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SofieWalden

Bewertungen

Insgesamt 711 Bewertungen
Bewertung vom 25.10.2020
Maurer, Martin

Die Krieger / Nick Marzek ermittelt Bd.1


ausgezeichnet

Ein wahrer Hintergrund und daraus entsteht ein nahezu perfekter Kriminalroman

1984 wurde auf die Münchner Diskothek Liverpool ein Brandanschlag verübt. Es gab ein Bekennerschreiben der Gruppe LUDWIG, einer terroristischen Gruppe mit nicht ganz klaren Zielen, die sonst vorwiegend in Italien agierte, aber wirklich aufgeklärt werden konnte die Tat nie. Vor diesem realen Hintergrund erleben wir hier einen Kriminalroman, der in allen Bereichen überzeugt.
Doch von vorne. Der gerade aus Berlin zur Mordkommission nach München gewechselte Ermittler Nick Marzek wird aufgrund des vermuteten Zusammenhangs einiger Verbrechen im Müncher Rotlichtmilieu mit einer in Italien mordenden terroristischen Gruppe als Neuzugang nach Italien abkommandiert, mehr oder wenig freiwillig im Schlepptau eine Übersetzerin, die im Kommissariat putzende Italienerin Graziella. Dort angekommen, merken die beiden schnell, dass auf diesem unbekannten Terrain, mit einer komplizierten und recht uneindeutigen Faktenlage und der doch ganz anderen Mentalität der italienischen Seele, dass erfolgreiche Ermittlungsarbeit nur eine Chance hat, wenn sie sich zusammenraufen. Das tun sie dann auch, und wie sich herausstellt, ergänzen sie sich gut und Gaziella legt erstaunlich nützliche Fähigkeiten an den Tag. Es macht richtig Spaß, diesem ungewöhnlichen Ermittlerpäärchen zuzusehen, wenn sie sich durch den kriminellen Sumpf der Möglichkeiten kämpft, irgendwo zwischen religiösem Fanatismus, radikalem Rechtsextremismus und politischem Machtgeschacher.
Ein absolut gelungener superspannender Kriminalroman ist diese Geschichte geworden. Hier stimmt einfach alles und das Flair Italiens kommt auch nicht zu kurz.

Bewertung vom 24.10.2020
Nesser, Håkan

Barbarotti und der schwermütige Busfahrer / Inspektor Gunnar Barbarotti Bd.6


sehr gut

Barbarottis sechster Fall und ein echter Nesser eben

Nesser schreibt seine Kriminalromane, wie Meisterdiebe ihre Tat planen, durchdacht, präzise elegant und mit einer ganz eigenen künstlerischen Note. Und hier tut er es wieder.
Der Fall, auf den das inzwischen auch privat verbandelte Ermittlerpaar Barbarotti und Backmann trifft, führt sie einige Jahre zurück in der Zeit, zu einem Busfahrer, der an einem Unfall beteiligt war, bei dem es mehrere Tote gab. Nicht nur, das diesen Mann die eigene Schuld niederdrückt, eine Art Racheengel hat beschlossen, Vergeltung zu üben. Und das tut dieser dann auch. Backmann war damals die Kommissarin, die das spätere Opfer um Hilfe gebeten hat. Und dieser von Schuld gebeutelte Mann, der kommt der Kommissarin auch ganz aktuell in den Sinn, denn auch sie ist schuld am Tod eines Menschen, weil sie die vermeintlich richtige oder vielleicht doch falsche Entscheidung getroffen hat. Und so entstehen zwei Erzählebenen, zwischen denen sich der Autor elegant hin und her bewegt und so für zusätzliche Kurzweil und Spannung sorgt. Auch sonst wird es nicht vergessen, das Spiel mit der Sprache, ein wichtiges Nesser-Merkmal, das so herrlich in den Ermittlerdialogen, die schon fast Duellen gleichkommen, seinen Ausdruck findet.
Dieses Buch hat alles, was es erlaubt, einem Krimifall auch wirklich die Bezeichnung Kriminalroman zuzugestehen, eine das Geschehen tragende Spannung, realistische unaufgeregte Ermittlerarbeit und 'menschliche Kontakte' mit viel Lebendigkeit.
Ein echter Nesser ist das eben, sehr zu empfehlen, natürlich auch für Neuzugänge.

Bewertung vom 23.10.2020
Burow, Patrick

Generation Fake


gut

Mit Lügen ist es oft leichter und die Gesellschaft verhält sich danach

Patrick Burow ist Richter von Beruf und in seinem langen Berufsleben ist ihm aufgefallen, wie die Haltung der Menschen, die Wahrheit zu sagen und zu seinen Fehlern zu stehen, immer mehr abnimmt, denn das ist ja gerade bei der öffentlichen Behandlung einer unrechten 'Tat', in Form einer Gerichtsverhandlung, ein ganz entscheidender Faktor. Und natürlich hat er auch über seinen beruflichen Tellerrand hinausgeschaut, rein in unsere Gesellschaft. Ob in der Familie, im Bekanntenkreis, im Beruf und mit einem ganz speziellen Focus, in der Politik und seinen Führungspolitikern mit ihrer öffentlichen Vorbildfunktion, überall ist die 'Unwahrheit' zuhause.
Dies einmal laut auszusprechen und es an Beispielen zu belegen, das ist Burrows Anliegen in diesem Sachbuch. Dabei darf dann durchaus auch mal geschmunzelt werden. Und man selbst ertappt sich selbst dabei, ungläubig den Kopf zu schütteln über das, was Menschen so treiben, um nicht zugeben zu müssen, einen Fehler begangen zu haben, gerade wenn es doch eigentlich um gar nichts wichtiges geht.
Das Buch ist in einer sehr ruhigen flüssigen und gut lesbaren Sprache verfasst. Es bietet Unterhaltung und Information in einem sehr ausgewogenen Maß. Und, das Wichtigste, es erfüllt sein Ziel. Man denkt nach, darüber und reflektiert sein eigenes Verhalten. Muss es denn 'die Ausrede sein', die ja tatsächlich, sprechen wir es aus, eine Lüge ist oder kommt bei seinem Gegenüber eine ehrliche Antwort oft genauso gut an.
Das Buch ist durchaus zu empfehlen und das ist die Wahrheit, ganz ehrlich.

Bewertung vom 22.10.2020
Smith, Michael Acton

Calm - Die Magie des Schlafes


weniger gut

Ein kleines Potpourri rund um den Schlaf

Schlaf ist ein entscheidender Teil unseres Lebens. Etwas ein Drittel unserer Lebenszeit sollte dafür 'geopfert' werden, um die 18 Stunden des Tages, die wir im wachen Zustand verbringen, mit Kraft und ganz viel Wohlgefühl verleben zu können. Da kann es ja nur zu unserem Vorteil sein, zu wissen, wie wertvoll Schlaf für uns ist, was im Schlaf passiert und was wir tun können, um gut zu schlafen. Und dieses Buch will uns nun dabei helfen. Die Aufmachung ist schon einmal gelungen. Man fühlt sich geradezu eingeladen, hier einzutreten und die Magie des Buchtitels schwingt hier durchaus mit. Zum Durchblättern und Verharren, wo immer einen das eigene Interesse hinführt, wird direkt zu Beginn extra aufgefordert und bei meiner Tour durch die reich illustrierten Seiten fällt mein Blick auf jede Menge amüsanter Seitenthemen, wie der Rubrik, in welchem Land schläft man auf welcher Unterlage, der Geschichte der Schlafstätte von 3600 v. Chr. bis heute, wie lange schläft welches Tier und, jetzt kommen wir dem wirklich Wichtigen schon näher, Prominente mit Schlafproblemen. Denn darum sollte es ja, so war zumindest meine Erwartung, vor allem gehen, relevante Informationen von durchaus wissenschaftlicher Natur zu dem, was Schlaf ist und Hilfe für Menschen, die Probleme mit dem Schlafen haben. Und dies nimmt dieses Buch einfach nicht ausreichend wahr. Es wird alles sehr oberflächlich abgehandelt und die Ratschläge für 'einen besseren Schlaf' sind für Leute mit echten Schlafproblemen von eher geringerem Nutzen.
Wer sich einfach bewusst machen will, dass man 'seinen Schlaf braucht', in ausreichendem Maße unter optimalen Umgebungsbedingungen und natürlich gerne auch mit einer Gute-Nacht-Geschichte, der ist hier richtig. Wer aber ernsthafte Schlafprobleme hat, der muss sich irgendwo anders Hilfe suchen.

Bewertung vom 21.10.2020
Berkel, Christian

Ada


sehr gut

Eine Frau reflektiert ihr Leben, in der Hoffnung auf ein lebendiges Morgen

Ada ist eine Frau Mitte 40 und alles in ihr fühlt sich stumpf und bedrückend an. Sie hat schon jede Menge Leben hinter sich und trägt nun schwer daran. Und so beschließt sie, einen Therapeuten aufzusuchen und ihm ihr Leben zu erzählen, in der Hoffnung, so wieder neue Kraft und ein inneres Gefühl des Lebendigseins zu erlangen. Ada wurde am Ende des Krieges, 1945 geboren und hat ihre Kindheitsjahre zusammen mit ihrer jüdischstämmigen Mutter Sala in Argentinien verbracht. Als die beiden nach Berlin zurückkehren, sucht Sala wieder Kontakt zu Adas Vater und sie leben von nun an als eine Familie. Doch Adas Sehnsucht und Hoffnung auf Geborgenheit und vor allem mütterliche Wärme bleibt unerfüllt. Wenn überhaupt, wird ihr später geborene Bruder damit beschenkt. Nach dem Abschluss der Schule beginnt Ada zu studieren, versucht sich an Drogen und der freien Liebe und durchlebt die neuere Geschichte der Bundesrepublik, auf der westlichen Seite, mit Mauerbau, dem Aufblühen der deutschen Wirtschaft und der 68-er Bewegung.
Sie ist eine Suchende, nach ihren Wurzeln, nach der Geschichte ihrer Familie und damit auch ihrer eigenen. Aber ihre Fragen bleiben unbeantwortet, ihre Mutter möchte weder über ihre jüdische Herkunft noch über die Dinge reden, die in jungen Jahren ihr eigenes Leben geprägt haben. Ada kann diese Wand nicht durchbrechen und so wendet sie sich ab und sucht, mit kaltem Herz und kalter Seele verzweifelt nach etwas, wo sie die ersehnte Geborgenheit und ein Angekommen sein erleben darf, nach einer Familie.
Dieser Roman ist deutsche Nachkriegsgeschichte, stimmig und authentisch erzählt, durchtränkt von all den Gefühlen, Ängsten, Nöten und Verdrängungen, die unsere Gesellschaft durchzieht, bis heute. Mich hat diese Geschichte mitgenommen, in mehr wie einer Hinsicht. Diese niederdrückende Schwere, mit der Ada durchs Leben geht und so wenig Licht auf ihrem Weg, das kommt sehr beim Leser an. Aber natürlich, ohne wenn und aber, 'Ada' ist ein absolut gutes Buch, ein würdiger Nachfolger zu Christian Berkels erfolgreichem Erstwerk und ich bin mir sicher, da kommt noch mehr.

Bewertung vom 20.10.2020
Faldbakken, Matias

Wir sind fünf


gut

Eine Geschichte aus dem hohen Norden, die aus dem Rahmen fällt

Tormod Blystad lebt in einem kleinen Ort in Norwegen. Er hat eine Familie und ist fest in die Dorfgemeinschaft eingebunden. Die wilden Jahre mit Alkohol und Drogen liegen schon lange hinter ihm und nun zählen nur noch seine Frau und seine zwei Kinder. Nicht alles läuft gut, die Familie hat durchaus ihr Päckchen zu tragen und um ihnen allen etwas Gutes zu tun, zieht ein weiteres Familienmitglied ein, ein Hund, Snusken. Doch als es diesen plötzlich nicht mehr gibt, sind alle sehr niedergedrückt und Tormod bastelt zur Ablenkung in seiner Werkstatt herum. Bis dahin ist das eine vom Schreibstil ein wenig behäbig und schwerfällig dargebotene Geschichte rund um ein kleines eher freudloses ganz normales Leben, aber dann ist da, simsalabim, ein von Tormod grob geformter Klumpen Lehm, der über Nacht aus mehr oder minder geheimnisvollen mystischen Gründen lebendig wird. Das bringt erstmal freudige sehr willkommene Abwechslung in das Leben, nicht nur der Familie selbst, sondern auch der ganzen Dorfgemeinschaft. Die Geschichte schreitet weiter voran und dann kippt sie, hin zu etwas, das man wohl irgendwo zwischen Mystik und Horror ansiedeln kann.
Also, jemand, der es gerne mal etwas anders mag, ist hier auf jeden Fall richtig. Mich lässt die Geschichte mit ein wenig zwiespältigen Gefühlen zurück, zumal am Ende doch einiges sehr schwammig und nicht wirklich abgeschlossen zurückbleibt. Ob das so sein soll oder 'das Andere' nur bei mir nicht so ganz angekommen ist, das müsste man dann wohl den Autor selbst fragen.
Wer gerne liest, sollte es auf jeden Fall mit diesem Buch versuchen, weil es einfach so gar nicht Mainstream ist und das hat ja auch seinen Reiz.

Bewertung vom 14.10.2020
Love, Melissa Scrivner

Capitana


sehr gut

Lola, Bandenchefin mit vielen Facetten und treusorgende Mutter dazu

Lola ist die unangefochtene Chefin der Crenshaw-Six Gang in L.A. Sie beherrscht den Heroinhandel in ihrem Viertel und um hier den Ton angeben zu können, sind harte Bandagen gefragt. Dazu gehört es auch, dem ein oder anderen das Lebenslicht auszublasen und das macht sie auch durchaus selbst. Aber Lola ist mehr. Sie ist Mutter und Lucy heißt das adoptierte Mädchen, dem sie eine behütete Kindheit bieten will, mit einem sicheren Umfeld und einer guten Schulbildung dazu. Und auch für ihre Nachbarn und vor allem für misshandelte Frauen und Kinder hat Lola immer ein offenes Ohr. Gerade bei dem Versuch, diesen unter die Arme zu greifen, tritt sie den falschen Leuten auf die Füße. Mit einem mexikanischen Großkartell sollte man sich wirklich nicht anlegen, denn das ist eigentlich eine Nummer zu groß für Lola und ihre Gangfamilie. Aber nun gibt es kein zurück. Es geht es ums pure Überleben, für sie alle.
Capitana ist ein absolut packenderThriller, als gelungene Fortsetzung von Lola – 2019; aber auch ganz separat als eigenständige Geschichte kommt der Leser hier voll auf seine Kosten. Und durch die Präsenz und Vielschichtigkeit der weiblichen Hauptfigur, dem 'verdammt böse' und gleichzeitig von Ehrbarkeit und Fürsorge für ihre Lieben angetriebenen Handeln hat das Buch einen ganz besonderen Reiz und bietet zusätzliche Spannung, wo die Reise für sie denn hingehen wird.
Tolle extrem kurzweilige Unterhaltung mit einer ordentlichen Portion Frauenpower.

Bewertung vom 13.10.2020
Clark, Liz

Die Wellenreiterin


gut

Eine junge Frau besegelt die Welt und lebt ihre Träume

Liz Clark hat einen großen Traum und nie hätte sie gedacht, die Chance zu bekommen, ihn zu leben. Und dann ist es soweit und sie sticht mit der CAL 40, ihrem Segler, in See. Die Südsee will sie erkunden, verweilen wo es nach ihr ruft, surfen an schönen Stränden, fremde Menschen kennenlernen. Und das Alles wird tatsächlich war. Mit diesem Buch nimmt sie uns Leser mit auf ihre Reise, durch Höhen und Tiefen und dank der herrlichen Bilder mit zu all den Orten und wunderbaren Landschaften, die man sich in seinen Gedanken so erträumt. Der Funke ihrer unbändigen Begeisterung für das, was sie da tut, springt unweigerlich auf einen über. Natürlich werden die so detailgenauen Beschreibungen über einfach alles auf ihrer Reise manchmal etwas lang, aber da vergisst sie eben einfach die Perspektive der Leser zuhause auf dem Sofa, die einfach nicht so nahe dran sein können, wie sie selbst.
Ich hatte viel Freude an dem Buch, der Haltung und Emotionalität dieser jungen Frau und den Bildern, die sehr viel zu einem rüber gebracht haben.

Bewertung vom 09.10.2020
Baldacci, David

Abgetaucht / Atlee Pine Bd.2


sehr gut

Ein taffes Ermittlerpaar und die eigene Geschichte wiegt schwer

Atlee Pine ist FBI-Agentin und hat ihre etwas eigene Art, Fälle zu lösen, denn um Regelen schert sich sich wenig. Doch irgendwann kann ihr Chef einfach nicht mehr darüber hinweg sehen, diesmal ist sie zuweit gegangen und so schickt er sie, zusammen mit deren Assistentin Carol, in eine Art Zwangsurlaub, nach Andersonville, dem Ort, wo sie aufgewachsen ist und wo es passierte. Denn dass Atlee so oft Probleme mit ihrem eigenen Verhalten hat, das hat einen Grund. Sie hatte eine Zwillingsschwester, Mercy, und als sie beide sechs Jahre alt waren, ist ein Unbekannter in ihr Haus eingedrungen, hat Mercy mitgenommen und sie selbst schwer verletzt. Das ist 30 Jahre her und Mercy konnte bis heute nicht gefunden werden. Nun soll sie sich diesem Trauma stellen und ihr Leben wieder auf die Reihe bringen, sprich am besten den Fall lösen und so zur Ruhe kommen.
Doch als sie in Andersonville eintrifft, passiert ein bizarer Mord. Eine als Braut ausstaffierte Leiche wird gefunden und wenig später dann mit Mord Nr. 2 ein Mann mit Smoking und Zylinder. Es scheint der Beginn einer ganzen Mordserie zu sein und bei den Ermittlungen, mit denen Atlee und Carol betraut werden, stellt sich heraus, das es da auch einen Zusammenhang mit dem Verschwinden ihrer Schwester zu geben scheint.
Ein sehr sympathisches Ermittlerduo macht hier seine Arbeit, wobei, wenn Atlee ihre Assistentin Carol mit ihrer eher ruhigen mütterlichen Art nicht an ihrer Seite hätte, dann würde dies Alles nicht so gut funktionieren, wie es das eben tut. Diese Geschichte ist spannend, emotional und nun mal sehr persönlich und sie hat mich absolut überzeugt. Das es bereits der zweite Band einer auf drei Bücher angelegten Trilogie ist, hat mich als Erstleser überhaupt nicht gestört, nicht beim Verständnis und auch nicht beim Mitfiebern mit seinen beiden Protagonisten. Aber das ich das letztendlich große Finale (Band 3) dann auf jeden Fall auch lesen werde, das ist klar, zumal das Ende von 'Abgetaucht' einen schon sehr dazu einlädt. Und das darf auch so sein. Ich freue mich darauf.

Bewertung vom 06.10.2020
Paar, Tanja

Die zitternde Welt


sehr gut

Ein unkonventionelles Leben in einem Land, das Heimat wird und dann der große Bruch

1896 reist die hochschwangere Maria dem Mann hinterher, der der Vater ihres Kindes ist. Wilhelm hat sich nach dem Studium ohne Abschied nach Anatolien aufgemacht, um dort als Ingenieur am Bau der Bagdadbahn mitzuarbeiten. Als sie ihn schließlich gefunden hat, ist er nach anfänglichem Zögern bereit, mit ihr zu leben. Sie bekommen Kinder und haben eine sehr lebendige, kontroverse Beziehung. Sie machen es sich nicht leicht miteinander, aber es ist eine durchaus glückliche wilde Ehe, die sie da in ihrer neuen Heimat leben. Vor allem und gerade für Maria ist die Türkei zur ihrem Zuhause geworden, das sie nie mehr verlassen will. William hat ein anderes Empfinden und als der erste und später auch der zweite Weltkrieg über die Welt herein brechen, kommt es zum großen Bruch in ihrem Familiengefüge und Maria muss das Land, das so sehr ihre Heimat geworden ist, aufgeben.
Die Geschichte von Maria und ihrer Familie ist geprägt und wird bestimmt von den Geschehnissen der Zeit. Und dies macht etwas mit den Menschen und so wird aus ihr, dieser starken frei denkenden und in ihrem Wesen so lebendigen Frau, über die Zeit der zwei Weltkriege hinweg ein ganz anderer Mensch. Und obwohl die Autorin einen Erzählstil gewählt hat, der eine sehr konkrete präzise Sprachform, kleine Handlungssequenzen und immer wieder Perspektiv- und Zeitsprünge nutzt, um ihre Geschichte zu erzählen, hat mich dieses mit 300 Seiten eher schmalbändige Familienepos von Anfang an mitgenommen, auf eine große bittere Reise, mit viel interessantem historischem Hintergrund und sehr viel Nachklang.
Es ist oft nur ein kleiner Moment, der ein Schicksal verändert und am Ende steht leider zu selten das Glück.