Benutzer
Benutzername: 
CK
Wohnort: 
Raum Stuttgart

Bewertungen

Insgesamt 202 Bewertungen
Bewertung vom 12.03.2025
Gottfried, Sara

Frauen, Essen, und Hormone


weniger gut

Weder überzeugend noch langfristig umsetzbar

„Frauen, Essen, und Hormone: Der 4-wöchige Plan, mit dem Sie Ihren Hormonhaushalt ins Gleichgewicht bringen, Gewicht verlieren und sich wieder wie Sie selbst fühlen“ von Sara Gottfried sprach mich an, da ich dachte, es wäre im Hinblick auf die Wechseljahre bzw. Prä-Menopause ein hilfreiches Buch, um in Puncto Ernährung hier etwas verbessern zu können. Allerdings hätte ich mehr mit einem „allgemeineren“ Ernährungsratgeber gerechnet, das Buch scheint jedoch rein auf eine Diät fixiert zu sein.
Ich muss also leider sagen, dass ich vielleicht andere bzw. falsche Erwartungen an dieses Buch hatte. Ich hätte mir einen Ratgeber mit mehr allgemeinen (und auch wirklich fundierten) Informationen gewünscht. Infos gab es zwar auch, aber mir persönlich hat zum einen der Schreibstil der Autorin nicht gefallen (doch das ist natürlich eine individuelle Sache). Den ersten Teil mit den Informationen (vor allem über die Hormone) fand ich teilweise gut und interessant, wenn auch etwas sehr ausschweifend und langatmig geschrieben; das hätte mal leichter lesbar und kürzer machen können.
Was den 4-Wochen-Plan angeht: ich bin eine absolute Gegnerin von Diäten, egal welcher Art. Eine Diät ist NIE gut, weil sie nicht dauerhaft eingehalten werden kann und immer mehr Schaden als Nutzen bringt. Meine Meinung. Von daher finde ich die Rezepte zwar teilweise interessant, wenn auch nicht unbedingt alle „alltagstauglich“ sind (vor allem, wenn man Familie hat) und mir teilweise zu speziell sind. Einiges davon werde ich sicher mitnehmen, aber eine Diät werde ich nicht machen. Die Fixierung auf die Ketodiät fand ich ebenfalls nicht so gut.
Für mich ist das definitiv nicht das richtige Buch; ich werde mich auf die Suche nach einer sinnvolleren und nachhaltigeren Alternative machen.
Von diesem Buch bin ich enttäuscht und würde es daher nicht weiterempfehlen.

Bewertung vom 11.03.2025
Lahmann, Claas;Kropac, Kerstin

Wie Arbeit glücklich macht


ausgezeichnet

Sehr wertvoller, hilfreicher und praxisnaher Job-Ratgeber

„Wie Arbeit glücklich macht: und wann man darüber nachdenken sollte, den Job zu wechseln“ von Prof. Dr. Claas Lahmann ist ein wirklich empfehlenswertes Buch für alle, die unzufrieden oder gar unglücklich in ihrem Job sind. Oder auch für alle, die einfach mal ihre „aktuelle Lage“ bewerten wollen. Auch wenn man eigentlich zufrieden im Job ist, ist das Buch quasi zur Prävention empfehlenswert, damit die Arbeitssituation auch weiterhin gut bleibt.
Das Buch ist meiner Meinung nach ein wirklich guter Ratgeber, sehr praxisnah und einfühlsam geschrieben, wobei der Autor sehr sympathisch und empathisch wirkt. Das Buch ist leicht und verständlich geschrieben.
Das Buch bietet zahlreiche Tipps, Praxisbeispiele und Fragestellungen, die einem helfen können bei der Entscheidung, ob man seinen Beruf bzw. die Arbeitsstelle wechseln möchte oder nicht.
Die Unterteilung in die drei Teile LOVE IT, CHANGE IT und LEAVE IT finde ich sehr gelungen.
Den größten Teil nimmt hierbei der Abschnitt CHANGE IT ein, was ich nachvollziehbar finde, da hier das größte Potential für mehr Zufriedenheit oder gar Glück im Job liegt.
Im Bereich LEAVE IT fand ich besonders gut die Betonung, dass es niemals gut ist, vorschnelle Entscheidungen zum Jobwechsel/Kündigen zu treffen. Es gibt hier viele hilfreiche Tipps und Fragestellungen, um hier gute Lösungen für sich zu finden.
Das Buch deckt vielfältige Themen ab, zum Beispiel Berufswahl und falsche Berufswahl, Krisen, Mobbing, Burnout, mangelnde Wertschätzung, schwierige Vorgesetzte, schlechtes Betriebsklima, Unter- und Überforderung, Sinnhaftigkeit, Gehalt, etc.
Das Buch ist ein wirklich gutes Tool, um herauszufinden, wo man aktuell steht, wo es ggf. hakt, wo man unzufrieden oder gar unglücklich ist. Sehr hilfreich finde ich hierbei auch den Fragebogen am Ende des Buchs. Auch die Praxisbeispiele im gesamten Buch empfand ich als sehr hilfreich, da sich viele Personen in den Beispielen wiederfinden können.
Insgesamt kann ich das Buch bedingungslos empfehlen. Ich werde es sicher noch öfter zur Hand nehmen und damit arbeiten. Es bietet viele Tipps und regt zum Nachdenken an.

Bewertung vom 09.03.2025
Matter, Kay

Muskeln aus Plastik (eBook, ePUB)


weniger gut

"Meinen großen wortlosen Schmerz...." - Heftiges Thema, Umsetzung konnte mich leider nicht berühren

In „Muskeln aus Plastik“ von Selma Kay Matter geht es um Kay. Kay kämpft mit den Folgen von Long Covid, in der Kindheit gab es auch schon andere Krankheiten, unter anderem Magersucht, was auch bis jetzt noch das Leben beeinflusst. Außerdem ist Kay trans und queer. Und hat Schmerzen, fast schon das ganze Leben lang.

“Ich hätte lieber Schmerzen gehabt, die positive Aufmerksamkeit brachten; einen Knochenbruch, eine Platzwunde; stattdessen wurde ich früh mit den Stigmata langsamer Erkrankungen versehen; Neurodermitis, Depression, Migräne, Allergien.”

Das Buch beschäftigt sich mit chronischer Erkrankung und mit Transness/Queerness, und es geht auch um dier Art und Weise, wie unsere Gesellschaft über „gesunde“ Körper nachdenkt und spricht.

"Ich frage, ob es überhaupt etwas anderes gibt als die bloße Abwesenheit von Schmerzen. Ich meine eine Art Nicht-Schmerz, der mehr ist als ein Negativ."

Ich finde es einigermaßen schwer dieses Buch zu bewerten, da es offensichtlich autofiktional bzw. (großteils) autobiografisch ist.
Das Thema an sich ist heftig und das Buch sehr persönlich.
Die Umsetzung konnte mich jedoch leider nicht wirklich begeistern.
Ich fand das Buch sehr, sehr anstrengend zu lesen. Schon der Schreibstil an sich ist nicht einfach, dazu störte für mein persönliches Empfinden die Tatsache, dass ständig zwischen Deutsch und Englisch gewechselt wird, zwar meist mit Übersetzung; aber fast jede Seite enthielt zudem zahlreiche Fußnoten, die das Lesen sehr anstrengend machten.
Ich hatte mir das Buch wahrscheinlich anders vorgestellt bzw etwas anderes erwartet. So bleibt zu sagen, dass das eine heftige persönliche Lebensgeschichte ist, die mich als Roman jedoch nicht wirklich überzeugen konnte. Vielleicht ist es auch mehr als Essay zu betrachten. So oder so fiel es mir leider sehr schwer, Sympathien bzw. Nähe zur*zum Autor*in herzustellen.
Dennoch meine Hochachtung, dass trotz einer chronischen Erkrankung die Umsetzung dieses Buches möglich war.

"Dieser Text beziehungsweise der Umstand, dass er noch nicht fertig ist, gehört definitiv zu den Dingen, die mich in den besonders aussichtslosen Phasen meiner Erkrankung davon abgehalten haben, die Hoffnung komplett aufzugeben. Darauf, dass ich nicht doomed bin. Darauf, dass es irgendwo für mich eine Zukunft gibt, in der mein Leben okay ist."

Bewertung vom 07.03.2025
van de Wijdeven, Herman

Die schlechteste Idee in der Geschichte der schlechten Ideen


ausgezeichnet

Anspruchsvoller Jugendroman über Freundschaft und Eifersucht


"So ist das also dachte ich. Das ist Mut. Sich etwas nicht zu trauen, es dann aber trotzdem zu tun."

„Die schlechteste Idee in der Geschichte der schlechten Ideen“ von von Herman van de Wijdeven ist ein wirklich guter Jugendroman. Er handelt von Juri und Bent, die die besten Freunde sind, in dieselbe Schulklasse gehen und auch in ihrer Freizeit alles gemeinsam machen. Zusammen sind sie doppelt so mutig und denken sich regelmäßig irgendwelche Mutproben füreinander aus.
Nach den Sommerferien kommt ein neuer Schüler, Finn, in ihre Klasse und Bent sieht seine Freundschaft mit Juri in Gefahr. Er ist eifersüchtig, als Juri plötzlich ständig mit Finn herumhängt. Und als Bent dann noch glaubt, Juri hätte Finn sein größtes und peinlichstes Geheimnis verraten, sieht Bent rot. Er fordert Juri zu einer lebensgefährlichen Mutprobe heraus ...

„Ich will das nicht, dachte ich, ich will das wirklich nicht. Ich hätte nie mitgehen sollen. Alles in mir hatte rebelliert, weil das hier eine schlechte Idee war. Die schlechteste Idee in der Geschichte der schlechten Ideen. Und ich würde es sicher bereuen.“

Ich fand das Buch unheimlich spannend geschrieben, besonders durch die Zeitsprünge in Vorher und Nachher, vor der gefährlichen Mutprobe und danach. Der Schreibstil des Autors und der Aufbau des Buchs haben mir gut gefallen.
Meiner Meinung nach ein wirklich empfehlenswertes und anspruchsvolles Jugendbuch, das sicher noch eine Weile nachhallen wird.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 07.03.2025
Lopez, Paola

Die Summe unserer Teile


gut

3 Frauen, 3 Länder, 3 Generationen - konnte mich leider nicht komplett begeistern

„Die Summe unserer Teile“ von Paola Lopez ist ein Roman über drei Frauen, drei Generationen, deren Leben sich über drei Länder verteilt hat. Die Geschichte umfasst den Zeitraum von 1944 bis 2014, hier gibt es immer wieder Zeitsprünge, was die Spannung aufrechterhält.
Lyudmiła musste damals aus Polen fliehen und wurde Wissenschaftlerin/Chemikerin im Libanon. Ihre Tochter, Daria, studierte Medizin in München und bekam eine Tochter, Lucy. Sie bricht nach einem Streit den Kontakt zu Lyudmiła ab. Auch Lucy bricht mit ihrer Mutter und zieht nach Berlin, wo sie studiert und mehr über die Vergangenheit ihrer Großmutter herausfinden möchte. Dazu macht sie sich auf die Reise nach Polen und muss sich überwinden, wieder mit ihrer Mutter zu reden.

Ich bin etwas zwiegestalten bei diesem Buch. Einerseits fand ich die Geschichte der drei Frauen dieser polnisch-libanesisch-deutschen Familie unheimlich interessan. Besonders was Lyudmiła und Daria in ihrem Leben alles erlebt haben, war sehr lesenswert. Trotzdem konnte ich mit den Figuren und der Geschichte leider nicht so ganz warm werden; ich weiß nicht ob es am Schreibstil lag, alles blieb irgendwie ein wenig distanziert. Vor allem mit Lucy hatte ich ziemliche Probleme, ich fand sie sehr ichbezogen und, wie soll ich sagen, verwöhnt; sie kam eher unsympathisch rüber. Das Ende des Buchs ist recht offen, was ich grundsätzlich nicht schlecht finde, aber ich hatte insgesamt einfach mehr erwartet von diesem Roman.
Mein Fazit: Eine durchaus interessante Geschichte, die mich aber leider nicht restlos überzeugen konnte.

"Auch als Mensch ist man das Produkt der Fürsorge, die einem entgegengebracht wurde, denkt Lucy."

"Ihre Mutter war nie nur eine Person, sie war schon immer mehrere gewesen. Sie selbst sagte häufig: "Wir sind mehr als die Summe unserer Teile", und als Kind tat Daria so, als verstünde sie, was ihre Mutter damit meinte."

"Nichts war so zweidimensional wie die lieblichen Bilderbücher mit ihren simplen Farbflächen. Am allerwenigsten die Menschen. Ihre Mutter zum Beispiel veränderte ständig ihre Beschaffenheit."

Bewertung vom 06.03.2025
Thorpe, Rufi

Only Margo


schlecht

Fragwürdige Botschaft für junge Frauen

"Only Margo" hatte mich vom Cover her irgendwie angesprochen und das Thema einer jungen Frau, die ungeplant von ihrem Professor schwanger wird und dadurch in finanzielle Nöte gerät, fand ich ganz interessant für ein Buch. Doch leider konnte mich die Umsetzung dann überhaupt nicht überzeugen.
Da ist zuerst der Schreibstil, der mich leider gar nicht begeistern konnte. Es störte den Lesefluss sehr, dass die Autorin im Wechsel in der 1. und 3. Person schreibt, wozu soll das gut sein? Ich fand das nicht besonders gelungen.
Insgesamt fand ich die Ausführung eher unrealistisch. Besonders zu Beginn fand ich die Protagonistin unglaublich dumm und naiv. Sie wird schwanger, weil sie zu nichts nein sagen kann, was ist das für ein Argument? Dann entscheidet sie, das Kind zu behalten, ist aber völlig naiv und ohne Plan, wie sie das schaffen soll. Sie macht sich keine Gedanken vorher, wie es mit Arbeit und Kinderbetreuung klappen könnte bzw. wie ein Leben mit Baby/Kind überhaupt aussehen würde. Das finde ich ziemlich blauäugig und unrealistisch, vor allem in der heutigen Zeit, wo es genügend Aufklärung und Zugang zu Informationen gibt.
Und genauso geht es weiter, sie trifft naive Entscheidungen und denkt immer zu kurz. Erst gegen Ende macht Margo immerhin eine gewisse Entwicklung, wird etwas reifer und übernimmt mehr Verantwortung für ihr Kind und ihr Leben. Aber das war mir nicht genug, um das Buch gut zu finden.
Auch wenn ich grundsätzlich niemanden für seine Lebensentscheidungen verurteile (im echten Leben), finde ich es keine gute Botschaft, dass es für Frauen okay sein sollte, mit ihrem Körper und Selbstdarstellungen im Internet Geld zu verdienen. Als Feministin sträuben sich mir da die Nackenhaare.
Welche Botschaft möchte dieses Buch vermitteln?
Ich finde es moralisch eher fragwürdig und finde, es werden hier ungute Werte vermittelt.
Außerdem bin ich kein Fan von KI und (zu viel an) Social Media. Geld übers Internet zu verdienen mit Selbstdarstellung ist nicht meine Welt; „Content Creating“ oder Selbstdarstellung über YouTube und andere Plattformen ist keine Arbeit, die ich als solche bezeichnen würde, auch wenn das anderen vielleicht altmodisch vorkommen mag. Nichts gegen Fortschritt und Veränderung, da bin ich voll dabei - dennoch gehen leider auch einige gute Werte verloren.
Das ist natürlich eine persönliche Meinung; aber von mir bekommt das Buch aufgrund seiner fragwürdigen Botschaft keine Empfehlung.

Bewertung vom 05.03.2025
Lugbauer, Eva

Schwimmen im Glas


ausgezeichnet

Großartiger Roman: Befreiung aus der dörflichen und patriarchalischen Enge

In „Schwimmen im Glas“ erzählt Eva Lugbauer die Geschichte von Lore, die mit ihren beiden Brüdern in den 90er Jahren behütet in einem Dorf aufwächst. Ihr Vater ist Bürgermeister, ihre Mutter Teilzeit-Sekretärin im Pfarramt. Lore hat ein sehr enges Verhältnis zu ihren Großeltern. Da herrschen aber auch strenge Regeln, vor allem dem Großvater „ist vieles nicht recht“ und die Großmutter ist gefangen in den damaligen sozialen Strukturen und festgeschriebenen Geschlechterrollen. Auch Lore ist ständig damit konfrontiert, was sie als Mädchen darf und nicht darf, was Jungen können und Mädchen nicht, wie Mädchen sein sollen und wie nicht.
Und dann gibt es da noch Tante Ursula, die ohne Mann „als Emanze“ in der Stadt lebt, als Lehrerin und Künstlerin arbeitet. Wenn sie mal zu Besuch aufs Land kommt, sorgt das jedes Mal für Diskussionen im Familienkreis, da sie mit ihren aufgeklärten Ansichten regelmäßig aneckt. Doch Lore ist fasziniert von Ursula; sie besucht sie regelmäßig in der Stadt und lernt dort eine ganz neue Welt kennen.
Eva Lugbauer spricht aus der Perspektive der heranwachsenden Lore, aus Sicht der 10- bis 12jährigen, dazwischen gibt es Einschübe mit einem Blick aufs Leben der erwachsenen Lore. Diese Erzählweise fand ich sehr schön gemacht und meisterhaft gelungen.
Der Schreibstil von Eva Lugbauer ist etwas ganz Besonderes, ihr Erzählweise gefällt mir ausgesprochen gut. Man konnte die Stimmung in Lores Kindheit sehr gut nachfühlen, alles war sehr authentisch und greifbar dargestellt: Die bedrückende Enge des Dorfes und die patriarchalen Strukturen, die Allmacht des Großvaters und die Oberhand der Männer im Allgemeinen. Stellenweise war ich direkt in meine eigene Kindheit im Dorf zurückversetzt, in die typischen ländlichen Denkweisen und Regeln, weshalb mich das Buch vielleicht ganz besonders berührt und bewegt hat.
Ich bin restlos begeistert von diesem berührenden und eindrücklichen Roman.
Das ist schon jetzt eines meiner Jahres-Highlights!

"Lore sucht. Und sie wartet. Worauf? Dass der Großvater nach ihr ruft, wie er nach Samuel gerufen hat? Komm, hilf mir, Lore. Schlag einen Nagel ein. Schmirgle die Späne ab. Bring mir den Leim. Bauen wir das Kreuz. Wir. Und ich erzähle Dir, was vor neunundvierzig Jahren gewesen ist. Aber niemand ruft. Lore ist, als hätte sich eine Glaswand quer über die Wiese geschoben. Zwischen ihr und dem Großvater, ihr und dem Bruder, ihr und den Männern ist diese unsichtbare Wand und Lore kommt nicht durch, kann nur zusehen aus der Ferne, kann nur stehen und betrachten, kann nur warten."

"Fest steht, die Jungfrau Maria ist besonders für die Frauen da. Das sagt die Großmutter. Wenn eine Frau bete, dann müsse sie nicht sofort zum Chef, sprich Herrgott rennen. Außer es sei wirklich wichtig. Wenn es nur mittelwichtig sei, könne sie es fürs erste bei der Frau, der Himmelmutter versuchen. Die würde dann mit dem Mann, dem Himmelvater reden. Der Herrgott habe schließlich genug zu tun und wohl meistens Wichtiges."

"Lore schließt die Augen, wünscht sich, von der Musik verschluckt zu werden. Von einer Wand verschluckt zu werden. Von der Welt verschluckt zu werden oder vom All. Er kommt immer wieder, dieser Wunsch: Verschwinden. Du willst nichts werden. Du willst sein. Sein, wie du bist. Aber wie bist du? Du bist in dir gefangen. Du willst aus dir hinaus. Aber wo ist der Ausgang?"

"Lore bleibt einen Augenblick stehen, betrachtet das Großelternhaus von außen. Es steht hier, denkt sie, als wäre es schon immer hier gestanden, als würde es nicht zerfallen, als wäre die Mauer unzerstörbar. Aber ist es nicht viel mehr als eine Mauer, dieses Haus? Eine Mauer mit Fenstern, Balkon und einem Dach? Das Haus ist Vergangenheit, Erinnerung und Speicher, Hirn. Es ist: Alle Gedanken, die darin geschwebt sind, alle Sätze, die darin gesprochen wurden, gemurmelt, geflüstert oder verschwiegen, vergessen, nicht gesagt. Alle Berührungen, die darin stattgefunden oder nicht stattgefunden haben, alle Fingerzeige und Zärtlichkeiten. Gestik. Mimik. All das hat dich gemacht, denkt Lore. Aber wie genau geht es, dieses Gemachtwerden? Welche Sätze, Gedanken, Gesten, Fingerzeige und Zärtlichkeiten sind es gewesen, die sie geformt haben?"

„Du wirst dreißig, vierzig, fünfundvierzig und die Sehnsucht nach dem Meer bleibt. Die Sehnsucht nach dem Blau. Die Sehnsucht nach der Freiheit auch. Auch wenn du längst weißt, dass Freiheit eine Illusion ist, unmöglich, ohne in der Einsamkeit zu versinken. Und selbst wenn du dich für die Freiheit der Einsamkeit entscheiden würdest, hättest du deinen Körper, hättest du die Erde, die Wolken und den Himmel, von denen du abhängst. An die du gebunden bis, mit denen du verbunden bist. Auch wenn du längst weißt, das Blau gibt es nicht ohne das Schwarz.“

"Weil nichts ist, und alles wird. Weil alles ein ständiges Werden ist."

Bewertung vom 02.03.2025
Lohmann, Eva

Wie du mich ansiehst


ausgezeichnet

Mit welchem Blick wollen wir uns sehen (und gesehen werden)?


Ich habe schon einiges von Eva Lohmann gelesen, zuletzt begeisterte mich ihr wundervoller Roman „Das leise Platzen unserer Träume“. Umso mehr habe ich mich auf ihren neuen Roman „Wie du mich ansiehst“ gefreut.
Das Buch spricht auf sehr leichte und angenehm geschriebene Art mehrere wichtige Themen an: das Älterwerden, die „Schönheit“ (Schönheitsideale, Schönheitsindustrie, ...), Mutterschaft und anderes.
Johanna hat die Vierzig überschritten, ist Mutter einer fünfzehnjährigen Tochter. Und sie fühlt sich nicht mehr so wohl in ihrer Haut, fühlt sich nicht mehr attraktiv (genug), nicht mehr „gesehen“. Von ihrem Mann und von Männern im allgemeinen. Deshalb lässt sie sich in kleinen Dosen Botox und Hyaluron spritzen, doch dann lässt sie mehr machen und muss sich, als es (endlich) auch ihr Mann/andere sehen, rechtfertigen, weshalb sie dies tut. Am schwierigsten ist es, dies ihrer Tochter zu erklären, der sie doch immer sagte, das Aussehen sei nicht wichtig.
Zusätzlich muss Johanna noch den Tod ihres Vaters verkraften. Er hat ihr einen Garten hinterlassen, der nach einem Streit mit ihrem Mann zu ihrem Zufluchtsort wird.
Eva Lohmann ist eine sehr kluge Erzählerin, man findet sich in ihren Worten und Beschreibungen gut wieder. Es ist eher ein Buch der leisen Töne, aber ich fand es einfach wundervoll und klug geschrieben. Ein Aufruf, sich bedingungslos zu lieben und im Älterwerden auch etwas Positives zu sehen. Ganz klare Leseempfehlung von mir!

"Dann aber schärft sie ihren Blick und versucht, sich mit den Augen eines Fremden zu sehen. Mit den Augen eines Mannes. Sie betrachtet die kleinen Fältchen um ihre Augen. Die etwas größere Falte über der Nasenwurzel. Und dann ihr Gesicht im Ganzen.
Da ist etwas, dass ihr schon öfter aufgefallen ist in den letzten Monaten. An ihr selbst, an ihren Freundinnen, eigentlich grundsätzlich an Menschen, die die Vierzig überschritten haben. Sie sind immer noch dieselben, man altert nicht über Nacht, und trotzdem, da ist etwas in den Gesichtern, für das Johanna nur ein einziges Wort einfällt. Wir sind alle erschüttert, denkt sie."

„Schönsein ist absolut akzeptiert, Schönsein-wollen seltsamerweise nicht.“

"Diese ersten Zeichen der Alterung, die ihr Körper jetzt gerade aufzeigt, werden ihr in nicht allzu weiter Zukunft vollkommen belanglos vorkommen, mehr sogar: Es wird der Tag kommen, an dem sie sich wünschen wird, ihr einziges Problem wäre eine kleine Falte zwischen den Augen.
In diesem Moment, in diesem Wartezimmer wird es ihr bewusst: ihre Jugend rieselt ihr wie eine unwiederbringliche Ressource durch die Finger. Altern ist kein reversibler Zustand. Nicht wie ein Körper, der ab- und wieder zunimmt. Kein Glück, das mal mehr und mal weniger da ist. Keine Liebesgeschichte, die sich immer wieder erneuert. Beim Altern gibt es nur eine Richtung."

"Es macht sie wütend, dass Hendrik das nicht versteht. Dass er nicht weiß, wie es sich anfühlt, im Körper eines Mädchens aufzuwachsen. Diesen Körper beim Wachsen zuzusehen - und für diesen Körper beschämt zu werden, auf immer wieder neue Weise, von Männern jeglichen Alters. Beschämt, bewertet, beurteilt."

Bewertung vom 28.02.2025
Friese, Julia

delulu


ausgezeichnet

Sehr wirr ... Nach dem großartigen "MTTR" leider für mich eine absolute Enttäuschung


Es ist mir schon lange nicht mehr so schwer gefallen ein Buch zu bewerten.

Und ich muss vorab auch ausdrücklich betonen, dass ich den Debütroman "MTTR" von Julia Friese wirklich großartig fand, sprachlich wie inhaltlich. Das ist ein ganz besonderes Buch, außergewöhnlicher Schreibstil, wirklich eine Leseempfehlung (wenn auch nicht ganz einfach zu lesen).

Daher war ich umso erfreuter, als ich von ihrer Neuveröffentlichung von "delulu. Der Roman" erfuhr. Leider muss ich sagen, dass ich schon lange nicht mehr so enttäuscht von einem Buch war, auf dessen Erscheinen ich mich gefreut hatte.

Erstmal zum Inhalt (den Klappentext kann ja jeder selbst nachlesen):
Es geht hier um Res (und das ist dann auch schon das einzige, was ich hier verstanden habe in diesem Buch), die ihr Idol Frances Scott trifft. Oder auch nicht. Oder es nur träumt.... das weiß die/der Leser*in nicht so ganz (ich jedenfalls nicht).

Ja, der Inhalt laut Klappentext klingt schon von vorneherein "speziell" und eher wild. Aber DARAUF war ich dann wohl doch nicht vorbereitet. Ich dachte einfach nur: What????
Ja, Julia Friese kann schreiben, sprachlich waren da schon ein paar interessante Sätze dabei.
Aber insgesamt habe ich mich einfach die ganze Zeit gefragt: Was will die Autorin mir sagen???

Vielleicht war es einfach nicht das richtige Buch für mich.
Ich habe nichts verstanden.
Mir hat dieses Buch schlicht und ergreifend überhaupt nicht zugesagt.

Bewertung vom 28.02.2025
Friese, Julia

MTTR


sehr gut

Nicht einfach zu lesen, aber sehr lesenswert

Der Roman „MTTR“ von Julia Friese ist ein Buch, das zwangsläufig polarisieren muss. Es ist weder sprachlich noch inhaltlich leicht zu lesen – aber durchaus lesenswert. Doch hier gehen die Meinungen sicher auseinander; wie immer ist es Geschmackssache.
Der Roman erzählt Teresas Leben, vom Kinderwunsch über die Schwangerschaft bis hin zur Mutterschaft und der Rückkehr in den Beruf. Auf diese Weise hat das vorher noch niemand geschrieben. Der Schreibstil ist herausfordernd, aber außergewöhnlich (gut).
Sehr authentisch und glaubhaft wurden hier die Gedanken der Protagonistin übermittelt, ihre Zweifel und auch der gesellschaftliche Druck. Man begreift, wie eigene negative Erfahrungen in der Kindheit auch die eigene Mutterschaft und das spätere Leben beeinflussen.
Interesant fand ich auch die Wahl des Titels MTTR, was „Meantime to Recover/Repair“ bedeutet und sehr gut zum Thema Mutterwerden/Muttersein passt.
Schwangeren würde ich das Buch eher nicht empfehlen, aber allen mit Kinderwunsch oder allen, die schon Kinder haben und mal etwas ganz anders geartetes zu dem Thema lesen wollen.
Mein Fazit: eine anspruchsvolle, aber gleichzeitig sehr lesenswerte Lektüre!

"Nicht hochgucken. Auf das Kassenband. Schwangerschaftstests und Folsäure wie Rasierklingen und Schlaftabletten. Waffen.
Für Frauen die sich den Puls nicht auf-, sondern nur ein bisschen anritzen wollen. Die im eigenen Leben zurücktreten wollen Punkt hinter sich. Neben sich. Ganz langsam. Ausbluten und nie wieder wach sein Punkt bleiben, aber verschwinden. Holäutig. Rundwangig. Ein Hologramm mit zwei "m". Mama."

"Und ich war erleichtert. Jedes Mal erleichtert und am Boden zerstört. Ich verstand es nicht. Verstand nicht mal, was ich hier machte. Was war das? Etwas, über das ich nicht redete, das mit mir ausgeführt wurde. Ein Modus, der mit mir ablief. Warum weiß ich nicht. Auch Tage später, wenn ich zu bluten begann, wieder der Modus. Und mit ihm die innere Leere. Mein Blut schien mir zu bestätigen, was das Außen so häufig signalisierte: du nicht. Egal, ob sechs Tage früher oder später. Du bist unbewohnbar. Allein. Mit dir und in dir allein."

"Ich sagte, ich weiß es nicht, ob das so eine gute Idee ist. Ein Kind. Ist das nicht das Naivste, was man nur wollen kann? Ein Kind. Was will man eigentlich, wenn man sagt, man will ein Kind. Das ist überhaupt nichts Konkretes. Und man sagt doch bewusst ein Kind. Denn man kennt das Kind nicht. Kann es nicht kennen. Noch nicht. Falls man es je kennt. Erkennt. So oder so lässt man sich auf etwas Unbekanntes ein. Man sagt: ich will, dass etwas Unbekanntes mit mir passiert. Mit uns. Das ist der Anfang."

"Es ist doch das Schönste, sagt meine Mutter. Das Mutterglück, sagt sie. Und ich schaue sie an und weiß nicht, wer da durch sie spricht. Mutterglück. Ich - will ich sagen - bin deine Tochter. Ich weiß doch, dass du nie glücklich warst. Dass dich das überfordert hat. Das Muttersein. Dass du daran verzweifelt bist. Dass das überhaupt nichts für dich war. Wie kann das sein. Dass du sagst, Kinder kriegen ist das Schönste. Wie passt das."

"Wenn man etwas machen kann, ist es immer weniger attraktiv, als es schien, während man es nicht machen konnte. Im Nichtkönnen liegt Sehnsucht, im Alleskönnen nur Lethargie."