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yellowdog

Bewertungen

Insgesamt 2182 Bewertungen
Bewertung vom 26.08.2025
Mazzetti, Lorenza

Der Himmel fällt


ausgezeichnet

Das Buch, 1961 erschienen, zeigt eine Kindheit im faschistischen Italien. Die Schwestern Penny und Baby wachsen bei ihrem Onkel auf. Penny ist die Erzählerin. Lorenza Mazzetti hält den Kinderblick durchgehend und konsequent durch.
Penny ist sicher stellvertretend für eine Generation von Kindern in Italien dieser Zeit, die einen unreflektierten Patriotismus angelernt bekommen. Das zeigt sich auch in den Kriegsspielen, die sie lieben und hinzu kommt eine religiöse Komponente. Manchmal scheint aber die überbordende Phantasie die Kinder auch zu retten.
Das Buch ist brillant und eindringlich. Wegen dem offensichtlichen autobiografischen wirkt es auch sehr authentisch.
Ein Glück, das man durch die Neuübersetzung eine neue Leserschaft dieses Buch entdecken darf.

Bewertung vom 25.08.2025
Biedermann, Nelio

Lázár


sehr gut

Geschichte des zwanzigsten Jahrhunderts

Der junge Schweizer Schriftsteller Nelio Biedermann hat einen besonderen Roman vorgelegt.
Mit der Geburt Lajos von Lázár zur Jahrhundertwende in Ungarn setzt eine Familiengeschichte ein, fast ätherisch wie aus einer anderen Zeit erzählt.
Über weite Strecken ist ein Waldschloss der Schauplatz.
Über den Eltern Sandor und Maria und ihren Kindern Lajos und Ilona geht die Geschichte weiter mit Pistas und Eva.
Und es ist die Geschichte eines Jahrhunderts mit all den schrecklichen Ereignissen, die auch an einer adligen Familie in Ungarn nicht vorbeigehen.

Es ist auch eine Verfallsgeschichte, denn psychische Erkrankungen, Suizid, Alkoholismus und Schwäche durchziehen die Familie vielfach.

Das Buch weist eine gute Lesbarkeit und eine ganz eigentümliche, tief durchdringende Atmosphäre auf, die man nicht so schnell vergessen wird.

Bewertung vom 23.08.2025
Melle, Thomas

Haus zur Sonne


sehr gut

Bei Thomas Melles ungewöhnlichen Buch überlegt man erst einmal, ob es überhaupt ein Roman ist. Aber es gibt erzählende Elemente, Dialoge und die obskure Idee mit der Suizidklinik. Also ist es auch fiktional.
Der Erzähler begibt sich mit seiner bipolaren Störung in ene Klinik, deren Behandlung mit dem Tod enden soll.
Es gibt sprachlich überragende Momente. Es ist aber nicht einfach, diesen harten Text über die Auswirkungen einer langen, unhelibaren psychischen Erkrankung auszuhalten. Es gibt immer Momente, wo man sich dem fast lieber entziehen würde, aber es ist auch ein erkenntnisreiches Buch.
Das Buch steht auf der Longlist des deutschen Buchpreises 2025 und mich würde es nicht wundern, wenn Melle es auf die Shortlist schafft.

Bewertung vom 22.08.2025
Sommer, Tobias

Wer das Ende verrät


gut

Ein Buch, in dem eine Buchhandlung und Bücher eine wichtige Rolle spielen, lädt gerade zu ein, gelesen zu werden. Ein Buchhändler als Protagonist ist selten in der Literatur. Auch wird das Kleinstadftleben sehr positiv und nicht ohne Witz dargestellt.
Der Roman ist auch unbedingt geeignet für Fans von Cozy Krimi.,

Für meinen persönlichen Geschmack hätte aber Buchhändler Wendtal mehr Profil haben können. Die Figuren bleiben aber alle an der Oberfläche und ein Stück weit gilt das auch für die Handlung.

Bewertung vom 22.08.2025
Al Shahmani, Usama

In der Tiefe des Tigris schläft ein Lied


sehr gut

Vaterbuch

Es ist ein Vaterbuch und eins, das von Herkunft berichtet. Es wird nicht linear erzählt.

Gabi war von seinem Vater entfremdet, da sich die Eltern früh trennten, doch nach dem Tod des Vaters bekommt er dessen Tagebücher und Briefe sowie den letzten Wunsch, das seine Asche am Tigris verstreut wird. Der Vater war ein im Irak geborener Jude. Gabi reist nach Bagdad und liest die Aufzeichnungen, die sich über Jahrzente verteilen. So entsteht ein weitläufiges Bild vom Leben des Vaters. Obwohl der Roman relativ kurz ist, ist er komplex und konzentriert gestaltet.

Bewertung vom 22.08.2025
Schmidt, Eva

Neben Fremden


ausgezeichnet

Eva Schmidts neuer Roman Neben Fremden hat hohe Qualität aufzuweisen.
Rosa ist eine zurückhaltende Frau. Der Freund gestorben, die Mutter eine Last und der schon erwachsene Sohn seit Jahren entfremdet.
Ihre ganze Liebe gehört dem Hund, aber auch der ist alt und krank.
Es ist ein ruhiger Roman, um eine gefasste, ruhige Frau. Aber doch gibt es hier große Emotionen, nur sind sie gschickt unter der Oberfläche verborgen.
Das ist großartig gemacht.

Wie schon in Die untalentierte Lügnerin konnte mich die Autroin auch mit diesem Roman stilistisch begeistern.

Bewertung vom 22.08.2025
Eschbach, Sabine

Seerauchen


sehr gut

Josef, ein etwas anderer Junge in schlimmen Zeiten

Seerauchen ist ein beklemmender Roman, der ein Dorfleben in der Zeit der dreißiger Jahre zeigt. Er macht deutlich, was es heisst, als Außenseiter, der von der Norm abweicht, in so einer Umgebung zu leben.
Literarisch gibt es einige gute Ansätze. Manches bleibt aber auch in Versatzstücken stecken.
Es ist nicht ganz einfach, zur Hauptfigur Josef Zugang zu finden und Distanz zu überbrücken. Ein tiefes Mitleid ist aber sofort da.
Gegen Ende war ich dann doch vom Buch gefesselt. Es ist harte Kost. Von mir eine verhaltene Empfehlung.

Bewertung vom 21.08.2025
Drezga, Ana

Top Girls


sehr gut

Neon Lights, Traffic Light

Top Girls von Ana Drezga ist ein Roman, indem die Sprache im Vordergrund steht. Es ist eine rhythmische Sprache, an vielen Stellen beeindruckend, an wenigen vielleicht auch etwas gekünstelt. Aber immer entstehen aus der Sprache Bilder im Kopf des Lesers.
Ich würde nicht so weit gehen, es als Roman über eine Generation zu werten, aber ich denke, es gibt viele jungen Leute, die mehr oder weniger orientierungslos und ziellos durchs Leben gehen. Manche Passagen, besonders auch die Eingangsszenen, sind drastisch. Das erzeugt nicht immer die reinste Lesefreude, aber die Autorin bleibt konsequent.
Aber es gibt auch andere Seiten, z.B. Begegnungen und Beobachtungen. Das sind für mich die Passagen, in der der Roman lebt.

Bewertung vom 21.08.2025
Yuri, Lee

Broccoli Punch


sehr gut

Storys

Dieses Erzählungsband bietet einige originelle Storys einer Autorin aus Südkorea. Aber nur weil sie aus Korea kommt, würde ich sie nicht gleich mit der Literaturnobelpreisträgerin Han Kang vergleichen. An das Niveau kommt Lee Yuri nicht ran, da ihr Stil ziemlich einfach ist.
Aber das muss ja auch nicht sein, um unterhaltsame Erzählungen zu schreiben.

Spaß macht gleich die erste ironische Geschichte um eine Frau, deren gestorbener Vater zu einer sprechenden Topfpflanze wird und geradezu neu auflebt.
In der nächsten Story wird die Faszination für K-Pop mit Außerirdisches Leben verbunden. Das leuchtet mir zwar nicht ein, aber das Gefühlsleben der Protagonistin wird nachvollziehbar.
Dann die Titelstory: Broccoli Punch. Es gibt ein phantastisches Element. Die Hand eines jungen Mannes hat sich plötzlich in einen Brokkolikopf verwandelt. Lee Yuri arbeitet einen psychologischen Aspekt dafür aus.
In einer weiteren Story wird jemand unsichtbar. Eine Story zeigt die Kommunikation mit einem Leguan. Vieles wirkt obskur.

Ich möchte jetzt nicht alle Storys aufzählen, aber erwähnenswert ist noch das einseitige Nachwort der Autorin, in dem es ihr gelingt sogar noch eine Geschichte zu verstecken.

Mein persönliches Fazit: Wegen den vielfach eingesetzten phantastischen Elemente ein interessantes Erzählungsband, das mich aber literarisch ein Stück weit nicht überzeugte.

Bewertung vom 19.08.2025
Gahlow, Lara M.

Vorwiegend festkochend


sehr gut

Minna und Moni

Vorwiegend festkochend ist eine Erzählung der Hamburger Autorin Lara M.Gahlow. Aufepeppt ist das Ganze mit ein paar Fotos und Rezepten, die ich persönlich nicht gebraucht hätte. Aber die Erzählung ist wirklich lesenswert.
Die 92jährige Minna und ihre neue Pflegerin Moni.
Zwei Frauen, die sehr unterschiedlich sind und die sich doch verstehen.
Das schafft die Autorin auf wenig Raum zu zeigen. Und doch muss man als Leser die Geschichte leider schon allzubald verlassen.