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katikatharinenhof

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Insgesamt 998 Bewertungen
Bewertung vom 23.01.2023
Grimm, Jacob

Schneewittchen


ausgezeichnet

Ein wunderschönes Märchenbuch

"Spieglein, Spieglein an der Wand"....das ist das schönste Märchenbuch im ganzen Land. Das bekannte Märchen der Brüder Grimm hat schon Generationen von Kindern begleitet, wird immer wieder neu interpretiert und illustriert. Und doch gibt es Überraschungen, die faszinieren und die Geschichte von Schneewittchen, den sieben Zwergen und der bösen Stiefmutter zu einer ganz neuen Erfahrung machen.

Mit Illustratorin Bernadette bekommt die Erzählung tatsächlich einen märchenhaften Touch, denn ihre Zeichnungen sind von einer faszinierenden Schönheit. Die Bilder treffen die Aussage des Märchens auf den Punkt , die Landschaftszeichnungen vermitteln das Gefühl, durch das Bild direkt in die märchenhafte Kulisse hineingezogen zu werden und den Duft der Blüten wahrzunehmen oder dem Rauschen der Bäume zu lauschen.

Gerade die doppelseitige Zeichnung von der nächtlichen Heimkehr der Zwerge ist ein absoluter Traum. Der Märchenwald wird nicht nur durch das sanfte Schimmern der Sterne und dem Leuchten des Mondes erhellt, sondern auch vom warmen Licht der Laternen, die den Zwergen den Heimweg beleuchten.

Bernadette erschafft mit jeder Zeichnung eine eigene kleine Welt, in der sich Kinder und Erwachsene wohlfühlen. Die Emotionen und Ereignisse des Märchens werden durch die plastischen Bilder sehr schön transportiert und machen sowohl Vorlesen als auch Zuhören zu einem ganz besonderen Märchenerlebnis.

Bewertung vom 22.01.2023
Perdereau, Philippe;Perdereau, Phillippe;Willery, Didier

Modernes Gartendesign


sehr gut

Ansprechende Ideen für das grüne Wohnzimmer

In den letzten Jahren hat der Garten für uns alle mehr an Bedeutung gewonnen und ist für uns zum grünen Wohnzimmer geworden. Eine Oase, in der wir Zeit für uns finden, Erholung und Entspannung genießen. Zeit, die wir bewusster wahrnehmen und uns dem stillen Grün, dem meditativen Blätterrauschen und den munteren Plätschern von Wasser widmen.

Damit aus dem eigenen heimischen Grün eine echte Wohlfühloase wird, können Leser:innen und Gartengestalter:innen hier nach Herzenslust in den Seiten blättern und in echten Gartenträumen versinken. Die präsentieren Gartenwelten sind mal schlicht und klassisch, mal opulent und wild oder ländlich und scheinbar sich selbst überlassen. Die Auswahl an Beispielen ist wirklich riesig und der Wunsch nach einem eigenen grünen Wohnzimmer wird lauter, wenn einladende Lounge-Möbel auf der Terrasse stehen und zum Verweilen einladen. Der Blick schweift über fast schon meditativ anmutenden Lichtpunkte, die wie kleine Glühwürmchen die Nacht erhellen und den Innenhof in ein kleines Gartenmärchen verwandeln. Der Pool verschwindet fast in einem wogenden Meer aus Funkien und Gräsern, bildet somit die Natur als Lebensraum mit ein und bietet so Raum zum Erholen und Genießen. Wogende Stauden und üppige Gräser zaubern einen Cottage-Garten und lassen diesen geheimnisvoll wirken.

Die Gartenporträts sind alle sehr anschaulich dargestellt und gut erläutert, haben jedoch einen entscheidenden Nachteil: Sie befinden sich größtenteils alle in Frankreich, Belgien und England. Nur ein paar wenige Inspirationen aus Deutschland haben es ins Buch geschafft. Die Frage ist, haben wir in Deutschland verlernt, wie schöne Gärten angelegt werden ?

Abhilfe schafft auf jeden Fall dieses wundervolle Buch, das ein wahres Füllhorn an Ideen ist.

Bewertung vom 22.01.2023
Kasperski, Gabriela

Zürcher Verstrickungen


ausgezeichnet

Was in der Vergangenheit schief gelaufen ist, muss man in der Gegenwart wieder gerade rücken. Monika Kühn-Görg

Mit großer Anspannung wird die Premiere eines Dokumentarfilms erwarte, denn dieser widmet sich einem mehr als kritischen Thema. Denn die weiße Weste der Schweiz ist nicht ganz so weiß, wie viele glauben möchten. Vielmehr geht es darum, endlich die lang verschwiegene kolonialistische Vergangenheit des kleinen Staates aufzuarbeiten und die nachfolgenden Generationen der Betroffenen um Entschuldigung zu bitten. Doch wie hängt das alles mit einem Vermisstenfall zusammen, der voller Rätsel steckt ? Schnyder und Meier sind gefordert und wühlen im sprichwörtlichen Dreck. Denn das, was mit aller Macht ans Tageslicht dringt, ist abgrundtief und menschenverachtend...


Ich weiß nicht, wie Gabriela Kapserski es anstellt, dass sie sich von Buch zu Buch immer wieder selbst übertrifft, aber mit dieser Buchreihe schafft sie es tatsächlich, immer brisantere Themen anzupacken und daraus ihre mehr als fesselnde Fälle zu kreieren. In "Zürcher Verstrickungen" erscheint zunächst alles wie ein gordischer Knoten, dessen Verschlingungen so fest gezurrt sind, dass eine Lösung in weite Ferne rückt. Und doch finden Schnyder und Meier erste Ansätze, die die Neutralität der Schweiz angreifen und dunkel Flecken auf der weißen Weste sichtbar machen.

Das Thema ist so wichtig und brisant zugleich, erfordert es doch einen Spagat zwischen der Schuld, die die Stadt Zürich vor etlichen Generationen auf ihre Schultern geladen hat und der Wiedergutmachung bei den Betroffenen, die bis in die heutige Generation an den traumatischen Ereignissen zu leiden haben. Es geht dabei nicht darum, Menschen an den Pranger zu stellen, sondern mit Fingerspitzengefühl auf die Ungleichheiten und die Ausbeutungen aufmerksam zu machen, die die Herrschaft der Kolonialisten mit sich gebracht haben.

Vor realpolitischem Hintergrund entsteht so eine fiktive Geschichte, die voller Brisanz und aufschlussreichen Einblicken ist. Kasperski webt daraus einen spannenden Krimi, der Schuld und Sühne mit sich trägt, aber auch die lückenlose Aufklärung von kolonialen und rassistischen Spuren im Stadtbild und ihren hochangesehenen Familien für die Leser;innen bereit hält.

Die Autorin bewegt sich dabei sehr sicher und politisch korrekt auf diesem doch sehr explosiven Thementeppich, der mit Sicherheit nicht einfach zu beschreiten ist. Die von ihr erschaffenen Figuren sind mehr als lebendig und vermitteln authentisch die spannende Handlung. Auch hier gilt der Grundsatz: Je glitzernder die Oberfläche, desto schwärzer und tiefer der Abgrund, in den Kasperksi die Leserschaft blicken lässt. Dabei bedient sie sich nicht an reißerischen Aufmachern, sondern ist leise im Ton, aber unmissverständlich in der Botschaft.

Ein Krimi, der die Fehler der Vergangenheit ans Licht bringt, damit ein ehrliches Interesse bei der Aufarbeitung in der Gegenwart entsteht. Mehr als gelungen und dafür gibt es 5 Sternchen.

Bewertung vom 21.01.2023
Schacht, Mascha

Blumengarten - einfach machen!


ausgezeichnet

Wo Blumen blühen, lächelt die Welt - Ralph Waldo Emerson

Wer einen blühenden Garten betritt, der muss unweigerlich lächeln. Überall leuchtende Farben, es summt und brummt, üppige Blütenteppiche und wogende Blütenmeere verströmen ihre Düfte.

Damit der Traum vom eigenen Blumengarten kein Traum bleibt, gibt es für Gartenneulinge diese wunderschöne und mehr als gelungene Sammlung an Ideen, Pflanzkonzepten und praxisnahen Anleitungen, mit denen sich das einfache Grün in ein buntes Meer aus Farben und Gerüchen verwandelt.

Von der Idee bis zur Planung, über die ersten Schritte und dem anschließenden Genießen finden hier Interessierte alles, was das Herz begehrt. Welche Pflanze gedeiht am besten unter den gegeben Bedingungen, wie lassen sie sich am besten miteinander kombinieren und welche Arbeiten sind notwendig, um auch wirklich lange von der Blütenpracht zu profitieren. Sehr genau erklärt und anschaulich bebildert, trägt dieser Gartenratgeber dazu bei, den eigenen grünen Daumen herauszufordern und mit der Planung für das eigene Blütenparadies zu beginnen.

Bewertung vom 21.01.2023
Schuff, Nicolás

Kommst du mit zum Mond?


ausgezeichnet

Eintauchen in die Abenteuer der Nacht

Emilios Besuche bei Opa sind immer etwas ganz Besonderes, denn Opa wohnt mitten im Wald und kann einfach fantastische Geschichten erzählen. So auch heute, denn Opa nutzt das helle Licht des Vollmondes, um Emilio von all den unterschiedlichen Gesichtern zu erzählen, mit denen sich der Mond am Himmel zeigt. Und dann hat Opa eine wundervolle Idee - er packt nämlich den Rucksack und zeigt Emilio einen Geheimweg, der direkt zum Mond führt....


"Kommst du mit zum Mond?" ist eine sehr atmosphärische, geheimnisvolle und abenteuerreiche Geschichte, die Kinder und Erwachsene in das nächtliche Traumland mitnimmt. Die Sterne funkeln am Himmel, das silberne Licht des Vollmondes zaubert eine märchenhafte Atmosphäre und die Zeichnungen bilden eine großartige Kulisse für die warmherzigen Worte.

Es ist eine Mischung aus Abenteuer, liebevoll erzählter Enkel-Opa-Beziehung und Märchen, die das Vorlesen beim Einschlafritual mit magischen Momenten begleitet. Schon Vor- & Nachsatzblatt vermitteln eine zauberhafte Stimmung und die liebevollen Illustrationen entführen die Betrachtenden in einen echten Zauberwald, in dem nicht nur die Sterne funkeln. Vielen keine Details laden zum Staunen und Entdecken ein und machen die märchenhaften nächtlichen Szenen zu einer echten Abenteuerreise.

Ein Buch zum Wohlfühlen, bei dem sich die Kinder gerne ein bisschen tiefer in die kuschlige Decke einmummeln oder in einer liebevollen Umarmung von Mama oder Papa den Worten lauschen, um gemeinsam mit ihnen auf dem geheimen Weg zum Mond unterwegs zu sein.

Bewertung vom 17.01.2023
Fuchs, Felicitas

Hanne. Die Leute gucken schon / Mütter-Trilogie Bd.2


gut

Denn je dunkler ein Geheimnis ist, um so tiefer versteht es, wer es versteht (Raimundus Lullus)

Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung scheinen auch die alten Wunden des Krieges zu verheilen und das Leben wird wieder bunt und lebenswert. Hanne wird von Mutter Minna liebevoll umsorgt und es scheint, als würde es ihr an nichts fehlen. Das Glück scheint perfekt, als Hanne nicht mur Schmetterlinge im bauch verspürt, als sie Paul Wagner gegenübersteht. So fühlt es sich also an, wenn die Sonne heller scheint, der Himmel blauer ist und die Schmetterlinge im Bauch flattern. Aber schon bald ziehen am rosaroten Himmel dunkle Wolken auf, die wieder Entscheidungen bedeuten, die Hannes Leben auf den Kopf stellen...



Mit "Hanne. Die Leute gucken schon" wird die Mütter-Trilogie fortgesetzt und Carla Berling alias Felicitas Fuchs setzt nahtlos dort an, wo sie mit Minnas Geschichte aufgehört hat. Sie zeichnet wieder ein sehr treffendes Bild der Nachkriegszeit und schlägt gekonnt die Brücke bis hin in die 1960er Jahre. Mode, Funk und Fernsehen, Stellung der Frau in der Gesellschaft - alles ist wieder präsent und sehr authentisch beschrieben. Es gelingt der Autorin , die Szenen sehr lebendig zu gestalten und ihre Leser:innen mit an die Orte des Geschehens zu nehmen.

Anders als im Vorgängerband ist die Stimmung trotz wirtschaftlichem Aufschwung mehr als bedrückend, denn obwohl sich Hanne sehr gut entwickelt und die Lesenden mit ihr durch Höhen und Tiefen gehen können, bleibt sehr unnahbar und gefühlskalt. Auch lässt Fuchs die Figur der Minna regelrecht abstürzen und zieht die Leser:innen mit in den Strudel aus Alkohol- & Tablettenabhängigkeit. Von der taffen, starken Frau, die sich gegen alle Widrigkeiten des Lebens stellt und ihnen die Stirn bietet, ist leider nicht mehr viel vorhanden.

Hingegen wird Hanne mit fortschreitendem Alter immer unsympathischer und übergriffig. Wie sie ihre Tochter Romy behandelt, ja mitunter misshandelt - körperlich, emotional und auch verbal, ist manchmal nur schwer zu ertragen. Kein Wunder also, dass das Mädchen sich aufmüpfig verhält und aneckt - sie hat ja nie gelernt, was es heißt, echte und bedingungslose Mutterliebe zu empfangen.

Hanne versucht zwar immer wieder, ihren Weg zu gehen und das Beste aus ihrer Situation zu machen, resigniert aber und verliert sich auf dem Weg nach der Suche nach dem großen Glück und dem Sinn des Lebens. Manchmal wäre Reden Gold, statt mit Schweigen alles zunichte zu machen. Geheimnisse haben immer die Angewohnheit, über die Jahre zu einer drückenden Last zu werden und immer dann ans Licht zu kommen, wenn niemand mehr damit rechnet.

Alles in allem ein recht durchwachsener Verlauf des Mittelteils und ich hoffe, dass der abschließende Band wieder an die sehr gute Qualität des ersten Teils anschließen kann. Mehr wie 3 Sternchen sind deshalb leider nicht drin.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 15.01.2023
Gallagher, Charlie

Ein Freund


sehr gut

Schachzug Rache

Für Danny hat sich die Welt aufgehört zu drehen, denn seine Karriere als Sportler liegt brach und seine Tochter hat gerade einen Suizidversuch unternommen, da sie Opfer eines fiesen Erpresser ist. Auf die Unterstützung der Polizei kann sich Danny nicht verlassen, denn die Ermittlungen scheinen sich im Kreis zu drehen und keinerlei verwertbaren Erkenntnisse zu liefern. Es ist eine regelrecht Wohltat, als ein Fremder ihn anspricht und ihm mitteilt, dass er Informationen habe. In Danny keimt Hoffnung auf. Er ahnt nicht, dass er zu einer Schachfigur in einem bitterbösen Spiel wird...

Charlie Gallagher zeichnet ein düsteres, beklemmendes Szenario und spielt mit den Gefühlen der LeseR;innen. Wir alle wollen unsere Familie schützen und so gut es geht vor allem Übel bewahren und doch können wir unsere Kinder nicht in Watte packen, wenn wir sie zu freien und selbständigen Menschen erziehen wollen, die voller Neugier und Offenheit durchs Leben gehen. Dass aber eben jene Neugier sich zu einem fiesen Bumerang entwickeln kann, der katastrophale Folgen mit sich bringt, wird in der mehr als spannenden Handlung vom Autor dargelegt.

Dabei bleibt der ominöse Fremde immer eine Schattenfigur, die ihre Opfer wie Marionetten an den Fäden der Rache hält und sie zu fast willenlosen Spielfiguren macht, die nur noch auf seinen nächsten Zug warten. Es entsteht eine unterschwellige Bedrohung, die immer präsent ist und für Nervenkitzel und ein beklemmendes Gefühl sorgt. Scheinbar zufällig treffen hier die Figuren aufeinander und der Autor ist ein Meister der Manipulation, die er auf seinen Unbekannten im Buch überträgt. Selbst die Lesenden können bald nicht mehr unterscheiden, was der Wahrheit entspricht und lesen voller unverhohlener Neugier, welche grausamen Taten sich auf der imaginären Leinwand des Todes abspielen. Es sind brutale und gewalttätige Bilder, die hier gezeichnet werden und die sich regelrecht auf der Netzhaut einätzen. All das Blut, die rohe Gewalt und die Skrupellosigkeit sind nichts für Zartbesaitete.

Die Figuren sind sehr einnehmend und überzeugend, büßen aber im Mittelteil ein wenig von ihrer Glaubwürdigkeit ein. Dadurch verliert der Spannungsbogen sowie die Handlung ein wenig an Fahrt und das Interesse flaut ein wenig ab. Jedoch bekommt der Autor noch rechtzeitig die Kurve, im seine Leserschaft wieder mit ins Boot zu holen, um bis zum Schluss am Ball zu bleiben. Das Auflösen des Falles endet in einem regelrechten Showdown, der alle offenen Fragen beantwortet.

Bewertung vom 14.01.2023
Wikelski, Martin;Müller, Uschi;Ziegler, Christian

Das ICARUS Projekt


sehr gut

Spannende und erkenntnisreiche Einblicke in das Forschungsprojekt

Es ist höchste Eisenbahn und die Uhr tickt schneller denn je, denn der Mensch hat die Lebensräume der Tiere auf eine Art und Weise beschnitten, die die Ausrottung auf unserem Planten zur Folge haben. Dabei sind Tiere unsere hilfreichen Warnmelder, um drohende Gefahren abzuwenden. Um die Tiere besser zu verstehen, haben Forscher:innen mit ICARUS ein bahnbrechendes Projekt ins Leben gerufen, welches uns lehrt und lernt, das Verhalten der Tiere besser zu verstehen und ihre Signale deuten zu können.

Das Buch gibt einen detaillierten Einblick in die Forschungsarbeit mitsamt ihrer Erkenntnisse und lässt die Leser:innen, dank der wirklich spannend geschriebenen Texte, hautnah mit erleben, wie Forschung in der Tierwelt funktioniert. Von Schildkröte über Nashorn, Zugvögeln, Falter, Fröschen und Giraffen werden die Tiere mit einem ultraleichten Minisender ausgestattet, der alle Bewegungen der Tiere innerhalb ihres Habitats und auf ihren Flugrouten aufzeichnet.

Das Ergebnis ist verblüffend, faszinierend und mehr als erkenntnisreich und auch für fachfremde Leser;innen so aufbereitet, dass sie sich in dem Buch wohlfühlen und diverse Aha-Momente erleben. Ergänzt werden die überaus interessanten Textbeiträge mit eindrucksvollen Aufnahmen, die das Buch zu einem echten Leseabenteuer machen.

Bewertung vom 12.01.2023
Benrath, Nora

Wehrlos


ausgezeichnet

Kinderschultern sind nicht dazu da, um die Erwartungen ihrer Eltern zu tragen

Es ist ein Tag wie jeder andere und doch verändert sich schlagartig alles, denn das harmlose Versteckspiel auf dem Kinderspielplatz wird Nele zum Verhängnis. An der Hand eines fremden Kindes geht sie arglos mit und damit sind Tür und Tor für ihr Martyrium weit geöffnet. Mieke, Neles Mutter, ist vor Schreck wie gelähmt als sie mit ansehen muss, wie ihre kleine Tochter in ein dunkles Auto gezerrt wird und spurlos verschwindet. Die Suche der Polizei verläuft zunächst erfolglos. Doch dann müssen die Ermittelnden einem Hinweis nachgehen, der ein furchtbares Szenario offenbart....


Es ist der Alptraum aller Eltern, der von Nora Benrath in "Wehrlos" mit eindringlichen und sehr emotionalen Worten beschrieben wird. Das eigene Kind wird entführt und ab diesem Zeitpunkt scheint die Erde still zu stehen. Das große Loch, in das Mieke fällt, frisst die Seele auf und die Schuldgefühle, die Frage nach dem Warum und die Belagerung durch die Journalist:innen zerren an den Nerven.

Die Autorin beschreibt das beklemmende Szenario sehr authentisch, sodass sich die Leser:innen mitten in dieser Spirale aus Selbstzerfleischung und zermürbendem Warten befinden und alles hautnah miterleben. Auch scheut sich die Schreibende nicht, den Finger in die Wunde zu legen und das (eigene) Verhalten in den sogenannten sozialen Medien an den Pranger zu stellen Viel zu sorglos werden Kinderbilder hochgeladen, Informationen ins Netz gestellt und tausendfach weitergeleitet, um sich viral zu verbreiten, immer auf der Jagd nach den meisten Klicks und Likes, damit die Kasse klingelt. Was Influencer:innen ihren Kinder damit antun, ist ihnen meist nicht bewusst, denn das Netz ist ein großer Teich , aus dem sich nicht nur kriminelle Menschen alle notwendigen Informationen beschaffen können, um ihr zwielichtiges Treiben in die Tat umsetzen zu können. Es ist Zeit, umzudenken und zu hinterfragen, ob das nun alles wirklich sein muss. Denn gerade Kinder sind - wie der Titel des Buches treffend beschreibt - wehrlos, wenn es darum geht, die Interessen und Erwartungen der Eltern auf ihren kleinen Schultern zu tragen.

Die Handlung ist zu jeder Zeit unglaublich nervenaufreibend und in gewisser Weise voyeuristisch. Die Leser:innen wollen nicht hinschauen, aber sie müssen, um zu erfahren, ob alles gut wird. Es sind unvorstellbare psychische Wunden, die den Kindern zugefügt werden, um ihre kleinen Seelen zu brechen. Stück für Stück wird die Verbindung hergestellt, die Zusammenhänge werden klarer. Und trotzdem ist da diese furchtbare kalte Hand der Angst, die immer wieder nach den Lesenden greift, bis der Fall gelöst ist.

Ein Buch, das nachdenklich stimmt und emotional ganz schön aufwühlt

Bewertung vom 08.01.2023
Grandl, Peter

Turmgold / Turm-Reihe Bd.2


ausgezeichnet

Peter Grandl setzt die Messlatte noch höher und verfasst ein Highlight !

10 Jahre nach den grausamen Ereignissen ist der Turm zu einem Ort voller Lachen, spielender Kinder und bunten Farben geworden, denn er er beherbergt einen jüdischen Kindergarten. So gut wie nichts erinnert mehr an die Tat von damals und das Medieninteresse ist abgeflaut. Das ändert sich schlagartig, denn der braune Sumpf schlägt erneut zu. Kurzerhand nehmen sie die jüdischen Kinder und ihre Erzieherinnen als Geiseln und stellen eine unmögliche Forderung: Karl Rieger, ein ehemals glühender Anhänger der Nazis und jetzt geläutert im Zeugenschutzprogramm, soll den Terroristen übergeben werden. Bei Nichterfüllen der Forderung sterben die jüdischen Kinder. Die Polizei muss abwägen und eine Entscheidung treffen. Doch wie soll diese aussehen ? Und auch dieses Mal birgt der Turm ein Geheimnis, mit dem niemand gerechnet hat....


Peter Grandl hat schon mit dem ersten Band "Turmschatten" bewiesen, dass er seine Leser:innen mit nervenaufreibenden Szenen, einem ausgefeilten Plot und unglaublich authentischen Szenen an die Seiten fesseln kann. Doch mit "Turmgold" legt er noch eine Schippe drauf, setzt die Messlatte noch ein ganzes Stück höher und zeigt, dass er der ungekrönte König der Politthriller ist.

Schon nach wenigen Seiten bin ich komplett in der Geschichte gefangen, kann aus der Enge des Turmes nicht mehr ausbrechen und verspüre Panik in Echtzeit. Das, was Grandl zu Papier bringt, ist so grausam real, denn er verwebt sein erstklassig inszeniertes Rache-Epos mit Spannung vor realpolitischer Kulisse. Die Ereignisse der letzten Jahre (Corona-Pandemie, Mord an Walter Lübcke, Attentat von Hanau) gehen eine Symbiose mit seiner fiktiven Handlung ein und lassen somit komplett die Grenze zwischen Wahrheit und Fiktion verschwinden. Und genau das macht das Buch zu einem echten Pageturner mit Gänsehautgarantie, denn der Autor beherrscht ein perfektes Timing, um die komplexe Thematik mit einer sehr aufwühlenden und nachdenklich stimmenden Handlung zu verbinden

Seine Figuren sind zu hundert Prozent glaubwürdig und dadurch werden die braunen Schergen noch gefährlicher, die Kinder und ihre Erzieherinnen noch hilfloser und immer mittendrin die Lesenden, die selbst in der klaustrophobischen Enge des Turmes gefangen sind. Es empfiehlt sich, Band eins zu kennen, um die vielschichtige Handlung und ihre Zusammenhänge zu verstehen. Denn vieles baut auf den ersten Teil auf und ist somit die multidimensionale Weiterentwicklung der Handlung.

Auch im zweiten Band gelingt es dem Autor, eine gelungene Mischung aus verstörenden und provokativen Szenen, die sich mit ruhigeren Momenten abwechseln. Jedoch ist der Spannungsbogen - genau wie die Nerven der Leser:innen - so straff gespannt, dass die Fingerspitzen kribbeln und sich die Seiten wie hypnotisiert von alleine umblättern. Unerbittlich und schonungslos tritt der Schreibende in die Gedankenwelt der Terroristen ein und lässt ihre wirren Gedanken zu Taten werden und nimmt den Lesenden den Atem. Täter, Opfer und Leser:innen befinden sich in einer Spirale, aus der es kein Entrinnen mehr gibt und die Katastrophe nimmt unaufhaltsam ihren Lauf. Das Geheimnis des Turmes wird aufgedeckt und befeuert den Mythos um das verschollene Nazi Gold .

Bis zum Schluss liefert Grandl eine grandiose Vorstellung und zeigt, dass die hirnverbrannten völkischen Ideologien eines einzelnen Fantasten heute lebendiger denn je sind. Ein Roman mit unglaublich viel Konfliktstoff, der wachrüttelt, zermürbt und nachdenklich stimmt.

Absolute Leseempfehlung !