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Forti

Bewertungen

Insgesamt 211 Bewertungen
Bewertung vom 17.03.2022
Thomas, Claire

Die Feuer


sehr gut

In 'Die Feuer' sitzen drei Frauen im Publikum der gleichen Theateraufführung. Zunächst scheinen sie gänzlich unterschiedlich in Alter, Herkunft und Lebensumständen zu sein. Alle drei sinnieren während des Stücks (gegeben wird Samuel Becketts 'Glückliche Tage') über ihr Leben und so erfährt man nach und nach mehr über die einzelnen Frauen und dann auch darüber, was sie verbindet.
Interessant fand ich den sehr verdichteten, engen, leicht elitären Handlungsort Theater in Kombination mit den alles überlagernden und ganz realen australischen Buschfeuern vor der Tür. Hier entwickelt die Autorin Claire Thomas eine unterschwellige Spannung, sodass man das Buch kaum aus der Hand legen mag.
Das Ende dann seltsam offen, aber vielleicht auch genau so erwartbar: nach dem Theater geht man nach Hause und zurück in seinen Alltag.

Bewertung vom 14.01.2022
Oksanen, Sofi

Hundepark


sehr gut

In ihrem neusten Buch thematisiert die finnische Autorin Sofi Oksanen das umstrittene Geschäft mit Eizellen in der Ukraine. Für ungewünscht Kinderlose kann Eizellspende eine Chance sein – die Spenderinnen wiederum können hier zwar verhältnismäßig viel Geld verdienen, müssen dafür aber oft mit den physischen und psychischen Folgen kämpfen. Für mich war das ein neues Thema – zuvor hatte ich in diesem Dunstkreis (und auch u.a. in der Ukraine angesiedelt) nur von dem Geschäft Leihmutterschaft gelesen, das hier aber keine Rolle spielt. Beides interessante, kontroverse Themen, die es wert sind, besprochen zu werden.
Es bleibt in "Hundepark" aber nicht nur beim Thema Eizellspende. Bei den dubiosen Geschäften und Gaunereien, die so gut wie alle Protagonist*innen betreiben, habe ich manchmal den Überblick verloren und nicht immer alles verstanden. Das war etwas schade – verständlich war das Buch im großen und ganzen aber dennoch.

Interessant und packend für mich vor allem das Bild der Ukraine, das die Autorin zeichnet. Eckpunkte der tragischen Geschichte des Landes im 20. und ganz aktuell ja auch im 21. Jahrhundert werden immer wieder aufgegriffen und mit der eigentlichen Geschichte verknüpft. Es bildet sich ein vielleicht etwas klischeehaftes, fast schon hoffnungsloses Bild. Das Schöne, das die Ukraine ja durchaus auch zu bieten hat, klingt nur ganz zaghaft an und hat gegen die Düsternis keine Chance. Das Buch hat mich nachdenklich zurück gelassen.

Bewertung vom 03.01.2022
Pilgaard, Stine

Meter pro Sekunde


sehr gut

Die namenlose Protagonistin berichtet szenenhaft aus ihrem Leben. Bestimmt wird dieses durch ihren Schwierigkeiten mit dem Landleben (sie ist erst vor kurzem aus der Stadt hierher umgezogen), dem Elternsein und dem Erlangen des Führerscheins. Dies könnte entweder sehr langweilig sein oder aber sehr klamaukig. Aber die Autorin Stine Pilgaard schafft es, dass diese Beschreibungen unterhaltsam, manchmal auch witzig, seltener nachdenklich, durch die Kürze der Episoden aber auch recht abwechslungsreich sind.
Die zwei weiteren zentralen Elemente sind die Zuschriften an den Kummerkasten der Lokalzeitung, die von der Ich-Erzählerin mal einfühlsam, mal etwas launig (und gerne auch sehr ich-bezogen) beantwortet werden, und die Heimvolkshochschule (offenbar eine originär dänische Einrichtung - eine Art Internat auf Zeit für junge Erwachsene), in der sie mit ihrem Partner, der dort Lehrer ist, lebt. Beides birgt diverse, vielfältige kleinste Nebengeschichten.
Insgesamt entsteht eine Charakterisierung einer Mittdreißigerin unserer Zeit, die (erst) jetzt richtig in ihrem Leben ankommt.
Eine richtige Handlung oder gar einen spannenden Plot gibt es nicht, was mich hier aber nicht gestört hat. Ich fand es ein stimmiges, unterhaltsames Buch.
Sprachlich im Detail oft sehr bildhaft, auch witzig, nachdenklich. Aber dennoch flüssig lesbar.

Bewertung vom 12.12.2021
Grohl, Dave

Der Storyteller


sehr gut

Dave Grohl ist seit Nirvana irgendwie immer da - musikalisch durchaus hörbar und offenbar ein netter Typ. Trotzdem wusste ich wenig über ihn als Menschen und war deshalb neugierig auf dieses Buch.

Episodenhaft erzählt Dave Grohl aus seinem Leben. Seine Liebe zu Musik, den Beatles, Punk, Metal und natürlich Grunge. Seine vielen Bands, das Touren, Erfolge und Niederschläge. Seine Familie. So sprunghaft, wie es am Anfang wirkt, ist das Buch insgesamt aber nicht. Größtenteils wird zeitlich chronologisch erzählt.

Geschrieben ist das ganze sehr amerikanisch - recht bildhaft und mit vielen Andeutungen auf amerikanische Pop-Kultur. Dankenswerterweise in den meisten Fällen vom Übersetzer durch Fußnoten erklärt. Ansonsten flüssig, gut lesbar, manchmal auch witzig geschrieben.

Öfters bin ich über Auslassungen gestolpert - Informationen, manchmal auch Personen die fehlen. Aber das ist natürlich das gute Recht jedes Autobiographen, den Fokus so zu legen, wie er möchte, und bestimmte Aspekte seines Lebens auszusparen. Insgesamt ist es doch ein rundes Buch und ich habe mehr über einen umtriebigen Musiker und einen sympathischen Menschen erfahren.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 04.12.2021
Strunk, Heinz

Es ist immer so schön mit dir


sehr gut

Heinz Strunks neuer Roman handelt von einer toxischen Beziehung. Die beiden Protagonisten (Mann und Frau) sind offensichtlich nicht glücklich miteinander, schaffen es aber auch nicht, sich voneinander zu trennen. Das gibt es ja oft in langjährigen Beziehungen – hier ist es aber von Anfang an der Fall. Beide sind vorher schon nicht glücklich, eher kaputt, und die Beziehung macht es nicht besser.
Beschrieben ist das hart an der Schmerzgrenze. Mit dem abgeklärten Blick von außen möchte man die beiden schütteln und sie anschreien: 'Trennt Euch endlich! Ihr tut Euch nicht gut!'
Heinz Strunk bleibt dabei immer auf der Erzählebene. Erklärungen oder Antworten gibt es nicht – wie im echten Leben.
Das mag jetzt nach einer unglaubwürdigen Handlung klingen, aber die war es für mich nicht. Ich habe dem Autoren die beiden Figuren und ihre Beziehung abgenommen.

Bewertung vom 18.11.2021

Neue Dinge aus alten Stoffen


sehr gut

In diesem erstaunlich kompakten Buch finden sich zahlreiche Idee, was man mit alten Stoffen machen kann. Diese Stoffe können beispielsweise von Kleidung, Bettwäsche oder Handtüchern stammen. Bei den einzelnen Projekten ist dann angegeben, welche Art von Stoff hierfür geeignet ist.

Es gibt auch ein paar Basics zum Nähen allgemein, die für Neulinge interessant und gut verständlich sind. Überhaupt sind die Erklärungen meist leicht verständlich – hierbei helfen auch oft Fotos, die einzelne Schritte illustrieren.

Mir gefällt auch, dass viele Projekte auch ohne Nähmaschine machbar sind.

Wie in so gut wie jedem DIY-Buch, das ich kenne, sind auch hier einige Ideen dabei, die mir eher abwegig vorkommen, aber Schwamm drüber – wie gesagt gibt es die ja fast überall.

Insgesamt ein schönes Buch voller Ideen sowohl für Anfänger und Fortgeschrittene.

Bewertung vom 18.11.2021
Höflich, Sarah

Heimatsterben


sehr gut

Das Debüt von Sarah Höflich ist intelligente Unterhaltungsliteratur. Es ist sprachlich so eingänglich geschrieben, dass man es gut und schnell lesen kann.

Thematisch ist es allerdings eher ernst und düster. Höflich zeichnet eine dystopische Zukunftsvision eines Deutschlands, in dem Nationalisten die Wahl gewinnen und den neuen Bundeskanzler stellen. Interessant hier das Spanungsfeld zwischen eher gemäßigt auftretendem Kanzler und radikalen Kräften in der Partei.
Die zerrissene deutsche Gesellschaft wird verdichtet im Mikrokosmos einer verzweigten Familie (keine Angst, einen Stammbaum zur Orientierung gibt es im Buch) dargestellt. Die gegensätzlichen Charaktere und der Umgang mit den dadurch entstehenden Konflikten sind interessant geschildert, wenn auch manchmal an der Grenze zur Überzeichnung. Trotzdem hat mir dieses Deutschland in a nutshell gut gefallen.

Klar eigentlich auch, dass es in der Romanform etwas vereinfacht zugeht. So konzentriert sich das Buch politisch auf die Bundesebene. Was passiert auf Ebene der Länder und der Gerichte, die ja auch durchaus eine Kontrollfunktion für die Bundespolitik haben? Aber das hätte wohl den Rahmen dieses Buches gesprengt. Und (nicht nur) deshalb habe ich die Hoffnung, dass es so in Wirklichkeit nicht kommt. Dennoch ist ein kleiner Weckruf hin und wieder nicht verkehrt.

Insgesamt ist "Heimatsterben" ein interessantes, sehr gut lesbares Gedankenexperiment. Wehret den Anfängen!

Bewertung vom 03.11.2021
Alcott, Louisa May

Little Women. Beth und ihre Schwestern


sehr gut

Reclam hat den US-amerikanischen Klassiker der Autorin Louisa May Allcott in einer sehr schönen, liebevoll gestalteten Ausgabe herausgebracht. Die Neuübersetzung von Monika Baark liest sich flüssig und gut; die Illustrationen von Kera Till vereinen stilvoll moderne Gestaltung und zeitgemäße Darstellung. Schon für dieses stimmige Gesamtbild lohnt der Kauf, auch wenn das Buch zum gemütlichen Schmökern eigentlich etwas unhandlich und schwer (1,2 kg) ist. Auch haben sich im Buch leider einige orthografische Fehler eingeschlichen, die das Gesamtbild trüben.

Das Buch besteht aus zwei Teilen: "Little Women" und "Good Wives". In "Little Women" begleitet man die vier jugendlichen Schwestern der Familie March durch ein Jahr während des US-amerikanischen Unabhängigkeitskriegs im 19. Jahrhundert. "Good Wives" ist drei Jahre später angesiedelt und umfasst mehrere Jahre Handlung. Man erlebt das Erwachsenwerden der Schwestern mit Höhen und Tiefen. Die vier unterschiedlichen Charaktere der Schwestern bilden interessante Gegenpole. Ein starker Zusammenhalt zeichnet die Familie aus.

Aus dem Jahr 2021 betrachtet, könnte man am vor über 150 Jahren erschienenen "Little Women" wohl einiges auszusetzen. So ist das Buch aus heutiger Sicht (natürlich) wenig feministisch: das Leben als Ehefrau eines möglichst wohlhabenden Mannes und als Mutter wird als das erstrebenswerteste Ziel für junge Frauen ausgegeben. Wünschenswert wäre neben dem enthaltenen Glossar deshalb auch ein Nachwort gewesen, in dem das Buch in seine Zeit eingeordnet worden wäre und in dem vielleicht auch erklärt würde, warum "Little Women" in den heutigen USA noch einen solchen Einfluss hat, dass es in Filmen und Serien immer mal wieder erwähnt wird.

Das Buch ist heute eher für erwachsende Lesende geeignet und gedacht, die einen US-amerikanischen Klassiker lesen möchten, als für Jugendliche.

Bewertung vom 28.10.2021
Mandel, Emily St. John

Das Glashotel


sehr gut

Emily St. John Mandels neuer Roman "Das Glashotel" zeichnet sich durch eine ungewöhnliche Erzählweise aus. Die Autorin nähert sich der Geschichte und der Hauptfigur Vincent immer wieder neu – aus dem Blickwinkel ganz unterschiedlicher Nebenfiguren, deren Verknüpfung zu Vincent oftmals auf den ersten Blick nicht ersichtlich ist. Oft deckt sich diese Verbindung erst langsam auf, was zu Aha-Effekten führt. Außerdem entstehen dadurch viele Nebenschauplätze, die das Buch in meinen Augen abwechslungsreich machen. Die eigentliche Handlung ist dabei eher überschaubar, was enttäuschen mag. Auch wirkliche Spannung baut sich leider kaum auf. Lässt man sich aber auf die ungewöhnliche Art der Erzählung ein und sieht darin vielleicht sogar den eigentlichen Reiz dieses Buches, wird man meiner Meinung nach dennoch gut unterhalten.

Bewertung vom 07.10.2021
Hübner, Charly

Charly Hübner über Motörhead oder Warum ich James Last dankbar sein sollte (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Ein Buch über Charly Hübner und den Teufel, eine Kindheit und Jugend, Schlager und Motörhead.
Der Ich-Erzähler unternimmt mit dem Teufel eine Zeitreise in seine Kindheit und Jugend zwischen 1977 und 1987 und erlebt so nochmal seine musikalische und allgemeine Persönlichkeitsentwicklung.
Anfangs etwas viele Metaphern und Phrasen, aber das gibt sich und das Buch wird zu einer interessanten, runden, persönlichen Geschichte über die Wirkung von Musik.
"Das ist doch keine Autobiographie, geschweige denn eine Autofiktion. Das ist doch nur ein Buch," heißt es an einer Stelle. Ich denke aber, dass hier bei aller dichterischen Freiheit, viel Fantasie und einigen Faust-Zitaten doch ganz viel Charly Hübner drin steckt.
Ebendieser hat es außerdem geschafft, mir Motörhead, eine Band, die ich immer als "hört sich doch alles gleich an"-Gitarrengequietsche abgelegt hatte, näher zu bringen und mich dazu gebracht, mir ein paar Lieder von ihnen anzuhören, die ich noch nicht kannte, die tatsächlich vielfältiger und besser als gedacht sind. Also: unbedingt mal mehr als nur das etwas öde "Ace of Spades" hören! Eine Bandgeschichte o.ä. ist das Buch allerdings nicht – will und soll es aber auch nicht sein.
Schauspielende, die sich als Autor*in versuchen – da darf man erstmal skeptisch sein. Hier ist es gelungen. Ich fand das Buch intelligent unterhaltsam, persönlich und eloquent. Gerne mehr davon!

Hinweis: im Buch gibt es einen längeren Dialog auf Englisch (einfaches Niveau).

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.