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Bellis-Perennis
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Wien

Bewertungen

Insgesamt 1078 Bewertungen
Bewertung vom 12.09.2022
Martin, Michael

Terra


ausgezeichnet

Michael Martin, Geograf und Fotograf hat mit seinem neuen Buch „Terra“ eine Liebeserklärung an unsere Erde verfasst. Gleichzeitig soll dieses Buch auch eine Warnung sein, unseren Planeten nicht weiter zu zerstören - wir haben nur diese eine Erde.

In sechs Kapiteln erfahren wir Wissenswertes über die Erde und dürfen uns an atemberaubend schönen Fotos sattsehen. Die sechs Kapitel sind:

Die Geschichte der Erde
Das System Erde
Die Gesichter der Erde
Das Anthropozän
Die Zukunft der Erde
Die Suche nach der Supererde

Jedes dieser Kapitel ist noch weiter unterteilt, sodass das Buch auch häppchenweise gelesen werden kann.

Die Zeitreise durch die Erdgeschichte mag für den einen oder anderen Leser ob der vielen Fachausdrücke ein wenig anstrengend erscheinen, wird aber durch zahlreiche Grafiken gut erläutert.

In einem opulenten Bildteil widmet sich Autor Michael Martin zehn Regionen der Erde.

Pazifischer Feuerring
Polynesien
Himalaja und Ganges
Anden
Rift Valley
Arktis
Arabische Halbinsel
Sibirien
Mongolische Steppe
Amazonien

Er ist für seine kolossalen Fotos, die er seit kurzem auch mit Hilfe von Drohnen schießt, vom Pazifischen Feuerring über Polynesien, die Anden und das Himalaya-Gebirge bis hin in das Rift Valley gereist. Er ist von einem Extrem ins andere unterwegs, wenn er für seine Aufnahmen von den Eiswüsten der Arktis bis in die Sandwüsten der Arabischen Halbinsel reist bzw. von Sibirien in den Amazonas-Regenwald unterwegs ist. Neben faszinierenden Naturaufnahmen finden sich auch einfühlsame Fotos von dort ansässigen Menschen.

Den Abschluss bildet ein Blick auf die aktuellen und zukünftigen Herausforderungen.

Meine Meinung:

Michael Martin zeigt uns die Schönheit, die Vielfalt und vor allem die Fragilität der Erde in herausragenden Bildern. Das profunde Wissen des Geografen und des leidenschaftlichen Fotografen ergänzen sich hier perfekt.

Dieses hochwertig verarbeitete Werk ist mit Euro 77,00 leider nicht ganz billig, aber seinen Preis wert. Als Geschenk für Liebhaber unserer Erde ist es hervorragend geeignet.

In zahlreichen Vorträgen kann man Michael Martin und seine Bilder auch live sehen. Wenn er nach Wien kommt, werde ich seine Multimedia-Show genießen.

Fazit:

Ein bildgewaltiges Epos und eine Liebeserklärung an unsere Erde. Gerne gebe ich dieser Verneigung vor unserem Planeten 5 Sterne.

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 11.09.2022
Wieser, Gudrun

Jenseits der Mur


ausgezeichnet

Dieser historische Krimi nimmt uns in ein Mädchenpensionat von 1892 in der Nähe der steirischen Stadt Graz mit.

Ein Mädchenpensionat ist schon an sich kein Ort der hellen Freude. Dieses hier wird als Mittelding zwischen einer Kaserne und einem Nonnenkloster von einer besonders strengen Oberlehrerin geführt. Weder Schülerinnen noch Lehrerinnen habe hier etwas zu lachen, wenn der Oberlehrerin die Hand ausrutscht.
Dann wird eine Schülerin ermordet. Man schickt den Gendarmen Wilhelm Koweindl, der etwas schüchtern und mit der gestrengen Oberlehrerin überfordert scheint, die jede Befragung ihrer Schülerinnen konsequent ablehnt. Dabei müsste sie doch Interesse daran haben, den Mörder so schnell wie möglich zu fassen, oder?

Ida Fichte, ein Lehrkraft, die mit ihrer Freundlichkeit und einigen modernen Ansichten zwar bei den Mädchen, aber nicht bei der Oberlehrerin gut ankommen, versucht so gut wie möglich zu helfen. Dann wird ein zweites Mädchen ermordet. Gleich wie beim ersten Mord erdrosselt und mit rosa Bändern post mortem geschmückt.

Die Angst geht um und als die Mädchen von unheimlichen Schritten im Dachgeschoß des Gebäudes berichten, versuchen Wilhelm und Ida diesen auf den Grund zu gehen. Wer versteckt sich da? Und warum verweigert die Oberlehrerin so vehement den Zutritt?

Als dann der Hausmeister beim Umstechen das Tagebuch eines der Opfer und einen Gürtel findet, den Ida als Menstruationsgürtel identifiziert, braucht Wilhelm ihre Unterstützung...

Meine Meinung:

Gudrun Wieser hat hier einen tollen historischen Krimi geschrieben, der sich in einem nicht häufig beschriebenen Umfeld bewegt. Mädchenpensionate sind seit dem „Trotzkopf“ eher etwas für rührselige Backfischgeschichten als Hintergrund für Krimis.

Wilhelm ist ein gewissenhafter Gendarm, hat allerdings Angst um seinen Job, denn er ist farbenblind. So braucht er Idas Unterstützung bei der Jagd nach der Herkunft der rosaroten Satinbänder. Herrlich wie er über das Wort „Menstruationsgürtel“ stolpert. Auch in der heutigen Zeit bekommen manche Männer einen roten Kopf, wenn die Worte „Tampon“ oder „Monatsblutung“ fallen.

Ich habe relativ schnell herausgefunden wer für die Morde verantwortlich ist, doch hat es Spaß gemacht, die Ermittlungen zu beobachten.

Die Einblicke in das Mädchenpensionat sind gut gelungen. (Fast)Am besten haben mir die Quellen am Ende des Buches gefallen. Besonders "Das österr. Gendarmerigesetz von 1850 vor den damals geltenden militärischen Vorschriften" hat mein Interesse geweckt.

Der Schreibstil ist wunderbar! Besonders gut gefällt mir (als Österreicherin), dass österreichische Ausdrücke ihren Eingang in diesen historischen Krimi gefunden haben und nicht gegen deutsche ausgetauscht worden sind. Mit ihrer eleganten Ausdrucksweise hat die Autorin in mir einen großen Fan gewonnen.

Die Charaktere sind sehr gut herausgearbeitet, sowohl die Guten wie die Bösen. Wilhelm hat einen feinen Humor und das Herz am rechten Fleck. Toll finde ich, wie er sich Gedanken um seine Position macht, wenn er vielleicht, eventuell das Fräulein Lehrerin Ida Fichte heiraten könnte. Für Ida wäre das natürlich eine große Veränderung, denn Lehrerinnen mussten damals ja zölibatär leben.

Der Autorin gelingt sehr gut, das Flair des 19. Jahrhundert einzufangen und die Stimmung in der Mädchenschule darzustellen. Ganz unterschwellig wird auch ein bisschen Geschichte vermittelt, wenn Mary Vetersa ganz kurz genannt wird.

Gerne würde ich eine Fortsetzung lesen.

Fazit:

Diesem historischen Krimi, bei dem wenig so ist wie es scheint, gebe ich gerne 5 Sterne.

Bewertung vom 11.09.2022
Jansen, Lina

Fräulein Stinnes und die Reise um die Welt


ausgezeichnet

Dieser historische Roman ist einer emanzipierten Frau gewidmet, die von ihrer Mutter auf Grund ihres Geschlechts stets herabgewürdigt worden ist: Clärenore Stinnes (1901-1990)

Clärenore hat bis zum Tod ihres Vaters 1924 als seine Vertraute im Betrieb mitgearbeitet. Danach wird sie von Mutter und Witwe zu Gunsten ihrer wenig geschäftstüchtigen Brüder aus der Firma verbannt. Nach einigen Jahren als Rennfahrerin, in denen sie ausschließlich gegen Männer antritt und 17 Siege einfährt, beschließt sie 1927, um ihrer Familie zu beweisen, dass auch Frauen mehr können als hübsch zu sein und Kinder zu bekommen, die Welt mit dem Auto zu umrunden.

Gemeinsam mit zwei Mechanikern und dem Fotograf/Filmemacher Carl-Axel Söderström begibt sie sich auf die abenteuerliche Reise. Sie fährt den Adler Standard 6 während die Mechaniker den großen Adler, einen LKW, fahren. Mit dabei ist auch Setter Lord.

Recht bald beginnen die Mechaniker ob des forschen Tempos und der Anordnungen von Clärenore zu maulen. Auch die vom deutschen Außenminister ausgestellten Dokumente helfen auf dem Balkan nicht immer, Bakschisch durchaus. In Moskau ist für den ersten Mechaniker wegen eines Blindarmdurchbruchs Endstation, wenig später steigt auch der zweite aus. Doch aufgeben ist für Fräulein Stinnes keine Option. Zeitweise engagiert sie Begleiter vor Ort, die längste Zeit sind Clärenore und Carl-Axel auf sich alleine gestellt. In den Anden ist beinahe Schluss, denn Carl-Axel erkrankt schwer und sein Überleben ist fraglich.

Mit Verspätung erreichen sie erreichen sie nach mehr als 46.000 km im Juni 1929 Deutschland. Ein Deutschland, das sich während der beiden Jahre verändert hat.

Obwohl sie aller Welt bewiesen hat, was eine Frau zu leisten vermag, ist ihre Mutter nach wie ablehnend Clärenore gegenüber. Die Brüder haben die Firma inzwischen soweit abgewirtschaftet, dass einige Immobilien verkauft werden müssen. Als der Gutshof in Schweden, Clärenores LIeblingsort, verkauft werden soll, verzichtet sie schweren Herzens auf ihr Erbe aus der Firma. Gemeinsam mit ihrem späteren Mann Carl-Axel, der sich von seiner Frau scheiden lässt, bewirtschaftet sie das Gut.

Meine Meinung:


Lina Jansen, hinter dem Namen versteckt sich eine österreichische Autorin, setzt mit dieser Romanbiografie der Clärenore Sinnes ein Denkmal.

Obwohl die Reise durch Söderström filmisch und fotografisch gut dokumentiert ist („Im Auto durch zwei Welten“ (Söderström/Stinnes, 1931)) findet man wenig Literatur über Clärenore Stinnes. Lina Jansen hat sich eng an Stinnes‘ Reisebericht gehalten und sich dennoch ein wenig dichterische Freiheiten genommen. Diese Abweichung sind am Ende des Buches dargestellt.

Aufgefallen ist mir, dass zu Beginn der Reise sehr in Detail gegangen wird, was aber mit Fortdauer etwas nachlässt. Man könnte es mathematisch so ausdrücken: Der Detailreichtum des Reiseberichtes nimmt mit dem Quadrat der Entfernung von Deutschland ab. Ich werde mir das Originalreisejournal besorgen, da ich vermute, dass es dort ähnlich zu lesen sein wird. Die Beschreibung von Land und Leuten wird zu Gunsten des Überlebenskampfes zurückstehen müssen.

Geschickt hat Clärenore Stinnes ihre Reise um die Welt vermarktet. Bei fast jeder Ankunft gibt es Fototermine und Einladungen zu schicken Abendessen. Dabei werden Produkte „Made in Germany“ gut präsentiert.

Das Buch ist als Hardcover erschienen und ist hochwertig verarbeitet. Auf den Vorsatzseiten ist die Reiseroute abgebildet. Hier sieht man, dass Fräulein Stinnes nicht die ganze Welt bereist hat, denn Afrika und Australien hat sie ausgelassen. Australien wegen der Entfernung und (Nord)Afrika wegen der geopolitischen Lage.

Der Schreibstil ist locker und flüssig. Man kann förmlich Motoröl riechen und den Sand unter den Rädern knirschen und die Mechaniker maulen hören.

Fazit:

Gerne gebe ich dieser gelungenen Hommage an eine wagemutige Frau 5 Sterne.

Bewertung vom 11.09.2022
Jean, Michel

Maikan


ausgezeichnet

Dieser erschütternde Roman beschäftigt sich mit dem Genozid der Weißen an den Inuit Kanadas. Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts wurden rund 150.000 autochthone Kinder ihren Familien entrissen und in 139 Internatsschulen verbracht, um „den Indianer in ihnen zu töten“ und sie damit zu „zivilisieren“.

Dieser Roman erzählt die brutale Geschichte von drei jungen Innu, Marie, Virginie und Charles, die im August 1936 zwangsweise in das Internat Fort George gebracht wurden, rund 1.000 km von ihren Familien entfernt.

Die junge Anwältin Audrey Duval, die für zahlreiche betroffene Innu pro bono Entschädigungen des Staates erstritten hat, entdeckt dass die Namen der drei Kinder spurlos in der Geschichte Kanadas verschwunden sind. Vom Ehrgeiz gepackt, beginnt sie zu recherchieren und entdeckt in einer alkoholkranken Frau eines des beiden verschwundenen Mädchen. In zahlreichen Rückblenden erfährt Audrey das ganze Ausmaß der Tragödie...

“...es ist meine Aufgabe als Anwältin, denen Gerechtigkeit zu verschaffen, die ein Anrecht darauf haben. Und diese Männer werden wir verhaften und verurteilen lassen, unabhängig von ihrem Alter. Aber dafür muss ich noch eine Sache wissen. Was ist mit Virginie passiert?“ (S. 186)

Meine Meinung:

Obwohl ich schon zahlreiche Bücher zu Völkermorden (Shoa, Armenien, Ukraine etc.) gelesen habe, hat mich dieser Roman von Autor Michel Jean tief erschüttert.

Dieser Roman ist bereits 2013 unter dem Titel „Le vent en parle encore“ (auf deutsch „Der Wind spricht noch davon“) erschienen. Als 2021 und Anfang 2022 die Überreste von rund 1.000 indigenen Kindern in Massengräbern nahe der Umerziehungsanstalten gefunden worden sind, hat sich der Wieser Verlag zu einer aktualisierten Neuauflage entschlossen.

Der Titel „Maikan“ bedeutet Wölfe in der Sprache der Inuit, was sehr gut zum Inhalt des Buches passt. Denn die quasi als Gefangene gehaltenen Kinder im Alter zwischen 6 und 16 Jahren sehen ihre „Erzieher“, hauptsächlich katholische Geistliche und Nonnen als Wölfe, die sie belauern und beim kleinsten Anzeichen von Schwäche erbarmungslos zuschlagen. Die Kinder dürfen ihre eigene Sprache nicht mehr verwenden, müssen hungern, werden geschlagen und sind sexuellem Missbrauch ausgesetzt.

Von den 150.000 verschleppten Kindern sind mehr als 4.000 an Unterernährung, Seuchen und den erlittenen Misshandlungen während ihres Aufenthaltes in einer dieser Anstalten gestorben. Rund 80.000 der ehemaligen Zöglinge leben noch. Ihnen ist dieses Buch gewidmet, einige Familienmitglieder des Autors haben das Internat Fort George er- und überlebt. Eine sehr junge Cousine seiner Mutter ist dort unter ungeklärten Umständen gestorben.

Fazit:

Diesem erschütternden Dokument über die fanatische und systematische Ausrottung der First People in Kanada gebe ich 5 Sterne und eine absolute Leseempfehlung, auch wenn das Buch sehr schwere Kost ist.

Bewertung vom 08.09.2022
Thiele, Markus

Die sieben Schalen des Zorns


ausgezeichnet

In diesem Roman beschäftigt Autor Markus Thiele mit einem Thema das wohl jeden irgendwie bewegt: Sterbehilfe.

Dr. Max Keller, ein gewissenhafter Arzt, dem die Patienten sehr wichtig sind, hat einst seiner Tante das Ehrenwort gegeben, auf Verlangen, ihr Leben zu beenden. Als der Zeitpunkt gekommen ist, dieses Versprechen einzulösen, plagen Max Gewissensbisse, doch er erfüllt ihr den Wunsch. Als bekannt wird, dass Max der Alleinerbe ist, wird er des Mordes angeklagt. Ausgerechnet sein Freund Jonas, von dem er eigentlich juristische Unterstützung erwartet, ist als Staatsanwalt auf der Seite der Anklage.

Wird Jonas Max helfen? Zumal die beiden Freunde ein Geheimnis teilen um Jonas‘ Vergangenheit teilen...

Meine Meinung:

Das Buch ist beeindruckend und nicht nur mit großer Sach- und Fachkenntnis sondern auch mit großer Empathie geschrieben.

In zahlreichen Rückblenden erfahren wir einiges aus den Leben der Hauptfiguren und in welchen Beziehungsgeflecht sie zueinander stehen.

Das Thema Sterbehilfe ist weder schwarz noch weiß zu betrachten - es gibt hier zahlreiche Zwischentöne, die sehr gut dargestellt sind. So schildert Markus Thiele, der ja selbst Jurist ist, in welche Fallstricke sich Max verstrickt hat. Der Schreibstil ist sachlich und nicht wertend.

Die Charaktere sind gut gezeichnet.

Fazit:

Diesem Buch, das mich beeindruckt hat und noch ein wenig nachhallt, gebe ich gerne 5 Sterne.

Bewertung vom 04.09.2022
Blum, Charlotte

Die Nachricht des Mörders / Fräulein vom Amt Bd.1


ausgezeichnet

Dieser Krimi entführt uns in das Jahr 1922 nach Baden-Baden. Es ist eine Zeit des Umbruchs. Das Kaiserreich perdu, auch wenn es viele nicht wahrhaben wollen wie die Großmutter von Protagonistin Alma Täuber. Die Folgen des Großen Krieges, wie man der Ersten Weltkrieg damals nannte, deutlich spürbar. Die Weimarer Republik ist in großen Nöten, wurden doch mehrere Politiker wie Erzberger und Rathenau ermordet. Das ist das historische Umfeld dieses Buches.

Worum geht’s?

Alma Täuber, Telefonfräulein aus Leidenschaft, hört während ihre Schicht eine extrem unangenehme Stimme von „einem erledigten Auftrag“ und von den „Kollonaden“ erzählen. Diese Gesprächsfetzen bekommen eine Bedeutung als sie am nächsten Tag von einer ermordeten Frau nächst den Kollonaden in der Zeitung liest. Ihr messerscharfer Verstand zählt eins und eins zusammen - sie hat ein Gespräch des Mörders vermittelt.

Ihre Beobachtung wird von der Kriminalpolizei skeptisch aufgenommen. Man will den Fall schnell abschließen, denn die Tote sei ja bloß eine Bordsteinschwalbe. Nur der Kriminalkommissaranwärter Ludwig Schiller schenkt ihr Glauben. Er ist von Alma fasziniert und überschreitet ihretwegen seine Kompetenzen.

Gemeinsam beginnen sie zu ermitteln. Der Mord an der vermeintlichen Prostituierten entpuppt sich als komplexer Fall, der weite Kreise zieht.

Meine Meinung:

Hinter dem Autorinnennamen Charlotte Blum stecken die Autorinnen Dorothea Böhme und Regine Bott. Beide haben unkonventionelle Großmütter, deren Leben die Idee zu diesem Buch lieferten. Regine Botts Großmutter war ein „Fräulein vom Amt“.

Der Krimi lässt sich leicht und locker lesen. Neben der eigentlichen Krimihandlung erfahren wir einiges über das Frauenbild von damals.

Die Charaktere wie Alma, Emmi, Ludwig oder ALmas Cousin sind liebevoll gestaltet. Man kann sich den ernsthaften Ludwig und den Medizinstudenten Walter sehr gut vorstellen.

Alma Täuber, die sich eine winzige Mansardenwohnung mit der Floristin Emmi Wolke teilt, ist eine patente junge Frau. Sie hilft im Telegraphenamt ihren Kolleginnen und muss sich dem „Drachen“ (= der Schichtleiterin) als auch dem „Zerberus“ (=der Vermieterin) gegenüber behaupten. Das macht sie mit Schalk und Chuzpe, bleibt aber bodenständig.

Fazit:

Ein gelungener Auftakt zu einer neuen Reihe, dem ich gerne 5 Sterne gebe.

Bewertung vom 04.09.2022
Brandstätter, Helmut

Heilung für eine verstörte Republik


ausgezeichnet

Journalist und Politiker Helmut Brandstätter hat nach seinem erfolgreichen Buch „Kurz & Kickl“ nun dieses herausgebracht, mit dem er sich vor allem mit dem „System Kurz“ befasst.

„Wir müssen verstehen lernen, wie sehr das Vertrauen der Menschen in Österreich missbraucht wurde, und vor allem: Wie es dazu kommen konnte, dass sich so viele so lange täuschen ließen.“

Millionen Menschen haben sich, schon Jahre vor Kurz, enttäuscht von der (damals) aktuellen Politik von einem „Heilsbringer“ täuschen lassen. Diesmal wurde der faule Zauber recht bald enttarnt. Doch um welchen Preis? Wobei hier nur die Verschwendung von Steuergeld gemeint ist, sondern auch der Schaden an der Beschädigung der Demokratie und den Menschen kaum bezifferbar ist.

Dazu wagt Helmut Brandstätter einen Blick zurück in die politische Geschichte Österreichs. Natürlich spielen seine persönlichen Erlebnisse und Eindrücke eine Rolle. Denn Show-Politik bereitet das Land auf kommende Krisen nicht vor und die viel beschworene Neutralität allein garantiert keine Sicherheit.

Wie kann man nun solchen Demagogen - Kurz war ja nicht der erste - begegnen? In zehn Kapiteln stellt Brandstätter mögliche Auswege vor.

„Die Suche nach dem Ausgleich in der Gesellschaft“
„Die Stärkung der staatlichen Institutionen"
„Ein Parlamentarismus, den alle ernst nehmen"
„Die Justiz darf wieder in Ruhe arbeiten"
„Die Medien werden als unabhängige Kontrollinstanz akzeptiert"
„Politik wird ein Beruf mit Ideen und Verantwortung";
„Freiheit und Eigenverantwortung sind zentrale Werte der Demokratie“
„Wir finden den Ausgleich zwischen Jung und Alt“
„Österreich bekennt sich zu einer Sicherheitsstrategie“
„Verteilung und Teilhabe - die großen Fragen des Zusammenlebens“

Bei einigen Vorschläge ist man als gelernter Österreicher geneigt zu sagen: Jo, eh klar.

Eine verunsicherte Gesellschaft wird wieder nach Heilung suchen. Österreich ist ja bekanntlich nicht zum ersten Mal auf einen großen Blender hereingefallen. Was es nun braucht sind Orientierung und Stabilität, dass die Herausforderungen der Zukunft gemeistert werden können. Persönliche Abhängigkeiten, die mit Korruption und der Zerstörung staatlicher Institutionen einher gehen, sind absolut fehl am Platz. Weg damit! Nur dann kann eine Heilung - vielleicht auch auf Raten - gelingen.

Fazit:

Gerne gebe ich diese Analyse 5 Sterne.

Bewertung vom 03.09.2022
Michel, Gerlinde

Die Toten von Cork


ausgezeichnet

Kriminalkommissar Markus Felchlin macht mit seinen Kindern und seiner allein erziehenden Kollegin Urlaub im Süden Irlands. Es scheint, als wären die Urlauber in dem alten Cottage nicht erwünscht. Eine verstopfte Toilette, Drohungen und ein blutigen Schafskopf trüben den auf der grünen Insel.

Dann taucht ein verwahrlost wirkendes Mädchen namens Deirdre auf, die niemandem abzugehen scheint, aber einen Bärenhunger hat. Als die Urlauber das Mädchen wenig später mit ihrer Mutter bei einem Supermarkt entdecken, folgt Markus heimlich dem Auto.

Das sind jedoch nicht die einzigen seltsamen Beobachtungen, die bei Markus die Alarmglocken schrillen lassen.

Einmal Polizist, immer Polizist - getreu diesem Motto meldet Markus die Vorfälle bei der Garda, wo man ihn vorerst abwimmelt.

Meine Meinung:

Dieser Krimi ist mein erster von der Schweizer Autorin Gerlinde Michel. Sie packt in diesem fesselnden Krimi gleich mehrere heiße Eisen an, über die ich jetzt nicht schreiben werde (Spoilergefahr).

Ein kleines bisschen stört mich, dass Markus‘ Kollegin zur Statistin degradiert ist und fast gar nichts zu den Ermittlungen beitragen darf. Da wurde Potenzial verschenkt.

Der Schreibstil gefällt mir sehr gut, ist er doch im Präsens gehalten und besticht durch kurze schnörkellose Sätze. Die Leser können daher die Ereignisse quasi „live“ miterleben.

Ein interessantes Stilmittel ist auch, dass Markus Felchlin fast durchgehend nur mit seinem Nachnamen genannt wird. Will sie hier den Urlauber Markus vom Kommissar trennen? Jedenfalls, geschickt gemacht.

Fazit:

Ein gelungener Krimi, der nur wenig Urlaubsidylle aufkommen lässt. Gerne gebe ich hier 5 Sterne.

Bewertung vom 03.09.2022
Seligmann, Rafael

Rafi, Judenbub


sehr gut

Das ist der dritte Teil der Familien-Saga von Rafael Seligmanns eigener Familie.

Worum geht`s?

Hannah und Ludwig Seligmann kehren gemeinsam mit ihren 10-jährigen Sohn Rafael 1957 aus Israel in Ludwigs Heimatstadt zurück. Der Grund: Ludwig ist als Geschäftsmann in Israel gescheitert und kann von seiner Familie nichts mehr erwarten. Die Rückkehr ist vor allem für Hannah, deren gesamte Verwandtschaft in der Shoa ermordet wurde, ein Albtraum. Ihr Hass und ihre Wut vergiften den Sohn, der anfangs neugierig das Land der Vorväter betritt. Natürlich ist der Antisemitismus mit dem Ende der Nazi-Diktatur nicht verschwunden, zumal sich zahlreiche Personen wieder auf den selben Positionen befinden.

Ludwig findet bei einem jüdischen Textilbetrieb Arbeit, wird dort augenscheinlich ausgenützt und kann es Hannah nicht recht machen. Sie mäkelt lautstark an allem und jeden herum. Allerdings ist sie die bessere Verhandlerin. So schindet sie ein besseres Gehalt für Ludwig heraus und ficht auch manchen Strauß für ihren Sohn aus.

Meine Meinung:

Um mir eine umfassendes Bild von dieser schwer traumatisierten Familie bilden zu können, werde ich noch die beiden Vorgänger „Lauf, Ludwig, Lauf“ und „Hannah und Ludwig“ lesen.

Hannah Seligmann kommt hier nicht wirklich gut weg. Sie hasst Deutschland, häufig ihren Mann, manchmal ihren Sohn und ist mit allem und jedem unzufrieden. Sie wirft Ludwig seine Erfolglosigkeit und Rafael, der in diesem angespannten Umfeld auch leidet, sein Versagen in der Schule vor. Selbst als er das Abitur, spät aber doch schafft und Geschichte studieren will, ist sie nicht zufrieden damit. Doch ihr persönlicher SuperGAU ist, dass sich Rafael in eine Nicht-Jüdin verliebt.

Psychologische Hilfe lehnt sie kategorisch ab, der Rückkehrgeld nimmt sie dann schon. Auffallend ist, dass sie in ähnliche Stereotypen verfällt, die sie den Deutschen vorhält und unterstellt.

Es sieht so aus, als ob Hannah sich und Ludwig sowie seiner Familie es nicht verzeihen kann, die Shoa überlebt zu haben.

Fazit:

Ein schönes Stück Zeitgeschichte aus einer Zeit als das Unrechtsbewusstsein in Deutschland kaum vorhanden war. Gerne gebe ich hier 4 Sterne.

Bewertung vom 30.08.2022
Bowen, Rhys

Je süßer der Mord Ein unterhaltsamer Wales-Krimi mit skurrilen Figuren (eBook, ePUB)


sehr gut

Ein Feuerteufel treibt sich im kleinen walisischen Dorf Llanfair herum. Zuerst fallen ihm das Cottage eines englischen Ehepaars zum Opfer und kurz darauf das französische Restaurant „Chez Yvette“. Allein, dass das Restaurant in der ehemaligen Kapelle untergebracht ist, sorgt für Aufregung. Als man dann noch eine verkohlte Leiche in den Trümmern findet, steht die attraktive Besitzerin im Fokus der Ermittlungen. Aber warum sollte sie ihren neuen Lebensmittelpunkt in Flammen aufgehen lassen?

Die Einwohner Llanfairs sind ja bekanntlich eine verschworene Gemeinschaft, die gerne alles Fremde weit weg weiß. Doch greift man wirklich zu solchen drastischen Methoden? Evan Evans, der wackere Dorfpolizist mit dem Riecher für spezielle Fälle, hat einiges aufzulösen.

Meine Meinung:

Auch in seinem vierten Fall kann Constable Evan Evans seinen guten Riecher für außergewöhnliche Zusammenhänge beweisen. Gemeinsam mit Detective Watkins gehen sie allerlei Spuren nach, die sie nach Südengland und auch noch auf den Kontinent, genauer gesagt nach Paris führen. Eine kleine Weltreise für die beiden Ermittler, die es für gewöhnlich vorziehen, ihre Welt in Wales nicht zu verlassen.
Nach wie vor hat „Gesetz-Evans“, wie in die Einheimischen, zur Unterscheidung von diversen anderen Trägern dieses Familiennamens, nennen, so seine Probleme mit den Frauen. Eigentlich passt ja Bronwen sehr gut zu ihm. Aber auch die attraktive Witwe Yvette geht ihm einigermaßen forsch an die Wäsche. Apropos Yvette: Hinter der geschäftstüchtigen Fassade scheint sich so manches Geheimnis zu verbergen.

Rhys Bowen legt gekonnt einige falsche Fährten, denen sowohl Evans als auch die Leser folgen. Die Auflösung dauert ein wenig, ist aber grundsätzlich stimmig. Lediglich, dass Evan zu guter Letzt doch ein Auge zudrückt, will für mich nicht in die sonst so gesetzeskonforme Dienstauffassung des Constable passen.

Dass Evans überlegt, erstens die Ausbildung zu Kriminalbeamten einzuschlagen und zweitens das abgebrannte Cottage für sich aufzubauen, lässt auf eine weitere Fortsetzung schließen. Eine eigene Bleibe halte ich für wichtig, damit er (endlich!) den Fängen von Mrs. Williams entkommt und sich nicht länger von ihr gängeln lassen muss. Dafür wird er wohl oder übel ein bisschen seiner eigenen Bequemlichkeit opfern müssen.

Der Schreibstil ist gewohnt flüssig und angenehm zu lesen. Das Wiedersehen mit den teilweise schrulligen Dorfbewohnern hat viel Spaß gemacht.

Fazit:

Ich habe mich auch im 4. Fall für Constable Evan Evans gut unterhalten gefühlt. Gerne gebe ich hier 4 Sterne.