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yellowdog

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Insgesamt 2183 Bewertungen
Bewertung vom 23.02.2022
Colombani, Laëtitia

Das Mädchen mit dem Drachen


sehr gut

Das Mädchen mit dem Drachen, der neue Roman der Autorin von Der Zopf ist wieder ein gutes, unterhaltendes Buch geworden, wobei einige der beschriebenen Stellen betroffen machen.

Laetitia Colombani führt mit ihrem Roman den Leser an der Seite der französischen Lehrerin Lena nach Indien.
Lena erkennt Probleme in der Gesellschaft, z.B. Kinderarbeit, bei der die Kinder nicht in die Schule gehen können.
Daher beschließt sie eine Schule aufzumachen, um den Kindern Chancen zu ermöglichen.
Dabei müssen aber auch die konservativen Eltern überzeugt werden.
Weitere brisante Themen werden Thematisierung: Diskriminierung von Menschen durch Einteilung in Kasten, Misshandlungen von Frauen und arrangierte Ehen von Halbwüchsigen.

Das Buch ist interessant. Kritisieren würde ich nur, dass mit der Protagonistin ein Blick von außen auf das Land geworfen wird. Veränderungen werden von innen dauerhaft möglich sein. In dem Zusammenhang kommt die indische Aktivistin Preeti, mit der Lena sich verbindet, etwas zu kurz.
Laetitia Colombani meidet den Pathos nicht, das könnte kritische Leser stören.

Davon abgesehen, sind die Sympathien der Autorin ganz offensichtlich auf der Seite derer, die etwas zum Besseren bewegen wollen und sich engagieren. Und das ist auch gut so.

Das relativ kurze Hörbuch wird von Cathlen Gawlich gesprochen und sie hat eine angenehme Stimme, die Empathie mit den Figuren vermittelt.

Bewertung vom 23.02.2022
Mafi, Tahereh

Wie ein leuchtender Stern (eBook, ePUB)


sehr gut

Ein Welle von Emotionen

Tahereh Mafis Roman Wie ein leuchtender Stern ist ein sehr emotionales Buch, in der sich die Protagonistin, die gleichzeitig auch Icherzählerin ist, permanent in einer Krise befindet. Und dieses Gefühl überträgt sich auch auf den Leser.

Shadi hat es aber als Muslima auch nicht leicht 2003 in den USA, als 9/11 noch sehr im Bewusstsein ist und Muslime in Generalverdacht stehen.
Zudem ist ihr Vater schwer krank, ihr Bruder verunglückt und ihr Verhältnis zur besten Freundin Zahra gestört. Mit deren Bruder Ali verbindet sie eine Freundschaft.

Die Trauer in der Familie ist spürbar und verleiht dem Roman eine Schwere.

Mafis letzter Roman „Wie Du mich siehst“ war sehr beeindruckend.
Der neue Roman hat aber leider von Anfang an etwas hektisches, was den Einstieg beim Lesen nicht leicht macht.
Es ist auch eigentlich tragisch, wenn eine jugendlich so stark von allen Seiten unter Druck steht. Mir fehlt da ein vermittelndes Element. Ali, der sich zwar um sie kümmert, wirkt wie eine Klischeefigur. Das ist schade, den der Roman kommt sonst ohne Klischees aus. Deswegen funktioniert auch die Liebesgeschichte zwischen Shadi und Ali nicht so gut.
Vielleicht hat eine jüngere Leserschaft aber weniger Probleme damit.

Dennoch ist der Roman, der den Originaltitel An Emotion of Great Delight trägt relevant, da er ein wichtiges Thema hat und als muslimische Familiengeschichte in den USA ist das Buch glaubhaft.

Bewertung vom 23.02.2022
Buchanan, Greg

Sechzehn Pferde


sehr gut

Greg Buchanan hat mit Sechzehn Pferde einen packenden Roman geschrieben, der sich durch eine düstere Geschichte und eigenwilligen Hauptfiguren auszeichnet.
Alec Nichols ist Polizist im dem englischen Küstenort Ilmarsh und muss einen in einem ungewöhnlichen Umstand ermitteln.16 Pferdeköpfe wurden aufgefunden.
Dr.Cooper Allen ist Tierforensikerin. Alec und Cooper werden schnell ein gutes Team. Ich finde gerade auch die Dialoge sehr gelungen.

Illmarsh ist ein ehemals floriender Ort, der inzwischen wirtschaftlich heruntergekommen ist und eigentlich nur noch die Landwirtschaft hat. Jetzt ist auch diese in Gefahr.

Für mich ist das Buch eigentlich kein herkömmlicher Krimi sondern mehr ein Porträt der Gegend mit interessanten Figuren.

Bewertung vom 23.02.2022
Hacker, Katharina

Die Gäste


ausgezeichnet

Das Café

Die Gäste von Katharina Hacker in ein ungewöhnlicher Roman mit poetischer Sprache.
Die Icherzählerin Friederike erbt ein Café und übernimmt es tatsächlich, obwohl das in heutigen zeit ein riskantes Unternehmen ist.

Das Buch hat viele Kapitel, viele davon sind sehr kurz und zeigen verschiedenste Eindrücke Friederike über ihr verändertes Leben und den Gästen des Cafés.
Der Phantasie wird Raum gelassen und es gibt offenbar Traumsequenzen.
Dann ist da Robert, mit dem sie eine Beziehung beginnt. Es bleibt die Sehnsucht nach ihrem Sohn Florian, der mit 18 Jahren wegging.

Viele Tiere bevölkern das Buch. Außer dem Hund der Protagonistin auch Ziegen, Vögel, Hasen, Pferde, ein Fuchs sogar Ratten.

Die sprachliche Eleganz vieler Passagen ist beeindruckend und ich bin gespannt, ob Die Gäste ein Kandidat für die Shortlist des deutschen Buchpreises wird. Überraschen würde es mich nicht.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 23.02.2022
Crimp, Imogen

Unser wirkliches Leben


sehr gut

Eine schwierige Beziehung

Dieses Buch verwirrt mich, weil ich es schwer finde, es klar einem Genre zuzuordnen. Ein Roman über eine Liebe, bei der eine junge Frau vor einen reichen, arroganten Mann dahinschmilzt erwartet man eigentlich nicht beim Hanser-Verlag. Tatsächlich ist der Roman von Imogen Crimp auch ganz anders. Zum Beispiel ist interessant, dass die Protagonistin Anna Sängerin ist. In Ausbildung zur Opernsängerin arbeitet sie manchmal im Club als Jazzsängerin. Dort trifft sie Max.

Schauplatz der Handlung ist London.Das prägt den Roman mit.

Man ist als Leser ständig dicht an Annas Gedanken und teilt ihre Emotionen und versteht ihre Träume. Sie ist sensibel.
Karriere und Liebe gleichzeitig, geht das?
Das Leben in London ist teuer und der Weg zum Erfolg ist ohne Unterstützung schwierig.
Auch die Freundschaft zu ihrer Mitbewohnerin Lorrie ist Anna wichtig, obwohl sie ziemlich einseitig ist. Auch ihre Beziehung zu den Eltern ist angespannt.

Imogen Crimp schreibt gute Dialoge, die tiefgängig sind, wobei die scharfe Ironie von Max häufig herablassend wirkt.
Da Anna und Max sehr unterschiedlich sind, wird ihre Beziehung nicht einfach, sie wird immer toxischer.
Imogen Crimp scheut ausführliche Beschreibungen nicht, aber überwiegend sind sie interessant genug. Und ihr gelingt es, die psychischen Belastungen einer schwierigen Beziehung deutlich zu zeigen.

Bewertung vom 21.02.2022
Kawaguchi, Toshikazu

Bevor der Kaffee kalt wird / Café Reihe Bd.1


gut

Zeitreisen

„Bevor der Kaffee kalt wird“ spielt in einem magischen Cafe in Tokio
Das Buch besteht aus 4 miteinander lose zusammenhängenden Geschichten.

Der Autor Toshikazu Kawaguchi ist Dramatiker und die Texte haben ihren Ursprung als Theateraufführungen und ein wenig spürt man das auch.

Der Untertitel „Der Blick zurück öffnet den Weg nach vorn“ gibt das Motto vor.
Die Protagonisten der Geschichten reisen für die Dauer eines Kaffees, bis er kalt wird, in die Zeit zurück oder auch vor. Aber sie können die Vergangenheit dabei nicht verändern.es geht nur um Erkenntnisgewinn, der dann das Leben für die Zukunft bereichern kann. Daraus kann sich auch eine Persönlichkeitsentwicklung ergeben. Streckenweise geht das hart an die Grenze zum Kitsch! Davon sollte man sich nicht abschrecken lassen. Man muss sich ein wenig den Geschichten öffnen.
Sprachlich sind die Geschichten einfach gehalten, dafür haben sie aber Atmosphäre.

Bewertung vom 20.02.2022
Klinger, Christian

Ein Giro in Triest


gut

Triest 1914

Ein Giro in Triest ist der Beginn einer Romanreihe um den Triestiner Polizisten Gaetano Lamprecht. Ein ambitioniertes Projekt des Schriftstellers Christian Klinger, der mit „Die Liebenden von der Piazza Oberdan“ schon einmal überzeugend über das historische Triest geschrieben hat.

Es 1914, eine besondere Zeit kurz vor dem ersten Weltkrieg.
Die Hafenstadt ist zerrissen zwischen Italien und dem Habsburger Reich.
Triest ist dann auch wirklich eine Hauptfigur und nicht nur Kulisse.
Aber der Roman lebt auch von dem Protagonisten Lamprecht, der ein Hitzkopf ist und in einem Mordfall ermittelt.
Es macht Spaß, ihn auf seinen Wegen durch die Stadt zu folgen.

Schwächen des Romans: Lamprecht ist als Figur unausgewogen und der Kriminalplot steht dem historischen Beitrag eher im Weg.

Fazit: Es ist eine Mischung aus Kriminalroman und einem historischen Kontext.
Vermutlich wird in den Folgebänden mehr über die Entwicklung Triest zu erfahren sein.

Bewertung vom 20.02.2022
Vida, Vendela

Die Gezeiten gehören uns


ausgezeichnet

Die Stimmung einer Zeit

Vendela Vida beschreibt das Aufwachsen einiger Mädchen zu einem besonderen Ort und einer Zeit: Der Stadtteil Sea Cliff in San Francisco in den Achtziger Jahren. Ihr Stil ist von einer Beschreibungswut durchdrungen. Das macht es manchmal ein wenig anstrengend, aber dann profitiert man als Leser auch von der Vielfalt an Beschreibungen.
Die Icherzählerin ist Eulabee. Sie wirkt in ihrer Haltung und ihrem eigentümlichen Humor manchmal ein wenig exzentrisch. Der schräge Wortwitz macht aber auch eine Qualität des Buches aus.

Eulabee erzählt oft von einem wir, damit meint sie sich und ihre Freundinnen, mit denen sie zusammen in eine Privatschule geht, auf jeden Fall aber ihre beste Freundin Maria Fabiola.
Ein Ereignis trennt sie dann aber und Maria Fabiola verschwindet plötzlich für einige Tage.

Die letzten Passagen des Romans setzen zeitlich viel später im Jahr 2019 an, als sich Eulabee und Maria Fabiola noch einmal wiedersehen. Ein überzeugender Schluss.

Die Gezeiten gehören uns ist ein Coming-of-Age-Roman der eigenwilligen Art und am Ende kann ich sagen, dass mir der Roman und Vendela Vidas Art zu schreiben gefallen haben.

Bewertung vom 19.02.2022
Hermsmeier, Lukas

Uprising


sehr gut

Der linke Veränderungswillen in den Vereinigten Staaten

Uprising ist ein überraschend interessantes Buch, da in den letzten Jahren doch mehr über die amerikanische Rechte und Trump geschrieben wurde.
Lukas Hermsmeier zeigt jedoch eine andere Seite der USA, der er offenbar zukünftige noch mehr Bedeutung zutraut.
Er geht aus von Obama 2008 und die Occupy Wall Street 2011 sowie das Erbe dieser Bewegung.
Er zieht auch Vergleiche zur deutschen politischen Situation.

Besondere Ereignisse werden beleuchtet: Die Ermordung von George Floyd, Ferguseon, Standing Rock, MeToo, Klimabewegungen, Charlottesville.
Black Live Matters wird betrachtet. Bernie Sanders etc.
Trotz des umfassenden Ansatzes zerfasert das Buch nicht sondern stellt immer mehr Zusammenhänge her.
Es zeigt auch, linke Bewegungen in den USA sind vielfältig, aber nicht geschlossen.
Streckenweise ist das Buch wirklich packend.

Bewertung vom 18.02.2022
Brown, Natasha

Zusammenkunft


ausgezeichnet

innerer Monolog

Die Erzählerin dieses kurzen, hochkonzentrierten Roman befindet sich in eine inneren Konflikt.
Die knappe Form, die die Autorin Natasha Brown für ihren erfolgreichen Debütroman wählt führt zur Verdichtung. Die Problematik eines nur vermeintlichen sozialen Aufstiegs als schwarze Frau im Londoner Hochfinanzmilieu wird sichtbar.
Außerdem bekommt die Protagonistin dann auch noch die Diagnose Krebs. Das verbreitet insgesamt schon eine gewisse Hoffnungslosigkeit.

Erwähnenswert ist auch, dass der Roman aus dem Englischen von Jackie Thomae übersetzt wurde.
Es ist ein relativ hartes Buch, das ich nicht ohne Beklemmung gelesen habe.
Da die Autorin selbst jahrelang im Londoner Finanzsektor gearbeitet hat, bekommt der Text eine hohe Glaubwürdigkeit.
Es ist kein schmeichelhaftes Porträt eines Landes wie England und es bleibt eine Auswegslosigkeit und Schwermut.