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yellowdog

Bewertungen

Insgesamt 2183 Bewertungen
Bewertung vom 02.02.2022
Hase, Seishu

Tamons Geschichte


gut

Begegnungen

Tamons Geschichte - Roman einer Reise nach Süden ist episodenhaft aufgebaut.
Ich glaube, dass Buch ist deswegen so erfolgreich, weil er sprachlich leicht zugänglich ist und der Hund keine große Persönlichkeit hat. Das erlaubt den Menschen,die ihn begegnen, dasin ihn zu projizieren, was sie brauchen.
Das ist für eine demente Frau die Kindheit, für einen Gangster ist er ein Schutzgott. Tamon hat etwas geisterhaftes.
Aber Tamon hat auch ein Ziel und das liegt im Süden.

Den Roman kennzeichnen die Merkmale einer Fabel.
Es sind die Geschichten der Menschen,die wechselhaft Halt an Tamon finden und ihre schicksalshafte Lebenswendung ihm verdanken.

Bewertung vom 01.02.2022
Prose, Nita

The Maid / Regency Grand Hotel Bd.1 (1 MP3-CD)


ausgezeichnet

Zustand der Perfektion

Für dieses Hörbuch habe ich mich aus 2 Gründen entschieden. Zum einen Anna Thalbach, die eine ganz besondere Sprecherin ist. Zum anderen der Handlungsort Hotel aus Sicht einer eingeweihten. Molly, the Maid ist ein Zimmermädchen mit Fähigkeiten,aber auch Einschränkungen. Diese werden im Buch nicht genau benannt, aber es scheint eine Form von Autismus zu sein. Molly hat daher Schwierigkeiten mit dem sozialen Umfeld und sie versteht keine Ironie, aber sie hat einen hohen moralischen Kompass.

Ein Hotel als Schauplatz ist schon seit Arthur Haileys legendären Roman Hotel reizvoll. Für Molly ist ihr Arbeitsplatz alles. Als sie aber eines Morgens einen Hotelgast tot auffindet, wird sie des Mordes verdächtigt.

Die Sprecherin prägt die Figur mit, gerade weil alles aus Mollys Perspektive geschildert wird. Das führt auch dazu das man als Leser bzw. Zuhörer sofort für Molly eingenommen ist und sie gerne durch das Buch begleitet.

Nita Prose hat ein gutes Debüt vorgelegt.

Bewertung vom 29.01.2022
Reza, Yasmina

Serge


gut

Yasmina Reza ist eine vielbeachtete Theaterautorin, daher sind auch bei ihren Romanen die Figuren das wichtigste. Hier sind es 3 erwachsene Geschwister einer französisch-jüdischen Familie.

Das ungekürzte Hörbuch geht 5 Stunden, 25 Minuten und wird von dem Film-und Theaterschauspieler Peter Jordan gesprochen. Und seine Stimme passt gut zum lakonischen Icherzähler.
Der dialogbetonte Text hat eine Leichtigkeit, aber thematisch auch eine Schwere. Das mündet in eine Reise nach Auschwitz.Mit den Beschreibungen hatte ich so meine Probleme. Es wird eine andauernde Kakophonie von Streitgesprächen zwischen den Geschwistern.

Das Hörbuch hat mir etwas besser gefallen als Rezas früheres Buch Glücklich die Glücklichen.
Aber mehr als 3 von 5 Sterne kann ich nicht geben.

Bewertung vom 29.01.2022
Evaristo, Bernardine

Manifesto. Warum ich niemals aufgebe. Ein inspirierendes Buch über den Lebensweg der ersten Schwarzen Booker-Prize-Gewinnerin und Bestseller-Autorin von »Mädchen, Frau etc.«


ausgezeichnet

Magna Opera der Worte

Manifesto ist ein ausgezeichnet geschriebenes Memoir von Bernadine Evaristo, die seit dem Gewinn des Booker-Awards eine bekannte Schriftstellerin ist. Sie hat das Buch zeitlich strukturiert und es beginnt natürlich mit Kindheit und Jugend. Mit einer englischen Mutter und einem Vater, der aus Nigeria stammt, erlebt sie im England der sechziger Jahre Rassismus. Diese Passagen sind beklemmend zu lesen, weil man (oder viele) das Ausmaß unterschätzen.

Man spürt auf allen Seiten, dass hier eine selbstbewusste, kluge Frau schreibt.
Sie ist auch geprägt von ihren Eltern, die aus der Working class stammen. Besonders mit ihrem cholerischen, strengen Vater setzt sie sich im ersten Abschnitt auseinander. Auch mit dem politischen Engagement ihrer Eltern.
Interessant dann auch, was die Autorin später an Themen erzählt: Beziehungen, Sexualität, Feminismus, Theater.
Dann kommt ein Abschnitt über ihrer Literatur, die Bücher die sie schon geschrieben hat und die meistens sind noch nicht in Deutsch veröffentlicht. Vieles hört sich sehr interessant an und man darf hoffen, dass es noch Übersetzungen geben wird.

Bewertung vom 28.01.2022
Schoch, Julia

Das Vorkommnis / Biographie einer Frau Bd.1


sehr gut

Biographie einer Frau

Es ist schon länger her, seit ich Julia Schoch zuletzt gelesen habe, aber ich glaube Das Vorkommnis ist ihr feinster Roman. Übrigens ein schönes, dünnes Hardcover sogar mit Lesebändchen.

Es ist ein Buch, das sowohl über Familie wie über Literatur einiges mitteilt.

Die überraschende Begegnung mit der ihr unbekannten Halbschwester lässt die Icherzählerin über Jahre nicht los. Erstaunlich, in welchem Ausmaße sie das Vorkommnis bewegt.Sie reflektiert intensiv über die Situation, ohne dass es die Geschichte der Schwester wird.
Ihre Gedankengänge umfassen aber auch ihre Kindheit in der DDR und ihre gesamte Familiengeschichte. Es wird die Biographie einer Frau.

Es ist ein nachdenkliches Buch, dem das gezeichnete Cover einer ernst blickenden Frau gut passt. Dem entgegen steht aber auch eine Spur Ironie, die dem Ganzen das Schwere nimmt.
Die Gedankensprünge der Protagonistin sind nicht immer einfach nachvollziehbar, manches bleibt außerhalb des sagbaren und das macht dann letztlich das Interessante am Buch aus.

Bewertung vom 28.01.2022
Aydemir, Fatma

Dschinns


gut

zeitgenössische Prosa, manchmal schwierig

Dschinns ist eine türkisch-deutsche Familiengeschichte mit eigenwilligem Stil.
Der Vater reiste in die Türkei und starb unerwartet.
Der jugendliche Sohn Ümit reist zusammen mit seinen Geschwistern Peri und Hakan sowie der Mutter in die Türkei.
Es wird viel aus der Gedankenwelt Ümits erzählt und das hebt eine Distanz auf.
Ümit ist in Deutschland aufgewachsen und entsprechend geprägt.
Mit Ümit als tragende Figur tat ich mich schwer. Ich lese ungern über naive, junge Männer. Ümit ist zwar sensibel, aber auch impulsiv.
In den nächste Buchteilen wechselt dann die Perspektive erst zu Sveda, einer weiteren Tochter und dann zu Peri. Deren nachdenkliche Gedankengänge sind schon interessanter.
Dann folgen noch die Kapitel mit Hakan (eher unangenehm) und Emine.

Fatma Aydemir ist die Autorin von Ellbogen. Ein Roman, der einiges an Aufsehen erregte und ich denke, bei Dschinns wird es ähnlich werden.
Ihre Prosa ist scharf und sehr zeitgenössisch. Lange habe ich mich gefragt, was ich mit der Handlung anfangen soll. Es führt mich nirgends hin. Es gibt durchaus Ansätze, aber mit einigen kann ich nicht so viel anfangen. Letztlich war es einfach nicht mein Buch.

Bewertung vom 27.01.2022
Wondratschek, Wolf

Kelly-Briefe


ausgezeichnet

Seit Ullstein die ganzen Bücher von Wolf Wondratschek wieder veröffentlicht, gibt es viel Bemerkenswertes zu entdecken, z.B. diese kraftvollen Kelly-Briefe. Sie zeigen, wie leidenschaftlich Wolf Wondratschek erzählen kann.
Es ist ein Briefwechsel zwischen den Kontinenten Europa (Kelly) und USA (W.), aber im Buch sind nur seine Briefe zu lesen. Kellys Briefe sind zwar abgedruckt, aber nur handgeschrieben und unleserlich dabei.
W. erzählt von seinem Aufenthalt in New York, seinem getriebenen Zustand und seine Zweifel, die in einem mentalen Zusammenbruch münden.
Er schreibt aus einer Psychiatrie, angeblich. Da wird sogar in Frage gestellt, ob nicht etwa er auch Kelly Briefe erfunden hat. Wondratschek schreibt natürlich mit doppeltem Boden!
Dann sind auch noch Geschichten in den langen Briefen enthalten, z.B. die über einen jungen Araber, der Gigolo wird, von einem jungen Mann in Wien, der Schriftsteller werden möchte oder von Tarisio, ein Tanzgeiger in Italien.

Obwohl W. sich in New York befindet, sind seine Gedanken oft in anderen Städten, z.B. Rom und immer wieder Wien.

In diesem Buch ist Wondratscheks spezifischer Ton in starkem Maße vorhanden.
Ein raffinierter Roman, ein kleiner literarischer Leckerbissen.

Bewertung vom 24.01.2022
Persson Winter, Fredrik

Der Gräber


gut

Das Manuskript

Der Gräber hat zwar eine unglaubwürdige Story, aber mich interessierte, dass es im Zusammenhang mit einem Manuskript und einem Verlag steht.
Das verdreckte Manuskript, dass die Verlegerin Annika findet, könnte den angeschlagenen Verlag retten und den Konkurs abwenden.
Dass die Schilderungen des Gräbers nicht nur ein Thriller ist sondern der autobiografische Text eines Serienmördern, konnte sie nicht ahnen.
Der auf dem Manuskript angegebene Autor ist seit 6 Jahren verschollen.
Als Leser fragt man sich sofort nach den Zusammenhängen.
Auch die Abläufe im Verlag konnten mich interessieren.
Diese Elemente waren überzeugender als der Spannungsbogen, der nur gelegentlich überhaupt zu bemerken ist.

Annika hat ein Trauma mit Kellern, da sie als Kind dort ein unangenehmes Erlebnis hatte. Durch das Manuskript kommen Erinnerungen hoch. Es gibt da ein Geheimnis. Zudem wird das Privatleben Annikas mit ihrem Mann Martin viel beschrieben.
Dann, nach Veröffentlichung des Manuskripts, schaltet sich die Polizei ein. Auch die Ermittlerin Cecilia rückt als Figur in den Mittelpunkt.

Was mich nicht überzeugte sind die kurzen Gedanken des „Wesens“ vor den Kapiteln. Die wirken eigentlich lächerlich.

Fazit: Der schwedische Schriftsteller Fredrik Persson Winter hat einen sehr ordentlich Thriller mit Mystery-Elementen geschrieben, der das Genre nicht neu erfindet, aber die Erwartungen erfüllt und für mich wegen der Ausgestaltung der Figuren gut funktionierte.

Bewertung vom 24.01.2022
Weeks, Sarah

Aurora und die Sache mit dem Glück


ausgezeichnet

Soof heißt Liebe

Mit „AURORA und die Sache mit dem Glück“ hat die amerikanische Schriftstellerin Sarah Weeks ein sympathisches Buch über ein besonderes Mädchen geschrieben.Aurora lebt glücklich mit ihren Eltern und dem geliebten Hund Duck. In der Schule ist sie aber aufgrund ihrer Ticks und Eigenheiten mehr oder weniger isoliert.
Dennoch ist Aurora eine richtige Persönlichkeit.
Dann gibt es noch ein Geheimnis um Heidi, die früher bei Auroras Eltern lebte. Ich schätze es, wie die Autorin mit diesem Geheimnis spielt, den Leser ein wenig ahnen lässt, aber die Ungewissheit aufrecht hält.
Zu Heidis Geschichte gibt es ein Vorgängerbuch, dass ich aber nicht gelesen habe.

Dann kommt es zu einem Brand im Haus und Auroras Hund läuft weg.
Aurora ist verzweifelt.
Dann kommt Heidi zu Besuch und es wird sich etwas ändern.

Der Roman ist nicht ohne Pathos, aber mich hat das nicht gestört.

Soof, so der Originaltitel des Buches ist anspruchsvolle Kinderliteratur,wie ich sie schätze.

Bewertung vom 23.01.2022
Calligarich, Gianfranco

Der letzte Sommer in der Stadt


ausgezeichnet

Ein Sommer in Rom

Der Roman stammt von 1973 und zeigt die damalige Zeit daher absolut authentisch. Schauplatz ist Rom und es ist für den orientierungslosen jungen Icherzähler Leo Gazzarra der ideale Ort,an dem er sich herumtreibt. Er vertreibt sich die Zeit am Meer oder in der Stadt mit Freunden und Mädchen, Alkohol, lesen und gelegentlich schreibt er Artikel für eine Zeitschrift.

Mich interessierte schon immer die Filme und Bücher dieser Zeit und Ort. Mich überzeugt auch der kulturelle Hintergrund des Protagonisten und seine Sensibilität.

Übersetzt wurde das Buch aus dem Italienischen von Karin Krieger, die gute Arbeit gemacht hat, soweit ich das beurteilen kann. Jedenfalls wirkt die Sprache zeitgemäß.
Stilistisch finde ich den Roman brillant. Wäre es Paris anstatt Rom,könnte das Buch auch von Patrick Modiano sein.
Doch die Dialoge sind mit ihrem ironischen Tonfall dann doch typisch für Italien.

Gianfranco Calligarich ist eine Entdeckung und weitere Übersetzungen seiner Romane würde ich begrüßen.