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dorli
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Insgesamt 894 Bewertungen
Bewertung vom 28.07.2015
Hunter, Denise

Barfuß am See


ausgezeichnet

Chapel Springs, Indiana. Die 26-jährige Tierärztin Madison McKinley wird seit dem Tod ihres Zwillingsbruders Michael von schlimmen Albträumen geplagt. Sie hofft, sich davon befreien zu können, indem sie Michaels größten Traum erfüllt: Bei der alljährlichen Segelregatta jüngster Sieger aller Zeiten zu werden. Um dieses Ziel zu erreichen, bleibt Madison nur noch dieser Sommer. Das große Problem: Sie kann nicht segeln. Sie kann nicht einmal schwimmen, hat sogar panische Angst vor dem Wasser. Als Beckett O’Reilly ihr seine Hilfe anbietet, nimmt Madison diese dankbar an…

Denise Hunter wartet in „Barfuß am See“ mit einer ganz wunderbaren, sehr warmherzigen Geschichte auf. Der Roman kommt ganz ohne „Bösewicht“ aus - es gibt keinen missgünstigen Rivalen, keine neidische Freundin oder boshafte Schwester – die Menschen in Chapel Springs unterstützen sich gegenseitig und sind bei Problemen füreinander da.

So ist es auch für Beckett ganz selbstverständlich, dass er Madison hilft, ihre Angst vor dem Wasser zu überwinden und ihr danach auch das Segeln beibringt – obwohl Madison bei der Segelregatta als Konkurrentin starten wird, unterstützt er sie wo es nur geht und hilft ihr sogar, das alte Boot ihres verstorbenen Bruders wieder auf Vordermann zu bringen.

Es knistert heftig zwischen Madison und Beckett, doch wirklich näher kommen sie sich nicht. Dafür stehen sich beide viel zu sehr selbst im Weg.
Es hat mir sehr gut gefallen, dass die Perspektive im Verlauf der Handlung zwischen Madison und Beckett hin und her wechselt – so kann man prima an den Gedanken und Gefühlen beider Hauptfiguren teilhaben.

Madison hat den frühen Tod ihres Bruders nicht verwunden. Albträume plagen sie immer stärker, sie leidet unter Schlafmangel und kann ihren Alltag dadurch nicht mehr bewältigen. Der innere Schmerz frisst sie auf. Der Sieg bei der Regatta ist aus ihrer Sicht die einzige Lösung, um endlich Frieden zu finden. Außerdem Madison ist wütend auf Gott, weil er Michael nicht beschützt hat. Obwohl sie sieht, wie gut allen anderen der Glaube tut, ist sie lange Zeit nicht bereit, ihre Einstellung zu ändern und Gott um Hilfe zu bitten.

Beckett blickt auf eine unrühmliche Jugend zurück. Obwohl er sich seit dem grundlegend geändert hat, zweifelt der Sohn eines stadtbekannten Alkoholikers daran, dass Madison sich für ihn interessieren könnte. Er hält sich für nicht gut genug. Darüber hinaus schleppt Beckett ein Geheimnis mit sich herum, von dem er weiß, dass es Madison den Boden unter den Füßen wegziehen wird.

Denise Hunter lässt ihre Protagonisten sehr lange miteinander „ringen“ und erst dann zueinander finden, als alle Probleme, die möglicherweise zwischen ihnen stehen könnten, aufgearbeitet und bewältigt sind.

„Barfuß am See“ ist eine unterhaltsame, romantische Geschichte, in der sich die Akteure sehr intensiv mit ihren Ängsten und Unsicherheiten auseinandersetzen müssen. Absolute Leseempfehlung.

Bewertung vom 22.07.2015
Bálly, Alexander

Der Tote am Kirchturm


ausgezeichnet

Wolnzach. Benedikt Singer, allseits beliebter Musiker und Hochzeitslader wird tot am Fuße des Kirchturms aufgefunden. Als Todesursache wird Gift vermutet, doch ob es sich um einen Unfall, Selbstmord oder gar Mord handelt, bleibt zunächst unklar. Während die Polizei erste Nachforschungen anstellt, brodelt die Gerüchteküche in Wolnzach. Auch Ludwig Wimmer und seine Enkelin Anna wollen wissen, warum der Singer Bene sterben musste und starten eigene Ermittlungen…

„Der Tote am Kirchturm“ ist bereits der zweite Fall für den Metzgermeister im Ruhestand Ludwig Wimmer und seine pfiffige Enkelin Anna, dieser Krimi ist aber auch ohne Kenntnis des ersten Bandes bestens verständlich.

Alexander Bálly erzählt den Krimi mit viel Schwung. Es geht in diesem Buch frisch, locker und lebhaft zu, der Autor beschreibt detailreich und mit viel Witz die dörfliche Atmosphäre in Wolnzach und präsentiert zwei muntere Ermittlerteams, die beide intensiv ermitteln, nur eben auf ganz unterschiedliche Art und Weise.

Ludwig und Anna machen sich den Dorfklatsch zu nutze – sie horchen hier und plaudern dort und gelangen so durch die kursierenden Tatsachen, Halbwahrheiten und Gerüchte ganz nebenbei an nützliche Informationen, die sie auf die Spur des Täters bringen.

Die polizeilichen Ermittler mit Kommissar Karl Konrad und seinem Assistenten Lukas Stimpfle an der Spitze gehen gewissenhaft und umsichtig mit klassischer Polizeiarbeit zu Werke und untersuchen die am Tatort gefundenen Spuren, halten sich an Fakten und Indizien und durchleuchten das Umfeld des Toten.

Die Verknüpfung von Spannung und Humor ist Alexander Bálly hervorragend gelungen – ich konnte prima mitgrübeln und miträtseln und habe mich über die humorvoll dargestellten Eigenarten und Besonderheiten der Akteure und ihr lebhaftes Zusammenspiel köstlich amüsiert. Die Dialoge sind zum Teil in Mundart geschrieben und verleihen der Geschichte damit eine Extraportion Lokalkolorit.

„Der Tote am Kirchturm“ hat mich durchweg begeistert – ein Regionalkrimi randvoll mit bester Unterhaltung.

Bewertung vom 20.07.2015
Konecny, Jaromir

Falsche Veilchen


ausgezeichnet

München. Der vor Kurzem aus dem Jugendgefängnis entlassene 16-jährige Leon hat es wirklich nicht leicht. Nicht nur, dass er mit Lauras reichen Freunden nicht klarkommt, er wird auch noch verdächtigt, in der elterlichen Villa von Lauras Exfreund Dirk den Hausmeister niedergeschlagen und den Tresor ausgeräumt zu haben. Logisch, dass Leon seine Unschuld beweisen will. Gemeinsam mit Laura macht er sich auf die Suche nach der Wahrheit. Erste wichtige Spur: ein intensiver Veilchenduft am Tatort…

Auch mit seinem zweiten Jugendkrimi „Falsche Veilchen“ hat Jaromir Konecny mich rundum begeistert. Der Autor lässt auch diese Geschichte durchweg von Leon erzählen - und es ist einfach klasse, wie locker und lässig Leon diese Aufgabe bewältigt.
Freche Sprüche, witzige Dialoge, tiefgründige Gedanken – alles verpackt in einer frisch-fröhlich-jugendlichen Sprache – da macht es einfach Spaß, Leon und seine „Sherlocka“ Laura bei ihren Nachforschungen zu begleiten.
Tatkräftig unterstützt wird das junge Ermittlerduo bei der Spurensuche von der 20-jährigen Autistin Annabell und dem nach einer unschönen Kindheit entwicklungsgestörten Gärtnergehilfen Claudin.

Jaromir Konecny gelingt es hervorragend, seine Figuren authentisch darzustellen. Nicht nur die beiden Hauptakteure, sondern auch Annabell und Claudin sowie die reichen Jugendlichen aus Lauras Clique und die Kids aus den sozial schwächeren Vierteln der Stadt wirken echt und handeln glaubwürdig.
Auch Hauptkommissar Hauptmeister („Haha“) und sein Assistent Brummla sind wieder mit von der Partie – die beiden glänzen zwar nicht gerade bei den Ermittlungen, tragen aber mit ihren jeweiligen Eigenarten prima zur Unterhaltung bei.

Der Kriminalfall selbst ist spannend und verzwickt. Während es den jungen Ermittlern letztendlich gelingt, dem wahren Bösewicht auf die Spur zu kommen, hatte ich bis zum Schluss den Falschen als Täter im Visier.

„Falsche Veilchen“ ist ein spannendes, kurzweiliges Lesevergnügen, dass nicht nur bei jungen Lesern für gute Unterhaltung sorgt.

Bewertung vom 18.07.2015
Oke, Janette;Oke Logan, Laurel

Aufbruch ins Ungewisse


sehr gut

Kanada um 1920. Beth hat sich entschlossen, nach ihrer Ausbildung ihr wohlhabendes Elternhaus zu verlassen und für ein Jahr in einer abgelegenen Bergarbeitersiedlung im Westen Kanadas die Kinder der Minenarbeiter zu unterrichten.
Ganz überraschend begegnet sie im Zug nach Coal Valley Edward Montclair. Beth kennt Edward von Kindesbeinen an und hat ihn noch nie leiden können. Edward reist in den Westen, um eine Stelle als Mountie anzutreten…

In ihrem historischen Roman „Aufbruch ins Ungewisse“ entführt Janette Oke den Leser in die 1920er nach Kanada und erzählt die Geschichte der jungen Lehrerin Beth Thatcher.

Beth hat mich fasziniert. Sie könnte es so einfach haben in ihrem reichen Zuhause, aber sie verzichtet auf alle Annehmlichkeiten und Komfort. Sie will sich nicht ins gemachte Nest setzen, sondern ihren eigenen Weg gehen, auch wenn dieser Weg mit einigen Schwierigkeiten gepflastert ist.

In Coal Valley erwarteten Beth denkbar schlechte Voraussetzungen. Doch Beth lässt sich von den primitiven äußeren Bedingungen nicht entmutigen, sondern macht sich beherzt ans Werk und vertraut darauf, dass Gott genau diesen Weg für sie vorgesehen hat und ihr die Kraft gibt, ihr Ziel trotz der widrigen Umstände zu erreichen.
Beth sprüht vor Kreativität und Ideen und schafft es, ungeachtet der geringen zur Verfügung stehenden Mittel, die Kinder zu unterrichten und ihnen auch die Bibel näher zu bringen. Ihr unermüdlicher Einsatz kommt dabei dem gesamten Gemeindeleben zugute.

Manchmal hatte ich den Eindruck, Janette Oke hat ihrer Hauptfigur ein Zuviel an Zielstrebigkeit mit auf den Weg gegeben – Beth wirkt in ihrem Bemühen, immer das Richtige zu tun, ab und an sehr angespannt, fast verkrampft und ihr Ehrgeiz scheint überhand zu nehmen. Ein bisschen mehr Leichtigkeit hätte ihr gut zu Gesicht gestanden und hätte der Handlung etwas mehr Schwung verliehen.

Die Geschichte verläuft insgesamt ruhig und ohne großes Auf und Ab - das im Klappentext genannte gefährliche Geheimnis lässt auf sich warten. Dass in dem kleinen Ort etwas nicht mit rechten Dingen zugeht, deutet sich in Kleinigkeiten an, das eigentliche Geheimnis kommt aber erst auf den letzten Seiten zum Vorschein.

„Aufbruch ins Ungewisse“ ist ein eher beschaulicher Roman, bei dem unermüdliche Hilfsbereitschaft und das Vertrauen in Gott im Vordergrund stehen.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 16.07.2015
Hodgson, Mona

Hochzeit mit Hindernissen


ausgezeichnet

Cripple Creek, 1897. Mit Vivian Sinclair zieht auch die Letzte der Sinclair Schwestern von Maine nach Colorado – doch anders als ihre älteren Schwestern hat Vivian ein Geheimnis im Gepäck, das ihr einen unbekümmerten Start in der neuen Heimat nicht möglich macht. Als es auch in beruflicher Hinsicht mit dem Neuanfang einfach nicht klappen will, trifft Vivian eine folgenschwere Entscheidung…

In „Hochzeit mit Hindernissen“ erzählt Mona Hodgson die Geschichte einer jungen Frau, die sehr ehrgeizig ist und ein festes Ziel vor Augen hat: Sie will eine bedeutende Modeschöpferin werden.
Doch die Autorin legt ihrer Protagonistin mächtige Steine in den Weg - trotz intensiven Bemühens gelingt es Vivian nicht, eine dauerhafte Arbeitsstelle zu finden. Ihr Plan, schnell auf eigenen Füßen zu stehen, gerät ins Wanken und lässt ihre Selbstzweifel immens wachsen. Finanziell in Bedrängnis greift sie schließlich nach dem sprichwörtlich rettenden Strohhalm und nimmt eine anrüchige Arbeit an. Dabei verstrickt sie sich immer mehr in Lügen und gelangt letztendlich in eine Situation, die bedrohliche Ausmaße annimmt.

Auch der sympathische Deputy Carter Alwyn hat mit schwerwiegenden Problemen zu kämpfen. Beruflich macht ihm eine raubmörderische Bande das Leben schwer und privat hat ihn der Tod seines Vaters in ein tiefes Loch fallen lassen.

Obwohl es heftig zwischen den beiden Hauptfiguren knistert, fühlen sich beide aufgrund ihrer persönlichen Schwierigkeiten nicht in der Lage, eine feste Beziehung einzugehen. Vivian, weil sie die in Maine getroffenen, unklugen Entscheidungen nachhaltig belasten; Carter, weil er keiner Frau das Leben an der Seite eines Sheriffs zumuten will.

Wie der Titel schon vermuten lässt, gelingt es Vivian und Carter im Verlauf der Handlung, alle einer gemeinsamen Zukunft im Weg stehenden Hindernisse zu überwinden – Kraft und Stärke dafür schöpfen beide immer wieder aus einem Gebet und dem Glauben an Gott.

Sehr gut gefallen hat mir, dass Mona Hodgson auch in diesem Roman wieder Frauen in ihre Geschichte eingebunden hat, die wirklich in Cripple Creek gelebt haben – Susan „Doc Susie“ Anderson und Madam Pearl DeVere.

„Hochzeit mit Hindernissen“ ist ein zügig zu lesender, unterhaltsamer Roman, der mit einer tollen Mischung aus Romantik, Spannung und tiefgründiger Handlung überzeugt.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 01.07.2015
Fritz, Astrid

Henkersmarie


ausgezeichnet

Nürnberg, 1525. Der junge Henker Hans Vollmer ist nicht in der Lage, den Urteilsspruch des Gerichts zu erfüllen und die vermeintliche Kindsmörderin Margareta in der Pegnitz zu ertränken. Er bittet darum, das Mädchen losheiraten zu dürfen. Seiner Bitte um Gnade für Margareta wird entsprochen.
Rothenburg, 8 Jahre später. Hans und Margareta Vollmer leben mit ihren drei Kindern in einer heruntergekommenen Gasse. Besonders Tochter Maria leidet unter den Umständen, die das Leben in einer Henkersfamilie mit sich bringt…

Mit „Henkersmarie“ ermöglicht Astrid Fritz dem Leser einen umfassenden Blick auf den Alltag einer Henkersfamilie im 16. Jahrhundert.

Der fesselnde Erzählstil der Autorin hat mich sofort in das Geschehen hineingezogen, schnell war ich mittendrin in der Welt der Scharfrichter und habe mit den Vollmers gelebt und gelitten.

Die Aufgaben eines Scharfrichters waren vielfältig, die Ausführung dieser Tätigkeiten zum Wohl der gesamten Bevölkerung - und doch lebten die Angehörigen dieser Berufsgruppe und ihre Familien am Rande der Gesellschaft und galten als „unehrlich“.

Astrid Fritz hebt in diesem Buch besonders das Leid der Kinder eines Henkers hervor.
So sehr sich Maria, Veit und Jonathan um Anschluss bemühen, es gelingt ihnen kaum, Freunde zu finden. Sie ernten nur bösartige Beschimpfungen und werden überall ausgegrenzt. Diese bitteren Erfahrungen prägen die Vollmer-Kinder ganz unterschiedlich.
Während Veit sich von klein auf gegen alle Anfeindungen wehrt und er es gar nicht abwarten kann, endlich in die Fußstapfen seines Vaters zu treten, ist Jonathan zurückhaltend und in sich gekehrt, hat aber dennoch ein konkretes Ziel vor Augen: er will Medicus werden. Maria belastet die schwierige Situation am meisten. Sie ist entsetzt über die schrecklichen Dinge, die ihr Vater tagtäglich tun muss. Außerdem fällt es ihr im Gegensatz zu ihren Brüdern zunehmend schwerer, mit dem Makel „Henkerskind“ und den damit verbundenen Benachteiligungen zu leben und entscheidet daher schon früh, dass sie der Henkerswelt sobald es ihr möglich ist, den Rücken kehren wird.

Mit ihren detailreichen Beschreibungen und ausführlichen Schilderungen zeichnet Astrid Fritz ein facettenreiches und glaubwürdiges Bild der damaligen Lebensumstände. Die Geschichte ist durchweg mit interessanten Begebenheiten, Sitten, Bräuchen und Angewohnheiten der Zeit gespickt – viele Kleinigkeiten, die die Handlung lebhaft machen und die Geschehnisse wunderbar abrundeten.

Mir hat „Henkersmarie“ sehr gut gefallen – der Roman bietet nicht nur gute Unterhaltung, sondern auch aufschlussreiche Einblicke in die alltäglichen Probleme einer Scharfrichterfamilie.

Bewertung vom 29.06.2015
Kabatek, Elisabeth

Zur Sache, Schätzle! / Pipeline Praetorius Bd.4


ausgezeichnet

Stuttgart. Pipeline Praetorius sucht eine Wohnung für sich und ihren in Kürze aus China zurückkehrenden Freund Leon. Leider ist es gar nicht so einfach, in der Stadt etwas Passendes zu finden. Außerdem droht Lines Chefin Arminia ihr mit einer möglichen Versetzung nach Leipzig und Polizist Simon gesteht ihr seine Liebe. Als Line und Leon trotz des alltäglichen Wahnsinns endlich ein einigermaßen geeignetes Domizil gefunden haben, fangen die Probleme erst richtig an…

„Zur Sache, Schätzle!“ ist bereits der vierte Band mit Line und Leon - ich habe die beiden erst mit diesem Buch kennengelernt und konnte dieses Abenteuer auch ohne Kenntnis der vorherigen Ereignisse rundum genießen.

Elisabeth Kabatek erzählt die Geschichte mit viel Pep und Schwung und präsentiert eine sehr muntere Protagonistin – ich musste immer wieder über Line und ihre Art, die Dinge anzupacken, schmunzeln.

Line hat einen ständigen Begleiter: das Katastrophen-Gen. Obwohl die 32-jährige stets versucht, alles richtig zu machen, schiebt sich dieses verflixte Gen regelmäßig und vor allen Dingen unkontrollierbar in den Vordergrund und lässt Line von einer vertrackten Situation in die nächste purzeln.

Es hat mir sehr gut gefallen, dass die Geschichte trotz reichlich Situationskomik nicht ins Lächerliche abdriftet, sondern ab und an auch ernsthaftere Töne anschlägt, wenn es zum Beispiel um kriselnde Beziehungen oder auch um bezahlbaren Wohnraum in Großstädten geht.

Die Dialoge sind zum Teil in Mundart geschrieben und verleihen dem Geschehen damit eine Extraportion Lokalkolorit. Auch wenn mir als Norddeutsche der schwäbische Dialekt nicht gerade vertraut ist, waren diese Passagen für mich durchweg verständlich. Ein paar von der Autorin eingefügte Fußnoten geben bei eventuellen Problemen eine hervorragende Hilfestellung.

„Zur Sache, Schätzle!“ ist turbulent, chaotisch, unterhaltsam - ich habe mich köstlich amüsiert.

Bewertung vom 25.06.2015
Rath, Jürgen

Die Namenlosen von Amrum


ausgezeichnet

Amrum 1964. Der Friedhofsforscher und Archivar Steffen Stephan entdeckt bei einem Spaziergang den Friedhof der Angeschwemmten - wenige Gräber mit schlichten Holzkreuzen, auf denen nicht die Namen der Verstorbenen, sondern jeweils nur das Datum ihres Fundes am Strand vermerkt wurde. Steffens Neugierde ist geweckt, er möchte die Identität der Toten klären und beginnt nachzuforschen. Unterstützt wird er dabei von der Praktikantin Lilianne Feldmann. Schnell müssen die beiden jedoch feststellen, dass ihre Recherchen auf der Insel nicht gerne gesehen sind…

In seinem historischen Krimi „Die Namenlosen von Amrum“ nimmt Jürgen Rath den Leser mit auf Reise an die Nordseeküste in die 1960er Jahre. Es ist dem Autor hervorragend gelungen, Ort und Zeit zu beschreiben und die auf der Insel vorherrschende Stimmung zu vermitteln - ruckzuck war ich mittendrin im Geschehen und habe mich mit Steffen und Lilianne auf eine spannende Suche nach dem Geheimnis gemacht, das die Amrumer sorgsam auf dem kleinen Friedhof versteckt haben und auf keinen Fall preisgeben wollen.

Steffen und Lilianne beginnen mit einer sehr intensiven Recherchearbeit, sie stöbern in Bibliotheken und Archiven, um den Ungereimtheiten bei der Belegung der Gräber auf die Spur zu kommen. Die Nachforschungen auf Amrum selbst gestalten sich als besonders schwierig, denn die verbohrte Inselgemeinde ist wenig auskunftsfreudig, gibt auf Fragen entweder gar keine Antwort oder speist die beiden mit Halbwahrheiten ab. Man kann im Verlauf der Handlung die wachsende Abneigung einiger Insulaner deutlich spüren, sie werden immer unfreundlicher, schließlich sogar aggressiv.

Jürgen Rath hat ein gutes Gespür für Charaktere, seine Akteure wirken sehr echt und natürlich.
Steffen ist ein Kind seiner Zeit. Er ist akkurat, bieder und ordnungsliebend, Anstand und Etikette sind ihm wichtig. Dass er sich zu drei ganz unterschiedlichen Frauen hingezogen fühlt, verwirrt den 33-jährigen sehr und dass sich mit keiner der Damen eine wirkliche Beziehung ergeben will, verstört ihn noch mehr.
Lilianne ist ganz anders. Die Studentin ist modern und quirlig und kommt frech und ein wenig respektlos daher und bringt damit eine große Portion Schwung in Steffens Leben.
Bei den unterschiedlichen Standpunkten der beiden bleibt es natürlich nicht aus, dass sie das eine oder andere Mal kräftig aneinanderrasseln und so beim Leser für humorvolle Unterhaltung sorgen.
Auch alle anderen Figuren spielen die ihnen zugedachten Rollen ausgezeichnet, beleben mit ihren Eigenarten die Szenerie und machen das ganze Geschehen sehr glaubwürdig.

„Die Namenlosen von Amrum“ ist ein spannend erzählter, unblutiger Krimi, der die 1960er Jahre lebendig werden lässt.

Bewertung vom 24.06.2015
Hawkins, Paula

Girl on the Train


ausgezeichnet

Ashbury/London. Rachel Watson pendelt jeden Tag mit dem Zug zur Arbeit und beobachtet die Menschen in den Häusern entlang der Strecke. Sie macht sich Gedanken über die unterschiedlichen Leute und erfindet Geschichten über sie. So auch über Megan und Scott Hipwell, die Rachel in ihrer Fantasie Jess und Jason nennt. Rachel ist neidisch auf das Pärchen, weil die beiden in Rachels Vorstellung das wunderbare Leben führen, das sie selbst gerne leben würde. Eines Tages macht Rachel eine verwirrende Beobachtung, die das perfekte Bild, das sie von dem Paar hat, zerstört. Kurz darauf ist Megan plötzlich verschwunden…

„Girl on the Train“ hatte mich schon nach wenigen Seiten fest im Griff, obwohl anfangs kaum etwas passiert. Man lernt Rachel kennen, erfährt von ihren Beobachtungen, teilt ihre Gedanken. Schnell ist klar, dass Rachel große Probleme hat: Sie trinkt übermäßig viel Alkohol, lässt sich gehen, macht ihren Mitmenschen etwas vor, zerfließt in Selbstmitleid. Nach und nach lässt Paula Hawkins durchsickern, warum Rachel sich so verhält und man kann sehr gut nachvollziehen, weshalb sich Rachels Leben so zum Negativen gewendet hat.

Die Autorin lässt auch Megan zu Wort kommen, allerdings erzählt diese ihre Geschichte zeitversetzt - ihr Part beginnt bereits ein Jahr vor den aktuellen Ereignissen und nähert sich Stück für Stück dem gegenwärtigem Geschehen an. Von Megan erfährt man, das ihr Leben ganz und gar nicht so harmonisch verlaufen ist, wie Rachel es sich ausgemalt hat.

Neben Rachel und Megan spielt auch Anna Watson, die neue Frau an der Seite von Rachels Exmann Tom, eine große Rolle. Anna wirkt zunächst einmal sehr glücklich, sie scheint sich inmitten ihrer kleinen Familie wohlzufühlen. Einzig das Rachel nicht loslassen kann und anscheinend ständig Tom kontaktiert, macht ihr arg zuschaffen, sie fühlt sich von Rachel belästigt und bedroht.

Paula Hawkins hat das Schicksal der drei Frauen eng miteinander verwoben. Nach Megans Verschwinden nimmt nicht nur die Polizei die Ermittlungen auf, auch Rachel versucht zu rekonstruieren, was an jenem verhängnisvollen Abend passiert ist, denn sie selbst war betrunken und kann sich an nichts erinnern, hat aber eine Kopfverletzung. Sie stellt Nachforschungen an und gerät dabei in einen Strudel immer dramatischer werdender Ereignisse.

„Girl on the Train“ hat mich durchweg begeistert. Die immer spannender werdende Handlung ist mit einigen Überraschungen und Wendungen gespickt. Es hat großen Spaß gemacht, über Täter, Motive, Verwicklungen und Hintergründe zu grübeln.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 19.06.2015
Wendeberg, Annelie

Tiefer Fall / Anna Kronberg & Sherlock Holmes Bd.2


ausgezeichnet

London 1890. Dr. Anna Kronberg wurde von Professor James Moriarty gefangen genommen und soll für ihn grausame biologische Waffen entwickeln. Da Moriarty Annas Vater entführt hat und droht, ihm etwas anzutun, wenn sie flieht oder seinen Anweisungen nicht folgt, spielt Anna dieses gefährliche Spiel zunächst einmal mit und versucht den Schein zu wahren, um das Vertrauen des Professors zu erlangen…

Auch der zweite Krimi mit der sympathischen Ärztin und Bakteriologin Anna Kronberg hat mich rundum begeistert. Schnell hatte mich das London des ausgehenden 19. Jahrhunderts wieder fest im Griff.

Anna Kronberg - eine Frau, die mit beiden Beinen fest auf der Erde steht, die ihren eigenen Kopf hat und diesen auch zu benutzen weiß, die willensstark ist und allen Widerständen und Gegnern zu trotzen vermag, wird in dieser Geschichte von der Autorin in einen wahren Gefühlsstrudel gedrängt – ein grandioses psychologisches Spiel beginnt.

Mit Anna und James Moriarty stehen sich zwei hochintelligente Menschen gegenüber. Sie fordern einander heraus, sie taxieren, sie provozieren, sie manipulieren – das Ganze gleicht einem faszinierenden Gefecht, einem Tanz, bei dem beide die Führung übernehmen wollen – es wird zu keiner Zeit langweilig, dieses Duell zu beobachten, weil nie wirklich klar ist, wer am Ende als Sieger dastehen wird.

Anna begibt sich auf einen riskanten Tauchgang in die Untiefen der Menschlichkeit und beginnt die geforderten tödlichen Erreger zu entwickeln, immer auf der Suche nach einer Schwachstelle in Moriartys Plan. Annas großer Vorteil ist ihre exzellente Beobachtungsgabe. Nicht die kleinste Regung Moriartys entgeht ihr und es gelingt ihr, hinter die Fassade dieses gefährlichen Mannes zu blicken. Trickreich spielt sie ihre Kenntnisse aus, dennoch scheint Moriarty ihr immer einen Schritt voraus zu sein.

Sherlock Holmes spielt in diesem Band nur eine Nebenrolle – eine wichtige zwar, denn er soll Annas Vater finden und aus der Schusslinie bringen - doch die Bühne gehört in diesem Krimi fast ausschließlich Anna und Moriarty.

Mir hat „Tiefer Fall“ durchweg sehr gut gefallen - ein äußerst spannender, sehr unterhaltsamer Schlagabtausch.