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mimitatis_buecherkiste
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Krefeld

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Insgesamt 721 Bewertungen
Bewertung vom 13.05.2025
Bekeschus, Mario

Teufelsspring


ausgezeichnet

Die junge Joelle Winter wird ermordet aufgefunden, Kommissar Wim Schneider nimmt zusammen mit seiner Kollegin Rosalie Helmer die Ermittlungen auf. Zufällig stößt Wims frühere Partnerin auf einen Cold Case aus dem Jahr 1993 und findet Parallelen zum aktuellen Fall, die nach Hannover führen.

„Es begann mit »Gaußberg« im Frühling, setzte sich fort mit »Hinter Liebfrauen« im Sommer, zeigte mit »Im Eichtal« Wims düsterste Momente im nebeligen Herbst und bildet nun einen Abschluss mit »Teufelsspring« in einem hartnäckigen Winter.“ (Seite 372)

Beim vorliegenden Buch handelt es sich um den vierten Teil der Reihe mit Kommissar Wim Schneider, die mich seit unglaublichen vier Jahren begleitet. Die Fälle selbst sind hierbei in sich abgeschlossen, aufgrund der immer tiefergehenden Verflechtungen der Personen miteinander möchte ich jedoch dazu raten, die Reihenfolge einzuhalten. Besonders dieser Band bezieht sich auf einige zurückliegende Ereignisse und das Lesen ohne Vorwissen würde dazu führen, dass bestimmte Situationen einfach nicht richtig gedeutet werden können.

Bereits zum vierten Mal durfte ich dem speziellen, aber durchaus liebenswerten Kommissar Wim Schneider über die Schulter schauen, ihm und seinen Kollegen sowie anderen mal mehr, mal weniger sympathischen Figuren dabei zusehen, wie sie Fälle aufklären, Freundschaften schließen oder sich verkrachen, Spuren verfolgen, falsche Wege einschlagen, echte Indizien finden und Erfolge erzielen, indem sie den oder die Täter aufspüren und der gerechten Strafe zuführen. Besonders gefiel mir, dass der Fokus nicht ausschließlich auf Kommissar Wim Schneider lag, sondern permanent ein Wechsel der Perspektive erfolgte, der einen Einblick möglich machte, der weit über die Ermittlungsarbeit hinausging. Dies und der großartige Humor machten die Lektüre zu einem unvergleichlichen Erlebnis.

Wieder einmal bin ich begeistert, wie gut der Autor es geschafft hat, die verschiedenen Erzählstränge so passend miteinander zu verbinden, dass zuletzt alles phantastisch zusammenfand und keine Fragen offen blieben. Einige falsche Fährten und überraschende Wendungen später steuerte die Geschichte auf ein Finale zu, das mich vollständig zufriedenstellte, sogar auf den letzten Seiten kam keine Langeweile auf. Der Abgang mit einem Paukenschlag war typisch für den Protagonisten, ich hoffe sehr, dass nach den vier Jahreszeiten noch ein Nachspiel folgt, schließlich habe ich noch lange nicht genug. Für mich der absolute Höhepunkt der tollen Reihe, die mich wunderbar unterhalten hat.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 10.05.2025
Bilkau, Kristine

Halbinsel


ausgezeichnet

Als Annetts Tochter Linn einen Zusammenbruch erleidet, zieht sie bei ihrer Mutter ein, in das Haus am Wattenmeer, nahe Husum, um sich zu erholen. Aus einer Woche werden zwei, dann mehrere, und als die Monate ins Land ziehen, wird es Zeit, dass beide Frauen darüber nachdenken, wie es weitergeht; mit ihnen, aber ebenso dem Leben allgemein. Dafür müssen auch unliebsame Dinge angesprochen und Barrieren beseitigt werden.

»Inzwischen habe ich begriffen, es grenzt an ein Wunder, wenn man geliebte Menschen um sich hat und sie nicht zu früh verliert. Ein noch größeres Wunder ist es, wenn es einem mehrmals im Leben gelingt, jemanden zu finden, der es gut mit einem meint.« (Seite 50)

Ich klappte das Buch zu und wünschte, ich könnte über den Inhalt sofort mit jemandem diskutieren, so vieles schwirrte mir im Kopf herum. Zu Beginn hatte ich, weil ich altersgemäß eher zu Annett passte, deren Ansichten überwiegend übernommen, im Laufe der Geschichte jedoch zusammen mit ihr als Ich-Erzählerin vieles davon wieder revidiert. Die Überzeugungen der fast fünfundzwanzigjährigen Linn bekamen dadurch zwar nicht automatisch meine Zustimmung, aber sie brachten mich zum Nachdenken und einiges ergab für mich tatsächlich einen anderen Sinn. Kristine Bilkau schaffte es, ihren Figuren Fragen in den Mund zu legen, die mich sogar bei Themen, die mich sonst nicht interessieren, ungeduldig auf Antworten warten ließen. Ob Klima, Naturkatastrophen, wirtschaftliche Probleme, der Tod, Angst vor Unfällen oder zwischenmenschliche Beziehungen, es kam so vieles vor, und eingeflochten in die Erzählung wurden sogar Nebensächlichkeiten wie ein Ziegelstein oder ein Tag am See zu einem wichtigen Ereignis, das sich einfügte und das Buch zu einem besonderen Lesevergnügen machte. Dafür ist der Preis der Leipziger Buchmesse mehr als verdient. Großartig!

10 von 10 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 08.05.2025
Unterlehberg, Mascha

Wenn wir lächeln


ausgezeichnet

Jara und Anto lernen sich auf dem Fußballplatz kennen und daraus entsteht bald eine Freundschaft, in der Anto die mutigere ist und Jara diejenige mit der überbordenden Fantasie. Sie teilen Erfahrungen miteinander sowie Lipgloss und Klamotten. Wenn da nur nicht die Wut wäre, die rauswill und irgendwann auch rausmuss.

»Sie grinst mich an, und alles, was sie davor gesagt hat, hat auf einmal keine Bedeutung mehr. Es ist die Art, wie sie mich ansieht. Als wäre ich insgeheim für sie das Beste auf der ganzen Welt, und in diesem Moment weiß ich, dass es genau so ist, auch wenn sie das nicht so gut zeigen kann.« (Seite 130)

Dieses Buch war wie ein Experiment für mich, denn zu Beginn war es seltsam und befremdlich, der außergewöhnliche Schreibstil sowie die Art und Weise, wie Mascha Unterlehberg ihre Protagonistin auftreten lässt, war gewöhnungsbedürftig und - das gebe ich unumwunden zu - schon ein bisschen eigenwillig. Es überraschte mich also sehr, dass ich nur wenige Kapitel weiter trotzdem vollkommen gebannt der Erzählung von Jara lauschte, sie begleitete auf ihren Wegen, ob mit Anto oder allein. Es wurde lustig, es wurde traurig, es war dramatisch und es gab Gewalt. Was zuletzt geschah, habe ich dennoch nicht kommen sehen, obwohl es genug Anhaltspunkte gab. Wer auf ungewöhnliche Bücher steht, sich auf ausgefallene Geschichten und einen abgefahrenen Erzählstil einlassen mag, dem empfehle ich dieses Werk, das mich restlos begeistert hat, auch wenn ich nicht sicher bin, ob ich alles richtig verstanden habe. Der Weg ist das Ziel, ich will mehr davon!

5 von 5 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 07.05.2025
Ægisdóttir, Eva Björg

Verlassen / Mörderisches Island Bd.4


sehr gut

Die reiche Familie Snæberg kommt in einem Hotel in Westisland zusammen, um den hundertjährigen Geburtstag des verstorbenen Firmengründers zu feiern. Die Familienmitglieder kommen mit dem jeweiligen Partner, den Kindern sowie deren Nachwuchs, das gesamte Hotel wurde zu diesem Zweck angemietet. Bald schon bröckelt das makellose Bild der Familie, erste Streitigkeiten kommen auf, dann verschwindet eine Person und an Verdächtigen mangelt es nicht.

»Und gleich kommen sie alle hierher ins Hotel, und ich werde mit eigenen Augen sehen können, ob sie so perfekt sind, wie sie aussehen. Wahrscheinlich freue ich mich vor allem darauf, bei genauem Hinsehen die vielen kleinen Risse in der scheinbar perfekten Fassade zu sehen. Denn natürlich sind sie nicht perfekt.« (Seite 15)

Beim vorliegenden Buch handelt es sich um den vierten Band der großartigen Island-Krimi-Reihe, der zeitlich allerdings vor den ersten drei Teilen spielt. Man kann diesen Teil also in einer beliebigen Reihenfolge lesen, wozu ich bei den ersten drei Büchern nicht raten würde, um die Beziehungen der Personen zu- und untereinander zu verstehen, außerdem werden in den Folgebänden Dinge zu vergangenen Ereignissen verraten, besonders was die Fälle angeht. Beim neuesten Buch besteht diese Gefahr nicht.

Das Buch begann mit einem tragischen Ereignis, allerdings ließ die Autorin bis kurz vor dem Schluss offen, worum es sich dabei gehandelt hat, wer dabei zu Schaden kam und wie. Dies ermöglichte es mir, bis zur Auflösung mitzuraten, was passiert sein könnte und warum. Dieser Umstand half mir über einige langatmige Passagen hinweg, insgesamt jedoch war die Handlung sehr interessant und hatte viele spannende Momente. Nichts war wie es scheint, viele sprichwörtliche Leichen gab es im Keller und Geheimnisse fast hinter jeder Tür. Ein etwas schwächerer Teil, der mich dennoch voller Vorfreude auf die Fortsetzung warten lässt. Lesenswert!

8 von 8 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 05.05.2025
Barry, Sebastian

Jenseits aller Zeit


sehr gut

Der pensionierte Kriminalbeamte Tom Kettle wird von zwei ehemaligen Kollegen aufgesucht, die ihn zu einem weit in der Vergangenheit zurückliegenden Mordfall befragen wollen. Anfangs ist Tom nicht begeistert, hat er doch die meisten Einzelheiten verdrängt oder zu vergessen versucht. Die Wahrheit aber soll ans Licht.

»Das war für ihn Sinn und Zweck des Ruhestands, des Daseins überhaupt - unbewegt dazusitzen, glücklich und nutzlos zu sein.« (Seite 10)

Das Thema des vorliegenden Buches ist der Missbrauch durch kirchliche Institutionen in Irland, Sebastian Barry holt zusätzlich Tom Kettle hinzu, der durch seine Erinnerungen und Erzählungen aus dem eigenen Leben ein bisschen Leichtigkeit in diese schlimme und schwere Thematik bringt, sein irischer Humor tut das Übrige. Für mich funktionierte dies zu Beginn nur bis zu einem gewissen Grad, denn das Buch ist sehr anspruchsvoll, wobei ich nicht sicher bin, ob dies am Original oder der Übersetzung liegt. Lange Sätze und kaum vorhandene Absätze führten dazu, dass ich mich permanent konzentrieren musste und oft mit dem Finger auf der Zeile geblieben bin. Nach einer Weile gewöhnte ich mich daran und konnte mich ab da voll auf die Geschichte einlassen.

Nach anfänglichen Schwierigkeiten konnte mich das Buch voll in seinen Bann ziehen, die Suche nach der Wahrheit und die Bearbeitung des Falls führten zur Auflösung, bei der ich tatsächlich ganz kurz sprachlos wurde. Insgesamt ein Stück historischer Schande, bei deren Aufarbeitung ich Zeuge geworden bin. Lesenswert!

4 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 02.05.2025
Engman, Pascal;Selåker, Johannes

Wintersonnenwende / Wolf und Berg ermitteln Bd.2


ausgezeichnet

Es ist das Jahr 1994, nach den dramatischen Ereignissen im Sommer geht’s genauso mörderisch weiter. Schüsse fallen, eine Frau flieht nackt durch die Nacht, ein Toter bleibt zurück, und schon sind wir mittendrin. Der traumatisierte Kommissar Tomas Wolf nimmt die Ermittlungen auf, unterstützt wird er von seinem Kollegen Zingo. Währenddessen findet die Journalistin Vera Berg findet Spuren in einem Vermisstenfall, die zu Tomas Wolf führen, und kann nicht widerstehen, ihnen zu folgen. Bald kreuzen sich ihre Wege erneut und eine Zusammenarbeit scheint unerlässlich, als ein weiterer Mord geschieht.

Beim vorliegenden Buch handelt es sich um den zweiten Teil der Reihe mit dem Kommissar Tomas Wolf und der Journalistin Vera Berg. Man könnte die Bücher unabhängig voneinander lesen, was die Fälle angeht, aufgrund der sehr komplexen Verflechtungen der Beteiligten zueinander und der miteinander verknüpften Geschichte rate ich dazu, die richtige Reihenfolge einzuhalten, weil zwar einiges erklärt, letztendlich aber nur am Rande erwähnt wird.

Beim ersten Teil hatte ich einiges zu bemängeln, unter anderem den viel zu langen Vorlauf, bis es endlich losgeht, und dazu den Umstand, dass permanent erklärt wurde, was nicht unklar gewesen ist. Dies war hier überhaupt nicht der Fall, nach einem geheimnisvollen Prolog ging es fast sofort los und so richtig ruhig wurde es dann bis zum Schluss nicht mehr. Die zwei Hauptfiguren, die durch ihre Vergangenheit, aber auch Handlungen, die kürzlich erfolgten, beide ziemlich raffiniert und durchtrieben sind, trugen zur Spannung bei, ich bin sehr neugierig darauf, welche Richtung der sich durch beide Teile ziehende Strang nehmen wird. Die Auflösung war schlüssig, wenn auch thematisch für mich etwas unbefriedigend, weil ich in dieser Zeit aufgewachsen und mit dieser Lösung praktisch permanent konfrontiert worden bin. Aber das ist meckern auf hohem Niveau, denn insgesamt haben die beiden früheren Journalisten einen großartigen Kriminalroman geschrieben, auf dessen Fortsetzung ich ungeduldig warte. Lesenswert!

5 von 5 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 30.04.2025
McFadden, Freida

Die Kollegin - Wer hat sie so sehr gehasst, dass sie sterben musste?


sehr gut

Als Dawn nicht im Büro auftaucht, macht ihre Kollegin Natalie sich Sorgen, schließlich kam Dawn noch nie zu spät zur Arbeit, geschweige denn gar nicht. Ein verstörender Anruf bestätigt ihr schlechtes Gefühl, eine Frau bittet mit zitternder Stimme um Hilfe und klingt dabei wie die Vermisste. Natalie fährt zur Dawns Wohnung und was sie da vorfindet, lässt auf ein Verbrechen schließen.

»Ich weiß nicht wie, aber irgendjemand hat mir etwas angehängt und dabei richtig gute Arbeit geleistet. Mein Leben, wie ich es kannte, ist offiziell vorbei.« (Seite 272)

Vor über zwei Jahren landete die Autorin mit ihrem Buch »Wenn sie wüsste« einen riesigen Erfolg, die Geschichte hatte auch mich damals begeistert. Einige Bücher weiter erschien nun ihr neuestes Werk, nämlich das vorliegende Buch mit dem Titel »Die Kollegin«. Groß war meine Vorfreude, aber ebenso groß, wenn nicht noch ein bisschen größer, die Ernüchterung nach den ersten hundert Seiten. Die erste Hälfte über fragte ich mich, wann es endlich losgeht, suchte vergeblich nach den meisterhaften Twists. Plötzlich aber war er endlich da, der ersehnte Nervenkitzel, und dann ging es Schlag auf Schlag!

Nach einem eher gemächlichen Start, der für meine Begriffe definitiv zu lange gemächlich blieb, entfaltete die Geschichte ihren Charme, die Ereignisse überschlugen sich nicht nur, sie machten förmlich einen Purzelbaum nach dem anderen und das gefühlt ohne Pause, bis das Ende kam. Warum nicht gleich so, dachte ich, und klebte am Buch wie die Fliege am Spinnennetz, legte es nicht mehr aus der Hand. Welch ein Einfallsreichtum, wie perfide und böse und dazu äußerst raffiniert! Ein extra Sternchen gibts nicht und auch ein Highlight wurde nicht daraus, aber insgesamt eine lesenswerte, wendungsreiche und wirklich unerwartete Story, die mich großartig unterhalten hat.

5 von 6 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 28.04.2025
Tyler, Anne

Drei Tage im Juni


ausgezeichnet

Zur Hochzeit der gemeinsamen Tochter Debbie treffen die geschiedenen Eheleute Gail und Max aufeinander und nicht nur das: Weil ihr Ex-Mann mit einer Katze anreist und der Bräutigam allergisch ist, quartiert sich Max für drei Tage bei Gail ein. Ein Problem kurz vor der Hochzeit lässt die kleine Familie zusammenkommen, aber nicht nur da zeigt sich immer wieder, dass die frühere Vertrautheit noch nicht ganz verschwunden ist.

»Man vergisst nämlich, wenn man einige Zeit allein war, dass es sie gibt - diese Gespräche zwischen Eheleuten, die sich mit Unterbrechungen wochenlang hinziehen können, die sich wie eine Häkelarbeit verästeln, Schlaufen legen und alte Gesprächsfäden wieder aufnehmen.« (Seite 190)

Das vorliegende Buch ist mein erstes Werk von Anne Taylor, das ich lesen durfte, und ich bin von der ersten Seite an bereits ein großer Fan der Autorin. Leise und unaufgeregt lässt sie ihre Protagonistin erzählen, lässt sie zurückgehen in der Zeit, sich erinnern, resümieren und Situationen erklären, die sie sich gegenüber ebenfalls in diesem Moment seziert und bewertet. Dabei ergeben sich intime Augenblicke, die ich einem Voyeur gleich mit den Akteuren miterlebe. In einer schönen Sprache legt sie mir ihre Gründe dar, die das Scheitern der Ehe herbeigeführt haben, reflektiert ihr Verhalten und kommt zu einem verblüffenden Ergebnis. Ihr dabei über die Schulter zu schauen, war faszinierend und spannend zugleich, obwohl im Buch gar nicht so viel passiert. Ich bin begeistert und möchte am liebsten sofort ein weiteres Buch der Autorin lesen. Große Leseempfehlung gibt es dafür von mir.

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 24.04.2025
Laestadius, Ann-Helén

Die Zeit im Sommerlicht


gut

In den 1950er Jahren in Schweden muss die erst siebenjährige Sámi Else-Maj ihr Zuhause sowie Familie und Freunde verlassen und wird in ein Nomadeninternat geschickt. Dort wird sie mit anderen Kindern von Rentierhirten unterrichtet, bekommt einen schwedischen Vornamen und darf ihre Muttersprache nicht mehr sprechen. Die furchteinflössende Hausmutter Rita Olsson führt das Internat mit eisernen Hand, Verfehlungen oder andere Ungehorsamkeiten werden strengstens bestraft. Einzig die Erzieherin Anna versucht, die Kinder zu beschützen, verschwindet jedoch eines Tages spurlos. Dreißig Jahre später taucht Anna wieder auf, bringt die Leben ihrer früheren Schützlinge durcheinander, aber auch die Chance auf Heilung der Wunden mit.

Bereits im Jahr 1909 hatte Bischof Olof Bergkvist die Idee zu einer »Lappenschule«, die dazu gegründet wurde, um die samischen Rentierhalter an die schwedische Leitkultur anzupassen. Diese grausame Vorgehensweise wurde fast fünf Jahrzehnte lang praktiziert, Kinder im Alter von sieben Jahren ihren Eltern förmlich entrissen, ihrer Muttersprache beraubt und zur Umerziehung gezwungen. Lange Zeit haben die betroffenen Familien geschwiegen, sich oft geschämt, geschuldet dem Stolz, kein Opfer gewesen zu sein. Die Mutter der Autorin war selbst auf einer Nomadenschule gewesen, dies nahm Ann-Helén Laestadius zum Anlass, darüber ihr zweites Buch für Erwachsene zu schreiben. Vieles habe sie eigener Aussage nach jedoch ausgelassen, weil manche Vorkommnisse schlicht und ergreifend zu grausam gewesen seien, um diese aufzunehmen.

Mehrere Perspektiven bemüht die Autorin, springt zwischen den Zeiten zusätzlich hin und her. Dabei sind die Erlebnisse der Kinder gleich, das Ergebnis jedoch unterschiedlich. Da wäre Marge, die sich ein Kind wünscht, und als das adoptierte Kind endlich da ist, nicht in der Lage ist, sich vernünftig um das kleine Mädchen zu kümmern. Oder Jon-Ante, am liebsten Jonne genannt, der darauf förmlich beleidigt reagiert, wenn man ihn aus Spaß mit dem verächtlichen Begriff „Lappe“ betitelt, und der nicht in der Lage war und ist, eine Beziehung mit einer Frau einzugehen. Da ist aber auch Anne-Risten, die sich Anne nennt und einen Schweden geheiratet hat, die ihre Herkunft gänzlich verleugnet, um anerkannt zu werden und damit fast ihre Identität verliert. Sie, Else-Maj und weitere Erwachsene verbinden ihre Erlebnisse in der Kindheit, gleichzeitig aber geht jeder von ihnen unterschiedlich mit den erlittenen Traumata um.

Der zweite Roman von Ann-Helén Laestadius berührte mich, auch wenn er leider an den großartigen Vorgänger »Das Leuchten der Rentiere« nicht ganz heranreicht. Das Buch ist ruhig, stellenweise zu ruhig, im Leben der beteiligten Menschen passiert einfach nicht viel. Die zurückliegenden Geschehnisse sind grausam, aber auch diese Grausamkeit nutzt sich ein wenig ab, wenn sie sich wiederholt. Die samischen Wörter und Sätze hätte ich mir dabei sofort übersetzt gewünscht, das Glossar hinten zu platzieren, hat meinem Lesefluss eher geschadet als genutzt. Letztlich hielt mich der Umstand bei der Stange, dass es um wahre Schicksale geht und dies erschütterte mich wirklich sehr. Insgesamt ein guter Roman, der durch die nüchterne Sprache ein bisschen an Authentizität einbüßt.

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 22.04.2025
Thiesler, Sabine

Leb wohl, Schwester


ausgezeichnet

In den Hügeln von Toskana verbringt ein frischverliebtes Paar aus Deutschland seinen Urlaub, bis die jungen Menschen eines Nachts von einer unbekannten Person in ihrem Zelt erschossen werden. Commissario Donato Neri, der kurz vor seiner Pensionierung steht, und seine neue Kollegin Romina Roselli stehen vor einem Rätsel, da es keinerlei Spuren und auch kein erkennbares Motiv gibt. Als der Täter kurze Zeit später erneut zuschlägt, kommt Hektik auf, denn anscheinend hat es jemand auf Liebespaare abgesehen, was unschöne Erinnerungen weckt.

Mit »Leb wohl, Schwester« legt Sabine Thiesler einen weiteren Band mit ihrem unvergleichlichen Commissario Neri und seiner Frau Gabriela vor, der für mich persönlich den absoluten Höhepunkt der großartigen Reihe darstellt. Der Titel ist dabei so gut gewählt wie herrlich zweideutig, was ich an dieser Stelle unbedingt beglückwünschen möchte. Obwohl die Person, die die Taten begeht, von vornherein bekannt ist, schafft es die Autorin trotzdem, eine gewisse Spannung aufzubauen, die sich durch das ganze Buch zieht. Hierbei entsteht ein riesiger Nervenkitzel, der zum Ende hin so unerträglich wird, dass ich mehrfach kurz davor war, vorzublättern, um festzustellen, ob die mörderische Person bestraft wird, oder doch noch ein Schlupfloch findet, um ungestraft davonzukommen. Dies habe ich nicht getan und rate, es wie ich auf dem üblichen Wege herauszufinden. Erstklassig und absolut lesenswert!

4 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.