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Benutzername: 
takabayashi
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Berlin
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Vielleser

Bewertungen

Insgesamt 158 Bewertungen
Bewertung vom 01.05.2022
Butter
Yuzuki, Asako

Butter


ausgezeichnet

Ein spannender und genussreicher Selbstfindungstrip in Japan

Dieser Roman scheint die Leserschaft zu spalten: Man liebt ihn oder man hasst ihn!
Mich hat er gleich von Anfang an in seinen Bann gezogen.
Die Journalistin Rika will ein großes Interview mit Manako Kajii - einer angeblichen Serienmörderin - durchführen, deren Gerichtsverfahren demnächst wieder aufgenommen werden soll.
Bei ihren Besuchen im Gefängnis ist sie seltsam fasziniert von dieser Frau und lässt sich auf diverse Experimente ein, die Kajii ihr aufträgt. Dadurch verändern sich ihr Leben und ihre Einstellungen stark, z. B. in Bezug auf das, was ihr im Leben wichtig ist, auf ihre Stellung als Frau in der japanischen Gesellschaft und vieles mehr.
Obwohl es sich schon auch um die Frage dreht, ob Kajii schuldig ist oder nicht, ist das kein Krimi, sondern eher ein gesellschaftskritischer Roman. Man erfährt viel über die japanische Gesellschaft und über die Rolle der Frau in Japan. Diese unterscheidet sich im Grunde nur um Nuancen von der Rolle der Frau in Deutschland. Die Autorin berichtet dies in ausgesprochen amüsanter Weise, sehr humorvoll, nicht mit erhobenem Zeigefinger.
Außerdem geht es sehr viel ums Essen, besonders um die titelgebende Butter, auch um Genuss, Verführung und Erotik Denn Kajii hat ihre Männer mit ihren Kochkünsten verführt und legt großen Wert auf gutes Essen. Rika beginnt, Rezepte nachzukochen und sich auch mehr für das, was sie isst zu interessieren. Vorher hatte sie als vielbeschäftigte Reporterin meist nur Instant Nudeln in sich hineingestopft oder das Essen ganz und gar vergessen, so dass sie mühelos ihre jungenhaft schlanke Figur erhalten konnte. Das ändert sich jetzt, und schon mit ein paar Kilos mehr auf den Hüften hört sie von allen Seiten, dass sie dick geworden sei. Das ist ein weiteres Thema dieses Buches, dass die meisten Menschen, Männer wie Frauen, eine feste Vorstellung davon haben, wie ein weiblicher Körper auszusehen hat.
Es gibt noch eine Reihe anderer Personen in diesem Buch, die Rika wichtig sind und die man als Leser nach und nach auch besser kennenlernt. Alle machen eine Entwicklung durch.
Mich hat dieser Roman begeistert und gefesselt (bis auf kleinere Längen im mittleren Teil), besonders zum Ende hin konnte ich es kaum noch aus der Hand legen. Ich fühlte mich auf literarisch anspruchsvolle Weise bestens unterhalten und kann die Lektüre wärmstens empfehlen - jedenfalls für Menschen die gern essen und kochen und sich für Japan interessieren!

Bewertung vom 01.05.2022
The Maid / Regency Grand Hotel Bd.1
Prose, Nita

The Maid / Regency Grand Hotel Bd.1


gut

Anders als erwartet: kein richtiger Krimi mit einer ungewöhnlichen Protagonistin

Ein Buch, mit dem ich erst nach den ersten 100 Seiten allmählich warm geworden bin. Das Zimmermädchen Molly, 25 Jahre alt, ist eine seltsame Protagonistin, die mir anfänglich ziemlich auf die Nerven ging, bis mir allmählich klar wurde, was hinter ihrem seltsamen Verhalten steckt. Sie scheint relativ milde autistische Symptome aufzuweisen. Ihr fehlen die "Soft Skills" im Umgang mit anderen Menschen, sie nimmt alles wörtlich, ist naiv und leichtgläubig, kann das Mienenspiel ihrer Mitmenschen häufig nicht deuten, versteht Witze nicht, braucht immer ein festes Regelwerk, an das sie sich halten kann, etc. Vor allem hat sie ein schier unerschöpfliches Repertoire von Kalenderweisheiten ihrer verstorbenen Großmutter für jede erdenkliche Gelegenheit auf Lager, die sie auch immer ausspricht und damit ihr Gegenüber häufig irritiert. Sie weiß selbst, dass sie anders ist, als die anderen und merkt häufig, dass man sich über sie lustig macht.
In dem Hotel, in dem sie arbeitet, stößt sie beim Saubermachen auf die Leiche eines Stammgastes und wird in einen Kriminalfall verwickelt und sogar verdächtigt. Um sich von diesem Verdacht reinzuwaschen, muss sie selbst versuchen den Schuldigen zu finden.
Obwohl es schon um diesen Mordfall geht, empfand ich die Krimihandlung doch als eher nebensächlich, denn das eigentliche Thema scheint mir die Entwicklung dieser jungen Frau zu sein, die nach dem Tode ihrer Großmutter große Schwierigkeiten hat, ihr Leben zu meistern. Im Laufe der Mordermittlungen schließt sie neue Freundschaften und lernt es, ein wenig besser unterscheiden zu können, wer ihr Freund und wer ihr Feind ist.
Das wird zwar leicht und locker beschrieben, ist für mich aber nicht eigentlich ein Cosy Krimi, denn es steckt doch ein ziemlich ernstes Thema dahinter. Mir ist die Protagonistin schließlich doch irgendwie ans Herz gewachsen und ich wollte wissen, wie die Geschichte ausgeht. Ich fand das Buch nicht schlecht, auch wenn ich etwas anderes erwarte, wenn mir ein Buch als Cosy angepriesen

Bewertung vom 07.12.2021
Betongold
Weber, Tanja

Betongold


gut

Ein bisschen zu bayerisch und nicht genug Biss
Bei dem Titel "Betongold" und der Erwähnung von Immobiliengeschäften im Klappentext hatte ich so etwas ähnliches erwartet, wie den Kreuzberg Blues von Wolfgang Schorlau, in dem es auch um Entmietung und Immobilien-Haie ging - ein packender, hochaktueller Politkrimi! Bei Tanja Weber geht es etwas behäbiger zu - die Thematik der Bauspekulationen wird zwar auch angesprochen, aber eine größere Rolle spielt die alte Freundschaft zwischen einem Bauunternehmer, "der Schani", einem Frührentner und Ex-Polizisten mit Morbus Bechterew, "der Smokey" und einem verwitweten Kneipenwirt und ehemaligem Weltreisenden, "der Moni".
Der Bauunternehmer mit Dreck am Stecken wird tot aufgefunden und sein alter Freund der Ex-Bulle versucht zu ergründen, was passiert ist, wie es dazu kommen konnte. Und sticht in ein Wespennest ob der zahllosen Verstrickungen der handelnden Personen. Sein Freund Schani war für ihn nicht eindeutig ein Böser, er hatte auch seine guten Seiten, nicht schwarz oder weiß, eher grau ...
Richtig spannend wird es dabei leider nicht, und obwohl ich anfangs noch recht wohlgemut am Lesen war, ging mir der umgangssprachliche Schreibstil immer mehr gegen den Strich, denn alle auftretenden Personen sind immer "der" oder "die" plus Spitzname. Mich konnte dieser sehr bayerische Krimi nicht so recht überzeugen und ich fand den Titel eher etwas irreführend. Wenn jemand einen spannenden Krimi über unsaubere Immobiliengeschäfte lesen möchte, würde ich ihn eher nach Berlin Kreuzberg als nach München Giesing schicken!

Bewertung vom 24.11.2021
Barbara stirbt nicht
Bronsky, Alina

Barbara stirbt nicht


ausgezeichnet

Urkomisch und gleichzeitig todtraurig
Barbara ist seit ca. 50 Jahren die Ehefrau von Herrn Schmidt, Walter Schmidt. Die Geschichte wird größtenteils aus Herrn Schmidts Perspektive geschildert und wir Leser habe teil an seinen Gedankengängen. Als eines Morgens beim Aufwachen nicht der übliche Kaffeeduft durchs Haus schwebt, ist Herr Schmidt irritiert. Ist Barbara tot umgefallen? Nun ja, sie ist umgefallen, aber nicht tot, liegt im Badezimmer und braucht Hilfe beim Aufstehen. Er bringt sie ins Bett und da bleibt sie von nun an. Herr Schmidt - ein Meister im Verleugnen und Verdrängen - nimmt den Ernst der Lage nicht zur Kenntnis und ist der Meinung, wenn Barbara nur genug äße, ginge es ihr bald wieder gut. Nun hat Herr Schmidt bislang im Haushalt noch nie einen Finger gerührt und es wirkt rührend wie er, der nicht einmal weiß, wie man Kaffee kocht, allmählich mit etwas Hilfe von außen kochen lernt. Da wir seinen Gedanken folgen können, erschließt sich allmählich auch die Vorgeschichte der Schmidtschen Ehe.
Alina Bronsky beschreibt diesen Herrn Schmidt mit viel schwarzem Humor und schafft es, dass einem dieser eigentlich sehr unsympathische Protagonist sogar irgendwie ans Herz wächst. Es ist höchst amüsant, sein Verhältnis anderen Menschen gegenüber, seine Gedanken über diese Menschen und sein eingeschränktes Weltbild zu beobachten. Aber irgendwann wird das Amüsement von Mitleid unterwandert. Denn eigentlich ist Herr Schmidt kein schlechter Mensch, sondern nur ein armes Würstchen, gefangen in den Konventionen, die er von seiner Erziehung und seiner Herkunft her mit auf den Weg bekommen hat. Nun fängt er sogar an, durch Barbaras Krankheit bedingt, im letzten Abschnitt seines Lebens ein wenig über sich selbst hinauszuwachsen.
„Kaum jemand kann so böse, so witzig und rasant von eigenwilligen und doch so liebenswerten Charakteren erzählen wie Alina Bronsky“ hieß es im Verlagstext zu Bronskys "Der Zopf meiner Großmutter". Die besagte Großmutter fand ich damals alles andere als liebenswert, aber in Bezug auf Walter Schmidt kann ich dieser Beschreibung zustimmen. Alina Bronsky beherrscht ihr Handwerk meisterhaft und schafft es, mit wenigen Pinselstrichen die von ihr beschriebenen Charaktere auf den Punkt zu bringen. Eine großartige, sehr unterhaltsame Tragikomödie!

Bewertung vom 15.11.2021
Das geheime Leben des Albert Entwistle
Cain, Matt

Das geheime Leben des Albert Entwistle


gut

Wohlfühlroman an der Grenze zum Kitsch
Dieser Roman hat zwiespältige Gefühle in mir ausgelöst. Er wird als "Eine herzerwärmende Feel-Good-Geschichte über einen Postboten mit Sozialphobie" vermarktet. Und natürlich ist es herzerwärmend, wenn ein trauriges Schicksal sich zum Guten wendet. Der Autor schreibt gut, die Geschichte liest sich sehr gefällig, aber es ist zu viel des Guten: die Menschen, die Albert zu diesem Zeitpunkt seines Lebens begegnen, sind einfach zu freundlich, zu herzlich, zu hilfsbereit; Albert selbst ist Mitte 60 und ändert sich plötzlich total, ausgelöst durch den bevorstehenden Renteneintritt und den Tod seiner geliebten Katze. Ich hatte aus dem Verlagstext geschlossen, dass er vielleicht unter einem Asperger-Syndrom leidet. Das ist nicht der Fall, aber auch eine Sozial-Phobie ist eine Krankheit, die nicht so einfach von heute auf morgen verschwindet. Das geht alles viel zu einfach, ein seit 50 Jahren eingeübtes Verhalten legt man nicht so schnell ab.
Nach einem einschneidenden Erlebnis in seiner Jugend (ich will hier nicht spoilern), hat Albert sich mehr und mehr in sich zurückgezogen, lebt nur für seine Arbeit als Postbote, die immer gleiche Routine gibt ihm Halt. Kontakte beschränkt er auf das Nötigste, einzige Gesellschaft ist seine Katze, die aber schon recht alt ist und dann leider stirbt. Albert fällt in ein tiefes Loch und zieht sich dann quasi am eigenen Zopf wieder heraus, das hat mich gefreut und ich habe es einerseits gern gelesen und ihm gegönnt, andererseits aber nie das Gefühl abschütteln können, dass das alles vollkommen unrealistisch ist, ein Märchen. Albert macht eine komplette Kehrtwendung. Ab einem gewissen Zeitpunkt wird dann alles sehr vorhersehbar.
Der Roman wechselt die Zeitebenen, einmal das Hier und Jetzt, einmal Erinnerungen an seine Teenagerzeit, an das Ereignis, das ihn zu dem gemacht hat, der er heute ist.
Fazit: Eine schöne Geschichte, aber mir tropfte da zu viel Zuckerguss aus den Seiten, zu viel Friede, Freude, Eierkuchen. Ein Erbauungsroman sozusagen. Wer sich auf Märchen einlassen kann, dem wird diese durch und durch positive Geschichte gefallen!

Bewertung vom 29.10.2021
Die unhöfliche Tote / Die Fälle Ihrer Majestät Bd.2
Bennett, S J

Die unhöfliche Tote / Die Fälle Ihrer Majestät Bd.2


ausgezeichnet

Die zweite königliche Ermittlung: Macht richtig Spaß!
Wie auch beim ersten Band dieser Reihe ist das Cover dieses Buches um Klassen gelungener als beim englischen Original. Was man vom einfallslosen deutschen Titel allerdings nicht behaupten kann!
Da ich den ersten Band schon sehr genossen hatte, habe ich voller Vorfreude zu lesen angefangen und wurde nicht enttäuscht. Das Buch ist aktuell in Bezug auf politische Entwicklungen, sehr unterhaltsam mit reichlich britischem Humor, spannend und informativ. Und vor allem ist es nicht seicht, was man bei der Thematik ja befürchten könnte. Die Autorin hat offensichtlich gut recherchiert, denn das Leben bei Hofe wirkt sehr authentisch geschildert (soweit man das als Laie beurteilen kann).
Die Geschichte spielt im Jahr 2016 kurz nach dem Brexit-Referendum und kurz vor der Wahl in den USA. Es geht um ein eher wertloses verschwundenes Gemälde aus der Sammlung der Queen, an dem sie aber aus sentimentalen Gründen sehr hängt, um eine bei ihren Kollegen eher unbeliebte Haushälterin, die ermordet aufgefunden wird, Drohbriefe und Mobbing unter den Palastangestellten. Als Rozie - die stellvertretende Privatsekretärin der Queen - in deren Auftrag zu ermitteln beginnt, kommt es zu weiteren Morden und der Entdeckung von langjährigem Diebstahl im großen Stil.
Natürlich darf die Queen nicht offiziell als Ermittllerin in Erscheinung treten. Rozies Erkenntnisse müssen den dafür zuständigen Angestellten "untergejubelt" werden, so dass diese am Ende das Gefühl haben, sie hätten die Verbrechen selbst aufgeklärt. Die Queen selbst kann nicht viel tun, ist aber sehr gut darin, aus Rozies Ergebnissen die richtigen Schlüsse zu ziehen. Es gibt auch reichlich irreführende Spuren, "Red Herrings", aber am Ende ist alles zufriedenstellend gelöst, keine offenen Enden.
Natürlich ist alles Fiktion, aber als Leser hat man das Gefühl, dass sich eine solche Geschichte durchaus so abgespielt haben könnte. Die Queen wirkt sehr sympathisch, man hat häufig an ihren Gedankengängen teil, Prinz Philip, der damals noch am Leben war, lässt auf gewohnt leicht ruppige Art seine zum Teil sehr komischen Bemerkungen los, man erfährt einiges mehr über Rozie und auch die anderen wesentlichen Personen sind gut gezeichnet, der Schreibstil ist sehr gefällig, aber nicht platt. Ich hoffe auf weitere Abenteuer dieses ungewöhnlichen Ermittlerpaares! Klare Leseempfehlung, vor allem für Fans des gepflegten britischen Cosy-Krimis.

Bewertung vom 21.10.2021
Harlem Shuffle
Whitehead, Colson

Harlem Shuffle


sehr gut

Flott geschriebene, atmosphärische New Yorker Gaunergeschichte
Obwohl ich New York nur aus Filmen und Büchern kenne, hatte ich das Gefühl, dass der Autor die Armosphäre im Harlem der Sechziger Jahre sehr authentisch und treffend geschildert hat, sehr lebendig, man hat das Gefühl man sei mittendrin.
Der Protagonist ist der umtriebige Familienvater Ray Carney, ein Möbelhändler, der versucht, seinen Lebensuntehalt auf möglichst ehrliche Weise zu verdienen, aber zwischendurch durchaus auch mal Hehlerware verhökert - schließlich hat er eine Familie zu ernähren. Sein Vater war ein Krimineller, dem er möglichst nicht nacheifern möchte, und auch sein Cousin Freddy ist ein Ganove, der noch nie in seinem Leben gearbeitet hat und Ray, der ihn wie einen Bruder liebt, immer wieder in brenzlige Situationen hineinmanövriert. Whitehead schildert drei Phasen in Rays Leben, 1958, 1961 und 1964. Er hat einen mitreißend lässigen und humorvollen Schreibstil, es gibt atmosphärische Ortsbeschreibungen und viele Nebenfiguren, die meisten davon recht skurrile Charaktere, so dass man sich gut in die damaligen Lebensumstände hineinversetzen kann.
Der Autor schreibt nicht mit erhobenem Zeigefinger, aber natürlich ist der Roman auch sozialkritisch, beschreibt erschreckende Rassendiskriminierung, z.B. dadurch, dass Rays Ehefrau im Reisebüro "Black Star Travel" arbeitet, das seinen schwarzen Kunden "sichere" Reiserouten ausarbeitet mit Empfehlungen für Hotels und Restaurants, in denen sie nicht diskriminiert, angepöbelt oder gar zusammengeschlagen werden. Und man erkennt auch, dass es seit damals leider nur kleine Fortschritte gegeben hat.
Ich weiß gar nicht so recht, welchem Genre man diese Buch zuordnen könnte, vielleicht ist es ein Entwicklungsroman, denn Ray macht in den drei Abschnitten eine ziemliche Entwicklung durch.Es ist aber auch eine Liebeserklärung an Harlem und seine Bewohner. Die Lektüre war manchmal ein wenig anstrengend, hat sich aber gelohnt und ich bin froh, diesen Autor kennengelernt zu haben und werde auch seine früheren Werke lesen. Empfehlenswert für Freunde etwas anspruchsvollerer Literatur.

Bewertung vom 12.10.2021
Rochade
Tötschinger, Reinhard

Rochade


sehr gut

Ist ein Fälscher nur ein Kopist oder selbst ein Künstler?
In seinem Debut-Roman führt uns Tötschinger in die (sehr nahe) Zukunft: ins Jahr 2022, in dem es im Kunsthistorischen Museum von Wien ein missglücktes Bombenattentat auf das sehr kostbare Bild „Die Malkunst“ des Malers Jan Vermeer gegeben hat.
Der Restaurator Clemens Hartmann, Protagonist und Erzähler dieser Geschichte, ein hingebungsvoller Meister seines Fachs und dessen Assistent Hubert bekommen den Auftrag, das Bild zu restaurieren, doch nicht die von ihnen geforderte Zeitspanne von 9 Monaten, nein, sie sollen das Bild innerhalb von 3 Monaten wiederherstellen, damit der amtierende junge Kanzler (unschwer als Anspielung auf Sebastian Kurz zu erkennen) es zu Repräsentationszwecken in seinem Amtssitz aufhängen kann. Außerdem sollen nun auch Museen nach modernen betriebswirtschaftlichen Kriterien geführt werden. Das missfällt den beiden Restauratoren, die sich nur ungern unter Zeitdruck setzen lassen, denn der macht eine gewissenhafte und perfekte Restaurierung unmöglich. Und auch der Künstler Vermeer, von dem Hartmann den Eindruck hat, dass er mit ihm spricht, ist strikt dagegen und will im Museum bleiben, nachdem das Bild im Laufe der Jahre viel herumgekommen ist und sogar Hitler beinahe in die Hände gefallen wäre. Die Geschichte des Bildes wird in kleinen Exkursen durch alte Dokumente dargestellt.
Meister und Schüler wissen sich schließlich keinen anderen Ausweg, als eine Kopie anzufertigen und diese mit dem Original zu vertauschen. Wird das gelingen? Die Dialoge in diesem Roman aus der Kunstwelt sind oft hochkomisch, man bekommt einen guten und verständlichen Einblick in die Kunst des Restaurierens, eine philosophische Abhandlung über die Kunst, darüber ob Kopien Kunst oder Fälschung sind, etc. und manchmal sogar einen regelrechten „Heist“ Krimi - ein interessanter Genre-Mix!
Der Autor behandelt diese vielleicht etwas akademisch wirkenden Themen mit großer Leichtigkeit und auf sehr unterhaltsame Weise. Ich habe diesen Roman mit großem Vergnügen gelesen und kann ihn uneingeschränkt weiterempfehlen.

Bewertung vom 05.10.2021
The Stranger Times Bd.1
McDonnell, C. K.

The Stranger Times Bd.1


sehr gut

Mystery/Fantasy mit britischem Humor
Eine sehr unterhaltsame Lektüre! Obwohl ich eher einen humorvollen Krimi erwartet hatte und kein Freund von Fantasyromanen bin, hat mir dieses Buch doch sehr viel Spaß gemacht. Das Fantasy-Element steht in der ersten Hälfte des Buches eher im Hintergrund. in dem wir nach einem etwas kryptischen Prolog zunächst einmal Hannah auf Jobsuche kennenlernen. Das Zusammentreffen mit der Crew der STRANGER TIMES und ihr Vorstellungsgespräch als stellvertretende Chefredakteurin verlaufen unter höchst seltsamen Umständen. Aber Hannah, die ihr sinnentleertes Leben als gutsituierte Ehefrau eines ständig fremdgehenden Mannes aufgegeben hat, braucht dringend Arbeit und freut sich sogar über diesen Job bei einer fragwürdigen Zeitung mit einem ungehobelten, übellaunigen, versoffenen Chef und einer skurrilen Mitarbeiterschar ...
Der Schreibstil ist gut lesbar und die Geschichte wimmelt von witzigen Situationen, schwarzhumorigen Dialogen und sehr seltsamen, eigentlich unsympathischen, aber doch irgendwie liebenswerten Charakteren. Im Verlauf der zweiten Hälfte kommt dann allmählich immer mehr Spannung auf. Die Mitarbeiter der STRANGER TIMES geben ihre Geschichten über UFO-Sichtungen, Geister und Ähnliches nie als Tatsachen aus, sondern lassen Menschen davon berichten, die derartige Erlebnisse hatten und daran glauben. Doch allmählich wächst bei ihnen der Verdacht, dass an diesen Begegnungen mehr als ein Körnchen Wahrheit ist. Im Buch tauchen zwischendurch auch immer wieder Kostproben von Artikeln aus der Zeitung auf - köstlich!
Wie schon gesagt: Fantasy ist eigentlich nicht so meins, aber diese wilde Mischung aus Britischem Humor, Realität und Fantasy mit Krimi-Touch hat mich sehr gut unterhalten!

Bewertung vom 18.09.2021
Die Teehändlerin / Die Ronnefeldt-Saga Bd.1
Popp, Susanne

Die Teehändlerin / Die Ronnefeldt-Saga Bd.1


sehr gut

Familiengeschichte des Handelshauses Ronnefeldt im Frankfurt des Biedermeier
Friederike Ronnefeldt, die junge Ehefrau des Teehändlers Tobias Ronnefeldt, ist die Hauptfigur dieses Historischen Romans. Diese starke Frauenfigur gibt sich nicht zufrieden mit "Kinder, Küche, Kirche", sie will sich auch stärker in das Teegeschäft ihres Mannes einbringen, speziell als ihr Mann zu einer sehr langen Einkaufs- und Forschungsexpedition nach China aufbricht. Ihr - eigentlich sehr freundlicher und liebenswerter Mann - ist noch zu sehr im Denken seiner Zeit verhaftet, was die Rolle der Frau angeht, woraus sich Konflikte zwischen den Ehepartnern ergeben. Dieses Thema zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte auch in Bezug auf andere Frauen aus Friederikes Umfeld. Außerdem geht es auch um Differenzen zwischen Protestanten und Katholiken, die zur damaligen Zeit noch eine extrem große Rolle spielten und um den vorherrschenden Antisemitismus und die sehr eingeschränkten Bürgerrechte von Juden.
Zuerst fand ich die Lektüre etwas zäh, doch dann bin ich ca. ab der Hälfte doch gut reingekommen und habe das Buch in einem Zug zu Ende gelesen. Die Krisen, die Friederike zu bewältigen hatte, waren spannend, auch wenn der intrigante Prokurist für meine Begriffe etwas zu böse geraten ist, nur schwarz, kein bisschen grau! Das erscheint mir doch etwas konstruiert. Auch sonst gab es für meinen Geschmack etwas viel Drama, zu dick aufgetragen. Die Atmosphäre und die Stimmung der Zeit werden jedoch recht anschaulich geschildert und man erfährt einiges über den Teehandel. Was mir vorher nicht bekannt war: damals galt China als einzige Bezugsquelle für Tee, dass es in Indien sehr guten Tee gibt, wusste man tatsächlich noch nicht!
Ein flüssig geschriebener, gut lesbarer, auf eine weibliche Hauptfigur fokussierter historischer Roman mit echten und fiktiven Personen, der interessante Einblicke in die damalige Gesellschaft liefert. Vor allem aber ein Familiengeschichte. Lesenswert!

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