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mimitatis_buecherkiste
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Krefeld

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Insgesamt 693 Bewertungen
Bewertung vom 04.03.2025
Turton, Stuart

Der letzte Mord am Ende der Welt


ausgezeichnet

Dystopisches Meisterwerk

Eine mit den letzten Menschen bewohnte Insel, unter den 122 Überlebenden befindet sich ein Mörder. Den Dorfbewohnern und den verbliebenen Wissenschaftlern bleiben nur wenige Stunden, um den Mörder zu finden, damit die Menschheit überlebt. 107 Stunden bis zum Ende der Welt.

»Überleben war schwer und Sterben war leicht, und viele gaben den Kampf von ganz allein auf. Doch zum Glück für den Fortbestand der Menschheit hinterließen sie Kinder, und diesem Genpool entstammen die heutigen Dorfbewohner.« (Seite 38)

Nach einem - hier zitiere ich den Autor - Und-täglich-grüßt-das-Murmeltier-Krimi sowie einer historischen Gespensterschiff-Geschichte legt Stuart Turton nun einen Sciencefiction-Apokalypse-Roman vor; kann das funktionieren? Es kann und nicht nur das: dieses Buch ist in diesem Genre eines der besten Bücher, die ich in den letzten Jahren, um nicht zu sagen Jahrzehnten, gelesen habe! Der Autor hat hier eine Welt weit in der Zukunft erschaffen, die so phantasievoll und vielfältig gestaltet ist, dass ich immer nur staunen konnte, über wieviel Einfallsreichtum er verfügt. Mein Erstaunen und mein Entzücken möchte ich euch nicht nehmen, deswegen gehe ich nicht näher auf die Einzelheiten dieser Welt ein. Diese zu entdecken, war ein so großartiges und unvergessliches Erlebnis, dass es fast schon ein Frevel wäre, es zukünftigen Leserinnen und Lesern vorzuenthalten.

Insgesamt besticht die Geschichte durch eine ungewöhnliche Erzählweise, großartige Charaktere, viele unerwartete Wendungen sowie einen Kriminalfall, der neben der dystopischen Atmosphäre dazu beigetragen hat, eine hohe Spannungskurve aufzubauen und zum Mitraten zu animieren. Für mich ein Meisterwerk, das förmlich nach einer Verfilmung schreit. Phänomenal!

20 von 21 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 28.02.2025
Lohmann, Eva

Wie du mich ansiehst


ausgezeichnet

Johanna hat vor kurzem ihren Vater verloren, der ihr einen verwilderten Garten hinterlassen hat nebst einer Sorgenfalte im Gesicht. Diese lässt sie sich kosmetisch entfernen und fängt damit an, sich Gedanken über ihr Alter sowie ihr Aussehen zu machen. Es bleibt nicht bei einem Eingriff und schon bald muss Johanna sich erklären; ihrem Mann, aber auch ihrer Tochter gegenüber, der sie immer gepredigt hat, dass wahre Schönheit nichts mit dem Aussehen zu tun hat.

»Sie sind immer noch dieselben, man altert nicht über Nacht, und trotzdem, da ist etwas in den Gesichtern, für das Johanna nur ein einziges Wort einfällt. Wir sind alle erschüttert, denkt sie.« (Seite 49)

Dieses recht schmale Buch hat mich drei Tage lang begleitet, denn jede Seite, jedes Kapitel enthielt so viele tolle Sätze, dass ich mit dem Markieren und auch Verarbeiten nicht mehr hinterher kam. Manche Absätze las ich mehrmals, einfach weil diese so authentisch waren und ich mich in vielen Situationen wiedererkannt habe, vor lauter Zustimmung und dem Nicken tat mir irgendwann fast schon der Kopf weh. Johanna dachte und sprach aus, was sicherlich jede Frau schon mal erlebt hat, sie sezierte und hinterfragte, sie zweifelte und stellte in Frage, was bis dahin doch so selbstverständlich war.

»Sich von einem Arzt helfen zu lassen, weil man krank ist, ist trotzdem etwas anderes, als sich helfen zu lassen, weil man sich nicht schön genug fühlt. Es ist seltsam, denkt Johanna. Alle wünschen sich, schön zu sein - aber niemand will sich bei diesem Wunsch erwischen lassen.« (Seite 72)

Wie bereits mit dem Vorgänger »Das leise Platzen unserer Träume« konnte mich Eva Lohmann auch mit ihrem neuesten Werk begeistern und mitreißen mit dem großartigen Schreibstil und ihrer klugen Art. Worte, die treffen, Sätze, die von einer Beobachtungsgabe zeugen, die ihresgleichen sucht. Ein Buch von einer Frau für und über Frauen, das sicherlich auch den ein oder anderen Mann interessieren wird. Eine Bereicherung im großen Teich der Bücher, eine unterhaltsame Lektüre und ein Highlight für mich!

12 von 12 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 26.02.2025
Würger, Takis

Für Polina


ausgezeichnet

»Wenn sie gewusst hätten, wie kostbar diese letzten Tage der Unschuld waren, hätten sie sie schon nicht mehr ganz so schwerelos genießen können.« (Seite 53)

Hannes Prager liebt Polina und er liebt die Musik. Er komponiert ein Lied für Polina und schenkt ihr diese Melodie. Kurz nach seinem vierzehnten Geburtstag stirbt seine Mutter und damit zieht die Traurigkeit in sein Leben ein, er mag nicht mal mehr an Musik denken, seine und Polinas Wege trennen sich. Erst viele Jahre später gesteht er sich ein, dass er Polina braucht und der einzige Weg, sie zu finden, besteht darin, ihre Melodie zu spielen.

»Er konnte kein Klavier mehr spielen, weil sein Leben in dem Moment den Takt verloren hatte, in dem seine Mutter gestorben war.« (Seite 134)

Auf der Rückseite des Buches steht der Satz, es sei der Liebesroman des Jahres, und selten hat eine Bezeichnung so ins Schwarze getroffen. Die Geschichte von Hannes und Polina gehört für mich im Genre zu einem der schönsten Bücher, die ich gelesen habe, weil es um die Liebe, aber auch um die Musik geht. Takis Würger findet Worte, die mich begeistern, die mich zum Schmunzeln und zum Lachen bringen. Viele Sätze berühren mich aber auch sehr, manche Passagen lese ich mehrfach und weine, weil diese so intensiv und berührend sind, dass es weh tut. Er schreibt diese Erzählung nieder, mit viel Pathos, aber ohne Kitsch, und damit trifft er genau meinen Geschmack. Ich lese keine Liebesromane, aber ich weiß auch, dass der Autor mich bisher nie enttäuscht hat und so ist es auch hier. Meisterhaft!

15 von 15 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 25.02.2025
Mehnert, Stephanie

Das Flimmern kleiner Lichter


gut

Ronja arbeitet als Pflegehilfskraft in Hamburg, als sie einen Anruf bekommt, dass eine ihrer Patientinnen zwangseingewiesen wurde. Der Ronja bis dahin unbekannte Enkel überredet diese dazu, seine Oma aus der Klinik zu entführen und zu verstecken. Wider besseren Wissens lässt sich Ronja darauf ein, was schlimme Ereignisse nach sich zieht. Hilfe bekommt sie dabei von unerwarteter Seite.

»Natürlich verstand das Mädchen damals noch nichts vom Leben einer Frau, doch es verstand sehr gut, was ein Leben in Angst vor einem Mann aus einer Frau machen konnte.« (Seite 7)

Als ich den Prolog las, dachte ich, dass dies ein intensives und großartiges Leseerlebnis werden würde. Leider hielt das Buch nicht, was der Anfang versprach. Dies lag für mich in erster Linie daran, dass die Autorin in diesem schmalen Buch zu viele Bereiche angesprochen hat, was dazu führte, dass ich irgendwann den Überblick darüber verloren habe, worauf sie hinaus will. Gewalt in der Familie sowie solche gegen die sexuelle Selbstbestimmung, Promiskuität, Einsamkeit, Drogensucht kamen darin vor, nur um einige Themen zu nennen. Dazu handelte die Protagonistin entgegen ihrer eigenen Erfahrungen, sie benahm sich für mich einfach nicht authentisch genug. Es gab einige besondere Abschnitte und auch den ein oder anderen Satz, der bei mir hängen blieb, insgesamt aber fand ich die Geschichte zu überladen, auch wenn die Message letztendlich doch noch rüberkam. Weniger wäre hier wahrscheinlich mehr gewesen.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 23.02.2025
Goerz, Tommie

Im Schnee


ausgezeichnet

»Manche rief man hier noch nach ihren Höfen, egal wie ihre Namen waren. Wenn man aus dem Dorf war, wusste man Bescheid, und wenn nicht, ging es einen auch nichts an. Das war schon immer so.« (Seite 12)

Ein Dorf stirbt aus, früher war es einmal lebendig und wach. Der Schorsch ist tot und Max, mit dem ihn eine lebenslange Freundschaft verband, sinniert leise über Gott und die Welt. Er erinnert sich an alte Geschichten, an Menschen, die gingen, aber auch solche, die da sind. Noch.

„»Dieses Dorf«, sagte er schließlich, nachdem er eine Zeit lang hin und her gedacht hatte, »ist wie jedes Dorf. Da wohnen Leute, und da gibt es Misthaufen. Und je näher man herankommt, desto mehr stinkt es.« Er ließ die Worte verklingen und lauschte ihnen hinterher. Sie gefielen ihm.“ (Seite 159

Wenige Tage lang lässt Tommie Goerz mich teilhaben an den Gedanken von Max, wenige Tage, die mir vorkommen wie ein ganzes Jahr. Da passiert eigentlich nicht viel, aber ganze Biografien laufen vor meinen Augen ab, passieren Dramen, ereignen sich Tragödien, werden Kinder geboren und Menschen verlieren ihr Leben. Ein leises Buch, das dennoch laut ist, in einer Sprache, die eine Vergangenheit aufleben lässt, die mich nostalgisch macht. Früher war auch nicht alles besser, es war einfach anders, aber dadurch nicht weniger lebenswert. Danke für diesen Einblick, der mich nachdenklich und zufrieden zurücklässt. Lesenswert!

5 von 5 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 19.02.2025
Lange-Müller, Katja

Unser Ole


ausgezeichnet

Ida war früher wunderschön, lebte ein sehr unstetes Leben und ließ sich aushalten. Letztendlich arbeitete sie gelegentlich als Model auf Seniorinnen-Modenschauen, wo sie Elvira kennengelernt hat, die alleine mit ihrem Enkel, dem kognitiv beeinträchtigten Ole, zusammenlebt. Als Ida ihre Wohnung verlor, nahm Elvira sie auf, weil sie Hilfe brauchte im Haus, mit dem Garten, vor allem aber mit dem unberechenbaren und mittlerweile schwer zu bändigenden Ole. Als ein Unglück passiert, wird Ida mit Manuela konfrontiert, der Tochter von Elvira, die seit vielen Jahren keinen Kontakt mehr zu ihrer Familie hat. Dabei prallen Welten aufeinander, denn nachgegeben wird nicht.

Idas Lebenslauf, der nicht wirklich erwähnenswert ist, zeigte eine oberflächliche und nicht sonderlich intelligente, allerdings mit allen Wassern gewaschene Person, die in erster Linie auf den eigenen Vorteil bedacht ist. Elvira hätte eigentlich jeden Grund gehabt, glücklich zu sein, hat aber früh den Weg der Unzufriedenheit und der Unterdrückung anderer gefunden. Und Manuela? Diese hatte mit der alleinerziehenden Elvira fast keine Chance, eine ausgeglichene und zufriedene Frau zu werden. Als sich die Wege dieser Frauen kreuzen, ist Ärger und Stress förmlich vorprogrammiert.

Die drei Frauen im Buch waren mir unsympathisch, jede von ihnen hatte Gründe, so zu werden, wie sie geworden ist, was ich nachvollziehen, aber tatsächlich nicht entschuldigen kann. Dies soll nicht heißen, dass mir die Geschichte nicht gefallen hat, denn das Gegenteil war der Fall. Ich habe mich aufgeregt, aber auch köstlich amüsiert, man könnte es zusammenfassend so beschreiben: Schadenfreude ist die schönste Freude. Lesenswert!

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 17.02.2025
Olivo, Greta

Die Nacht der Schildkröten


ausgezeichnet

Als bei Livia eine Augenkrankheit diagnostiziert wird, möchte diese es nicht wahrhaben. Das junge Mädchen möchte ihr Leben genießen und tun, was gleichaltrige Kinder in ihrem Alter tun. Erst allmählich begreift sie, dass sie unaufhörlich auf den Zeitpunkt zusteuert, an dem die Dunkelheit auf sie wartet. Und damit das Erwachsensein.

»Mir wurde klar, was passiert war, was von Anfang an passieren sollte, nämlich dass die Welt jetzt diese war. Dass diese Straße, diese Gasse, in der ich noch nie zuvor gewesen war, für mich auf diese und keine andere Weise existierte und immer existieren würde.« (Seite 217)

Das Debüt von Greta Olivo, in dem Livia als Ich-Erzählerin fungiert, hat mir wunderbare Lesestunden beschert. Ich konnte förmlich mitfühlen, welche Verzweiflung sie ergriffen hat, als sie begriff, dass es keinen Ausweg, kein Entkommen gibt, und dass die gestellte Diagnose unumstößlich feststeht. Die kleine Hoffnung, die als leise Stimme im Hintergrund flüsterte, erstarb allmählich und trotzdem wehrte sich Livia vehement dagegen, wenn ihr Hilfe angeboten wurde und wollte es schaffen aus eigener Kraft. Sie dabei zu begleiten hat mich berührt, ihre Stärke hat mich beeindruckt und ihr Schmerz weckte immer wieder mein Mitgefühl. Ein großartiger Roman, den ich gerne weiterempfehlen möchte.

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 14.02.2025
Krien, Daniela

Mein drittes Leben


ausgezeichnet

»Wir leben nun in getrennten Welten. Eine gläserne Wand steht zwischen uns, und ich werde sie nicht zerbrechen.« (Seite 127)

Ein kleiner Moment der Unachtsamkeit, ein Augenblick, der alles verändert. Die siebzehnjährige Sonja stirbt bei einem Unfall und ihre Mutter verliert den Halt im Leben. Linda zieht weg aus Leipzig, lässt ihren Mann zurück und verkriecht sich regelrecht auf einen alten Hof, wo sie mit Hund und Hühnern lebt, fast abgeschnitten von der restlichen Welt. Schwankend zwischen Mut und Todessehnsucht kämpft sie täglich darum, nicht den Verstand zu verlieren. Wieviel Kraft in ihr steckt, wird sie erst selbst herausfinden müssen.

»Ich gab mir keine Mühe, meine Gefühle zu verbergen. Weder Eifersucht noch Trauer oder Wut ließen meine Hände zittern und meine Lippen beben, sondern der Neid auf ihre Fähigkeit zur Freude. Zwischen ihr und der Welt stand keine Glaswand. Ein Foto wie dieses würde es von mir nie mehr geben.« (Seite 129)

Die Ich-Erzählerin Linda hat es mir anfangs nicht leicht gemacht, ihre Gefühlswelt zu verstehen, was selbstverständlich daran liegt, dass sie selbst das Unglück, den Tod ihrer einzigen Tochter, zu verarbeiten versucht hat. Ich kann mir nicht einmal annähernd vorstellen, welchen Schmerz es verursacht, das eigene Kind beerdigen zu müssen, geschweige denn, ob und wie es möglich ist, danach weiterzumachen mit dem Alltag und dem täglichen Leben.

Bewegend und authentisch erzählte Daniela Krien, nahm mich auf eine emotionale, aber nie kitschige Reise in die dunkle Welt der Zurückgebliebenen, zeigte die Trauer und die Zerrissenheit, schrieb darüber, was es mit einem macht, solch eine Tragödie zu erleben. Ich habe zusammen mit Linda gelitten, Mitgefühl gezeigt, den Mut verloren, die Zähne zusammengebissen und mich wieder auf die Beine gekämpft. Ich habe ihr Kraft gewünscht, mit ihr geweint und darauf gewartet, ob es nicht doch noch irgendwo eine Hoffnung gibt, die das alles etwas leichter macht. Das Ende kam unerwartet, aber es war ein guter Abschluss, etwas anderes hätte ich nicht zu wünschen gewagt. Lesenswert!

10 von 10 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 11.02.2025
Meyer, Kai

Das Haus der Bücher und Schatten


sehr gut

Die Lektorin Paula Engel reist mit ihrem Verlobten Jonathan Zirner kurz vor Beginn des Ersten Weltkrieges im Jahre 1913 ins Baltikum, um dort den Schriftsteller Aschenbrand zu treffen und dessen Manuskript mit nach Leipzig zu nehmen. Zwanzig Jahre später rettet der von den Nazis entlassene Kommissar Cornelius Frey der jungen Emilie das Leben, die ihm einen mysteriösen Satz zuflüstert, bevor sie verschwindet. Am nächsten Tag wird das Mädchen ermordet aufgefunden, neben ihr ein toter Polizist. Cornelius tut alles dafür, zurück in den Dienst zu kommen, um herauszufinden, was geschehen ist. Welche Verbindung gibt es zu Paula und Jonathan und was haben die Freimaurer damit zu tun?

»Die Einsamkeit ist ein Land voller Menschen, hatte jemand gesagt. Oder war ihm das selbst eingefallen? Die Vorstellung hatte etwas Verlockendes - ein Landstrich, in dem sich alle versammeln, die immer allein gewesen sind -, aber er machte sich nichts vor: Das Bild hatte nichts mit der Wirklichkeit gemein. Die Einsamkeit war hier, zwischen diesen Häusern, an der Grenze von Nacht und Morgen, und ihr Klang war der trostlose Schlag seiner Schritte auf dem nebelfeuchten Pflaster.« (Seite 7)

Meine Liebe zu den Büchern von Kai Meyer über das bei einem Luftangriff Ende 1943 fast vollständig zerstörte Graphische Viertel in Leipzig fing mit »Die Bücher, der Junge und die Nacht“ an, es folgte »Die Bibliothek im Nebel« sowie das vorliegende Buch mit dem wunderbaren Titel »Das Haus der Bücher und Schatten». Die Bücher hängen nicht zusammen, man muss diese auch nicht in einer bestimmten Reihenfolge lesen, es gibt aber kleine Querverbindungen zu Figuren, die unerwartet auftauchen hier und da. Diese kleinen Bezüge machen viel Spaß.

Wieder einmal nahm mich Kai Meyer mit auf eine phantastische Reise, zwei Zeitebenen bemühte er dafür, die er nach und nach meisterlich miteinander verband. Ich konnte mich eine Zeit lang nicht entscheiden, welches Zeitfenster ich interessanter fand, das der manchmal unzuverlässigen Ich-Erzählerin Paula oder doch eher die Erlebnisse des sympathischen und integren Kommissars Cornelius Frey, dessen Ermittlungen ihn tief in den Sumpf der damaligen Zeit führten, aber auch mit mystischen sowie mafiösen Strukturen in Berührung brachten. Letztendlich war es der Mix aus beiden Erzählsträngen und die Bewegung aufeinander zu, die einen großen Reiz ausgeübt haben. Einzig die mystischen Passagen sowie solche, die mögliche Geister betrafen, empfand ich manchmal etwas to much. Zur Atmosphäre sowie der wunderbaren Stimmung im Buch passten diese aber allemal. Lesenswert!

14 von 14 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 07.02.2025
Grisham, John;McCloskey, Jim

Unschuldig


ausgezeichnet

»Im Jahr 1976 hob der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten ein vierjähriges Verbot von Hinrichtungen auf, und die fünfunddreißig Todesstrafe-Staaten gingen sofort an die Arbeit. Seit damals sind 1572 Männer und fünfzehn Frauen durch Gas, die Todesspritze oder den elektrischen Stuhl getötet worden, eine Person wurde durch Erhängen und eine weitere durch ein Erschießungskommando hingerichtet.« (Seite 407)

In diesem Buch sind zehn Storys versammelt, die einer der erfolgreichsten amerikanischen Schriftsteller John Grisham zusammen mit Jim McCloskey, dem Gründer von Centurion Ministries, einer Non-Profit-Organisation, die sich für zu Unrecht Verurteilte in den USA einsetzt, geschrieben hat. Nach dieser Lektüre bin ich mir nicht mehr sicher, vor wem ich in Amerika mehr Angst hätte; vor den Verbrechern, oder doch eher vor den Strafverfolgungsbehörden und anderen Organen der Justiz. Die handverlesenen Fälle sind alle so unglaublich weit davon entfernt von dem, was ich mir unter einer unvoreingenommenen Gerichtsbarkeit vorstelle, dass ich kaum Worte dafür finde. Die Personen, die für Recht und Ordnung zuständig sind, lügen und betrügen, fälschen Beweismittel oder lassen diese ganz verschwinden, beeinflussen Zeugen, erfinden Tathergänge, die so abenteuerlich sind, dass ich mich an Märchen erinnert fühle, und sorgen so dafür, dass völlig Unschuldige verfolgt und verurteilt werden, bestraft für Taten anderer oder für solche, die überhaupt nicht stattgefunden haben. Dies alles unter dem Deckmantel der Gerechtigkeit.

Mich überkam beim Lesen sehr oft das Gefühl der Ohnmacht, ich konnte zwischen den Zeilen oft die Verzweiflung, die Ungläubigkeit, aber auch die Angst und die Wut spüren, die die zu Unrecht angeklagten Menschen überkommen haben müssen. Oft konnte ich nicht glauben, was da passiert ist, hatte immer wieder die Hoffnung, dass die nächste Instanz doch erkennen muss, was so klar auf der Hand lag, wurde aber wiederholt enttäuscht. Jahrzehntelang wurden unschuldige Menschen weggesperrt und sogar die Beweise ihrer Unschuld führten nicht zur sofortigen Freilassung, geschweige denn Rehabilitation, sondern es vergingen wiederum Jahre, oft fast ein Jahrzehnt, bis überhaupt darüber entschieden wurde, ob über die Wahrheit verhandelt werden wird. Mein Mitleid war grenzenlos, umso mehr habe ich der Auflösung entgegen gefiebert, weil ich so unbedingt wollte, dass der Gerechtigkeit Genüge getan wird.

Eine bewegende und wichtige Sammlung ist dieses Buch, für Fans von True Crime fast schon eine Pflichtlektüre, für mich eine Bereicherung im Genre und absolut lesenswert!

10 von 10 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.