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CK
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Raum Stuttgart

Bewertungen

Insgesamt 197 Bewertungen
Bewertung vom 06.03.2025
Only Margo
Thorpe, Rufi

Only Margo


schlecht

Fragwürdige Botschaft für junge Frauen

"Only Margo" hatte mich vom Cover her irgendwie angesprochen und das Thema einer jungen Frau, die ungeplant von ihrem Professor schwanger wird und dadurch in finanzielle Nöte gerät, fand ich ganz interessant für ein Buch. Doch leider konnte mich die Umsetzung dann überhaupt nicht überzeugen.
Da ist zuerst der Schreibstil, der mich leider gar nicht begeistern konnte. Es störte den Lesefluss sehr, dass die Autorin im Wechsel in der 1. und 3. Person schreibt, wozu soll das gut sein? Ich fand das nicht besonders gelungen.
Insgesamt fand ich die Ausführung eher unrealistisch. Besonders zu Beginn fand ich die Protagonistin unglaublich dumm und naiv. Sie wird schwanger, weil sie zu nichts nein sagen kann, was ist das für ein Argument? Dann entscheidet sie, das Kind zu behalten, ist aber völlig naiv und ohne Plan, wie sie das schaffen soll. Sie macht sich keine Gedanken vorher, wie es mit Arbeit und Kinderbetreuung klappen könnte bzw. wie ein Leben mit Baby/Kind überhaupt aussehen würde. Das finde ich ziemlich blauäugig und unrealistisch, vor allem in der heutigen Zeit, wo es genügend Aufklärung und Zugang zu Informationen gibt.
Und genauso geht es weiter, sie trifft naive Entscheidungen und denkt immer zu kurz. Erst gegen Ende macht Margo immerhin eine gewisse Entwicklung, wird etwas reifer und übernimmt mehr Verantwortung für ihr Kind und ihr Leben. Aber das war mir nicht genug, um das Buch gut zu finden.
Auch wenn ich grundsätzlich niemanden für seine Lebensentscheidungen verurteile (im echten Leben), finde ich es keine gute Botschaft, dass es für Frauen okay sein sollte, mit ihrem Körper und Selbstdarstellungen im Internet Geld zu verdienen. Als Feministin sträuben sich mir da die Nackenhaare.
Welche Botschaft möchte dieses Buch vermitteln?
Ich finde es moralisch eher fragwürdig und finde, es werden hier ungute Werte vermittelt.
Außerdem bin ich kein Fan von KI und (zu viel an) Social Media. Geld übers Internet zu verdienen mit Selbstdarstellung ist nicht meine Welt; „Content Creating“ oder Selbstdarstellung über YouTube und andere Plattformen ist keine Arbeit, die ich als solche bezeichnen würde, auch wenn das anderen vielleicht altmodisch vorkommen mag. Nichts gegen Fortschritt und Veränderung, da bin ich voll dabei - dennoch gehen leider auch einige gute Werte verloren.
Das ist natürlich eine persönliche Meinung; aber von mir bekommt das Buch aufgrund seiner fragwürdigen Botschaft keine Empfehlung.

Bewertung vom 05.03.2025
Schwimmen im Glas
Lugbauer, Eva

Schwimmen im Glas


ausgezeichnet

Großartiger Roman: Befreiung aus der dörflichen und patriarchalischen Enge

In „Schwimmen im Glas“ erzählt Eva Lugbauer die Geschichte von Lore, die mit ihren beiden Brüdern in den 90er Jahren behütet in einem Dorf aufwächst. Ihr Vater ist Bürgermeister, ihre Mutter Teilzeit-Sekretärin im Pfarramt. Lore hat ein sehr enges Verhältnis zu ihren Großeltern. Da herrschen aber auch strenge Regeln, vor allem dem Großvater „ist vieles nicht recht“ und die Großmutter ist gefangen in den damaligen sozialen Strukturen und festgeschriebenen Geschlechterrollen. Auch Lore ist ständig damit konfrontiert, was sie als Mädchen darf und nicht darf, was Jungen können und Mädchen nicht, wie Mädchen sein sollen und wie nicht.
Und dann gibt es da noch Tante Ursula, die ohne Mann „als Emanze“ in der Stadt lebt, als Lehrerin und Künstlerin arbeitet. Wenn sie mal zu Besuch aufs Land kommt, sorgt das jedes Mal für Diskussionen im Familienkreis, da sie mit ihren aufgeklärten Ansichten regelmäßig aneckt. Doch Lore ist fasziniert von Ursula; sie besucht sie regelmäßig in der Stadt und lernt dort eine ganz neue Welt kennen.
Eva Lugbauer spricht aus der Perspektive der heranwachsenden Lore, aus Sicht der 10- bis 12jährigen, dazwischen gibt es Einschübe mit einem Blick aufs Leben der erwachsenen Lore. Diese Erzählweise fand ich sehr schön gemacht und meisterhaft gelungen.
Der Schreibstil von Eva Lugbauer ist etwas ganz Besonderes, ihr Erzählweise gefällt mir ausgesprochen gut. Man konnte die Stimmung in Lores Kindheit sehr gut nachfühlen, alles war sehr authentisch und greifbar dargestellt: Die bedrückende Enge des Dorfes und die patriarchalen Strukturen, die Allmacht des Großvaters und die Oberhand der Männer im Allgemeinen. Stellenweise war ich direkt in meine eigene Kindheit im Dorf zurückversetzt, in die typischen ländlichen Denkweisen und Regeln, weshalb mich das Buch vielleicht ganz besonders berührt und bewegt hat.
Ich bin restlos begeistert von diesem berührenden und eindrücklichen Roman.
Das ist schon jetzt eines meiner Jahres-Highlights!

"Lore sucht. Und sie wartet. Worauf? Dass der Großvater nach ihr ruft, wie er nach Samuel gerufen hat? Komm, hilf mir, Lore. Schlag einen Nagel ein. Schmirgle die Späne ab. Bring mir den Leim. Bauen wir das Kreuz. Wir. Und ich erzähle Dir, was vor neunundvierzig Jahren gewesen ist. Aber niemand ruft. Lore ist, als hätte sich eine Glaswand quer über die Wiese geschoben. Zwischen ihr und dem Großvater, ihr und dem Bruder, ihr und den Männern ist diese unsichtbare Wand und Lore kommt nicht durch, kann nur zusehen aus der Ferne, kann nur stehen und betrachten, kann nur warten."

"Fest steht, die Jungfrau Maria ist besonders für die Frauen da. Das sagt die Großmutter. Wenn eine Frau bete, dann müsse sie nicht sofort zum Chef, sprich Herrgott rennen. Außer es sei wirklich wichtig. Wenn es nur mittelwichtig sei, könne sie es fürs erste bei der Frau, der Himmelmutter versuchen. Die würde dann mit dem Mann, dem Himmelvater reden. Der Herrgott habe schließlich genug zu tun und wohl meistens Wichtiges."

"Lore schließt die Augen, wünscht sich, von der Musik verschluckt zu werden. Von einer Wand verschluckt zu werden. Von der Welt verschluckt zu werden oder vom All. Er kommt immer wieder, dieser Wunsch: Verschwinden. Du willst nichts werden. Du willst sein. Sein, wie du bist. Aber wie bist du? Du bist in dir gefangen. Du willst aus dir hinaus. Aber wo ist der Ausgang?"

"Lore bleibt einen Augenblick stehen, betrachtet das Großelternhaus von außen. Es steht hier, denkt sie, als wäre es schon immer hier gestanden, als würde es nicht zerfallen, als wäre die Mauer unzerstörbar. Aber ist es nicht viel mehr als eine Mauer, dieses Haus? Eine Mauer mit Fenstern, Balkon und einem Dach? Das Haus ist Vergangenheit, Erinnerung und Speicher, Hirn. Es ist: Alle Gedanken, die darin geschwebt sind, alle Sätze, die darin gesprochen wurden, gemurmelt, geflüstert oder verschwiegen, vergessen, nicht gesagt. Alle Berührungen, die darin stattgefunden oder nicht stattgefunden haben, alle Fingerzeige und Zärtlichkeiten. Gestik. Mimik. All das hat dich gemacht, denkt Lore. Aber wie genau geht es, dieses Gemachtwerden? Welche Sätze, Gedanken, Gesten, Fingerzeige und Zärtlichkeiten sind es gewesen, die sie geformt haben?"

„Du wirst dreißig, vierzig, fünfundvierzig und die Sehnsucht nach dem Meer bleibt. Die Sehnsucht nach dem Blau. Die Sehnsucht nach der Freiheit auch. Auch wenn du längst weißt, dass Freiheit eine Illusion ist, unmöglich, ohne in der Einsamkeit zu versinken. Und selbst wenn du dich für die Freiheit der Einsamkeit entscheiden würdest, hättest du deinen Körper, hättest du die Erde, die Wolken und den Himmel, von denen du abhängst. An die du gebunden bis, mit denen du verbunden bist. Auch wenn du längst weißt, das Blau gibt es nicht ohne das Schwarz.“

"Weil nichts ist, und alles wird. Weil alles ein ständiges Werden ist."

Bewertung vom 02.03.2025
Wie du mich ansiehst
Lohmann, Eva

Wie du mich ansiehst


ausgezeichnet

Mit welchem Blick wollen wir uns sehen (und gesehen werden)?


Ich habe schon einiges von Eva Lohmann gelesen, zuletzt begeisterte mich ihr wundervoller Roman „Das leise Platzen unserer Träume“. Umso mehr habe ich mich auf ihren neuen Roman „Wie du mich ansiehst“ gefreut.
Das Buch spricht auf sehr leichte und angenehm geschriebene Art mehrere wichtige Themen an: das Älterwerden, die „Schönheit“ (Schönheitsideale, Schönheitsindustrie, ...), Mutterschaft und anderes.
Johanna hat die Vierzig überschritten, ist Mutter einer fünfzehnjährigen Tochter. Und sie fühlt sich nicht mehr so wohl in ihrer Haut, fühlt sich nicht mehr attraktiv (genug), nicht mehr „gesehen“. Von ihrem Mann und von Männern im allgemeinen. Deshalb lässt sie sich in kleinen Dosen Botox und Hyaluron spritzen, doch dann lässt sie mehr machen und muss sich, als es (endlich) auch ihr Mann/andere sehen, rechtfertigen, weshalb sie dies tut. Am schwierigsten ist es, dies ihrer Tochter zu erklären, der sie doch immer sagte, das Aussehen sei nicht wichtig.
Zusätzlich muss Johanna noch den Tod ihres Vaters verkraften. Er hat ihr einen Garten hinterlassen, der nach einem Streit mit ihrem Mann zu ihrem Zufluchtsort wird.
Eva Lohmann ist eine sehr kluge Erzählerin, man findet sich in ihren Worten und Beschreibungen gut wieder. Es ist eher ein Buch der leisen Töne, aber ich fand es einfach wundervoll und klug geschrieben. Ein Aufruf, sich bedingungslos zu lieben und im Älterwerden auch etwas Positives zu sehen. Ganz klare Leseempfehlung von mir!

"Dann aber schärft sie ihren Blick und versucht, sich mit den Augen eines Fremden zu sehen. Mit den Augen eines Mannes. Sie betrachtet die kleinen Fältchen um ihre Augen. Die etwas größere Falte über der Nasenwurzel. Und dann ihr Gesicht im Ganzen.
Da ist etwas, dass ihr schon öfter aufgefallen ist in den letzten Monaten. An ihr selbst, an ihren Freundinnen, eigentlich grundsätzlich an Menschen, die die Vierzig überschritten haben. Sie sind immer noch dieselben, man altert nicht über Nacht, und trotzdem, da ist etwas in den Gesichtern, für das Johanna nur ein einziges Wort einfällt. Wir sind alle erschüttert, denkt sie."

„Schönsein ist absolut akzeptiert, Schönsein-wollen seltsamerweise nicht.“

"Diese ersten Zeichen der Alterung, die ihr Körper jetzt gerade aufzeigt, werden ihr in nicht allzu weiter Zukunft vollkommen belanglos vorkommen, mehr sogar: Es wird der Tag kommen, an dem sie sich wünschen wird, ihr einziges Problem wäre eine kleine Falte zwischen den Augen.
In diesem Moment, in diesem Wartezimmer wird es ihr bewusst: ihre Jugend rieselt ihr wie eine unwiederbringliche Ressource durch die Finger. Altern ist kein reversibler Zustand. Nicht wie ein Körper, der ab- und wieder zunimmt. Kein Glück, das mal mehr und mal weniger da ist. Keine Liebesgeschichte, die sich immer wieder erneuert. Beim Altern gibt es nur eine Richtung."

"Es macht sie wütend, dass Hendrik das nicht versteht. Dass er nicht weiß, wie es sich anfühlt, im Körper eines Mädchens aufzuwachsen. Diesen Körper beim Wachsen zuzusehen - und für diesen Körper beschämt zu werden, auf immer wieder neue Weise, von Männern jeglichen Alters. Beschämt, bewertet, beurteilt."

Bewertung vom 28.02.2025
delulu
Friese, Julia

delulu


ausgezeichnet

Sehr wirr ... Nach dem großartigen "MTTR" leider für mich eine absolute Enttäuschung


Es ist mir schon lange nicht mehr so schwer gefallen ein Buch zu bewerten.

Und ich muss vorab auch ausdrücklich betonen, dass ich den Debütroman "MTTR" von Julia Friese wirklich großartig fand, sprachlich wie inhaltlich. Das ist ein ganz besonderes Buch, außergewöhnlicher Schreibstil, wirklich eine Leseempfehlung (wenn auch nicht ganz einfach zu lesen).

Daher war ich umso erfreuter, als ich von ihrer Neuveröffentlichung von "delulu. Der Roman" erfuhr. Leider muss ich sagen, dass ich schon lange nicht mehr so enttäuscht von einem Buch war, auf dessen Erscheinen ich mich gefreut hatte.

Erstmal zum Inhalt (den Klappentext kann ja jeder selbst nachlesen):
Es geht hier um Res (und das ist dann auch schon das einzige, was ich hier verstanden habe in diesem Buch), die ihr Idol Frances Scott trifft. Oder auch nicht. Oder es nur träumt.... das weiß die/der Leser*in nicht so ganz (ich jedenfalls nicht).

Ja, der Inhalt laut Klappentext klingt schon von vorneherein "speziell" und eher wild. Aber DARAUF war ich dann wohl doch nicht vorbereitet. Ich dachte einfach nur: What????
Ja, Julia Friese kann schreiben, sprachlich waren da schon ein paar interessante Sätze dabei.
Aber insgesamt habe ich mich einfach die ganze Zeit gefragt: Was will die Autorin mir sagen???

Vielleicht war es einfach nicht das richtige Buch für mich.
Ich habe nichts verstanden.
Mir hat dieses Buch schlicht und ergreifend überhaupt nicht zugesagt.

Bewertung vom 28.02.2025
MTTR
Friese, Julia

MTTR


sehr gut

Nicht einfach zu lesen, aber sehr lesenswert

Der Roman „MTTR“ von Julia Friese ist ein Buch, das zwangsläufig polarisieren muss. Es ist weder sprachlich noch inhaltlich leicht zu lesen – aber durchaus lesenswert. Doch hier gehen die Meinungen sicher auseinander; wie immer ist es Geschmackssache.
Der Roman erzählt Teresas Leben, vom Kinderwunsch über die Schwangerschaft bis hin zur Mutterschaft und der Rückkehr in den Beruf. Auf diese Weise hat das vorher noch niemand geschrieben. Der Schreibstil ist herausfordernd, aber außergewöhnlich (gut).
Sehr authentisch und glaubhaft wurden hier die Gedanken der Protagonistin übermittelt, ihre Zweifel und auch der gesellschaftliche Druck. Man begreift, wie eigene negative Erfahrungen in der Kindheit auch die eigene Mutterschaft und das spätere Leben beeinflussen.
Interesant fand ich auch die Wahl des Titels MTTR, was „Meantime to Recover/Repair“ bedeutet und sehr gut zum Thema Mutterwerden/Muttersein passt.
Schwangeren würde ich das Buch eher nicht empfehlen, aber allen mit Kinderwunsch oder allen, die schon Kinder haben und mal etwas ganz anders geartetes zu dem Thema lesen wollen.
Mein Fazit: eine anspruchsvolle, aber gleichzeitig sehr lesenswerte Lektüre!

"Nicht hochgucken. Auf das Kassenband. Schwangerschaftstests und Folsäure wie Rasierklingen und Schlaftabletten. Waffen.
Für Frauen die sich den Puls nicht auf-, sondern nur ein bisschen anritzen wollen. Die im eigenen Leben zurücktreten wollen Punkt hinter sich. Neben sich. Ganz langsam. Ausbluten und nie wieder wach sein Punkt bleiben, aber verschwinden. Holäutig. Rundwangig. Ein Hologramm mit zwei "m". Mama."

"Und ich war erleichtert. Jedes Mal erleichtert und am Boden zerstört. Ich verstand es nicht. Verstand nicht mal, was ich hier machte. Was war das? Etwas, über das ich nicht redete, das mit mir ausgeführt wurde. Ein Modus, der mit mir ablief. Warum weiß ich nicht. Auch Tage später, wenn ich zu bluten begann, wieder der Modus. Und mit ihm die innere Leere. Mein Blut schien mir zu bestätigen, was das Außen so häufig signalisierte: du nicht. Egal, ob sechs Tage früher oder später. Du bist unbewohnbar. Allein. Mit dir und in dir allein."

"Ich sagte, ich weiß es nicht, ob das so eine gute Idee ist. Ein Kind. Ist das nicht das Naivste, was man nur wollen kann? Ein Kind. Was will man eigentlich, wenn man sagt, man will ein Kind. Das ist überhaupt nichts Konkretes. Und man sagt doch bewusst ein Kind. Denn man kennt das Kind nicht. Kann es nicht kennen. Noch nicht. Falls man es je kennt. Erkennt. So oder so lässt man sich auf etwas Unbekanntes ein. Man sagt: ich will, dass etwas Unbekanntes mit mir passiert. Mit uns. Das ist der Anfang."

"Es ist doch das Schönste, sagt meine Mutter. Das Mutterglück, sagt sie. Und ich schaue sie an und weiß nicht, wer da durch sie spricht. Mutterglück. Ich - will ich sagen - bin deine Tochter. Ich weiß doch, dass du nie glücklich warst. Dass dich das überfordert hat. Das Muttersein. Dass du daran verzweifelt bist. Dass das überhaupt nichts für dich war. Wie kann das sein. Dass du sagst, Kinder kriegen ist das Schönste. Wie passt das."

"Wenn man etwas machen kann, ist es immer weniger attraktiv, als es schien, während man es nicht machen konnte. Im Nichtkönnen liegt Sehnsucht, im Alleskönnen nur Lethargie."

Bewertung vom 28.02.2025
Frei sein  (Mängelexemplar)

Frei sein (Mängelexemplar)


ausgezeichnet

Wichtiges und kluges Buch:
„Die Freiheit, die Menschen zu sein, die wir sind.“


Die Anthologie „Frei sein! Das Ringen um unseren höchsten Wert“, herausgegeben von Tanja Raich, beinhaltet Texte von zwanzig Autor:innen rund um das Thema „Freiheit“. Diese Beiträge fallen ganz unterschiedlich aus, sind aber allesamt sehr interessant und lesenswert. Die Autor:innen beschäftigen sich mit Aspekten der Freiheit in Bezug auf Körper, Arbeit, Klasse, Liebe, Sex, Feminismus, Literatur, Konsum und so weiter.

"Freiheit entzündet etwas in uns, vielleicht das, was wir (auch) mit dem Menschsein verbinden oder uns zumindest vom Menschsein wünschen."

"Gerade deshalb ist es ein Begriff, der für jede neue Revolution, für jede neue Bewegung notwendig bleibt, nichts anderes steht immer noch so sinnbildlich für Selbstbestimmung und Gleichberechtigung. Wir wollen frei sein. Wir wollen in einer freien Gesellschaft leben, doch scheitert dieses Wort vor allem und gerade an diesem Wir. Wer spricht hier von Freiheit, und von welcher Freiheit ist überhaupt die Rede?"

"Was ist überhaupt eine "freie" Gesellschaft, und worin ist unsere ganz persönliche Freiheit begründet? Kurzum: Wie frei sind wir wirklich, und was braucht es, um frei zu sein?"

Mich persönlich haben ganz besonders die Beiträge von Elisabeth Wellershaus, Linus Giese, Luna Al-Mousli, Ninia LaGrande, Sophia Süßmilch, Şeyda Kurt, Marlene Engelhort, Madita Oeming, Jayrôme C. Robinet, Franziska Hauser und Alexandra Stanić bewegt und beührt.

Meiner Meinung nach ein wirklich sehr lesenswertes und kluges Buch, das viel Stoff zum Nachdenken bietet. Ganz klare Empfehlung von mir!

„Unfreie, die sich für frei halten, kämpfen nicht mehr.“ Madita Oeming

"Genau das steckt für mich in dem Satz "Leben und lesen lassen": Die Freiheit, die Menschen zu sein, die wir sind - ohne Angst ohne Scham und ohne dafür angefeindet oder bedroht zu werden." - Linus Giese

„Freiheit ist: das bisschen letzte Hoffnung, dass es anders werden kann, dass es besser werden kann.“ - Sophia Süßmilch

Bewertung vom 26.02.2025
Mein Weg von einer weißen Frau zu einem jungen Mann mit Migrationshintergrund
Robinet, Jayrôme C.

Mein Weg von einer weißen Frau zu einem jungen Mann mit Migrationshintergrund


sehr gut

Sehr lesenswerte Biografie: Für mehr Diversität

Ich habe bereits mit großer Begeisterung verschiedene Beiträge in Anthologien sowie seinen Roman „Sonne in Scherben“ von Jayrôme C. Robinet gelesen, daher war ich auf neugierig auf seine Biografie namens "Mein Weg von einer weißen Frau zu einem jungen Mann mit Migrationshintergrund".
Jayrôme hat früher als weiße, französische Frau gelebt. Doch dann zieht er nach Berlin, so sein Leben als trans Mann beginnt.
Er nimmt Testosteron und erlebt eine Art zweite Pubertät, ihm wächst ein Bart und plötzlich wird er als „Mann mit Migrationshintergrund“ gesehen. Er bemerkt in verschiedenen Alltagssituationen, dass sich nicht nur seine Identität, sondern auch das Verhalten seiner Mitmenschen ihm gegenüber stark geändert hat.
Sein Vorteil ist, dass Jayrôme es vergleichen kann, wie er als Mann bzw. als Frau behandelt wurde/wird.
Das Buch ist sehr persönlich und unterhaltsam gleichermaßen geschrieben. Es geht hier nicht nur um die generellen Probleme queerer und trans Menschen, gesellschaftliche Wahrnehmungen und Zuordnungen, sondern auch das Thema Rassismus wird behandelt.
Ich finde das Buch sehr lesens- und empfehlenswert für alle, die sich mit dem Thema Diversität beschäftigen möchten.

Bewertung vom 26.02.2025
No Hard Feelings
Novak, Genevieve

No Hard Feelings


sehr gut

Die liebenswert-chaotische Penny Moore auf dem Weg zu sich selbst

„No hard feelings“ von Genevieve Novak ist so ein Buch, bei dem ich vorher etwas skeptisch war, ob ich es mögen würde. Aber ich muss sagen: JA, ich mag es tatsächlich (mehr als ich dachte).
Zum Inhalt:
Die siebenundzwanzigjährige Penny hat so ihre Probleme. Sie kommt einfach nicht von ihrem Exfreund Max los, der zwar weiterhin Sex und Freundschaft will, aber keine Beziehung. Ihre Freundin Annie macht Karriere, ihre Freundin Bec verlobt sich und ihr Mitbewohner/Freund Leo macht Party ohne Ende. Penny selbst hasst ihren Job und ihre fiese Chefin Margot. Und sie hat einige Probleme mit sich selbst, mit ihrem Selbstwertgefühl, mit Panikattacken und Depressionen. Doch das soll jetzt alles anders werden, sie will ihre Beförderung kriegen und Max wieder als festen Freund gewinnen. Leider sind die schlechten Angewohnheiten und Gedanken sehr schwer loszuwerden …
Ich fand Penny gleichermaßen liebenswert wie chaotisch. Alle Charaktere waren sehr authentisch dargestellt, manchmal vielleicht etwas stereotyp, aber insgesamt passte es für mich. Man konnte die Gedanken und Gefühle von Penny meist gut nachvollziehen; manchmal hätte man sie schütteln wollen, damit sie nicht wieder dieselben Fehler macht!
Ich fühlte mich auf jeden Fall gut unterhalten, und gegen Ende des Romans bekommt die Geschichte dann auch noch einiges an Tiefgang. Ich fand es interessant, wie Penny den Weg zu sich selbst findet, ihren Selbstwert erkennt und somit auch glücklich werden kann.
Der Schreibstil von Genevieve Novak ist modern, scharfsinnig und witzig, ich bin ziemlich begeistert.
Ein Buch zum Lachen und Weinen und Mitfühlen, von mir bekommt es eine Leseempfehlung!

"Ich habe nur eine popelige Sukkulente umgebracht, aber ich schwöre, sie war schon lebensmüde, als m sie zu mir kam."

„Niemand ist glücklich", entgegne ich. "Das hier ist kein Nancy-Meyers-Film. Das Glück ist kein Flugzeug, in das man ein steigt und davonfliegt. Die Menschen erleben nur deshalb ab und zu schöne Momente, damit sie sich nicht auf die Gleise werfen."

"Mein mageres, kleines siebzehnjähriges Ich hatte etwas Besseres verdient als die Enttäuschung, die seine Zukunft darstellen sollte. Vielleicht hat mein siebenundzwanzigjähriges Ich auch etwas Besseres verdient. Vielleicht ist es an der Zeit, dass ich die Verantwortung für das Nervenbündel übernehme, das aus mir geworden ist."

Bewertung vom 24.02.2025
Der Polarkreis
Marklund, Liza

Der Polarkreis


sehr gut

Spannender Auftakt zu einer Schweden-Krimi-Reihe

„Der Polarkreis: Kriminalroman (Die Polarkreis-Trilogie 1)“ von Liza Marklund ist der Auftakt zu einer neuen Krimireihe. Früher habe ich viele Schweden-Krimis gelesen, bisher aber noch nichts von Liza Marklund. Das düster-atmosphärische Cover hat mich jedoch neugierig gemacht.
Im ersten Band der Reihe wird im Jahr 2019 in einer schwedischen Kleinstadt eine kopflose Frauenleiche gefunden. Es wird schnell klar, dass es sich hier um Sofia handeln muss, die vor vierzig Jahren als 17jähriges Mädchen spurlos verschwand. Das Geheimnis um ihr Verschwinden wurde bis heute nie gelöst.
Damals trafen sich fünf Teenager-Mädchen regelmäßig in ihrem Buchklub namens „Der Polarkreis“. Nun treffen sich die vier übrigen Frauen zum ersten Mal seit damals wieder, um der Frage nachzugehen, was damals geschehen ist. Es wird immer klarer, dass der Auslöser für das Verbrechen auch mit dem Buchklub zu tun hat ...
Das Buch wechselt zwischen heute und der Vergangenheit in den 1980ern, was die Spannung natürlich immens erhöht. Der Schreibstil ist gut lesbar. Anfangs tat ich mir mit den zahlreichen Namen und Personen etwas schwer, kam dann aber doch recht schnell ins Buch.
Die Atmosphäre ist gut spürbar dargestellt und die Autorin hat die Charaktere und die Beziehungen der damaligen Clique sehr authentisch beschrieben.
Die Spannung konnte bis zum Schluss aufrechterhalten bzw. sogar noch gesteigert werden. Das Ende bringt eine überraschende Wende, aber ich möchte nicht spoilern.
Natürlich wird man auch neugierig auf den nächsten Band dieser Reihe. Ich denke, es lohnt sich, hier noch die weiteren Bände zu lesen. Von mir gibt es solide 4 von 5 Sternen.

Bewertung vom 24.02.2025
Sind Antisemitisten anwesend?

Sind Antisemitisten anwesend?


sehr gut

Wichtiges Thema: Ein kluges Buch, das zum Nachdenken anregt

Das Buch „Sind Antisemitisten anwesend?: Satiren, Geschichten und Cartoons gegen Judenhass“, herausgegeben von Lea Streisand, Heiko Werning und Michael Bittner behandelt ein sehr wichtiges Thema. Die Umsetzung des Themas Antisemitismus ist hier mal recht interessant gestaltet, nämlich in Form von ca. 80 Satiren, Essays, Gedichte, Geschichten und Cartoons. Die Beiträge stammen von Lea Streisand (dank ihr wurde ich zugegebenermaßen überhaupt auf das Buch aufmerksam, da ich ein großer Fan von ihr bin!), Ahne, Katja Berlin, Bov Bjerg, Franz Dobler, Danny Dziuk, Hartmut El Kurdi, Alexander Estis, Flix, Katharina Greve, Thomas Gsella, Rattelschneck, André Herzberg, Dmitrij Kapitelman, Charles Lewinsky, Julia Mateus, Til Mette, Susanne M. Riedel, Stefanie Sargnagel, Dana von Suffrin, Peter Wawerzinek, Bodo Wartke, Ella Carina Werner und anderen.
Die Beiträge der Autor*innen sind natürlich ganz unterschiedlich – zugegeben, nicht alle haben mich auf die gleiche Weise angesprochen, aber das empfindet ja jeder anders. Viele Texte sind sehr persönlich und sehr berührend, oft auch erschütternd.
Auf jeden Fall ist das ein sehr kluges und (leider!) notwendiges Buch, das stark zum Nachdenken anregt. Von mir bekommt es eine klare Leseempfehlung!