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SBS

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Insgesamt 362 Bewertungen
Bewertung vom 08.10.2022
Ein Kind namens Hoffnung
Sand, Marie

Ein Kind namens Hoffnung


sehr gut

Berlin, 1938: Elly stammt aus einem Pfarrerhaushalt und hat sich gegen den Willen ihres Vaters durchgesetzt. Statt ein Studium aufzunehmen, lernte sie Köchin und ist in einem jüdischen Haushalt beschäftigt – sie mag die kleine Familie und ihre Arbeit. Vor allem der kleine Leon hat es ihr angetan. Eines Abends kommen die Nazis und sie gibt den Jungen als ihren Sohn aus, damit er eine Chance hat, während seine Eltern verhaftet werden. Eine Flucht beginnt…

Was würde man selbst tun? Die Frage, ob ich wirklich den Schneid hätte, habe ich mir einiges Male gestellt und selbst nach der Lektüre bin ich nicht sicher. Klar ist man geneigt zu sagen, dass man das Kind natürlich retten würde, aber wäre man auch noch so mutig, ständen Naziverbrecher direkt vor einem? Ich weiß es nicht. Sicher hingegen war, dass ich unbedingt die Geschichte dieser stillen Heldin kennenlernen wollte. Wie hat sie es geschafft mit dem Jungen zu entkommen? Welche Opfer musste sie bringen und wo fand sie vielleicht Hilfe? Wie war dieses Unterfangen ein jüdisches Kind großzuziehen möglich? Würden sie überhaupt überleben? Bombenhagel, Kälte und Hunger trotzen können? Könnte Elly vielleicht eines Tages den Jungen zurück in die Obhut der Eltern geben? Fragen über Fragen, auf die der Roman Antworten liefert. Die Rettung des Junges wird zu Lebensaufgabe Ellys – sogar ihre eigene Tochter vergisst sie darüber regelrecht. Fast durchgängig ist der Schreibstil angenehm zu lesen, während der Inhalt teils sprachlos, wütend oder auch mal traurig machte. So etwas darf es einfach nicht noch einmal geben. #GegendasVergessen

Und auch wenn mich das Thema begeistert hat, ich Elly sympathisch und mutig fand, so hat mich die Umsetzung nicht immer ganz überzeugt. Mancher Zeitsprung war unnötig irritierend, auch inhaltlich hab es den einen oder anderen Moment, der mich nicht wirklich mitgenommen hat. Wirklich unnötig fand ich den Epilog, der aus meiner Sicht wie ein Fremdkörper wirkte. Das Buch war für mich schon davor gut abgeschlossen. In Summe waren das aber wenig Aspekte, sodass ich dieser Geschichte um eine stille Heldin 3,5 Sterne vergebe.

Bewertung vom 06.10.2022
Unsre verschwundenen Herzen
Ng, Celeste

Unsre verschwundenen Herzen


sehr gut

Bird ist 12 Jahre alt und er lebt mit seinem Vater allein auf dem Campus. Seine Mutter hatte die Familie drei Jahre zuvor verlassen. Über sie wird nicht gesprochen, doch plötzlich erreicht Bird, der nun Noah genannt wird, ein Brief mit Katzen ohne Ende und das weckt seine Erinnerung an eine Erzählung. Nun will er sich auf die Suche nach seiner Mutter machen.

Gewöhnlich lese ich keine dystopischen Bücher, greife ich doch mal zu einem, dann muss es mich thematisch wirklich interessieren. Das war hier ganz klar der Fall. Rassismus ist einfach ein wichtiges Thema und ich finde ihn gut dargestellt. Nach einer Wirtschaftskrise ungekannten Ausmaßes, wird China als Ursache für alles Übel ausgemacht. Mit dem neuen PACT-Gesetz soll nun alles besser werden, „America first“ in Reinkultur…Hier wird unter dem Deckmäntelchen des Schutzes und der Sicherheit auch in wirtschaftlicher Hinsicht ein proamerikanischer Kurs gefahren, der alles Unamerikanische und besonders alles Asiatische verbietet. Das führt zu Diskriminierung, Verleugnung der eigenen Persönlichkeit, Zwangsadoptionen und vielem mehr. Das Dramatische: Hier handelt es sich um eine dystopische Erzählung – doch sie mutet sehr realistisch an…vielleicht nicht in diesen Dimensionen (bisher!), aber das ist eben keine reine Phantasie.
Sprachlich ist das Buch nicht abgehoben sieht man von dem einen oder anderen poetischen Element ab. Gerade zu Beginn, als weder die Krise noch die Hintergründe für das Verschwinden der Mutter klar sind und nur das triste Leben von Bird und seinem Vater geschildert wird, konnte ich mich für das kaum erwärmen. Mir war es einfach ein wenig zu deprimierend, zu beklemmend. Die gesellschaftlichen Bedingungen waren mir einfach zu heftig. In so einer Welt, in der Überwachung und Unterdrückung allgegenwärtig sind, möchte man einfach nicht leben, auch nicht, wenn man rein optisch den Maßstäben entspricht. Nachdem ich ein anderes Buch gelesen hatte, konnte ich mich jedoch auf die Geschichte einlassen. Ab dem zweiten Teil hatte mich das Buch dann auch. Heißt konkret: Ab da hatte ich das Buch fast in einem Rutsch gelesen. Die Situationen sind unerhört, die Hintergründe und Ursachen werden deutlich. Irgendwie habe ich aber leider nie auf emotionaler Ebene zu Bird oder einem anderen Protagonisten gefunden, das Ende kam zu prompt.

Unter dem Strich hat mich das Buch doch weitgehend überzeugt und es wirkt bestimmt noch lange nach, aber ich bin der festen Überzeugung, dass man den richtigen Moment für das Buch erwischen muss oder allgemein Fan dystopischer Bücher zu sein.

Bewertung vom 01.10.2022
Carrie Soto is Back
Reid, Taylor Jenkins

Carrie Soto is Back


sehr gut

Selbst Tennismuffel kommen auf ihre Kosten

Carrie Soto war vor allem in ihrer 20ern eine sehr erfolgreiche Tennisspielerin, holte die meisten Grand Slams, führte die Weltrangliste an. Eine Knieverletzung ließ sie ihrer Karriere beenden, bis zu dem Tag, als sich eine junge Britin anschickt, ihr den Rekord zu nehmen. Carrie entscheidet mit ihren Vater, dass es Zeit für ein Comeback ist und Carrie den Rekord weiterhin halten soll. Ein großes Ziel, für das Carrie einige Opfer bringen muss…

Ich bin kein Tennisfan – ich glaube, dass ich in meinem ganzen Leben noch nicht genug Ausschnitte und Szenen gesehen habe, die in Summe auch nur ein Match ergeben würden, aber Carrie Soto hatte mich direkt am Wickel. Sie ist eine extrem ehrgeizige und dabei auch unsympathische Sportlerin, die für Tennis lebt. Sofort hatte ich das Gefühl eine Art Dokumentation zu verfolgen, über jemanden, den man vielleicht nicht wirklich mag, aber der einem dennoch Respekt abringt. Carrie wird von den Medien verunglimpft – sie macht weiter. Das Knie zwickt – sie macht weiter. Sie liegt hinten – sie macht weiter.

Von der Autorin hatte ich bis dato noch kein Buch gelesen, aber ich werde sie mir merken, denn der Schreibstil und die Gestaltung dieser Geschichte haben mir wirklich gut gefallen. Die Matches fand ich grandios und spannend, auch wenn ich manchen Fachbegriff nicht kannte, so entstanden dennoch Bilder in meinem Kopf. Auch der ganze Tenniszirkus wird aus meiner Sicht gut, authentisch und kurzweilig dargestellt. Das erscheint mir aus meiner Laiensicht sehr gut recherchiert – wie das ausgewiesene Tennisfans beurteilen kann ich natürlich nicht sagen. Für mich waren der Medienzirkus, der Konkurrenzkampf, die Vermarktungsaspekte etc. auf jeden Fall realistisch dargestellt. Es fühlte sich für mich oft so echt an, dass ich manchmal fast vergessen hätte, dass die ganze Geschichte fiktional ist.

Es ist auch nicht der von mir leise befürchtete Liebesroman geworden – ja, das Thema spielt in die Geschichte rein, ist aber nicht dominierend – sondern die gelungene fiktive Romanbiografie einer beeindruckenden Frau und Lebensleistung. Auch das Thema (Tennis-)Familie ist hier gut eingebunden.

Man muss Tennis, nicht einmal Sport mögen, um dieses Buch zu lesen. Einzig Interesse an einer Sportlerbiografie sollte man schon mitbringen. Carrie Soto bietet dann mit ihren vielen Facetten schon genug Unterhaltung. Das einzige was mich manchmal ein wenig irritierte, war wahrscheinlich der Übersetzung geschuldet, aber es gab ein paar holprigen Momente, die meinen Lesefluss kurz beeinflussten, aber das war unterm Strich nicht so dramatisch, daher vergebe ich gerne vier Sterne.

Bewertung vom 26.09.2022
Das siebte Mädchen
Willingham, Stacy

Das siebte Mädchen


gut

Psychologin Chloe geht es nicht gut und das verwundert bei ihrer Vorgeschichte auch wenig. Vor 20 Jahren wurde ihr Vater für den Mord an sechs Mädchen verurteilt, ihre Mutter wollte sich umbringen und ihr Bruder ist mit ihrem Verlobten nicht so ganz einverstanden. Ihren Vater hat sie nicht mehr gesehen, seit er von Beamten zuhause abgeholt wurde, doch nun verschwinden wieder Mädchen. Zufall? Ein Nachahmungstäter?

Vorweg: Es ist ein ruhiger Thriller, der seine Momente hat, ansonsten aber eher gemächlich vorankommt, manchmal auch für meinen Geschmack ein bisschen zu sehr auf der Stelle tritt. Das Kennenlernen der Erzählerin nimmt einiges an Text in Anspruch. Irgendwann hatte ich das Gefühl, dass sich manches zu oft wiederholt, die Rechtfertigungen ihres Medikamentenmissbrauch war ich irgendwann satt und nicht selten hätte ich sie gerne mal geschüttelt. Als Erzählerin wirkt sie dennoch oder gerade deshalb authentisch, weil sie nicht so stringent erzählt, sondern eher so, wie man das von einer traumatisierten Frau erwartet. Die Einblicke in ihre Psyche fand ich an sich auch nicht schlecht, aber ich hätte einfach zwischendurch gerne mehr Spannung gehabt, als es hier über weite Strecken der Fall war.
Ich hatte einen gewissen Verdacht schon recht früh, fand ihn dann aber aufgrund der einen oder anderen Sache nicht so ganz stimmig. Also habe ich zig andere Personen verdächtigt, also quasi jeden einzelnen Charakter im Buch. Ich hatte zwar immer diese eine Idee – wie ich glaubte, eine fixe Idee – aber es gab immer wieder Aspekte, die mal jenen, mal diesen Verdächtigen sinnvoll erschienen ließen. Was will der Nachahmungstäter? Ist es das „Jubiläum“, welches den Täter motiviert die Täter zu kopieren? Warum ist Chloe quasi immer im Mittelpunkt des Geschehens?
Das Ende des Buches hingegen ist plötzlich richtig spannend und unterhaltsam. Es geht dann endlich mal Schlag auf Schlag, fast zu schnell, aber immerhin. Unter dem Strich hat das Buch schon Potenzial, aber ganz genutzt hat es die Autorin aus meiner Sicht nicht - drei Sterne.

Bewertung vom 22.09.2022
Der Sturm
Harper, Jane

Der Sturm


gut

Tasmanien. Vor zwölf Jahren gab es einen schweren Sturm – einen der Menschenleben forderte, darunter das von Kierans Bruder. Schuld daran trägt Kieran, für dessen Rettung sein Bruder sowie ein weiterer Mann sich aufs Meer wagten und mit dem Leben zahlten. Gleichzeitig verschwand auch ein junges Mädchen spurlos. Gibt es einen Zusammenhang? Was geschah damals? Nun ist Kieran trotz aller Schuldgefühle mit seiner kleinen Familie zurückgekehrt, um seine Eltern zu unterstützen und bald wird eine Tote am Strand gefunden. Hat er Mord was mit ihm und den anderen Überlebenden zu tun?

Ich mag den flüssigen Schreibstil der Autorin an sich und ich war von ihren Titeln „Dry“ und „Ins Dunkel“ ziemlich begeistert, entsprechend hatte ich hier auch recht hohe Erwartungen. Gebannt startete ich und war auch über lange Zeit recht angetan, doch der Sturm der Emotionen oder der Spannung blieb weitgehend aus. Es war eher ein laues Lüftchen, nicht übel, aber eben auch nicht turbulent und kraftvoll. Doch von Beginn an. Das Setting mit seinem Inselfeeling, in dem fiktiven Ort Evelyn Bay bietet einen gelungenen Rahmen, abgeschieden, jeder kennt jeden, die raue See und der Strand direkt vor der Tür.

Je besser man die Figuren kennenlernt, desto mehr Aspekte sieht man, die dafürsprechen, dass der eine oder andere mit der Toten etwas zu tun haben könnte. Fast keiner entkam meinen Verdächtigungen, denn Motive, ob für das Verschwinden des Mädchens vor zwölf Jahren oder der Mord an der angehenden Künstlerin heute, gab es für so einige Bewohner. Viele scheinen Geheimnisse zu haben und ich war schon neugierig, wie sich alles auflösen würde, doch vor den Erfolg haben die Götter den Schweiß gesetzt, vor das Ende des Buches hat die Autorin teilweise recht langatmige Wiederholungen, Landschaftsbeschreibungen und scheinbare Nichtigkeiten gesetzt. Überraschungen und/oder Wendungen gab es quasi keine, die Spannung war bestenfalls subtil und ich muss ganz ehrlich sagen, dass mich das Ende nicht so begeistert hat. Ja, es ergab Sinn, die wichtigsten offenen Fragen wurden beantwortet und leider gab es keine Überraschungen. Das Buch plätschert dahin, ist nett, aber eben nicht der Sturm, den man erwartet. Dabei hatte das Buch bzw. hatten dessen Charaktere durchaus Potenzial. Insgesamt ist es vielleicht auch eher ein Drama als ein Thriller. Die Autorin schafft es auf jeden Fall wieder sehr atmosphärisch zu schreiben und man kann sich gerade in Kieran sehr gut hineinversetzen.

Wahrscheinlich hätte mich die Geschichte deutlich gestrafft mehr überzeugen können, vielleicht wäre ich auch versöhnlicher gestimmt, hätte ich nicht schon deutlich besser Bücher aus der Feder der Autorin gelesen, aber so komme ich wohlwollend noch auf drei Sterne.

Bewertung vom 18.09.2022
Die Rückkehr der Kraniche
Fölck, Romy

Die Rückkehr der Kraniche


sehr gut

Wilhelmine Hansen lebt mit ihrer Tochter Grete in einem alten Haus in der Elbmarsch. Ihr Leben zieht in geregelten Bahnen vorbei, bis Grete ihre Mutter zusammengebrochen in deren Küche findet. Die Sorgen sind enorm, so groß, dass Grete auch ihre Schwester Freya, die erfolgreich in Berlin arbeitet und ihre Tochter Anne, die in Bremen studiert nach Hause ruft. Trotz zahlreicher familiärer Spannungen…

Ich kannte im Vorfeld schon die Krimis der Autorin, die ebenfalls in der Region spielen, darum musste ich auch bei diesem Buch zugreifen, wenngleich der Plot weniger spannend klang. Zu Beginn war ich auch nicht so ganz angetan, musste erst einmal in die Geschichte mit all ihren leisen, feinen Tönen und Nuancen rein finden – als das gelungen war, hatte ich dann Gefallen an der Geschichte gefunden. Ja, es gab immer wieder einmal Momente, bei denen ich den Kopf schütteln musste (bei allen der vier Frauen, am meisten nervte mich dann aber doch Anne, die jüngste) und manches mag vielleicht ein wenig voraussehbar gewesen sein und dennoch: Ich habe die Geschichte, das Setting und den Schreibstil ansonsten sehr genossen. Ich bin normal nicht so der Typ für Naturbeschreibungen in Büchern, hier sind die jedoch sehr gut gelungen, tatsächlich konnte ich es mir vorstellen, wie die Vögel am Himmel ihre Kreise zogen, irgendwo im Gebüsch versteckt ein Lied anstimmten oder der Regen die Protagonisten kalt erwischt. Die Charaktere sind typisch nordisch gestaltet und wirken authentisch, manchmal möchte man sie schütteln und ihnen die Augen öffnen, genauso oft hätte ich sie aber auch mal in den Arm nehmen wollen.
Die Themen, die angesprochen werden sind vielfältig und solche, wie sie in Familien vorkommen, normal wahrscheinlich nicht so geballt wie hier, aber dennoch sind es Themen mitten aus dem Leben. Vaterfragen und auch Beziehungsgeschichten, Geheimnisse und viele Spielarten des Kummers werden hier angesprochen.

Die Auflösung hat mich wenig bis gar nicht überrascht, aber das war hier in Ordnung. Das Buch ist eher leise, für gemütliche Stunden, voller Atmosphäre und einer Familiengeschichte, die für mich so – trotz der einen oder anderen Kritik – packend war.

Bewertung vom 16.09.2022
Die Nachricht des Mörders / Fräulein vom Amt Bd.1
Blum, Charlotte

Die Nachricht des Mörders / Fräulein vom Amt Bd.1


ausgezeichnet

Baden-Baden, 1922: Alma ist Telefonistin und hört ein Gespräch mit, welches alles andere als alltäglich erscheint, denn eine Frau sei bei den Kolonnaden zu finden. Kurz später erfährt Alma aus der Zeitung, dass dort ein Mordopfer gefunden wurde. Sie hat also die Stimme des Mörders gehört und so macht Alma eine Aussage, aber der Kriminalrat hat kaum Interesse an der Aufklärung des Falls – das kann Alma nicht so auf sich beruhen lassen.

Mich hat das Buch wirklich sehr gut unterhalten, denn es ist in erster Linie eine Kriminalgeschichte im historischen Kontext, gespickt mit humorvollen Momenten und ein wenig fürs Herz ist auch dabei (keine Sorge – das Ganze nimmt nicht Überhand und ist nur nett in das Gesamtgeschehen eingeflochten). Mir erscheint der Roman sehr gut recherchiert und vor allem startete schnell das Kopfkino. Das zum einen an der Geschichte, aber auch an dem flüssigen und ansprechenden Schreibstil. Bis auf wenige Seiten hat mich das Geschehen immer gefesselt, es gab spannende Momente, manches wird richtig brenzlig, aber auch das „normale“ Leben ist sehr interessant. Die Einblicke in Almas Familie haben mir genauso gut gefallen, wie ihre Wohngemeinschaft mit ihrer besten Freundin und die Vermieterin….ein echtes Original die gute Dame, die mir so einige Schmunzler beschert hat. Am besten gefiel mir die sympathische Alma, die zunächst mehr oder weniger zufällig mitten in einen Kriminalfall stolpert und sich dann nach und nach regelrecht festbeißt, um der Gerechtigkeit auf die Sprünge zu helfen. Menschenkenntnis, Kombinationsgabe etc. zeichnen die taffe, junge Frau aus. Emmi nervt gelegentlich ein wenig, aber auch sie hat das Herz am rechten Fleck und die beiden emanzipierten Frauen ergänzen sich einfach sehr gut.

Toll finde ich, dass die Menschen nach dem ersten Weltkrieg einfach einmal leben wollen – trotz Inflation - auch mal ausgelassen feiern und dass die Autorinnen auch interessante gesellschaftliche Themen einstreuen. Klasse ist auch der Handlungsort. Solche Bücher sind meist in Berlin, vielleicht mal in Hamburg angesiedelt, nun endlich ist auch mal ein „Nest“ als Kulisse gewählt worden und das gefällt mir ausgesprochen gut. Durch die Kurgäste, Casinos und dergleichen bietet der Ort alles, was man sich nur so wünscht.

Ein bisschen unrealistisch fand ich das eine oder andere dann doch, denn dass ein Fräulein so bei Ermittlungen mitmischt…naja, aber ganz ehrlich: Es tut der Sache für mich so gar keinen Abbruch und es hat mich einfach unterhalten.
Ich freue mich auf weitere Teile dieser Reihe nach dem vielversprechenden Start.

Bewertung vom 12.09.2022
Blutige Stufen / Detective Robert Hunter Bd.12
Carter, Chris

Blutige Stufen / Detective Robert Hunter Bd.12


ausgezeichnet

L.A. ist ein hartes Pflaster – das wird in dem neusten Band der Reihe um die Ermittler der UV-Einheit Hunter und Gracia mehr als deutlich. Die neuste Tatserie erschüttert selbst hartgesottene Kriminalisten und den geneigten Leser gleich mit, denn die Grausamkeit ist beachtlich. Was mag hinter den Taten stecken? Was bewegt den Mörder? Warum diese Art der Tötung und dieses Nachtatverhalten?
Eine junge Frau feierte eben noch ausgelassen, hatte einen netten Flirt, ging jedoch allein nach Hause. Dort angekommen, bekommt sie einige beängstigende Nachrichten auf das Handy und wird dann brutal ermordet. Im Nachgang bekommen die Angehörigen noch ein Video des Mordes. Warum quält der Täter das Opfer und die Angehörigen so? Ist er einfach nur sadistisch? Wird es noch mehr Morde geben?
Detective Robert Hunter vom LAPD und sein Partner Carlos Garcia sind erschüttert und die beiden haben ja schon einiges gesehen. Die beiden ermitteln mit Hochdruck und dennoch können sie weitere Taten nicht verhindern. Der Fall ist undurchsichtig, es gibt kaum Spuren, weil der Täter sehr vorsichtig ist und auch die Tatbegehung als solche gibt zunächst keine Hinweise.
Sehr detailliert und actionreich werden die Taten und Tatorte beschrieben. Da musste ich auch nicht selten schlucken und das Kopfkino sprang an – die Bilder waren alles andere als angenehm, dennoch konnte und wollte ich das Buch kaum mehr weglegen. Besonders spannend wurde es, wenn der sogenannte „Mentor“ seine Taten beginnt. Man fiebert mit dem Opfer mit, hofft und bangt. Das Vorgehen lässt einen nicht kalt, selbst wenn man tagsüber liest.
Gut eingeflochten werden auch andere Themen, die brandaktuell sind, wie Black lives matter, Mobbing, Depressionen und dergleichen. Hier ist mindestens genauso gut recherchiert, wie bei den rechtmedizinischen und psychologischen Aspekten des Buches. Ich glaube es gab nicht eine einzige Seite, die mich nicht auf die eine oder andere Art und Weise gelangweilt hätte. Der kurzweilige Schreibstil, die Figurenentwicklung, aber auch die Konstruktion der Geschichte sind einfach grandios und überzeugen mich immer und immer wieder. Ich habe lange mit Hunter gerätselt, was hinter allem stecken mag, nicht selten schien der Fall klar – aber Carter hat nun einmal immer wieder Wendungen und Überraschungen im Gepäck.
Zur Aufklärung will ich gar nicht viel verraten, aber auch die hat es in sich. Mich hat das, wie das gesamte Buch, sehr überzeugt, auch weil ich ganz lange nicht den Hauch einer Idee hatte und Carter mich sehr überraschen konnte.
Es wird im 12. Fall wieder sehr blutrünstig, noch brutaler als gewöhnlich und ist damit so gar nichts für zarte Seelen. Wer Carter kennt und schätzt, wird hier wieder sehr zufrieden den harten Pageturner beenden.

Bewertung vom 07.09.2022
Das neunte Gemälde / Lennard Lomberg Bd.1
Storm, Andreas

Das neunte Gemälde / Lennard Lomberg Bd.1


ausgezeichnet

Der Kunstexperte Lennard Lomberg wird von einem gewissen Dupret kontaktiert mit einem Hinweis auf ein Gemälde, eines mit einer Geschichte, die auch Lombergs Familie zu betreffen scheint. Lomberg einigt einem Treffen recht widerwillig zu, reist aber zunächst ins Ausland. Kaum zurück, wird er beim geplanten Treffen von Dupret sitzengelassen. Wie durch den Besuch des BKA deutlich wird, war Dupret zu dem Zeitpunkt schon tot. Eine brisante Geschichte um ein Gemälde nimmt ihren Lauf.

Eine Bekannte hatte das Buch abgebrochen und gab es mir mit dem Hinweis, dass es sicher genau mein Geschmack sei und ich ihr dann bitte erzählen soll, um was es wirklich ging. Ganz so in die Tiefe kann ich hier inhaltlich natürlich nicht gehen, aber ich kann schon mal verraten, dass sie mit ihrer Einschätzung, dass mir die Geschichte gefallen könnte, goldrichtig lag. Dabei sah das zu Beginn noch etwas anders aus. Der gehobene Schreibstil schien mir ein bisschen arg abgehoben, wenngleich zu den Charakteren und ihrer Lebenswelt passend. Das Buch ist vor allem am Anfang sehr anspruchsvoll und fordert volle Aufmerksamkeit. Mit der Zeit gab sich dieses „Problem“ und ich hatte wirklich Freude an dem ausschweifenden, detaillierten Stil. Ja, er ist schon speziell, man muss am Ball bleiben und vor allem sollte man ein gewisses Interesse an Politik, Geschichte und Kunst mitbringen – sonst ist man wohl verloren. Denn es gibt verschiedene Zeitebenen, etliche Charaktere und ungezählte Orte, Verwicklungen, Wendungen und dergleichen. Nicht alles ist wichtig, aber unterhaltsam fand ich die Geschichte eigentlich immer. Vor allem der Zeitstrang in 1966 hatte es mir angetan. Politik spielt neben der Kunst hier eine ganz zentrale Rolle. Die Geschehnisse damals hatten es wirklich in sich und wirken bis 2016 nach. Es ist alles stimmig, historische Fakten werden gut eingebaut und am Ende sind auch die wichtigsten Fragen geklärt. Und dass trotz einer extremen Themenvielfalt, bei der manches ineinander reinspielt. Der Charakter Lomberg ist mal eine ganz andere Art „Ermittler“, an den ich mich gewöhnen musste, ihn jedoch schätzen lernte.

Da es mich wirklich überzeugt hat, mal was anderes war und meine Interessengebiete Politik und Kunst, sowie die diversen Zeitebenen so gekonnt zusammenspielten, empfehle ich das Buch gerne weiter. Man sollte aber wohl voran mal eine Leseprobe anschauen, ob man sich mit dem Schreibstil anfreunden kann.

Bewertung vom 07.09.2022
Stille blutet
Poznanski, Ursula

Stille blutet


ausgezeichnet

Nadine Just ist eine erfolgsorientierte Nachrichtensprecherin, die es mit den Gefühlen ihrer Mitmenschen nicht so genau nimmt. Eine unsympathische Person, wie sie im Buche steht. Genau diese kündigt live im TV vom Teleprompter abgelesen ihren eigenen Tod an. Ein widerlicher Scherz? Auf jeden Fall ein kleiner Skandal, der nur wenige Stunden von ihrer Ermordung übertroffen wird. Gefunden wird sie noch im Sender von ihrem Ex Tibor Glaser – dem baldigen Hauptverdächtigen Nr.1.

Ich mag einfach den Schreibstil der Autorin. Sie kommt schnell zur Sache, die handelnden Personen lernt man schnell recht gut kennen und auch das Setting beschreibt sie so, dass das Kopfkino losgeht. Allein die Idee finde ich großartig. Eine Nachrichtensprecherin verkündet ihren Tod selbst, live und in Farbe und wenig später wird sich diese Meldung verwirklichen. Darauf muss man erst einmal kommen. Dass ein früherer Partner in den Fokus der Ermittlungen gerät finde ich stimmig. Die Ermittlungen sind unterhaltsam und das Team gefällt mir bis auf eine Ausnahme sehr gut. Ermittlerin Fina, die als Erzählerin eine nicht unerhebliche Rolle in diesem Buch einnimmt gefällt mir.

Gelungen eingebaut finde ich auch die sozialen Medien, denn bald ist #inKürzetot Trend und erschwert die Ermittlungen, besonders da es nicht bei einem Opfer bleibt. Immer wieder gerät Tibor in den Fokus der Ermittlungen, die Medien bekamen Wind von seiner potentiellen Täterschaft – keine leichte Situation und das Füße stillhalten gelingt ihm nicht, er „ermittelt“ auf eigene Faust. Hier musste ich schon ab und an mit den Kopf schütteln über den jungen, reichlich verwöhnten Mann, dennoch habe ich ihn irgendwann gemocht. Zwischendurch hat dann auch noch ein unbekannter, deutlich erkennbar dubioser Erzähler ein paar Einwürfe – das unterbrach zwar immer wieder etwas meinen Lesefluss, verspricht andererseits aber auch Spannung.

Und die kommt auch – und wie. Es wird immer brisanter für Tibor und alle möglichen Leute scheinen irgendwie verdächtig, dann aber auch wieder nicht, denn welches Motiv sollten sie haben? Warum werden genau jene Menschen getötet? Was mag die Mordserie ausgelöst haben? Fragen über Fragen, die zum Miträtseln animieren und auch in diesem gut konstruierten Thriller zum Ende beantwortet werden. Wer aus welchem Grund hinter allem steckte, hat mich wirklich überrascht.

Es wurden aber auch einige Fragen bereits aufgeworfen, die in einem kommenden Band dann hoffentlich aufgeklärt werden. Das nicht alles – nur der „große“ Fall gelöst wurde – hat mich schon ein bisschen vergrämt, das hätte die Autorin aus meiner Sicht gar nicht nötig, denn der Auftakt hat mir sehr gut gefallen. Das Team hat auf jeden Fall Potenzial und vor allem Fina hat es mir angetan. Sie ist jung, authentisch und man mag sie einfach. Sie hat es allerdings nicht gerade leicht mit ihrem Partner, jedoch sind diese Spannungen auch nicht uninteressant. Zudem scheint sie ja auch gewisses Interesse geweckt zu haben…

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