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yellowdog

Bewertungen

Insgesamt 2106 Bewertungen
Bewertung vom 29.09.2021

Bulgariens Herz


gut

Gegenwartslyrik aus Bulgarien ist den meisten deutschen Leser wahrscheinlich wenig bekannt. Daher kennt man auch keinen der Autoren dieser Anthologie.
Hängen bleiben Gedichte z.B. von Kamelia Spassova, Galina Zlateva
Ein paar Gedichte sind sogar auf deutsch geschrieben, z.B. die von Antina Zlatkova oder Darina Schneider

Einige, sogar viele der Autoren wirken auf mich wie Nachwuchslyriker. Oft sind die Gedichte bedächtig und ernst.

Bewertung vom 27.09.2021
Flor, Olga

Morituri


gut

Morituri ist ein gediegenes Buch, erzählt mit einem kühlen Ton.
Es handelt in Österreich und hat politische Anspielungen sowie satirische Untertöne.

Der Architekt Maximillan sucht privat wie beruflich einen Neuanfang.
Er lässt sich daher auf ein verstörendes Experiment ein.

Der Roman hat kurze, schnell wechselnde Kapitel. Durch Namensangaben in den Kapitelüberschriften wird man durch das sprachlich dichte Buch geleitet.
Es ist oft nicht einfach, der Handlung zu folgen. Sang und klanglos geht es dann zu Ende.
Irgendwie bleibt man ratlos, was man dann am Schluss mit dem Buch anfangen soll.

Bewertung vom 27.09.2021
Sinha, Shumona

Das russische Testament


ausgezeichnet

Shumona Sinha ist seit ihrem Roman Erschlagt die Armen eine der aufregendsten Stimmen der französischsprachigen Literatur. Das liegt zum Teil auch an ihrem Background. Sie ist in Kalkutta geboren und Kalkutta spielt auch in diesem Roman eine Rolle, genauso wie Russland.
Da ist Tania, die in Kalkutta aufgewachsen ist und da ist eine 80jährige Frau in Sankt Petersburg. In ihrem Part ist sie Icherzählerin.
Tania hat eine schwere Kindheit, da ihre Mutter sie schlägt. Trost findet sie immer nur in Büchern. Dieser literarische Bezug ist klug eingesetzt und trägt zu Tanias Entwicklung als tragende Figur bei.
Ob und wann diese beiden Figuren aufeinandertreffen sei hier noch nicht verraten.
Die Handlung klingt komplex, ergibt sich beim Lesen aber sehr gut.
Die sprachlichen Qualitäten des Romans sind außerordentlich. Die Autorin vermag es, die Emotionen der Figuren zu vermitteln.

Bewertung vom 26.09.2021
Hargrave, Kiran Millwood

Die Sternenleserin und das Geheimnis der Insel


ausgezeichnet

Das Schickal der Insel Joya

Das Buch ist schon von der Gestaltung ein Schmuckstück: schönes Cover, Karten im Klappcover und im Buch sowie Verzierungen auf jeder Seite.
Auch der Stil, der oft poetisch wird, ist bemerkenswert. Ist ist ähnlich stark und niveauvoll wie in Kiran Millwood Hargrave letztem Buch Der Winter des Bären.

Die Insel und das Meer sind starke Motive, die verwendet werden.
Die Autorin ist auch stark im Worldbuilding und erschafft die geheimnisvolle Insel mit eigener Geschichte und autokratisch geführter Staatsform.
Hier lebt die 13jährige Isabella. Sie ist die sympathische und nachdenkliche Icherzählerin.
Sie ist befreundet mit Lope, der Tochter des Gouverneurs, obwohl es zwischen ihren Familien erhebliche politische Gegnerschaft gibt. Als eine junge Frau tot aufgefunden wird eskaliert die Situation. Lope ist verschwunden und Isabella begleitet als Junge verkleidet die Expedition des Gouverneurs.

Die Sternenleserin und das Geheimnis der Insel ist eine Leseerlebnis!

Bewertung vom 25.09.2021
Ahrens, Henning

Mitgift


gut

Henning Ahrens war mir bisher vor allen als Übersetzer begegnet.
Sein Familien- und Gesellschaftsroman zeigt das Schicksal der Bauernfamilie Leeb über einen langen Zeitraum. Startpunkt ist 1962, aber es geht streckenweise stark in die Vergangenheit. Erstaunlich, wie schnell die Zeiten in diesen Roman wechseln. Doch so ganz erreichte mich das Buch nicht.
Erkennbar sind die Auswirkungen der Kriegszeit, speziell im Landwirtschaftsbereich. Die im Mittelpunkt stehende Figur ist ein Großbauer, der in Kriegsgefangenschaft war, danach aber seine Familie tyrannisierte.
Es gibt einige starke Bilder im Roman, aber die Handlung packte mich kaum.
Erzählerische Schwächen sind unübersehbar.
Meiner Meinung nach gab es schon eindrucksvollere Romane dieser Thematik.

Bewertung vom 25.09.2021
Dath, Dietmar

Gentzen oder: Betrunken aufräumen


gut

Gentzen oder: Betrunken aufräumen ist ein sehr ungewöhnliches Buch, zu dem man schwer Zugang findet. Der Untertitel Kalkülroman irritiert zusätzlich.

Der Mathematiker Gerhard Gentzen ist 1945 gestorben. Seine Leistungen haben viel für die Informatik getan. Mir war er vor diesem Roman nicht bekannt. Die wenigen Passagen im Roman, die ihn als handelnde Figur in seiner Zeit zeigen, sind recht interessant. Es werden aber auch andere Personen ins Spiel gebracht.
Ditemar Dath geht frei assozierend mit der historischen Figur Gentzen um, z.B. wenn der zusammen mit Lady Gaga ins Kino geht.
Dietmar Dath tritt selbst in der Handlung auf. Es geht auch um Frank Schirrmacher. Daher gibt es neben den sehr vielen Diskussionen über Mathematik auch ein wenig um den Literaturbetrieb. Ein unerwartetes Kapitel dreht sich um den Science Fiction-Autor Harlan Ellison.

Das Buch krankt daran, dass es überfrachtet ist und an seiner Überlänge. Es ist sehr speziell. Daher wunderte es mich, dass es für den Deutschen Buchpreis 2021 auf der Longlist stand.

Bewertung vom 25.09.2021
Fritz, Sophia

Steine schmeißen


sehr gut

Der Roman Steine schmeißen erzählt vom Lebensgefühl von Young Adults.
Sprachlich nimmt es Motive von einem Jugendroman und führt es zu einem zeitgenössischen Bild zusammen.
Dabei steht die Gefühlswelt der Icherzählerin Anna im Vordergrund. Sie hat Verluste erlitten, zum Beispiel den Tod des Vaters und das ihr langjähriger Freund Alex sie verlassen hat. Viel ist sie noch mit ihrem schwulen Freund Jede zusammen, den sie ebenfalls noch aus der Schulzeit kennt.
Dann gibt es noch Samir und Marie.
Zentral steht ein Silvestertag und -abend, an dem die Freunde zusammenkommen. Das ergibt auch viele bildhaft getextete Passagen.

Die Autorin Sophie Fritz ist 24 und offensichtlich nahe dran an den Figuren und kann die Emotionen und Selbstzweifel glaubhaft darstellen.
Vom provokanten Titel und irritierenden Cover bis zum Stil ist der Roman ausdrucksstark.

0 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 24.09.2021
Heidenreich, Elke

Hier geht's lang!


sehr gut

In Hier geht’s lang berichtet Elke Heidenreich darüber, welche Bücher sie in den verschiedenen Stadien ihres Lebens gelesen hat. Es geht also nach einer Einleitung mit Kinderbüchern los, z.B. die berühmten Elke-Bücher. Und andere Mädchenbücher.
Schon bald wird es aber hochwertige Literatur wie Die Schatzinsel und Enid Blyton, auch Nesthäkchen und Der Trotzkopf.

Die Cover der alten Bücher sind abgebildet, dadurch wird es ein ansprechendes Buch.
Öfter vergleicht Heidenreich Die Plots der Bücher mit ihren Leben, verleiht dem Buch somit etwas autobiografisches, teilweise erwähnt sie auch Merkmale der Zeit. Das ist aber dezent gemacht. Im Vordergrund bleiben die Bücher.

Spätestens ab Heidenreichs Backfischjahren wird ihre Lektüre hauptsächlich aus Literatur bestehen und hier werden in erster Linie große Autorinnen erwähnt: Francoise Sagan, Colette, Carson McCullers, Ruth Klüger, Christa Wolf und natürlich Virginia Woolf. Es wird auch ausgearbeitet, was davon wichtig wird und warum.
Auch Gedichte spielen eine große Rolle für Elke Heidenreich, zum Beispiel Wisława Szymborska,
Es folgen die Kapitel Die Studentin und Die junge Frau, wo sie merkt, dass sich ihr Lesegeschmack ändert. Und ihre Karriere geht los. Sie schreibt fürs Radio und große Zeitungen. In Die besten Jahre ist schon sehr etabliert. Das zieht sich bis zum Heute.

Es ist ein Buch für Leser, die Elke Heidenreich und die Literatur mögen. Es ist außerdem ein verschenktaugliches Buch, daher kann ich es empfehlen.

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 24.09.2021
Ponthus, Joseph

Am laufenden Band (eBook, ePUB)


sehr gut

Prosa wie ein Gedicht
Dieser autobiografische wie literarische Bericht ist aufgrund von mehreren Aspekten bemerkenswert.
Zum einen zeigt er einen Ablauf in einer Fabrik und was ein Arbeiter dabei empfindet.
Zwar ist der intellektuelle Joseph Ponthus vielleicht nicht gerade der typische Fabrikarbeiter. Andere, die sich nie außerhalb dieser Branche gewesen sind, reflektieren vermutlich anders, aber immerhin. Und dann bereichern seine Reflektionen das Buch über das eigentliche Thema hinaus.
Zum anderen ist der Stil des Buches außergewöhnlich und wirklich faszinierend. Es hat die Form eines Prosagedichtes, bleibt aber durchgängig gut lesbar.
Leider ist der Autor dieses Jahr gestorben, mit nur 42 Jahren an Krebs. Was er ansonsten literarisch noch erschaffen hätte, wäre überaus interessant gewesen.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 23.09.2021
Hoppe, Felicitas

Die Nibelungen


gut

Ein deutscher Stummfilm ist der Untertitel, dabei ist doch Felicitas Hoppes überbordene Erzählstimme. Die bekannten Teile der Sage werden durch die Aufführung des Stoffes im Heute nacherzählt, doch es ist nicht die Handlung sondern Ton und Stimmung, die Hoppe erzeugt.

Dem entgegen steht, dass Siegfried, Brunhild, Hagen und andere aus meiner Sicht kaum zu eigenständigen, lebendigen Figuren werden und nicht wirklich Profil erlangen.
Das Buch stand auf der Longlist des deutschen Buchpreises. Das ist für mich okay, aber auch, dass es für die Short List nicht reichte.