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Marie aus E.

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Insgesamt 880 Bewertungen
Bewertung vom 02.07.2019
Horsten, Christina;Zeltner, Felix

Stadtnomaden


sehr gut

Christina und Felix sehen es nicht ein, die happige Mieterhöhung, die ihnen ihr Vermieter ungerührt präsentiert, zu zahlen und so haben sie ein Problem: sie brauchen ganz schnell eine Wohnung in New York. Nachdem sich die Suche als sehr schwierig gestaltet, wird die vermeintliche Schnapsidee geboren: man könnte doch innerhalb eines Jahres jeden Monat eine neue Wohnung in einem anderen Viertel ausprobieren.

Zusammen mit der kleinen Emma, ihrer Tochter, setzten sie die Idee tatsächlich in die Tat um. Und während Emma immer nur völlig ungerührt "Neues Hause?" in der neuen Unterkunft fragt und sich ihre mitreisende Spielzeugkiste schnappt, müssen Christina und Felix schon sehr viel mehr Aufwand in die ständigen Umzüge stecken.

Die Einblicke in das andere New York - fernab der üblichen Touristenrouten - waren spannend und informativ. Man kann ganz viele Viertel und ihre Bewohner kennenlernen, denn die beiden veranstalten fast immer auch Nachbarschafts-Dinner, um die Bewohner trotz der kurzen Zeit kennenlernen zu können. Dabei erfährt man auch von den Problemen mit der zunehmenden Gentrifizierung und den Veränderungen in den jeweiligen Vierteln.

Auch der Einblick in das Leben als junge Familie in New York war interessant, beispielsweise das KiTa-Leben (horrende Preise, für uns krasse Eingewöhnungs- und Betreuungszeiten) oder Mahlzeiten (Küchen sind völlig überbewertet). Das war wirklich spannend, hier hätte ich mir noch tiefere Einblicke in das Alltagsleben gewünscht, das kam mir etwas zu kurz.

Insgesamt mal eine ganz andere Sicht auf die Stadt, die niemals schläft. Übrigens auch optisch wunderschön gestaltet mit kleinen Skizzen, Farbfotos und liebevollen Details. Ein Buch, das dazu anregt, die eigene Komfortzone mal zu verlassen.

Bewertung vom 30.06.2019
Walder, Vanessa

Das Leben ist ein Rechenfehler / Die Unausstehlichen & ich Bd.1


ausgezeichnet

Enni ist elf Jahre alt und am Start der Geschichte "ziemlich am #####".
Ja, so ist sie, immer sehr direkt und sie kann fluchen wie eine Große. Weil das aber nicht druckreif ist, wurde es im Buch wie gerade hier auch die Rezension zensiert. Das macht ziemlich viel Spaß, weil man sich immer überlegt, welches Schimpfwort man selbst einsetzen würde. Man kann somit quasi selbst das Schimpfwortlevel bestimmten...

Anhand der Schimpfwortaktion und der Kurzbeschreibung hatte ich ein witziges, flapsiges und spannendes Kinderbuch erwartet. Das habe ich zwar auch bekommen, aber auch ein Buch mit ganz viel Tiefgang. Ich habe mitgebibbert, Daumen gedrückt und des öfteren einen dicken Kloß im Hals gehabt, genauso aber auch ein fettes Grinsen oder ein "oh, wie niedlich".
Schön schnoddrig - so ist Emmi zumindest oberflächlich betrachtet - aber auch unheimlich sensibel und berührend, so ist auch das Buch.
Ich war völlig von den Socken, was für eine Entdeckung sich hinter 269 Buchseiten verbergen kann.

Jetzt aber genug geschwärmt, obwohl: die Illustrationen muss ich auch noch erwähnen, das hübsche Cover setzt sich auch im Buchinneren fort.

Das Buch ist übrigens der erste Teil einer Reihe und in sich nicht komplett abgeschlossen. Es bleiben also einige Punkte offen, die sich erst in den Folgebänden aufklären werden.
Ich persönlich mag lieber in sich abgeschlossene Geschichten und habe "Die Unausstehlichen" mit einem flehenden "Oh nein, bitte jetzt nicht zu Ende sein" zugeklappt, aber dieses Buch war so wunderschön und so spannend, dass ich doch glatt die Wartezeit auf Band 2 in Kauf nehme.

Für alle Punktesammler*innen: Antolin-Punkte gibt es hier auch.
Für mich volle fünf Punkte, es ist ein ######### gutes Buch.

Bewertung vom 27.06.2019
Schreiber, Chantal

Perfekt für dich


ausgezeichnet

Kim hat es nicht leicht, Mathe lief noch nie besonders gut und dann hatte sie noch die glorreiche Idee, sich ganz besonders wenig zu engagieren, damit sie in den Ferien Nachhilfeunterricht bekommt. Natürlich bei ihrem großen Schwarm Danny. Guter Plan? Naja.
Der Plan gingt bezüglich Nachhilfeunterricht auf, aber ihre Mutter hat die langweilige Mila und nicht den supersüßen Danny dafür engagiert.
Und es kommt noch schlimmer...

Das Buch ist herrlich erfrischend und sehr witzig. Kim hat Therapeuten-Eltern, eine immer und ausschließlich Jogginghosen-tragende Omi und einen Hund mit einer Absperr-Flatterband-Phobie. Dann kommen auch noch Klingonen zu Besuch und ach...es passiert ständig etwas und Kims (Gefühls-)Chaos wird von Kapitel zu Kapitel schlimmer. Das ist wirklich lustig zu lesen. Dabei ist es aber nie seicht-blöd, es werden wichtige Themen (Tierschutz, Vertrauen, Freundschaft, Alkohol,...) quasi nebenbei behandelt.
Und obwohl Kim ein echtes Chaos-Mädchen ist, das momentan pubertätsbedingt etwas neben sich steht, ist sie so sympathisch und liebenswert, dass man sich selbst wieder in die verrückte Zeit zurückversetzt fühlt.

Ich liebe das Buch auch für seine vielen tollen Details, seien es die Harry Potter Vorlieben der Charaktere, die whatsapp Kommunikationen, die es auch optisch so schön auflockern, aber auch sehr lustig sind (mein Favorit ist das Schaf...), die Jogginghosen der Oma, die witzigen Sprüche (beispielsweise über die stets aus dem Ei gepellten Golferinnen, die nie den Einzugsbereich von Klimaanlagen verlassen, also "ohne die Kühlkette jeweils länger als ein paar Sekunden zu unterbrechen") ach, einfach ein rundum gelungenes Buch für alle Mädchen ab ca. 10 Jahren.
Empfohlen wird das Buch ab zwölf, ich finde, man kann es auch schon etwas früher lesen, da die erste Liebe in altersangemessener Form behandelt wird (also mit ganz viel Herzklopfen, aber ohne wilde Knutschszenen o. ä.)

Bewertung vom 25.06.2019
Golding, Melanie

Kalte Wasser


sehr gut

Lauren ist gerade Mutter von Zwillingen geworden. Die Geburtsszene ist sehr detailliert beschrieben und es war alles andere als eine Sonnenscheingeburt.
Insofern: Leser*innen mit Kinderwunsch kann ich das Buch nicht wirklich uneingeschränkt empfehlen. Genauso wenig wie jungen Müttern im Wochenbett - m. E. in dieser Zeit keine geeignete Lektüre.

Allerdings begann mit der Geburtsschilderung schon eine eindringliche Beschreibung, die ich mich über das komplette Buch fasziniert hat. Ich habe mich keine Minute beim Lesen gelangweilt, sondern schon fast atemlos immer weiter gelesen.

Der Vater der Kinder ist keine große Hilfe, ganz im Gegenteil, er fährt einfach weiter seinen Egotrip und lässt Lauren völlig allein.
Dann beginnt nämlich ein Horrortrip: in der Klinik will eine verwahrloste Frau eines der Zwillingsbabys austauschen, doch niemand will Lauren glauben.
Nur eine Polizistin steht ihr zur Seite und hört ihr zu.

Das Buch ist genreübergreifend, ein Roman, der Thriller und Mystery-Elemente enthält. Spannend zu lesen und mit einer für mich überraschenden Auflösung, die mich allerdings nicht vollständig überzeugt hat.
Einen Nebenstrang fand ich nämlich überhaupt nicht aufgelöst bzw. einfach nicht nachvollziehbar.

Davon abgesehen hat mir das Buch aber gut gefallen, es war völlig anders, als ich es vom Klappentext vermutet hätte und hat mich auch mit seinen Charakteren, die starke Sympathie und Antipathieträger waren, gefesselt.

Bewertung vom 23.06.2019
Bronsky, Alina

Der Zopf meiner Großmutter


ausgezeichnet

Großmutter Margo und Großvater Tschingis kommen zusammen mit ihrem Enkel Mäxchen als jüdische Kontingentflüchtlinge nach Deutschland.
Großmutter hat eine sehr harte Schale, sie ist eine Helicopter-Großmutter der übelsten Sorte. Ständig macht sie Maxim klein und redet ihm ein, dass er ohnehin nicht lange mehr leben wird und kämpft mit allen Mitteln gegen die Gefahren, die tagtäglich auf ihn lauern. Bakterien in Form von Gummibärchen und Geburtstagstorten beispielsweise, die ihr aber nichts anhaben können, weswegen sie sich dann gerne opfert...
Ihr Umgang mit Maxim ist wirklich fürchterlich, man muss schon eine spezielle Art von Humor mögen, um das Buch nicht schreiend zuzuklappen.
Doch hinter der harten Schale steckt ein weicher Kern und nach und nach wird auch klar, warum Großmutter so reagiert.

Alles wird aus Sicht von Maxim erzählt, der im Buch vom Kind zum Jugendlichen heranwächst und alles mit stoischer Gelassenheit über sich ergehen lässt.

Eine bitterböse, tragische, aber auch sehr witzige Geschichte über den schwierigen Neustart in einem fremden Land mit einer Vergangenheit voller Leid und Verletzungen im Gepäck. Mit Charakteren, die man überwiegend eigentlich lieber nicht persönlich kennenlernen möchte und die das Buch gerade deshalb so lesenswert machen. Ich konnte es gar nicht mehr aus der Hand legen und bin vom Erzählstil der Autorin begeistert.

Bewertung vom 18.06.2019
Löhnig, Inge

Unbarmherzig / Gina Angelucci Bd.2


ausgezeichnet

Gina ist inzwischen Mama einer entzückenden Tochter, Chiara und steigt mit Buchbeginn nach der Elternzeit wieder in ihren Job ein, während ihr Mann nun den zweiten Teil der Elternzeit nimmt.
Die private Seite der jungen Familie nimmt einen nicht unerheblichen Teil des Buches ein und das hat mir hier sehr gut gefallen.
Die Rollenverteilung, die damit einhergehen Probleme („eine Mutter hat bei ihrem Kind zu bleiben“, das Hinterfragen, ob das wirklich eine gute Idee war, weil man vermeintlich oder auch tatsächlich manche Situation besser gemeistert hätte, wenn man statt des Mannes zu Hause geblieben wäre) und nicht zuletzt die kleine süße Chiara, die das Downsyndrom hat und deshalb motorisch etwas hinter ihren Altersgenossen hinterherhinkt und ein bezauberndes, putziges, dickköpfiges Kleinkind ist.
Es hat mir gut gefallen, mal über ein zeitgemäßes Familienbild zu lesen und hat mir auch nicht zu viel Raum eingenommen.

Der eigentlich Cold Case geht siebzig bis achtzig Jahre zurück in die Kriegszeit. Mit Rückblenden in das damalige Dorfleben und in das Zwangsarbeiterlager wird der Fall mit den heutigen Bewohnern verknüpft. Obwohl es ein fiktiver Fall ist, hätte er genauso stattfinden können und die Situation der Zwangsarbeitenden sowie die Entnazifizierung der größten Nazis hat mich schon schwer schlucken lassen. Gleichzeitig fand ich es sehr spannend, wer nun hinter den Morden steckt und vor allem warum.

Interessant fand ich auch Nebensätze wie über den Brutalismus. Zuerst dachte ich, das wäre eine gelungene Erfindung der Autorin, aber den Architekturstil gibt es wirklich.
Oder sehr treffende Beschreibungen wie „die Insektenfrau“.

Alles in allem eine richtig runde Mischung aus Spannung, Historie und Familienleben.

0 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 14.06.2019
Pessl, Marisha

Niemalswelt


sehr gut

Ich habe das Buch gestern im Freibad gelesen und auch wenn es immer viel Kritik über Rezensionen, die auf das Cover eingehen gibt, ich kann es nicht lassen...

Auf dem Cover sind die Regentropfen, die im Buch ständiger Begleiter sind, plastisch erhaben und fühlbar und so echt, dass ich nach dem Verlassen des Wassers auf meinem Handtuch völlig erschrocken bin und dachte, ich hätte das schöne Cover jetzt völlig vollgetropft. Super gemacht, gefällt mir gut.

Nun aber zum Inhalt:
Wie schon auf der Buchrückseite beschreiben, landen die fünf Freunde nach einem Autounfall in einer Zeitschleife, der sie nur entkommen können, wenn sie sich auf einen Überlebenden einigen. Alle anderen müssen sterben. Natürlich wollen sie sich auf diesen Wahnsinn anfangs nicht einlassen.

Mich hat das Buch völlig in seinen Bann gezogen. Es beschreibt eindringlich, wie jede/r der Freunde anders mit der fürchterlichen Situation umgeht und Stück für Stück taucht der Lesende tiefer ein in die Vergangenheit der Jugendlichen.
Eine sehr lesefreundliche große Schrift und eine ebenso angenehmer Zeilenabstand machen das Lesen zudem zu einem Vergnügen.
Es ist zwar ein Jugendbuch, hat mich als erwachsene Leserin aber genauso fasziniert.

Einziger Wermutstropfen: das Ende kam auf einmal so plötzlich und holprig und der Abschluss hat mich nicht überzeugt.

Bewertung vom 09.06.2019
Lansdale, Joe R.

Wilder Winter / Hap & Leonard Bd.1


ausgezeichnet

Hap und Leonard stehen nicht gerade auf der Sonnenseite des Lebens, Hap ist weiß, hetero und hat den Kriegsdienst verweigert und musste dafür ins Gefängnis, Leonard ist Vietnamveteran, schwul und schwarz. Nicht viele Gemeinsamkeiten und trotzdem sind die zwei best buddies. Sie schuften auf Rosenfeldern in Texas und kommen gerade so über die Runden.
Bis eines Tages die schöne Trudy auftaucht, Haps Ex und ihnen ein Angebot macht, dass sie wider besseren Wissens nicht ablehnen...

Der Kriminalfall an sich ist recht vorhersehbar und nicht sonderlich aufregend, bis gegen Ende dann aber der Buchtitel doch noch Gerechtigkeit erfährt, oh ja, ein wahrhaft wilder Winter da in Texas.

Was das Buch aber wirklich brillant macht, ist der genialer Witz. Hap & Leonard sind so schnoddrig und rotzig, es ist eine wahre Freunde ihrer Konversation zu lauschen. Für sprachsensible Gemüter vielleicht etwas deftig, aber absolut passend zu den beiden Charakteren. Einfach köstlich.

Die radikalen Altrevoluzzer und auf der anderen Seite das Aufgeben von Idealen wird ebenfalls schön beschrieben - "Mit der Gefahr zu flirten machte keinen Spaß mehr. Die Leute mussten ihre Kinder zum Fußball fahren und im Elternbeirat mitarbeiten". Durchaus auch gesellschaftskritisch, das schmale Büchlein.

Ich bin jedenfalls schwer begeistert und werde mir umgehend Band 2 der auch optisch sehr hübschen Reihe gönnen.

Bewertung vom 07.06.2019
Cartmel, Andrew

Murder Swing / Vinyl-Detektiv Bd.1


sehr gut

Das Buch ist ein richtiges Gute-Laune-Buch. Es hat einen herrlich schrägen Humor und ist ziemlich abgefahren.
Allerdings würde ich trotz zugrundeliegender Krimi-Handlung jetzt nicht die Kategorie Thriller wählen...

Vordergründig scheint es, dass man Vinyl-Liebhaber und Jazz-Fan sein sollte, damit man Freude an dem Buch hat. Dem ist nicht so, wobei vermutlich die vielen Insider-Anspielungen dann das sogenannte -Tüpfelchen darstellen. Kaffeeliebhaber und Technik-Freaks werden ebenfalls ihre Freude haben.

Wer also Spaß an sehr trockenem Humor, absurden Kommentaren und generell witziger und gar nicht plumper Lektüre hat und sofern die Krimihandlung nicht im Vordergrund stehen muss
-> dann eine unbedingte Leseempfehlung meinerseits.

Bewertung vom 30.05.2019
Whitehead, Colson

Die Nickel Boys


ausgezeichnet

Florida in den 60ern. Hier wächst der junge Elwood bei seiner Großmutter auf, hat beste Schulnoten und bald soll es mit dem College losgehen. Alles scheint bestens...bis er in einem gestohlenem Auto angetroffen wird und unschuldig in eine sogenannte Besserungsanstalt eingewiesen wird.

Hier regiert nur Rassismus und eine nicht vorstellbare Menschenfeindlichkeit. Missbrauch, Gewalt und Korruption sind Bestandteil des Alltags. Und jeder macht mit.

Die Geschichte Elwoods ist zwar fiktiv, die Rahmenhandlung leider nicht, eine "Dozier School for Boys" gab es wirklich.

Whitehead, der Autor, hat zuerst den alltäglichen Rassismus beschrieben, den Elwood und seine Großmutter tagein, tagaus ertragen mussten. Es sind die vielen Details, die die Geschichte noch erschütternder machen. Beispielsweise die geerbten alten Schulbücher, die mit Demütigungen und Beleidigungen der weißen Vorbesitzer an ihre Nachbesitzer versehen wurde. Die vielen Orte, die tabu waren.
Auch das Einflechten des damaligen Zeitgeschehens (Reden Martin Luther Kings beispielsweise) hat zu einem Gesamtbild beigetragen.

Was dann in der sogenannten Besserungsanstalt geschieht, ist beim Lesen nur schwer zu ertragen.

Ein sehr bewegendes, aufwühlendes Buch - große Leseempfehlung.