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Aischa

Bewertungen

Insgesamt 575 Bewertungen
Bewertung vom 27.01.2018
Winter, C'Rysta

Eine Leiche für Perrot


sehr gut

Autorin C'rysta Winter ist Agatha-Christie-Fan mit Leib und Seele. Und so ist der vorliegende Kriminalroman denn auch eine Hommage an die britische Erfolgsautorin.
Das Ermittlerteam in "Eine Leiche für Perrot" besteht aus Achille Perrot, Enkel des großartigen Hercule Poirot, und John Harold Jeff, Nachkomme von Scotland-Yard-Chefinspector James Jepp.
Winter schafft es, obwohl der Tatort ein idyllischer See mit Ausflugslokal inmitten der niedersächsischen Heide ist, ihre Geschichte wie einen klassischen englischen Krimi zu erzählen. Die nötigen Zutaten sind: eine britische Hochzeitsgesellschaft, schrullige Damen (teils mit großem Sonnenhut), Airdaleterrier Terrier, ein Welsh Corgie und mehr Verdächtige als einem lieb sein kann.
Die Autorin streut zahlreiche Hinweise, nach jedem Kapitel hat man eine neue Person im Verdacht, und die Spannung hält bis zum fulminanten Ende. In schöner Poirot-, Verzeihung, Perrot-Manier kombiniert der Detektiv geschickt und fügt die Puzzleteile zur richtigen Lösung zusammen.
Fazit: Gute Unterhaltung für alle Fans britischer Krimis, hochspannend und stets mit einem Augenzwinkern erzählt. Ich hoffe auf baldige Fortsetzung.

Bewertung vom 25.01.2018
Spitzeder, Adele;Nebel, Julian

Adele Spitzeder


gut

Julian Nebel legt mit seinem Debüt ein gleichermaßen kurzes wie interessantes Sachbuch über Adele Spitzeder vor.
Die erfolglose und verschuldete Schauspielerin gründete 1869 eine Privatbank, mit der sie sich selbst aus ihren finanziellen Nöten retten möchte. Anfangs sieht alles danach aus, als ob der Plan aufgehen würde: Indem sie zehn Prozent Zinsen sowie die jederzeitige Auflösung der Einlage verspricht, laufen ihr die Leute bald die Tür ein. Ihr geschicktes Schneeballsystem - wer neue Kunden bringt, erhält eine Provision - sowie die Tatsache, dass die Anleger aus den unteren Gesellschaftsschichten als eine der ihren ansehen, lässt Spitzeder ihren Betrug drei Jahre lang aufrechterhalten.
Doch der Zusammenbruch lässt sich nicht beliebig verzögern, 1872 fliegt der Schwindel auf und mehr als 30.000 Opfer in und um München verlieren ihre - meist hart verdienten - Ersparnisse. Es kommt zu zahlreichen Selbstmorden, Spitzeder wird zu einer Gefängnisstrafe verurteilt.
Nebel versteht es, Idee und Umsetzung des Spitzederschen Kreditsystems gut verständlich zu vermitteln. Fotos, Originalzitate aus Zeitungen und Spitzeders eigenen Memoiren lockern den Text auf. Gegen Ende gibt es einige Längen und Wiederholungen, außerdem vermisse ich Anmerkungen, welche gesellschaftlichen Konsequenzen dieser Skandal nach sich zog. Gab es so etwas wie Verbraucherschutz, wurden Gesetze verschärft, fanden sich Trittbrettfahrer, die die Idee von Adele Spitzeder nachzuahmen versuchten?
In jedem Fall macht das Buch neugierig, Spitzeders eigene Aufzeichnungen zu studieren.

Bewertung vom 25.01.2018
Özdogan, Selim

Wo noch Licht brennt


sehr gut

Özdogans letzter Teil der Trilogie rund um die Deutschtürkin Gül ist auch ohne Kenntnis der ersten beiden Bände gut zu lesen.
Gül kehrt nach einigen Jahren in der Türkei erneut nach Deutschland zurück, um wieder bei ihrem Mann Fuat zu leben. Die Familie ist verstreut, ihre bereits erwachsenen Kinder leben teils in Deutschland, teils in der Türkei. Wo sich Gül zu Hause fühlt ist lange unklar, sie scheint irgendwo zwischen der türkischen und der deutschen Gesellschaft zu hängen.
Özdogan schildert die Gefühlswelt seiner Protagonistin sehr einfühlsam und mit ungewöhnlichen Bildern. Seine Sprache ist blumig, geradezu poetisch. So werden etwa Gefühle mit Farben assoziiert, und man findet noch weitere Synästhesien, die jedoch nie ins Kitschige abdriften.
Gül wird von mehreren Schicksalsschlägen getroffen, ihr so sehr geliebter Vater stirbt in der Türkei, ohne dass sie ihn noch einmal sprechen kann, Güls Tochter wird jung Witwe. Gül muss nicht nur mit der Untreue ihres Ehemannes fertig werden, nein, er verspielt auch noch das gemeinsame Ersparte. Gül reagiert wenig, meist erträgt sie ihr Schicksal, sie ist gottergeben, bescheiden und doch sehr stark. Diese Stärke ist ihr selbst wohl kaum bewusst, sie ist zugleich in vielen Ängsten gefangen und begehrt nur selten auf.
Als Rentnerin geht sie wieder zurück in die Türkei, doch auch dort ist es nicht wirklich ein "nach Hause kommen".
Der Roman ist weniger eine Geschichte über kulturelle denn über individuelle Unterschiede. Ich habe sehr mit Gül gelitten, ihre Melancholie zieht sich fast wie ein roter Faden durch die Geschichte. Beeindruckt hat mich, wie sie ihr Schicksal anzunehmen vermag.
Ein großer Roman über eine leise Frau.

Bewertung vom 22.01.2018
Steigerwald, Christopher

Der Tag an dem David Bowie starb (eBook, ePUB)


sehr gut

Eigentlich waren seine Rahmenbedingungen für einen guten Start ins Leben ganz o.k., das stellt der Protagonist selbst fest.
Dennoch studiert er eher, weil es von ihm erwartet wird, als aus eigenem Antrieb. Was zunächst noch wie ein typisches Studentenleben mit Parties und wechselnden Beziehungen wirkt, driftet schließlich ab. Ohne genau zu wissen wieso, zieht sich der Erzähler immer mehr zurück.
Es ist eine Geschichte, die manches nur andeutet und doch vieles sagt. Es ist keine farbenfrohe Geschichte, sie ist zunehmend grau. Vielleicht sind aber auch nur mir beim Lesen die Farben abhanden gekommen. Möge sich jeder Leser selbst einen Eindruck verschaffen, es lohnt sich.
Steigerwalds Sprache ist eigen, manchmal spricht der Protagonist den Leser unvermittelt direkt an. Das ist ungewohnt, aber gut. Ich habe dadurch mehr nachgedacht, nicht so leicht über Dinge hinweg gelesen. Leider nicht hinweg lesen konnte ich auch über einige Rechtschreibfehler, daher ziehe ich einen Stern ab. Dennoch empfehlenswert, nicht zuletzt für alle, die ihren Weg noch suchen, die jemanden kennen, der immer mehr an sich zweifelt.

Bewertung vom 18.01.2018
Treber, Friedrich

Immer wieder Licht ein Fenster


ausgezeichnet

Eins vorneweg: Ich bin kein großer Lyrik-Kenner, seit der Schulzeit habe ich zwar sehr viel gelesen, aber darunter waren nur wenige Gedichtbände.
Aber dieses kleine Büchlein habe ich in den letzten Wochen sehr oft und zunehmend freudiger zur Hand genommen. Friedrich Trebers Gedichte sprechen mich an, sie berühren meine Seele. Die Verse handeln von Hoffnung, Sehnsucht, Glauben und Politik. Von Menschlichkeit, davon wie wir einander begegnen (könnten), im Kleinen wie im Großen. Treber skizziert Bilder aus der Natur, die für sich stehen, aber auch als Gleichnis interpretiert werden können. Die Gedichte, die über mehrere Jahre hinweg entstanden sind, wurden im vorliegenden Band als Jahrkreis angeordnet.
Ein immer wiederkehrendes Motiv ist die Verletzlichkeit von Kindern, ein Thema das dem pensionierten Lehrer sichtlich sehr am Herzen liegt. Dabei klagt er auch an, weist auf Missstände hin, aber ohne zu moralisieren.
Und dann gibt es wieder Worte, die zu ganz zarten Zeilen gesponnen sind, Zeilen, die ineinander verwoben ein luftiges, leichtes Lyriktuch ergeben, in das sich der Leser weich einschmiegen darf.
Das Buch hat nicht nur einen Platz in meinem Regal, sondern auch in meinem Herzen gefunden.

Bewertung vom 15.01.2018
Barker, J. D.

Geboren, um zu töten / The Fourth Monkey Bd.1


ausgezeichnet

Ein Psychothriller allererster Klasse: der psychopathische Serienkiller mit seinem außerordentliche Schrecken verbreiteten Folter- und Tötungsmuster, der bei der Auswahl seiner Opfer indirekte Selbstjustiz verübt, das schräge Ermittlerteam, hervorragend charakterisiert, das geheimnisvolle Tagebuch des Täters, das die memschlichen Abgründe, in denen er aufwachsen musste, nach und nach Preis gibt - ja, Barker ist ein Meister seines Faches.
Ein hervorragendes Lektorat und die gelungene Übersetzung runden den Lesegenuss für jeden deutschsprachigen Thrillers ab. Ich kann die Fortsetzung kaum erwarten!

Bewertung vom 07.01.2018
Kruse, Peter

Grenzenlos


sehr gut

Max, Alter Ego des Autors Peter Kruse, nimmt den Leser mit auf seinen Lebensweg. Nach einem lustlosen, aber dennoch erfolgreich abgeschlossenen BWL-Studium zieht es ihn zunächst nach Costa Rica, um dort fließend Spanisch zu lernen.
Es folgt ein ungewöhnlicher Berufsstart voller Abenteuer. Sein Mut, sich auf Neues, Unkonventionelles einzulassen, führt Max nach Guatemala, Kuba, wieder zurück nach Deutschland, um letztlich in seinem Traumhaus (und mit seiner Traumfrau) in San Diego sein Glück zu finden.
Erwartet hatte ich von "Grenzenlos" eine amüsante Reisereportage eines Globetrotters, bekommen habe ich darüber hinaus einen Lebensratgeber. Eigentlich nicht so mein Ding, aber dieses Buch kommt nicht mit erhobenem Zeigefinger daher. Kruses Tipps zur Lebensplanung wirken auf mich vielmehr als Anregung, als gut gemeinte Hilfestellung, sehr sympathisch.
Peter Kruse schreibt gefällig und sehr unterhaltsam. Besonders gut gefallen haben mir die thematisch passenden Zitate und Aphorismen am Ende jedes Kapitels.
Einen Punkt Abzug gibt es leider für etliche Rechtschreib-, Grammatik- und Satzzeichenfehler; ein gutes Lektorat wäre für eine Neuauflage empfehlenswert.

Bewertung vom 05.01.2018
Himmelried, Constantin

Freiheit ist 49


gut

Constantin Himmelried, selbst studierter Jurist, erzählt von seinen Erfahrungen im Gefängnis. Als Manager wegen Umsatzsteuerbetrugs im CO2-Handel verurteilt verbrachte er vier Jahre hinter Gittern.
Das vorliegende Buch ist jedoch mehr als ein Erfahrungsbericht, es ist zugleich ein Lebensratgeber, und zwar nicht nur explizit für Häftlinge.
Himmelried schildert in gut verständlichem Stil, wie er im Knast zu der Selbsterkenntnis kam, dass er in seinem Leben vor der Inhaftierung ein "Arschloch" (Zitat) gewesen war. Er erfährt durch seinen ebenfalls inhaftierten Vater, was bedingungslose Liebe ist. Er lernt, mit Angst und Einsamkeit umzugehen und macht sich auf den Weg, anderen nichts mehr vorzuspielen, sondern eine authentische Persönlichkeit zu werden, die die Dinge mit Leidenschaft angeht. Himmelried beschäftigt sich mit luziden Träumen, der Kraft des Wünschens und der Intuition. Durchaus interessante Denkanstöße, wenn auch für meinen Geschmack manchmal etwas zu esoterisch.
Gut gelungen ist der Anhang, in dem Knastbegrifflichkeiten erläutert werden.
Außerdem räumt Himmelried mit gängigen Vorurteilen auf, von homosexuellen Handlungen unter den Häftlingen ("nicht die Seife in der Dusche fallen lassen") über "es gibt keine Pornos im Knast" bis hin zu "im Knast sind nur Ausländer". Interessant ist auch seine Ansicht, dass langjährige Haftstrafen nicht abschreckender wirken als kürzere, da sich die meisten Häftlinge mit der Zeit mit dem Freiheitsentzug arrangieren und sich auch hinter Gittern ein gewisser Alltag einstellt.
Kritisch anmerken möchte ich, dass für mein Empfinden Gewalt der Häftlinge untereinander im Buch verharmlost und Sexualstraftäter stigmatisiert werden.
Was ich etwas vermisst habe, sind praktische Tipps für Ex-Häftlinge, deren Angehörige und Freunde, wie eine wirklich gute Resozialisation gelingen kann. Viele stehen erst mal vor dem finanziellen Ruin und können mit dem Makel "vorbestraft" kaum einen Job finden. Da war der Autor einfach privilegiert.
Knast ist gut - so sollte das Buch ursprünglich mal heißen und das ist auch das persönliche Resümee des Autors. Ich wünsche es jedem Ex-Häftling, realistisch erscheint es mir leider kaum.