faith ist mit einer ganz besonderen Persönlichkeit ausgestattet. Nachdem sie selbst die schmerzvolle Erfahrung machen musste, in ihrer Beziehung betrogen worden zu sein, gründete sie ein Online-Forum. Women Against Cheaters - Frauen gegen Fremdgänger bietet all den Betroffenen eine Austauschmöglichkeit.

Die junge Frau ist intelligent und hübsch und fühlt sich von Sam angezogen, obwohl ihr bewusst ist, dass dieser hinreißende Mann wahrscheinlich schon den meisten Frauen in Peaceful Harbor näher gekommen ist.

Wegen der eigenen Vergangenheit und auch wegen des Rufes von Sam will Faith seinen Avancen widerstehen. Doch der möchte die Meinung, die Faith über ihn hat, ändern und zieht alle Register. Mit vielen unerwarteten Überraschungen und ausführlichen Gesprächen will er ihr beweisen, dass sie ihn nicht an seiner Vergangenheit messen soll, sondern an dem, was Gegenwart und Zukunft bereithalten. Und dass sie in einer Beziehung nur einander „gehören“. So baut Faith langsam, aber stetig Vertrauen zu Sam auf und lässt ihr anfängliche Wachsamkeit und die Befürchtung hinter sich, Sam würde mit ihr spielen.

Melissa Fosters Liebesgeschichten sind keine von der lauten Sorte. Sie schreibt in einer offenen, verständlichen Weise und hält die Romantik und die Innigkeit in der Beziehung ihrer Helden hoch. Ihre erotischen Szenen sind geschmackvoll, und die Probleme zeigen sich in der Regel nicht als so gravierend, dass sie nicht gelöst werden können. Ihre Protagonisten haben zwar Fehler und Schwächen wie alle anderen, sind indes ausgereift und einfühlsam charakterisiert und darum hauptsächlich mit guten Eigenschaften ausgestattet. Damit wirken sie – wie auch im Falle von Faith und Sam - sympathisch und herzlich. Außerdem sind die Emotionen im Umgang miteinander und gleichfalls in der Aktion mit den weiteren Figuren der Geschichte jederzeit nachzuempfinden.

Wer einmal davon „gekostet“ hat, möchte unbedingt mehr davon…

4,5 Sterne

Bewertung vom 09.04.2019
Der Maulbeerbaum
Rushby, Allison

Der Maulbeerbaum


sehr gut

Die zehnjährige Immy zieht mit ihren Eltern aus dem weit entfernten Sydney nach England, damit einerseits Immys Mutter in einer Spezialklinik in Cambridge arbeiten kann. Andererseits bedeutet dies auch einen Neuanfang für die Familie. Denn die emotionalen Probleme von Immys Vater bedrohen den Familienzusammenhalt. Als ehemaliger Hausarzt leidet der Vater nach einem Vorfall mit einem seiner Patienten, in dessen Folge zwei Menschen ums Leben kamen, an Depressionen und kann nicht mehr arbeiten.

Auf der Suche nach einem neuen Heim entdecken sie ein ansehnliches Cottage in einem kleinen Dorf, das ihren Vorstellungen entspricht. Nur der uralte, knorrige und völlig blattlose, ja dadurch dunkel und sehr wild aussehende Maulbeerbaum im Garten lässt sie in der Entscheidung wanken. Und dann ist da noch die Legende, dass eben jener Baum Mädchen am Vorabend ihres elften Geburtstages "stiehlt".

Während das ganze Dorf sich von dem Baum fernhält, und obwohl bereits zwei Mädchen spurlos verschwunden sind, glauben Immys Eltern nicht daran und ignorieren die Warnungen. Immy selbst fühlt sich vom Haus und den Gerüchten über den unheimlichen Baum angezogen, bald hört sie ein seltsames Lied in ihrem Kopf.

"Am Maulbeerbaum geh nur behutsam vorbei,
sonst holt er die Töchter sich,
eins, zwei, drei.
Im Dunkeln und heimlich – spurlos sogar,
erleben sie nie ihr zwölftes Jahr."

Die Familie zieht in das Haus, und Immy und ihre Eltern versuchen, ihre neue Existenz aufzubauen. Der elfte Geburtstag von Immy rückt stetig näher, und mittlerweile sieht Immy Dinge und Bilder, die nicht wirklich da sind. Immer öfter fragt sie sich, ob sie das Rätsel lösen kann oder ob auch sie ein Opfer des Baumes wird...

„Der Maulbeerbaum“ von Allison Rushby ist eine rätselhafte Geschichte, bei der Logik und rationales Denken ein wenig beiseite geschoben und die Fantasie des jugendlichen Lesers angeregt werden. Eine aufgeladene Stimmung und unerklärliche, paranormale Ereignisse schaffen einen gruseligen und packenden Spannungsfaktor, der altersgerecht und zu keinem Zeitpunkt verstörend oder gar abschreckend ist. Tatsächlich ruft der Baum unterschiedliche Emotionen hervor. Steht zu Beginn dessen Bösartigkeit im Vordergrund und geht damit Ablehnung einher, überwiegt später das Mitleid.

Die Autorin erzählt von alltäglichen Problemen, dem Umgang mit Mobbing und psychischen Erkrankungen, den Auswirkungen auf die Menschen und ihre Beziehungen, den Versuchen, dies alles zu bewältigen.

Allison Rushbys Figuren sind glaubwürdig und realitätsnah. Immy wächst bei fürsorglichen und liebevollen Eltern auf, die nicht losgelöst von eigenen Schwächen betrachtet werden. Die Autorin macht ihren jugendlichen Lesern bewusst, dass es eben im Leben der Erwachsenen nicht nur perfekte Momente gibt, sondern auch solche, in denen sie keine Antworten haben, dass sie manchmal nicht einmal die Fragen kennen. Dass sie manchmal sich selbst nicht mehr (er)kennen.

Immy ist unglaublich reif für ihr Alter und setzt sich entschlossen und mutig mit den Tatsachen auseinander. Streit oder Konflikte sind überhaupt nicht ihr Ding. Vorhandener Ängste und das auf sie einwirkenden übernatürliche Geschehen halten sie nicht davon ab, das Geheimnis des Baumes zu ergründen.

Dabei trifft sie immer wieder auf Gefühle, die sie einordnen muss. Gerade die Konfrontation mit dem, was ihr Vater durchmacht, nötigt ihr einen Lernprozess ab. Es ist schwer für ein Mädchen ihres Alters, ihren einst aktiven, an allem beteiligten Vater nun als traurige und defensive Person zu sehen, die sich dem Leiden hingibt.

Allison Rushby verdeutlicht an der Figur von Immy, wie wichtig es ist, verständnisvoll, leidenschaftlich und hilfsbereit für etwas einzutreten.

Und so zeigt sich „Der Maulbeerbaum“ letzten Endes als eine beachtliche und faszinierende Parabel für das Helfen, Verantwortung, Heilung, Vergebung und Wertschätzung des Lebens und verdeutlicht, dass Hass und Wut nicht funktionieren.

4,5 Sterne

Bewertung vom 08.04.2019
Geheilte Herzen / Die Bradens at Peaceful Harbor Bd.1
Foster, Melissa

Geheilte Herzen / Die Bradens at Peaceful Harbor Bd.1


gut

Melissa Foster ist eine routinierte Schreiberin. Mit ihren Romanen „Love in Bloom“ - „Herzen in Aufbruch“, die in mehrere Einzelreihen unterteilt wird, hat sie sich eine umfangreiche Fangemeinde geschaffen. „Geheilte Herzen“ ist der erste Band der „Die Bradens in Peaceful Harbor“-Serie und eine sehr gefühlsbetonte Geschichte, in der es der Autorin gut gelingt, die innere Gedankenwelt ihrer Protagonisten auszuloten. Sie macht in einer ruhigen Art und Weise deutlich, wie Krieg und Verlust das Leben vieler Menschen beeinträchtigen und verändern, was es bedeutet, Verständnis und Vergebung, auch sich selbst gegenüber, zu entwickeln.

Nate Braden ist ein integrer und freundlicher Mann, beachtenswert im Aussehen und von ehrenwertem Charakter, indes innerlich zerrissen. Er leidet heftig darunter, das er es war, der den Befehl für den Einsatz gab, bei dem ein Scharfschütze seinen besten Freund Rick tötete. Noch Jahre nach dem Tod des Freundes quälen ihn vehemente und in gleichbleibender Schärfe Gewissensbisse. Aus diesem Grund verbietet er sich, Jewel zu lieben, obwohl er sich zu ihr schon seit ewiger Zeit hingezogen fühlt. Aber er ist der Meinung, sich diese Empfindungen nach dem schmerzlichen Verlust nicht zugestehen zu dürfen.

Dabei entsprechen auch Jewels Gefühle ganz den seinen, und so ist sie verwirrt, dass Nate nicht über eine Freundschaft hinaus gehen will. Die junge Frau hasst Grenzen, weil sie Enge und Stillstand mit sich bringen. Sie hat in den letzten Jahren eine Menge Verantwortung übernommen, die gemessen an der Situation extreme Züge angenommen hat. Denn Jewel lebt in ständiger Angst vor Situationen, die sie nicht kontrollieren kann und die sie von ihrer Familie trennen würden. Sie ist schon so lange stark für andere und will einen Mann, der ihr Geborgenheit, Verlässlichkeit geben kann, der für sie da ist und ihr hilft, wenn sie Hilfe braucht. Dies alles sieht sie in Nate, und sie wünscht sich einen direkten Weg für sie beide, ohne Schranken und Hindernisse.

Neben den beiden Hauptfiguren hat Melissa Foster ein Händchen für die erdachten Familienverbände. Nicht nur die Geschwister von Jewel, sondern ebenfalls die Braden-Familie, deren Mitglieder in den kommenden Bänden im Mittelpunkt der Serie stehen werden, charakterisiert sie bei aller gebotenen Ernsthaftigkeit auch mit viel Humor. Das Beziehungsgeflecht zwischen den einzelnen Personen ist durch die vorherrschenden Unterschiede im Wesen mit besonderer Energie und lesevergnüglichem Schwung ausgestattet.

„Geheilte Herzen“ ist eine leise Liebesgeschichte. Tatsächlich passiert nicht viel, und leider ist das ständige Philosophieren über Schuld und Begehren und diesem Verlangen nicht nachgeben zu wollen, mitunter etwas anstrengend und mühselig mit einem leichten Hang zur Wiederholung. Erfreulicherweise bekommt die Autorin zum Ende hin die Kurve und lässt den Konflikt dann nicht ins Unermessliche ausarten. Und spätestens der Satz „Dein Herz ist jetzt hier und darauf kommt es an.“ versöhnt mit den kleinen vorgenannten Schwächen.

3,5 Sterne

Bewertung vom 03.04.2019
Staat X
Wahl, Carolin

Staat X


ausgezeichnet

„Staat X. Wir haben die Macht!“ ist ein Buch für Jugendliche, und Carolin Wahl dürfte mit ihrem Schreibstil eben jene besonders ansprechen. Sie verwendet trotz der vorhandenen Ernsthaftigkeit einen lockeren und mühelos zu lesenden Ton, der gleichwohl glaubhaft und authentisch klingt, den gegenwärtigen Zeitgeist und die Probleme in der Gesellschaft widerspiegelt und eine Identifizierung möglich macht. In maßgeblichen Momenten schlägt er um und lässt die Brisanz der Ereignisse erkennen. Dadurch schafft sie es, den erwachsenen Leser ebenfalls einzubeziehen.

Die Handlung selbst ist zunächst ruhig angelegt, erfährt dann im Verlauf des Geschehens eine ansteigende Beschleunigung. Während zu Beginn Staat X als interessantes Schulprojekt, in dem jeder seine Aufgabe hat, startet, geschieht schon an Tag 1 Unvorhergesehenes, das Ursache für folgenreiche Kettenreaktionen ist.

Carolin Wahl gelingt es hervorragend, sich mit den in einem Staat vorherrschenden Gegebenheiten auseinanderzusetzen, den demokratischen Gedanken, aber auch die Herausbildung von dunklen Seiten und diktatorischen Verzerrungen darzustellen, wenn es um Politik, Wahlmanipulation, die Pressefreiheit und deren Einschränkung, die Beeinflussung von Personen und auftretende Willkür geht. Die Autorin vermag es, in zum Teil erschütternder Weise zu vermitteln, wie Menschen agieren und reagieren, wenn sie mit Macht konfrontiert werden.

Vor allem vier Schüler unterschiedlichen Charakters präsentieren in wechselnden Kapiteln ihren Blick auf Staat X:

Adrian, allseits beliebt und angesehen. Tatsächlich aber sehnt er sich nach Anerkennung und echter Zuneigung. Die Schule ist der einzige Ort, an dem er sich nicht so klein fühlt, wo er seine Unsicherheit und Zerrissenheit überspielt und zu einer Person wird, die andere wollen und brauchen.

Melina, liebenswürdig und zurückhaltend, hasst jede Art von Aufmerksamkeit. Sie hat mit ihren inneren Dämonen zu kämpfen, und auf ihrer Haut bilden unsichtbar für die anderen dünne, weiße Narben ein Muster aus Schmerz.

Vincent fühlt sich leer und allein. In seinem Leben nehmen Antriebs- und Perspektivlosigkeit viel Raum ein. Als Polizist in Staat X fühlt er sich binnen kürzester Zeit einer Truppe zugehörig. Da entsteht etwas, an dem er festhalten kann, was er nicht für möglich gehalten hat.

Lara, die Neue, ist der perfekte Sonnenschein. Doch sie weiß, was es heißt, eine Außenseiterin zu sein, weil sie schon so oft die Schule wechselte. Sie muss über ihren eigenen Schatten springen, um zu tun, was mit ihrem Wesen nichts gemein hat. Jenem Wesen, das Zahlen liebt, die Naturwissenschaften, also Dinge schätzt, die logisch und einfach sind und klaren Strukturen folgen.

Daneben lebt Staat X auch von all den weiteren differenziert ausgearbeiteten Schülerpersönlichkeiten, die sich in das stimmige Gesamtkonzept einfügen.

Staat X ist eine Fiktion, beinhaltet allerdings unbestreitbar Parallelen zum realen Zeitgeschehen, regt unweigerlich zum Nachdenken an und ist deshalb nicht nur als (Schul)Lektüre sehr zu empfehlen.