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Aischa

Bewertungen

Insgesamt 569 Bewertungen
Bewertung vom 07.01.2018
Kruse, Peter

Grenzenlos


sehr gut

Max, Alter Ego des Autors Peter Kruse, nimmt den Leser mit auf seinen Lebensweg. Nach einem lustlosen, aber dennoch erfolgreich abgeschlossenen BWL-Studium zieht es ihn zunächst nach Costa Rica, um dort fließend Spanisch zu lernen.
Es folgt ein ungewöhnlicher Berufsstart voller Abenteuer. Sein Mut, sich auf Neues, Unkonventionelles einzulassen, führt Max nach Guatemala, Kuba, wieder zurück nach Deutschland, um letztlich in seinem Traumhaus (und mit seiner Traumfrau) in San Diego sein Glück zu finden.
Erwartet hatte ich von "Grenzenlos" eine amüsante Reisereportage eines Globetrotters, bekommen habe ich darüber hinaus einen Lebensratgeber. Eigentlich nicht so mein Ding, aber dieses Buch kommt nicht mit erhobenem Zeigefinger daher. Kruses Tipps zur Lebensplanung wirken auf mich vielmehr als Anregung, als gut gemeinte Hilfestellung, sehr sympathisch.
Peter Kruse schreibt gefällig und sehr unterhaltsam. Besonders gut gefallen haben mir die thematisch passenden Zitate und Aphorismen am Ende jedes Kapitels.
Einen Punkt Abzug gibt es leider für etliche Rechtschreib-, Grammatik- und Satzzeichenfehler; ein gutes Lektorat wäre für eine Neuauflage empfehlenswert.

Bewertung vom 05.01.2018
Himmelried, Constantin

Freiheit ist 49


gut

Constantin Himmelried, selbst studierter Jurist, erzählt von seinen Erfahrungen im Gefängnis. Als Manager wegen Umsatzsteuerbetrugs im CO2-Handel verurteilt verbrachte er vier Jahre hinter Gittern.
Das vorliegende Buch ist jedoch mehr als ein Erfahrungsbericht, es ist zugleich ein Lebensratgeber, und zwar nicht nur explizit für Häftlinge.
Himmelried schildert in gut verständlichem Stil, wie er im Knast zu der Selbsterkenntnis kam, dass er in seinem Leben vor der Inhaftierung ein "Arschloch" (Zitat) gewesen war. Er erfährt durch seinen ebenfalls inhaftierten Vater, was bedingungslose Liebe ist. Er lernt, mit Angst und Einsamkeit umzugehen und macht sich auf den Weg, anderen nichts mehr vorzuspielen, sondern eine authentische Persönlichkeit zu werden, die die Dinge mit Leidenschaft angeht. Himmelried beschäftigt sich mit luziden Träumen, der Kraft des Wünschens und der Intuition. Durchaus interessante Denkanstöße, wenn auch für meinen Geschmack manchmal etwas zu esoterisch.
Gut gelungen ist der Anhang, in dem Knastbegrifflichkeiten erläutert werden.
Außerdem räumt Himmelried mit gängigen Vorurteilen auf, von homosexuellen Handlungen unter den Häftlingen ("nicht die Seife in der Dusche fallen lassen") über "es gibt keine Pornos im Knast" bis hin zu "im Knast sind nur Ausländer". Interessant ist auch seine Ansicht, dass langjährige Haftstrafen nicht abschreckender wirken als kürzere, da sich die meisten Häftlinge mit der Zeit mit dem Freiheitsentzug arrangieren und sich auch hinter Gittern ein gewisser Alltag einstellt.
Kritisch anmerken möchte ich, dass für mein Empfinden Gewalt der Häftlinge untereinander im Buch verharmlost und Sexualstraftäter stigmatisiert werden.
Was ich etwas vermisst habe, sind praktische Tipps für Ex-Häftlinge, deren Angehörige und Freunde, wie eine wirklich gute Resozialisation gelingen kann. Viele stehen erst mal vor dem finanziellen Ruin und können mit dem Makel "vorbestraft" kaum einen Job finden. Da war der Autor einfach privilegiert.
Knast ist gut - so sollte das Buch ursprünglich mal heißen und das ist auch das persönliche Resümee des Autors. Ich wünsche es jedem Ex-Häftling, realistisch erscheint es mir leider kaum.

Bewertung vom 03.01.2018
Schnehage, Sybille

Kunduztochter


weniger gut

Der Klappentext versprach eine interessante Geschichte im Spannungsfeld zwischen lockerer westlicher Gesellschaft in Deutschland und traditioneller muslimisch geprägter Kultur in Afghanistan.
Da die Autorin selbst Afghanistan seit über 25 Jahren kennt und dort eine Hilfsorganisation leitet, hatte ich mich auf tiefe Einblicke in die Lebensart der Paschtunen und Tadschiken gefreut und auf Erklärungen so mancher für uns ungewohnten Verhaltensmuster gehofft.
Stattdessen findet sich zwischen den Buchdeckeln: Platte Schwarz-weiß-Malerei, das durch den Ehrenmord an seinen Eltern schwerst traumatisierte und behinderte Mädchen Masumah fügt sich fast nahtlos in seine deutsche Adoptivfamilie ein, erst mit dem Tod des Adoptivvaters wächst der Wunsch wieder, die eigenen Wurzeln kennenzulernen. In Afghanistan wird Masumah durch ihren eigenen Bruder entführt, es droht die Zwangsheirat an einen reichen Alten. Die Darstellung schürt eher Vorurteile als sie abzubauen, die afghanischen Traditionen werden ohne groß zu hinterfragen als böse und menschenverachtend dargestellt. Nicht falsch verstehen, ich will hier keineswegs Zwangsheirat und ähnliche Menschenrechtsverletzungen beschönigen, aber ich hatte mir von dem Buch etwas mehr Tiefgang erhofft. So aber bleibt die Geschichte oberflächlich wie ein Groschenroman. Alles ist aus westlicher Sicht geschildert, die Protagonistin lehnt ihre afghanische Herkunft selbst ab und verleugnet sie etwa beim Besuch eines afghanischen Restaurants in Deutschland.
Auch die sehr einfache Sprache steht dem Lesegenuss etwas entgegen. Die Dialoge wirken oft gekünstelt, die Gedanken der Protagonistin wirken auch dann noch wie die eines Kindes, als sie längst eine junge Frau ist.
Man merkt an den Landschaftsbeschreibungen, dass Sybille Schnehage sich mit der Geografie am Hindukusch auskennt - mit der Kultur hat sich sich offenbar nie wirklich vertraut gemacht. Schade.

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Bewertung vom 27.12.2017
Herren, Evelyne Ruth

Ich wünsche dir ...


ausgezeichnet

Ich habe dieses zauberhafte Büchlein gewonnen, und ich werde es bald weiter verschenken. Nicht etwa weil es mir nicht gefallen hat, ganz im Gegenteil, sondern weil ich möchte, dass sich noch jemand so sehr daran erfreut wie ich.
Dieser kleine schwarz-weiße Bildband zeigt auf einer Doppelseite jeweils einen liebevollen Wunsch, passend zu einem Kinderfoto. Mit den Fotos gewährt die Autorin private Einblicke in ihre Familiengeschichte: Die Bilder stammen aus dem Nachlass ihres Vaters, eines ebenso passionierten wie talentierten Hobbyfotografen. Die Wünsche sind herzlich und originell: Es finden sich beispielsweise die Wünsche "... dass du dich in deiner Ahnenreihe wohl fühlst.", oder "... dass du magst, was du im Spiegel siehst."
Die Fotos haben liebevolle Momente einer sichtlich glücklichen Kindheit festgehalten, einer Kindheit, wie man sie jedem wünscht.
Das Buch lädt dazu ein, eigene Kindheitserinnerungen aufzufrischen, es spendet Trost, wenn man traurig ist, und es ist ein hübsches kleines Geschenk für einen lieben Menschen.

Bewertung vom 27.12.2017
Endriss, Jörg;Maaß, Sonja

Chinakinder


ausgezeichnet

Was ist "Chinakinder"? Es ist ein hervorragend recherchiertes Sachbuch über die Jugend Chinas. Die Autoren lassen 30 höchst unterschiedliche Jugendliche zu Wort kommen; der Leser erfährt von Ängsten, Hoffnungen und Träumen der Generation, die die Zukunft des bevölkerungsreichsten Landes der Erde gestalten wird. Es ist ein Buch für alle, die über den europäisch-amerikanischen Tellerrand hinausblicken wollen, ein Muss für jeden weltpolitisch interessierten.
Der Leser erfährt einiges über Eigenarten der chinesischen Politik, wie die Hukou, die sogenannte Haushaltsregistrierung, die unter anderem dazu führt, dass Kinder von Wanderarbeitern als Bürger zweiter Klasse weniger Chancen auf Hochschulzugang haben. Vor allem aber zeigt das Buch, dass Chinas Jugend sehr vielfältig und eigenständig ist und Politisches deutlich mehr hinterfragt als noch die Elterngeneration. Es kommen verschiedenste Gesellschaftsschichten zu Wort, die Tochter aus reichem Haus wie auch das Mädchen ohne Papiere, die Wanderarbeiter wie auch der Start-up-Gründer. Es geht um Aussteiger ("Plastik-Blumenkinder", Regenbogenfarm), Schüler, die im Drill gefangen sind, und linientreue Parteimitglieder. Ein Mongole äußert die Sichtweise als angehöriger einer ethnischen Minderheit.
Was ist "Chinakinder" nicht? Das Buch ist keinesfalls eine trockene Aufzählung von Fakten, im Gegenteil. Durch den Protokollstil der Interviews und zahlreiche Fotos gewinnt man einen persönlichen Einblick in Lebensweise und -sicht der jungen Chinesen. Eine geografische Karte und ein hilfreiches Glossar sind sinnvolle Ergänzungen.
Besonders hat mir gefallen, dass die Sonderverwaltungszone Hongkong und das umstrittene Taiwan (abtrünnige Provinz oder eigenständiger Staat?) gesonderte Kapitel erhalten haben. Die politischen Erklärungen sind gleichermaßen kurz wie hilfreich und auch für Laien wie mich gut verständlich.
Egal ob als Vorbereitung auf eine Chinareise oder einfach, um die riesige Volksrepublik ein klein wenig besser zu verstehen - "Chinakinder" ist absolut lesenswert!

Bewertung vom 21.12.2017
Elbel, Thomas

Der Todesmeister / Viktor Puppe Bd.1


sehr gut

Warnung: Dieser Thriller hat es in sich, meine klare Empfehlung für alle Fans des Genres; Zartbesaitete sollten besser die Finger davon lassen ...
Der Fund einer grausam entstellten Mädchenleiche in der Spree ist der Auftakt für den neuen LKA-Ermittler Viktor von Puppe. Pikanterweise handelt es sich bei der Toten um die Nichte des Justizsenators. Der Fall hat somit höchste Dringlichkeit, aber genauso wie anfangs auf schnelle Ermittlungsergebnisse gepocht wird, wird die Akte dann auch - trotz Ungereimtheiten - von offizieller Seite geschlossen.
Viktor und seine beiden Kollegen ermitteln auf eigene Faust weiter und finden bald Hinweise auf eine Plattform im Darknet, das Grand Guignol, auf der Videos von Folterungen und Morden veröffentlicht werden. Autor Thomas Elbel schreckt nicht vor expliziten Szenen zurück, hier sind nervenstarke Leser gefordert.
Dieses Erstlingswerk hat mich überzeugt, es bietet Spannung von der ersten bis zur letzten Seite. Als Auftakt zu einer Serie darf der Cliffhanger am Schluss nicht fehlen - er funktioniert wunderbar, und ich kann die Fortsetzung schon jetzt kaum erwarten.
Elbel charakterisiert nicht nur das dreiköpfige Ermittlerteam detailiert, sondern auch viele Nebenfiguren wie der ironisch berlinernde Pförtner oder der obdachlose "Passagier", der im U-Bahn-Netz der Hauptstadt gestrandet ist, sind so liebevoll geschildert, dass man meint, sie persönlich zu kennen. Rückblicke in die Kindheit des Täters fügen sich zu einem stimmigen Psychogramm, das den Leser in Abgründe blicken lässt, aber auch Verständnis für die Ursachen manch krankhafter Taten schaffen kann.
Eine klare Leseempfehlung von mir, einen Punkt Abzug gibt es lediglich für kleinere Ungereimtheiten und dafür, dass man zu wenig über die einzige Frau im Ermittlerteam erfährt. Aber das kann sich ja in Band zwei noch ändern ...

Bewertung vom 21.12.2017
Schweikert, Kevin

Operation White Angel (eBook, ePUB)


sehr gut

Die Romanidee ist gleichermaßen originell wie sie bedrohlich klingt: Nach einem Kometenaufprall sind weltweit alle Männer unfruchtbar, bis auf einen, den "White Angel". Dieser schwängert, noch bevor er von den Auswirkungen der Katastrophe erfährt, seine Ehefrau. Beide beschließen, das Kind heimlich im Keller aufzuziehen.
Debütautor Kevin Schweikert versteht es, einen äußerst spannenden Plot zu entwickeln. Das Psychogramm des Protagonisten Alex lässt in Abgründe blicken und Schlimmes ahnen. Die Geschichte wird flüssig und größtenteils stimmig erzählt. Schweikert beschränkt sich nicht nur darauf, die persönlichen Folgen der weltweiten männlichen Infertilität auf seine Protagonisten zu beschreiben, sondern schildert auch gesellschaftliche und politische Auswirkungen. Dies gibt dem Leser viel Stoff zur Diskussion!
Über kleinere Logikfehler kann man bei einem ansonsten sehr gelungenen Erstlingswerk sicher großzügig hinwegsehen. Allerdings ist die Geschichte für meinen Geschmack zu sehr auf den "White Angel" fokussiert; Ehefrau Alina kommt im Roman - als letzte Mutter mit natürlicher Empfängnis - leider etwas zu kurz. Daher vier von fünf Sternen.
(Anmerkung: Ich habe das Taschenbuch gelesen.)

Bewertung vom 19.12.2017
Marrion, Elisabeth

Mein Tanz mit Rommel


ausgezeichnet

Es ist ein schmales Buch, aber ein großartiges. Elisabeth Marrion erzählt ihre Familiengeschichte von 1926 bis zur Zeit des Dritten Reichs, im Mittelpunkt steht ihre Mutter Hilde.
Wie die Autorin diese furchtbare Epoche schildert ist große Literatur. Dabei verzichtet sie weitestgehend auf reißerische Schreckensbilder, es sind kleine Begebenheiten im Alltag, mit denen sie das unfassbare Grauen des Naziregimes sichtbar macht. So etwa, als Hilde durch die Ungewissheit über den Verbleib jüdischer Freunde gequält ist, zu einer Zeit als es weder E-Mails noch WhatsApp, sondern nur wenige Festnetztelefone gab, und diese auch noch abgehört wurden. Oder als Hildes Mann als Kriegsheimkehrer in der Tür steht, so verdreckt und verlaust, dass sie den älteren Kindern verbieten muss, ihm um den Hals zu fallen, während der jüngste Sohn seinen Vater als fremden Mann wahrnimmt. Fast nebenbei erfährt man, wie Hilde ihren Kindern eingeschärft hat, sich bei nächtlicher Störung sofort anzuziehen und mit Gasmasken abmarschbereit zu stehen.
Beeindruckt hat mich die Entwicklung der Protagonistin: Als Kind ein schüchternes, zurückhaltendes Mädchen wird Hilde schnell selbständig und selbstbewusst, nachdem sie - gegen ihren Willen - erst vierzehnjährig zur Arbeit in einen Haushalt nach Berlin geschickt wird. Sie hat das Glück, gegen den Willen ihrer Schwiegereltern ihre große Liebe Karl heiraten zu können, aber auch das Pech, dass ihr Ehemann bei der Wehrmacht als Offizier Karriere macht und ihnen abgesehen von einigen Heimaturlauben nur wenig gemeinsame Zeit bleibt. Doch Hilde lässt sich nicht unterkriegen. Sie sorgt nicht nur für die stets wachsende Kinderschar, sondern zeigt auch Zivilcourage, als das Café von jüdischen Freunden beschmiert wird oder ein Junge aus der Hitlerjugend einen älteren Juden anpöbelt.
Ich kann dieses Buch nur uneingeschränkt empfehlen, es kommt ohne erhobenen Zeigefinger daher und hat bei mir dennoch einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen.
Es ist ein wunderbares Werk gegen das Vergessen, und es zeigt, wie was Liebe und Freundschaft auch in schwersten Zeiten vermögen.
Einziger Kritikpunkt: Der Titel legt den Fokus meines Erachtens zu sehr auf Generalfeldmarschall Rommel, dem im Roman - zu Recht - eher eine Nebenrolle zukommt.
Übrigens - "Mein Tanz mit Rommel" ist der erste Band einer Trilogie, und ich warte schon gespannt auf die Fortsetzung.