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Rezifeder
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Köln
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Insgesamt 61 Bewertungen
Bewertung vom 20.05.2009
Miesel und der Kakerlakenzauber
Ogilvy, Ian

Miesel und der Kakerlakenzauber


gut

Der zwölfjährige Miesel lebt als Waise bei seinem durch und durch unsympathischen Vormund Basil Trampelbone. Der arme Miesel wird Tag und Nacht eingesperrt, bekommt nur spärlich zu essen und lebt in beständiger Angst. Seine einzige Freude ist der Dachboden, auf dem Basil eine naturgetreue Stadt mit einer Modelleisenbahn errichtet hat. Wenn Basil dort spielt, darf Miesel manchmal zuschauen.

Eines Tages versucht Miesel, heimlich endlich mal allein mit der Eisenbahn zu spielen, wird aber prompt von Basil ertappt. Dank seiner magischen Kräfte verkleinert Basil den Jungen auf zwei Zentimeter verkleinert und steckt ihn in die Modellstadt. Dort trifft Miesel andere, ebenfalls verkleinerte Menschen, die durch Basils Donutkrümel zu Plastik wurden. Glücklicherweise gelingt es ihm, sie durch seinen Karottenvorrat wieder lebendig zu machen. Der überlegte Elektriker Frank, der hünenhafte Schreiner Kip, die alte Hexerforscherin Prudence, die kleine Pfadfinderin Kitty, die vornehme Stadträtin Lady Grant, der belesene Vertreter Wiliam - sie alle haben Basil gestört und wurden aus dem Weg geräumt.
Offenbar ist Basil ein Hexer, der vor nichts zurückschreckt. Irgendwie müssen die sieben Freunde einen Weg finden, sich wieder zu vergrößern ...

Sie erinnert ein wenig an Lemony Snicket, die Geschichte vom kleinem, tapferen Miesel, der sich gegen den bösen Vormund erwehren muss. Das zeigt sich nicht nur in der groben Handlung, sondern vor allem auch in der ironisch-witzigen Überzeichnung, die das Buch auch für Erwachsene interessant macht. Es handelt sich zwar um den ersten band einer ganzen Reihe um Miesels Abenteuer, ist aber auch gut eigenständig zu lesen mit einem vorerst abgeschlossenen Ende, das nicht sogleich nach einer Fortsetzung schreit.

Ian Ogilvy kreiiert eine Reihe absurd-amüsanter Situationen voller satirischer Elemente. Nicht nur, dass Mieseln in einem finsteren Kasten von einem Haus leben muss, es hängt auch noch tagein tagaus eine kleine Regenwolke darüber, deren Ableger Basil bei seinen seltenenen Ausgängen treuherzig begleitet. Basils ungepflegtes Aussehen lässt einen Severus Snape wie einen Adonis wirken und seine Unterrichtskünste beschränken sich auf die Lehre, dass zwei plus zwei angeblich siebenhundertdreiundvierzig ergibt.

Alles könnte todtraurig sein, wenn nicht schon wieder so übertrieben wäre, dass es zum Lachen reizt - und das gilt teilweise ebenso für die karikierten Charaktere, schon allein für Miesels Namen, der eigentlich ganz anders lautet, ihm aber, weil er so gut zu seiner Lage passt, von Basil verliehen wurde. Lady Grant etwa ist eine vornehme Dame, die ganz besonders unter den erniedrigenden Umständen leidet. Selbst in den dramatischsten Situationen denkt sie an ihre teure Kleidung und sieht es sehr ungern, wenn ihre Schuhe zweckentfremdet werden. Wiliam ist ein leicht überdrehter Vertreter von Lexika, der in seinem alten Leben unter einem despotischen Chef gelitten hat, den er immer wieder gerne als Vergleich heranzieht. Der ungleich zusammengewürfelte Haufen wird auf eine harte Probe gestellt, denn es gilt trotz aller Verschiedenheit, das Problem gemeinsam zu lösen, auch wenn es zwischen manchen von ihnen immer wieder zu Sticheleien kommt.

Aufgrund der Kürze des Buches bleibt kaum aus, dass die meisten Charaktere eher Stereotypen bleiben, die zwar witzig sind, aber dabei bleibt es leider auch.

Ein gut lesbarer, unterhaltsamer Kinderroman mit viel Magie, an den auch ältere Leser ihre Freude haben können. Besonders gelungen ist der trockene Humor mit den vielen Überzeichnungen. Etwas negativ fallen dagegen die zu flachen Charaktere und allgemein die unnötige Kürze der Geschichte auf.

Bewertung vom 20.05.2009
Graf Karlstein
Pullman, Philip

Graf Karlstein


ausgezeichnet

Das Bergdorf Karlstein in der Schweiz zu Beginn des 19. Jahrhunderts: Die 14-jährige Hildi arbeitet als Dienstmädchen im Schloss des finsteren Grafen Karlstein. Der einzige Trost auf dem düsteren Anwesen mit seinem unsympathischen Herrn sind die Nichten des Grafen. Die 10-jährige Charlotte und die 13-jährige Lucy sind Waisen, die vor einem Jahr vom Grafen notgedrungen aufgenommen wurden.

Eines Abends belauscht Hildi zufällig ein Gespräch des Grafen.Der Graf hat vor zehn Jahren einen Pakt mit dem Höllenfürsten Samiel geschlossen, der ihm zu Reichtum und Macht verhalf. In wenigen Tagen, in der Nacht vor Allerseelen, verlangt Samiel seine Bezahlung in Form einer Menschenseele. Der Graf plant, ihm seine beiden ahnungslosen Nichten in einer Jagdhütte auszuliefern. Hildi warnt die Fräuleins und verhilft ihnen zur Flucht, hinaus in die eisige Kälte des Waldes.

Von jetzt an schweben die drei Mädchen in großer Gefahr. Der Graf nimmt sofort die Suche auf, denn wenn er die Mädchen nicht rechtzeitig findet, wird Samiel ihn selber als Opfer holen. Während Hildi scheinbar ahnungslos zurückkehrt und insgeheim fieberhaft nach einem Ausweg sucht, kommen noch weitere Personen ins Spiel: Der verwegene Zauberer Doktor Cadaverezzi hält im Gasthof seine Vorstellung ab und wird in die Flucht der Mädchen verwickelt, ebenso wie Hildis Bruder Peter, der aus dem Gefängnis geflohen ist. Können die Mädchem dem windigen Zauberkünstler vertrauen? Schaffen sie es, dem Grafen zu entkommen? Und wessen Seele wird sich Samiel mit seiner Wilden Jagd holen ...?

Ein Schauerroman für Kinder, an dem auch junggebliebene Erwachsene ihre Freude haben - mit diesen Worten lässt sich Philip Pullmans Frühwerk auf den Punkt bringen. Ein düsteres Schloss mit einem noch düsteren Hausherrn sorgt für eine unheilvolle Atmosphäre. Es ist ein kalter Oktober, Allerseelen steht vor der Tür und die abergläubische Bevölkerung fürchtet sich vor der Wilden Jagd des höllischen Samiel. Auch flüchtige Verbrecher, windige Scharlatane, kriecherische Diener, Gefangenschaft und Identitätsverwechslungen dürfen nicht fehlen, gehören sie doch in das typische Schema eines altmodischen Schauerromans. Dass junge Leser sich trotzdem nicht zu Tode gruseln und Erwachsene ihre hintergründige Freude erleben können, liegt an dem satirischen Einsatz all dieser Mittel. Fast jede Figur, insbesondere die Bösewichte, ist bis zur Karikatur überzeichnet und fordert den Leser zum Amüsieren heraus, allein schon durch die meist bewusst lächerlichen Namen.

Ein wunderbarer Kinder- und Jugendroman in der Tradition alter Schauerromane, der auch für Erwachsene perfekte Unterhaltung bietet. Auf gelungene Weise verbindet das Werk Humor mit Grusel, parodiert bekannte traditionelle Elemente des Schauerromans und hält die unheimlichen Elemente in einem kindgerechten Rahmen. Mängel gibt es kaum, allenfalls die übertrieben häufig eingesetzten Cliffhanger und as etwas zu knappe Ende. Wer Spaß an märchenhaften Romanen hat und sich für romantisch-unheimliche Sagen interessiert, sollte an diesem Frühwek des heutigen Bestseller-Autors auf keinen Fall vorübergehen.

Bewertung vom 12.05.2009
Die Show
Laymon, Richard

Die Show


sehr gut

1963 in der Kleinstadt Grandville: Der sechzehnjährige Dwight verbringt einen heißen Sommer mit seinen besten Freunden, dem vorlauten Rusty und der burschikosen Frances, genannt Slim. Einer ihrer beliebtesten Plätze ist die Janks-Lichtung im Wald, die nach einem berüchtigten Serienmörder benannt ist, der dort vor Jahrzehnten seine Opfer begraben hatte - und die allen Kindern und Jugendlichen verboten ist. Ausgerechnet auf dieser Lichtung hält eine Vampirshow Einzug, die angeblich ein spektakulär-erotisches Programm bietet. Die drei geben ihrer Neugierde nach und besuchen die Show - eine fatale Entscheidung, die ihr Leben verändern wird ...

Richard Laymon steht für harten Horror und ausgedehnte Splatterszenen. Umso angenehmer sind seine etwas ruhigeren Werke wie der vorliegende Roman, in denen der Fokus nicht auf blutrünstiger Gewalt liegt.
Für seine Verhältnisse lässt sich Richard Laymon viel Zeit, ehe sich richtiger Horror entwickelt, dennoch wird von Beginn an Spannung aufgebaut, die sich im weiteren Verlauf sukzessive steigert.Die Show selbst hält nach ruhigem Beginn ein grauenhaftes Finale bereit, bei dem sich das Gemetzel für Laymons Verhältnisse aber in Grenzen hält, wenn auch eine Magen-provozierende Szene nicht fehlt.

Ein für Richard Laymons Verhältnisse wenig gewaltvoller Horrorroman mit schöner Atmosphäre und weithin gelungenen Charakteren. Abgesehen vom etwas abrupten Schluss überzeugt die Geschichte und kann trotz des Umfangs in beinah Echtzeit mit einer großen Portion Spannung aufwarten.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 12.05.2009
Todeszeit
Koontz, Dean R.

Todeszeit


gut

Mitch Rafferty führt ein zufriedenes Leben: Er ist mit seiner großen Liebe Holly glücklich verheiratet und liebt seinen Job als Gärtner. Alles ändert sich, als ihn ein Anruf auf der Arbeit erreicht. Ein Unbekannter erklärt, dass Holly entführt wurde. Mitch soll binnen sechzig Stunden zwei Millionen Dollar auftreiben und darf nicht die Polizei verständigen - ansonsten wird Holly sterben Bald stellt Mitch fest, dass er nicht nur permanent überwacht wird, sondern auch Teil eines perfiden Plans ist. Und er beschließt zurückzuschlagen ...

Unbekannte Verbrecher entführen einem den liebsten Menschen und fordern ein utopisches Lösegeld - binnen zweieinhalb Tagen. Keine Frage, dass diese Ausgangssituation den Leser packt und er wissen will, wie Mitch Rafferty diese schier unmögliche Aufgabe bewältigt. Im Gegensatz zu Mitch scheinen die Gangster genau zu wissen, wie er an die Summe gelangen kann, ebenso wie sie offenbar sein Leben, sein Umfeld, seinen Kontostand und sein Haus in- und auswendig kennen. Nicht nur Mitch, auch der Leser fragt sich, weshalb die Forderung ausgerechnet ihn trifft, und umso überraschter ist man, als sich der Grund dafür herausstellt.

Koontz spart nicht mit Wendungen, die sich gerne auch mal um hundertachtzig Grad drehen und allen bisherigen Anschein zunichte machen. Besonders quälend ist die Unsicherheit darüber, wer in Mitchs Umfeld in die Machenschaften eingeweiht ist, sodass er nicht einmal dem ermittelnden Polizeibeamten zu trauen wagt. Kleine Schwächen liegen im sehr knappen Ende und einer übernatürlich-kitschigen Szene sowie einer etwas zu abrupten, unvorbereiteten Wendung. Ansonsten ein solider und vor allem temporeicher Thriller, der mit einer interessanten und zugleich erschreckenden Grundidee spielt.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 12.05.2009
Öland / Jahreszeiten Quartett Bd.1
Theorin, Johan

Öland / Jahreszeiten Quartett Bd.1


sehr gut

Spätsommer im schwedischen Öland, 1972: Der fünfjährige Jens verschwindet beim Spielen im Nebel und kehrt nie mehr zurück. Die Polizei vermutet, dass er im Meer ertrunken ist, doch seine Mutter glaubt nicht ans Ertrinken, da Jens Angst vor Wasser hatte, sondern vermutet eine Entführung.

20 Jahre später: Jens' Mutter Julia hat Öland verlassen. Sie hat das Verschwinden nie verwunden, lebt alleine und hofft immer noch auf eine wundersame Rückkehr. Überraschend erreicht sie ein Anruf ihres Vaters Gerlof. Der alte Gerlof, der inzwischen im Altersheim in Öland lebt, hat anonym eine Sandale zugeschickt bekommen, die Jens beim Verschwinden getragen hat. Julia soll zurückkommen und ihm bei der Suche nach den Hintergründen helfen. Hat der verrufene Nils Kant etwas damit zu tun, der vor vielen jahren von der Insel floh? Er gilt als tot, doch mancher sagt, er wandere immer noch durch den Nebel ..

Zwei eng miteinander verwobene Handlungsstränge sind es, die den Leser auf unterschiedliche Arten fesseln. Der eine spielt in den Neunzigerjahren und zeigt das Bemühen von Gerlof und seiner Tochter Julia, das Verschwinden ihres Enkels bzw Sohnes aufzuklären. Dass Jens tot ist, scheint außer Frage zu stehen, doch wer hat seine Sandale geschickt? War es ein Unfall, der nicht eingestanden wurde oder gar Mord? Hat der Täter selbst die Sandale Gerlof zukommen lassen, war es jemand aus seinem Umfeld, soll die Aufforderung zu weiteren Nachforschungen sein? Kurz darauf kommt Gerlofs Freund Ernst bei Arbeiten im Steinbruch ums Leben - für die Polizei ein normaler Unfall eines Steinmetzes, doch daran mag Gerlof nicht glauben.

Der andere Erzählstrang führt in das Leben des mysteriösen Nils Kant, der auch Jahrzehnte nach seinem Tod die Schreckgestalt der Insel geblieben ist. Anfang der Sechziger wird seine Leiche in einem Sarg heimtransportiert - doch es gibt immer noch Leute, die nicht daran glauben, dass es tatsächlich Nils Kant war, der dort beerdigt wurde.

Gekonnt spielt der Autor mit einer Mischung aus dichter Atmosphäre und einer sich stetig steigernden Spannung. Ein sehr stimmungsvoller und größtenteils ruhiger Schwedenkrimi mit interessanten Figuren und einem gelungenen Zusammenspiel zwischen Rückblenden und Gegenwart. Von nur sehr kleinen Schwächen abgesehen ein sehr empfehlenswerter Kriminalroman, vor allem für alle Leser, diekein hohes Tempo und keine Actionszenen brauchen.

8 von 8 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 10.04.2009
Das Heiligenspiel
Niehaus, Ursula

Das Heiligenspiel


gut

Augsburg, Ende des 15. Jahrhunderts: Die junge Anna Laminit wächst in armen Verhältnissen auf. Nach einer Intrige muss sie zunächst die Stadt verlassen, ehe sie wieder begnadigt wird und in einem Ordenshaus unterkommt. Durch ein Missverständnis entsteht das Gerücht, dass Anna sich nur von der heiligen Kommunion ernähre. Gegen ihren Willen pilgern die Menschen in Scharen zu ihr, um Rat und Segen zu erhalten. Ein Mitwisser zwingt sie dazu, den Schein aufrecht zu erhalten. Anna wird als "Hungerheilige" berühmt, immer in der Angst, dass jemand hinter ihr Geheimnis kommt. Die Lage spitzt sich zu, als sie sich mit dem reichen Kaufmann Anton Welser einlässt ...

Der zweite Roman von Ursula Niehaus ist ein solider Historienschmöker. Die Hauptfigur Anna Laminat hat es wirklich gegeben, ebenso wie den Kaufmann Anton Welser und natürlich berühmte Figuren wie Kaiser Maximilian und Martin Luther, die auftreten. Gelungen ist vor allem die überwiegend sympathische Darstellung der "Heiligen wider Willen" Anna. Die Handlung ist spannend, da Anna ständig fürchten muss, entdeckt zu werden.

Negativ sind die Zeitsprünge, die manchmal wichtige Phasen in Annas Leben zu knapp erscheinen lassen. Vor allem das Ende wirkt gehetzt und die Überspringung wichtiger Jahre stört besonders an einer Stelle kurz vor Schluss, da sich die Ereignisse daraufhin überstürzen. Ein bisschen übertrieben ist außerdem, dass Anna fast ständig ein Opfer der Umstände wird und nur wenige Entscheidungen selbst trifft.

Alles in allem ein guter historischer Roman mit einer interessanten Frauengestalt.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 28.03.2009
Der Leichendieb / Gruselkabinett Bd.2 (1 Audio-CD)
Stevenson, Robert Louis

Der Leichendieb / Gruselkabinett Bd.2 (1 Audio-CD)


ausgezeichnet

Debenham, 1849: Der alte Säufer Fettes ist ein heruntergekommener Schotte, über dessen Herkunft niemand etwas Genaues weiß und der sich allabendlich dem Rum im Gasthaus ergibt. Eines Abends erkennt er den Arzt Dr. Macfarlane wieder und erzählt in der Runde seine Geschichte:

Edinburgh 1829: Der junge Fettes studiert mit großem Ehrgeiz Medizin im zweiten Jahr und hofft, die freie Stelle des Hilfsassistenten bei Professor Knox zu erhalten. Sein Freund Macfarlane, der Assistent des Professors, legt ein gutes Wort für ihn ein. Fettes erhält die Stelle, bei der er unter anderen nachts die für Forschungszwecke bestimmten Leichen entgegen nehmen muss und die Verantwortung für den Anatomiesaal übernimmt. Zu seiner Überraschung werden nicht nur, wie vom Gesetz vorgeschrieben, hingerichtete Menschen dafür hergenommen, sondern auch illegal ausgegrabene Leichen. Unwohl akzeptiert er die Sitte und schwört, darüber zu schweigen. Bald darauf aber wird ihm jemand gebracht, den er im Leben gut kannte und der unmöglich an einer natürlichen Ursache gestorben sein kann. Fettes ahnt, dass er einem grausigen Gewerbe auf die Schliche gekommen ist ...

Kaum jemand versteht es besser als R.L. Stevenson, eine unheimliche Stimmung in der Handlung zu erzeugen und das Hörspiel setzt dies überzeugend um. Obwohl erst kurz vor Schluss ein übernatürliches Element eingebaut wird, läuft dem Hörer durchaus ab und zu ein Schauer über den Rücken. Dafür sorgt allein schon Fettes Aufgabe, nachts oder im Morgengrauen die Leichen entgegen zu nehmen, die dann zerschnitten und an die Studenten verteilt werden. Die gruseligsten Momente erlebt man auf einer nächtlichen Fahrt auf einen Friedhof, aber schon lange zuvor hat einen der fatale Verlauf der Handlung in seinen Bann gezogen. Ganz automatisch verbündet man sich mit dem sympathischen, unbedarften Fettes, dessen Erscheinung in so krassem Gegensatz zu seinem aktuellen Auftreten zwanzig Jahre danach steht. Obwohl man weiß, dass Fettes das grauenvolle Abenteuer zumindest überlebt, ist man gespannt, was ihm in seiner Zeit als Hilfsassistent alles widerfährt und wer aus seinem Umfeld möglicherweise sterben muss.

Die Charaktere sind allesamt gelungen, angefangen beim jungen Fettes, der erst durch seine grausigen Erlebnisse zu dem alten Trunkenbold wurde, als den man ihn in der Rahmenhandlung erlebt. Sein Gegenspieler ist der charismatische MacFarlane, in dem er zunächst einen guten Freund sieht, zu dem er stolz aufblicken kann - ehe er von dessen dunkler Seite erfährt. Hervorzuheben ist auch der schmierige Gray, der MacFarlane offensichtlich erpresst und ihn genüsslich demütigt.

Die Sprecher liefern eine sehr gute Leistung ab, allen voran Michael Pan (Lt. Commander Data, Gary Oldman) als erst junger, naiver Fettes, dann als krächzender alter Mann, Wilfried Herbst (Mr. Bean, Sekretär Pichler in "Bibi Blocksberg") mit seiner hohen penetranten Stimme als aufdringlicher Gray. Die Rahmenhandlung verrät ein bisschen zuviel von der eigentlichen Geschichte, insgesamt aber eine sehr gute Folge, die sich jeder Gruselfan zulegen sollte.

Bewertung vom 27.03.2009
Fanny und Scylla oder Die zweite Frau
Aiken, Joan

Fanny und Scylla oder Die zweite Frau


ausgezeichnet

Zwei Schicksale, von denen eines im England des 18. Jahrhunderts, das andere in Indien spielt, werden gekonnt miteinder verwoben:

England: Die gerade sechzehnjährige Fanny wird dem erheblich älteren, unangenehmen Thomas Paget verheiratet und zieht zu ihm und seinen drei widerspenstgen Töchtern in ein Landhaus, das seine Cousine Juliana ihm großzügigerweise während ihrer Abwesenheit überlassen hat. Hier erwarten das junge Mädchen nur Feindseligkeit und Ablehnung.

Indien: Die siebzehnjährigen Zwillinge Scylla und Cal leben mit ihrer älteren Pflegemutter Miss Musson in der Provinz und gehen im Palast des Maharadschas ein und aus - Scylla als Lehrerin der kleinen Prinzen, ihr Bruder Cal als enger Freund des Kronprinzen.

Als der alte Maharadscha durch einen Anschlag ums Leben kommt, müssen die Zwillinge und Miss Musson vor seinem Nachfolger fliehen. Mit dabei als Retter ist der charismatische Abenteurer Colonel Cameron, dessen Bekanntschaft Scylla kurz vorher schloss. Für das ungleiche Quartett beginnt eine wilde, spektakuläre Flucht durch Afghanistan, Persien und die Türkei - Ziel ist England, das Haus von Juliana Paget, die auch eine entfernte Cousine der Zwillinge ist, die erst jetzt von ihrer Existenz erfahren haben. Weder Fanny noch die Zwllinge ahnen etwas voneinander und keiner weiss, dass in England dieses Abenteuer um Leidenschaft und Rache noch längst nicht zuende sein wird...

Abenteuer, ferne Länder, faszinierende Charaktere, Exotik, ein Schuss Humor und auch die Liebe kommen nicht zu kurz in diesem schlichtweg überwältigenden Roman.

Schon allein Fannys Schicksal im grauen England könnte der Feder einer Bronte-Schwester oder eines Charles Dickens entsprungen sein. Die liebenswerte Fanny gerät in ein düsteres Haus, kritisiert von ihren Steifkindern, die fast genauso alt sind wie sie selbst und drangsaliert von einem barschen Ehemann, der kein nettes Wort für seine verschücherte Frau übrig hat Die Parallelhandlung im fernen Indien fesselt mindestens ebenso, und die ganze Zeit freut sich der Leser auf den Showdown in England, wiewohl dort das Geschehen noch längst nicht zuende ist...

Besonders gelungen ist, dass die Liebesgeschichten die sich im Roman ergeben, nicht im Vordergrund stehen, sondern sich wie selbstveständlich einschleichen und für weitere Brisanz sorgen. Kein Kitschbüchlein also, sondern ein mit romantischen Elementen angereicherter Abenteuerroman.

Man leidet mit den Charakteren - die verängstigte Fanny, die sich trotz ihres schweren Schicksals noch ihren Stolz und ihre Kraft bewahrt hat, die burschikose Scylla mit dem tapferen Herzen, der genussüchtige Cal mit der Liebe zur Poesie, der Draufgänger Cameron mit dem weichen Kern hinter der rauhen Schale und die Schale und die korrekte Old Lady Miss Musson, sie alle sind wunderbar gezeichnet. Allen Lesern, die etwas für Geschichten aus dieser Zeit übrig haben und die Abenteuer mögen, sei dieser Roman dringend ans Herz gelegt.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 27.03.2009
Meine Cousine Rachel
Du Maurier, Daphne

Meine Cousine Rachel


ausgezeichnet

Philip Ashley wächst nach dem Tod seiner Eltern bei seinem wohlhabenden Vetter Ambrose auf, der ihn wie ein Vater großzieht. Als Philip gerade erwachsen ist, reist Ambrose nach Italien, um dort überraschend zu heiraten. Regelmäßig erhält Philip Briefe von seinem Vetter, der ihm von der unbekannten Cousine Rachel erzählt. Doch mit der Zeit werden die Briefe seltener und die Inhalte verwirrender; offenbar misstraut Ambrose seiner Frau immer mehr. Schließlich erreicht Philip ein Hilferuf, er möge sofort nach Florenz reisen. Als Philip eintrifft, ist Ambrose tot und Cousine Rachel nach unbekannt verzogen.

Tief getroffen reist Philip zurück nach England. Er glaubt nicht an die offizielle Diagnose, dass Ambrose an einem Hirntumor verstorben sei. Stattdessen macht er Rachel für seinen Tod verantwortlich. Kurz darauf steht überraschend Cousine Rachel vor der Tür. Doch sie entpuppt sich als völlig anders, als Philip erwartet hätte: Deutlich jünger als Ambrose, zurückhaltend, humorvoll und intelligent. Mehr und mehr verfällt Philip der schönen Frau und sein Misstrauen schwindet. Bis plötzlich auch er von einem seltsamen Leiden befallen wird ...

"Meine Cousine Rachel" ist ein faszinierender Spannungsroman, der den Leser von der ersten bis zur letzten Seite fesselt. Gemeinsam mit dem Ich-Erzähler Philip Ashley grübelt man über die geheimnisvolle Cousine nach. Ist sie schuldig oder nicht? Ist Vetter Ambrose wie vermutet an einem Hirntumor gestorben und sein Hass auf seine Frau entsparng seinen Wahnvorstellungen - oder steckt hinter der liebreizenden Rachel tatsächlich eine gewissenlose Mörderin, die e snur auf Geld abgesehen hat?

Wie schon in ihrem Erfolgsroman "Rebecca" erzählt Daphne du Maurier die Geschichte einer Obsession, einen Thriller und eine Liebesgeschichte in einem. Bis zum Schluss fiebert der Leser mit den Charakteren. Immer wenn man meint, die Lösung erraten zu haben, gibt es eine neue überraschende Wendung. Der angenehm flüssige Stil macht den Roman zu einem ausgezeichneten Lesevergnügen. In Philip Ashley findet man einen Protagonisten, dessen Schicksal einen bis zum Ende nicht mehr loslässt. Ein großer Roman, den es sich zu lesen lohnt