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Juti
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Insgesamt 736 Bewertungen
Bewertung vom 24.01.2018
Zweig, Stefan

Die Welt von Gestern


ausgezeichnet

Eine Autobiographie, die für mich Casanova mit biblischer Exegese verbindet.

In drei Abschnitte kann man sein Leben einteilen:
Die Zeit vor dem 1.Weltkrieg, also vor 1914 eine „Welt in Sicherheit“, in der Zweig in Wien im Habsburger-Reich unter dem alten Kaiser Franz Josef aufwächst. Da seine Eltern Industrielle waren und sein Bruder das Unternehmen übernimmt, braucht er sich um finanzielle Dinge nicht zu kümmern, sondern kann sich schon als Schüler der Literatur widmen, ja er verfasst bereits erste Gedichte, da er den Schulstoff für dilettantisch, also wirklichkeitsfremd hält. Das Liebesleben ist vor dem Krieg auch ein anderes. Nach der Schule kommt das Studium, das er als lockeres Philosophiestudium schildert, in dem er erste Reisen unternimmt und dank Veröffentlichung in der „Neuen Freien Presse“ schon berühmt wird, so dass die Professoren bei der Abschlussprüfung ihm schon gnädig gestimmt sind.
In diesem Buch werden ausführlich die anderen Personen geschildert, denen Zweig in seinem Leben begegnet ist, also hier Hugo von Hofmannsthal, der als Dichter Zweigs Vorbild war und Theodor Herz, der als Zeitungsredakteur sich für Zweig stark machte, der auch Zionist war und sich Zweig mit in der Bewegung gewünscht hätte, was er aber ablehnte. Persönliches von Zweig, seine Ehefrauen kommen fast gar nicht vor, nur der Tod der Mutter wird gegen Ende knapp thematisiert.
Das Besondere an diesem Buch ist der zweite Teil, der den Text von Stefan Zweig ausführlich kommentiert. Da hat sich jemand wirklich die Mühe zu überprüfen, ob das, was er so schreibt, auch tatsächlich stimmt. Manches lässt sich nicht mehr klären, aber gerade dort, etwa beim Abriss des Sterbehaus von Beethoven, wo Zweig klar schreibt, dass er dabei gewesen ist, stellt sich heraus, dass er in Paris war und kein Augenzeuge sein kann. Bei der Bibel ist das Aufgabe der Exegese.
Der zweite Abschnitt in Zweigs Leben beginnt mit 1914 und endet mit Beginn der Nazi-Zeit. Allerdings muss erwähnt werden, dass vor 1914 Zweig ständig in Europa unterwegs war und das erinnert mich an Casanova. Mit Rathenau kommt auch die Politik nicht zu kurz, im Gegenteil ich fand es beeindruckend wie plastisch er die Auswirkungen der Inflation erst in Österreich und dann in Deutschland schildert. Weil Geld keine Rolle mehr spielt, Vergnügen sich die Menschen mehr. Neu für mich war auch, dass die Österreicher den ermordeten Thronfolger in Sarajevo gar nicht geliebt haben und irgendwie schon dachten, dass auch diese Krise ohne Krieg abgewendet werde.
Ich greife vor, das macht der Autor aber auch. Zweig arbeitet anfangs vorwiegend als Übersetzer und freundet sich mit dem Belgier Emile Verhaeren und Romain Rolland an. Die Autobiographie soll den Eindruck erwecken, dass die drei eine pazifistische Bewegung gegründet hätten, aber außer Rolland liessen sich, wie der Kommentar sagt, die anderen beiden von der Kriegsbegeisterung 1914 anstecken. Erst nach einem drastisch geschilderten Frontbesuch in Galizien wird Zweig zum Kriegsgegner.
Im zweiten Abschnitt seines Lebens wird Zweig der am häufigsten übersetzte Autor, was nach Zweig daran liegt, dass er seine Bücher immer aufs Wesentliche kürzt. Selbst ins Stalinreich reist er.
Wie bei jedem guten Buch, kann ich noch kurz zur Nazi-Zeit sagen, dass Zweig schreibt, dass die Bücherverbrennungen 1934 ein Versuch von Studenten mit Unterstützung der Nazis waren, wie weit sie gehen konnten. Erst 1936 wurden seine Bücher in Deutschland verboten. Zweig kritisiert Europa (England, Frankreich, Italien), dass sie den Anschluss Österreichs an Nazi-Deutschland nicht verhindert haben und das Münchener Abkommen, das Hitler dann aber auch bricht und das Buch endet mit dem Beginn des Zweiten Weltkriegs. Ich habe nichts über seine Handschriftensammlung geschrieben.
Zweigs Sprache verdient die Bestnote, ebenso aber auch der Kommentar, wenn auch zweimal das erklärte Wort im Kommentar früher als im Text erschien. Fußnoten hätten das Lesen etwas erleichtert.
5 Sterne

Bewertung vom 13.01.2018
Reckwitz, Andreas

Die Gesellschaft der Singularitäten


weniger gut

Professor Reckwitz wird sich freuen. Da schreibt er ein Buch als Soziologieprofessor für seine Studierende und bekommt dafür den Bayerischen Literaturpreis als bestes Sachbuch.

„The winner takes it all.“ So lautet witzigerweise auch eine These des Buches, also zum Beispiel bei einem Youtube-Clip kommt es erst mal darauf an die ersten 500.000 Klicks zu bekommen, der Rest geht von alleine. Matthäus-Effekt wird das an anderer Stelle genannt.

Inhaltlich könnte man das Buch in einem Satz zusammenfassen: In der Gesellschaft der Moderne zählte die Normalität, in der Spätmoderne die Einzigartigkeit, das Besondere oder eben die Singularität.
Dies gilt für Objekte, Subjekte, Räume, Zeiten und Kollektive. Singularitäten entstehen durch Authenzität und gute Bewertungen, die dank der Digitalisierung nicht nur Experten vornehmen. Es gibt kurzzeitige und langzeitige Singularitäten. Singularitäten führen zu einer Spaltung der modernen Gesellschaft, die nicht nur den Weg nach oben kennt, weshalb der Autor den Begriff „Paternostereffekt“ einführt. Sie wirken sich auf alle Bereiche aus wie Essen, Wohnen, Reisen, Körper, Erziehung und Schule.
Sogar zwischen Städten entsteht ein Wettbewerb und auch die neuen politischen Strömungen lassen sich mit Singularitäten erklären.

Wäre ich jetzt ein Student, würde diese Zusammenfassung wohl nicht ausreichen. Das Buch eignet sich gut zum Lernen, da häufig mit erstens, zweitens, drittens… klar gegliedert wird, aber als Sachbuch für die Allgemeinheit schreckt die Sprache doch sehr ab. Fast jeder Satz enthält ein Fachwort und wirklich alles wird definiert (selbst wie ein Computer arbeitet).
Mehr Kürze und mit 130 Seiten wäre es ein gutes Buch geworden, dazu aber bitte noch eine Sprache auch für Nichtsoziologen. Wahrscheinlich wollte Reckwitz ein solches Buch aber gar nicht schreiben. Unverständlich nur, warum dieses Buch dann Preise bekommt. 2 Sterne

4 von 8 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 06.01.2018
Meyerhoff, Joachim

Die Zweisamkeit der Einzelgänger / Alle Toten fliegen hoch Bd.4


ausgezeichnet

Also die ersten 49 Seiten sind die Besten, die ich seit langem gelesen habe.

Aus zwei kreativen Geistern sprüh nur so der Witz der frischen Verliebtheit. „Judith? Was für ein Blödsinn, nie und nimmer heißt die Judith.“, so endet das dritte Kapitel.
Mir gefällt es auch sprachlich sehr: „Ich jedenfalls war äußerlich ein umarmtes Moment und innerlich ein Ameisenhaufen im Ausnahmezustand. Ich schloss meine Augen und wurde schlagartig schläfrig“ (S.34). Diese Alliterationen, diese Bilder.

Ja, auch ich habe die vorherigen Bände gelesen und selten so gelacht, auch wenn der Tod zum Leben dazu gehört. Hier auch, aber im Mittelpunkt steht die Liebesgeschichte zu drei Frauen. Dass dies auch zu Probleme führt, wird vor allem im hinteren Teil beschrieben.
In den Kritiken lese ich, das mit den drei Frauen ginge nicht gut. Ansichtssache. Es geht insofern gut, als keine von Ihnen wirklich Verdacht schöpft. Solche Beziehungen halten natürlich nicht ewig, das ist ja klar.

Der Ich-Erzähler schimpft über sein Leben als Schauspieler. Immer wieder gibt es z.B. Rückblenden bevor ein Darsteller auf der Bühne stirbt, einfach abkratzen geht nicht. Und so wundert sich der Leser, dass Meyerhoff dennoch selbst Rückblenden einbaut, etwa die Elba-Geschichte, in der ich keinen anderen Sinn sehe, als dass sie seine Liebe zur Nacktheit erklären soll.

Da aber der Anfang 6 Sterne verdient hat, sind 5 Sterne für das ganze Buch vollkommen berechtigt.

6 von 7 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 30.12.2017
Lüders, Michael

Wer den Wind sät


sehr gut

Mir gefällt dieses Buch besser als sein Neues über Syrien.

Die geschichtliche Einführung mit dem Putsch Mossadeghs in Teheran 1953 war interessanter, da für mich neu.
Lüders Sicht der Dinge ist eine andere als die gewohnte. Aber das macht ihn aus. Schön wäre, wenn er auch wie andere Sachbuchautoren mit Fußnoten und Belegen arbeiten würde und ein Literaturverzeichnis aufführt.
Im Israel-Kapitel nennt er andere Bücher. Damit säumen wir das Buch von hinten auf. Selbstverständlich muss Kritik am Staat Israel erlaubt sein, denn der Umgang mit den Palästinensern hat mit Menschenrechten nichts zu tun.
Das positive Beispiel in der arabischen Welt Tunesien wird erst spät behandelt, Ägypten dafür ausführlich. Ob die Muslimbruderschaft wirklich weniger gefährlich als der Wahabismus und der IS ist, vermutlich ja.
Immerhin gut, dass jemand mal sagt, dass reiche Scheichs aus Saudi-Arabien den Fundamentalismus stützen und die Regierung, obwohl westlich gesinnt, nichts dagegen unternimmt.
Dass die Entwicklung des IS nicht so negativ verlaufen ist, wie 2015 dargestellt, darf man Lüders nicht ankreiden. Dagegen frage ich mich, ob er sich einen Gefallen damit tut, „Bayern München“ (S.93) zu erwähnen. Wer inhaltlich auffällt, muss nicht auch noch mit dem Stil anecken.
Ganz Pazifist ist Lüders übrigens nicht: „Militäreinsätze sind dann sinnvoll, wenn sie punktuell erfolgen und Massaker verhindern helfen, so wie bei den Luftangriffen auf Stellungen des IS zugunsten der Kurden in Kobane und vor Erbil.“ (S.116)
Irak, Syrien und Afghanistan werden auch behandelt, aber es ist alles gesagt. 4 Sterne

Bewertung vom 29.12.2017
Swift, Graham

Ein Festtag


sehr gut

Ob Novelle oder Roman. Beides.

Erst wird die Novelle erzählt vom Dienstmädchen Jane, dass mit dem Sohn des Hauses Paul schläft, der eigentlich Emma heiraten will, aber nach der Bettgeschichte durch einen Autounfall ums Leben kommt. Das geschah 1924. Jane, damals 22, wird aber 98 Jahre alt und große Schriftstellerin, das der Roman, wenn auch mit Rückblenden. Aber von diesem Sex erfährt niemand etwas, außer wir Leser. Festtag heißt das Buch, weil das ganze am letzten Sonntag im März, damals Muttertag geschah.
Man braucht schon dicke Eier „Schwanz. Eier. Möse.“(S.13), um den ersten Teil des Buches zu lesen, wo es um Flecken geht, die männliche Ergüsse hinterlassen. Langsam und viel zu ausführlich wird beschrieben, wie Paul sich anzieht. Im zweiten Teil störten mich die Vielzahl der erfundenen Buchtitel.
Positiv gefällt mir die Vielzahl alter Wörter wie „anheimstellen“, „entkleiden“, „Altvordern“ und „Findelkind“. 4 Sterne.

0 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 27.12.2017
Gloger, Katja

Fremde Freunde


ausgezeichnet

Russland und Deutschland – „ein sadomsachistischstes Liebesverhältnis“

Diese Worte des tschechischen Außenministers treffen ziemlich genau, was dieses Buch beschreibt.
Beginnend mit einem Interview mit Michail Gorbatschow, der in Deutschland mehr geliebt wird als in seiner Heimat, beschreibt das Buch im Mittelalter startend durch die russische Geschichte die deutsch-russischen Beziehungen im Handel. Details wie die Geschichte über den Gottdorfer Globus, der in Petersburg ein Schattendasein führt bereichern dieses Buch.
Selbstverständlich darf die russische Zarin Katharina die Große mit deutscher Herkunft nicht fehlen. Nach deren Eroberung der Krim befreit Russland anschließend Europa von Napoléon, dient aber als rückständiges Land nicht als Modell der aufkommenden Demokratiebewegung.
Weder werden Russlands berühmte Schriftsteller vergesssen noch die Maler des „Blauen Reiter“ mit dem Russen Kandinsky.
Aber hauptsächlich wird die Politik behandelt. Der 1. Weltkrieg mit dem Transport Lenins durch das Deutsche Reich, der Vertrag von Rapallo, der Hitler-Stalin Pakt und der 2. Weltkrieg. Mit der Belagerung Leningrads setzt die Autorin hier andere Schwerpunkte als ich erwartet habe.Immer wieder gibt es mehr oder weniger gelungene Bezüge zur Gegenwart.
Danach gab es das „befreundete Deutschland“ und das „richtige Deutschland“. Und wieder taucht ein Zeitzeuge auf, der der Bremer Kunsthalle Bilder zurückgeben wollte und das nicht durfte.
Selbst die Wolgadeutschen, erst deportiert, dann in den 90er Jahren fast vollständig in die Bundesrepublik übergesiedelt mit dem Star Helene Fischer werden nicht vergessen.
Auch Putinversteher (und dieses Wort kommt viel zu oft vor) wird interviewt. Dennoch endet dieses Buch eher skeptisch mit der gut Russisch könnenden Angela Merkel und dem wegen des verhafteten Vaters noch distanzierteren Joachim Gauck.
Angesichts der vielen kleinen Geschichten und nur weniger Schwächen – 5 Sterne.
Aber wer wissen will, warum mitten in Putins Zeit mal Medvedew Präsident war, der muss „Endspiel“ von Zygar lesen.

Bewertung vom 22.12.2017
Bonné, Mirko

Lichter als der Tag


gut

eine Vierecksgeschichte

Während Raimund Merz, die Hauptfigur dieses Roman, sein „Elsterkind“ Lyndi zur Klassenfahrt zum Bahnhof bringt, trifft er Pippa und Inger, ohne sich erkenntlich zu zeigen. Später erfahren wir, dass Pippa seine uneheliche Tochter und Inger seine Liebe aus Jugendtagen ist. Aber auch das ist ungenau. Eigentlich wird erzählt, dass Merz Frau Flori in der Jugend mit Moritz zusammen war, während Inger mit Raimund sich nicht so richtig trauten. Dann aber verlässt Inger Raimund auf einen Blick von Moritz, während Flori ersatzweise zu Raimund kommt.
Das war die Jugendzeit. In der Nachstudienzeit sehen sich beide Paare nochmal in Berlin und es kommt zwischen Ihnen zu Begegnungen. Das zweite Kapitel endet damit, dass es zum lang erwarteten Krach kommt, weil Raimund Inger ein Kind gemacht hat, was eigentlich Moritz als Vater haben sollte. Nur leider wusste Flori, dass Moritz keine Kinder zeugen kann.
Das dritte Kapitel wird zum Krimi. Flori trennt sich von Raimund, nachdem Inger und er sich wiedergesehen haben, darauf „entführt“ er Lyndi (das Kind kommt freiwillig mit), stiehlt ein Bild in Lyon und wird schließlich von seinem Bürokollegen Bruno gefunden.

Ich habe diesmal viel erzählt, nicht alles, denn die Vierecksgeschichte, also insbesondere das 2. Kapitel hat mich schon gefesselt, auch wenn die Auflösung doch etwas plump daher kommt.
Der Autor braucht lange um in die Geschichte einzuführen. Es heißt ja ein guter Roman erzählt drei Geschichten. Die Haupthandlung ist beschrieben, daneben kommen dauernd Wespen vor, was mich nicht sonderlich interessierte, auch wenn ich erstmals von Kuckuckswespen gelesen habe. Ich möchte gerne eine Interpretation lesen, welche Symbolik dahinter stehen soll, aber ich glaube, die FAZ erwähnt die Wespen nicht einmal.
Noch weniger interessierte mich die beschriebenen Bilder und der chronisch schlechte HSV, denn das ist ja bekannt.
Das dritte Kapitel, das die Entführung schon in der Überschrift verrät, beginnt erst mal über 50 Seiten mit einer Reise von Raimund und Bruno nach Stuttgart. Außerdem liebt der Autor offenbar lange, zusammengesetzte Substantive.
Wer `s mag. 3 Sterne.

Bewertung vom 16.12.2017
Morsbach, Petra

Justizpalast


ausgezeichnet

Ein echter Roman über eine Richterin und ihr Leben.

Der Ruhestand wäre der Richterin Thirza Zorniger, doch vergönnt gewesen. Stattdessen endet dieser Roman im Krankenhaus. Spannend ist es zu lesen, wieviel Kraft doch der Beruf als Richterin kostet und wie die Liebe im Leben doch nur einen Ausgleich leistet.
Überzeugend finde ich, wie ihr Freund und Mann als Anwalt noch eine andere Facette der Justiz zum Vorschein bringt, die von Thirzas Karriere nicht berührt wurde. Ein wenig zu ausführlich war mir das literarische Hobby von Max. Eine halbe Seite von Zitaten hätte nicht sein müssen.
Es überwiegen aber dennoch die Einblicke in den Richteralltag. Allein schon das Kammersystem an deutschen Gerichten mit drei verschiedenen Richtern war mir nicht bekannt. Mir gefällt auch, dass die Geschichte der Justiz, insbesondere Minister Radbruch, der in der Weimarer Republik Frauen als Richterin erlaubte.
Was ich mir schon immer dachte, hier aber erstmals lese, ist die Dynastie, die Juristenfamilie bilden.
Das Buch liegt zwischen 4 und 5 Sternen. Mein Urteil fällt in dubio pro reo.

Bewertung vom 10.12.2017
Palmer, Boris

Wir können nicht allen helfen


ausgezeichnet

Sehr gutes Buch eines klugen Politikers

Das Problem mit den Flüchtlingen beschäftigt Deutschland noch immer und entgegen dem wohl vor der Bundestagswahl fertig gestellten Buch sind die Wahlergebnisse für die AfD nicht wirklich gesunken.
Schön, dass sich ein Politiker vor Ort mit den Themen vor Ort zu Wort meldet und auch nach Lösungen sucht. Ein Höhepunkt ist, wie er beschreibt, wie schwierig es im deutschen Baurecht ist, Wohnungen schnell zu bauen.
Rundum gelungen ist auch die Betrachtung von Statistiken im Kapitel, das die Sicherheit von Afghanistan behandelt. Am allerbesten hat mir aber der Diskurs über Gesinnungsethik und Verantwortungsethik auf S.195ff gefallen, der dem Buch einen theoretischen Überbau liefert.

Wenn die FAZ schreibt, er zitiere keine anderen Bücher zum Thema Flüchtlinge, so finde ich das nicht schlimm, denn Demokratie lebt ja davon, dass man sich nicht erst zu Wort melden darf, wenn man sich wissenschaftlich auskennt und ist nicht auch einmal schön, ein Sachbuch ohne Fußnoten und Literaturverzeichnis zu lesen. Populismus möchte auch ich das nicht nennen, im Gegenteil, ich bewundere den Autor, der so klar den Unterschied der Facebook-Welt mit der realen Welt kennzeichnet.
Ob er es sich wirklich, wie die FAZ meint, mit fast allen in seiner Partei „verscherzt“ hat, glaube ich auch nicht.
Vor dem Jamaika-Aus habe ich ihn auf einer Veranstaltung der Grünen in Schwetzingen mit Klaus Töpfer gesehen. Zu seinen Klimathesen hat er viel Beifall bekommen. Ich möchte den Blickwinkel ändern: Boris Palmer ist auch ein Grund, warum die Grünen im Ländle deutlich mehr Stimmen bekommen als sonstwo in der Republik. Dieses Buch zeigt warum.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 05.12.2017
Whitehead, Colson

Underground Railroad


gut

Ich kann in den Jubel über dieses Buch nicht einstimmen.

Erwartet habe ich ein Buch über die Flucht einer Sklavin. Doch dann wird erst einmal auf 75 Seiten die Verhältnisse der Sklaven in Amerika beschrieben und ich frage mich, was daran neu ist.
Das Fluchtkapitel ist dann wirklich spannend und auch die Geschehnisse in South Carolina mit der Geburtenkontrolle für Schwarze hat mir gut gefallen. Der Aufenthalt in North Carolina unterm Dach ist ebenfalls bedrückend und spannend.

Doch gerade das zentrale Thema des Buch, die Underground Railroad, ist in der Form als wirkliche Eisenbahn rein fiktiv und kommt wie Harry Potters Hogwardexpress daher. Klar steht diese Railroad für alle Menschen, die gegen Sklaverei kämpfen und auch die moralische Frage, ob wer für den Kampf für die Freiheit einen Menschen erschlägt ein Mörder ist, wird behandelt, aber alles ohne Mehrwert für den Leser.

Da in den Buch auch die Unterschiede in den einzelnen Bundesstaaten behandelt werden, hätte eine Amerikakarte dem Buch gut getan. 3 Sterne.