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Glüxklaus
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Franken

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Insgesamt 633 Bewertungen
Bewertung vom 02.09.2020
Boie, Kirsten

Zurück in Sommerby / Sommerby Bd.2 (Audio-CD)


ausgezeichnet

Kleines Glück zum Hören für die ganze Familie

Endlich wieder Sommerby: Martha, Mikkel und Mats verbringen die Herbstferien bei Oma Inge in Sommerby, ohne Telefon und Internet, dafür in ziemlicher Idylle. Eigentlich könnte alles so schön sein, doch als der fiese Makler wieder auftaucht und Oma Inge erneut unter Druck setzt, ihr Haus zu verkaufen, ist die Stimmung schnell getrübt. Und dann macht Martha auch noch eine unschöne Entdeckung, als sie Enes wiedertrifft.

Kirsten Boie schreibt sehr angenehm und kindgemäß. Sprecherin Julia Nachtmann setzt ihren Text für die Hörbuchversion perfekt um. Sie liest so, dass man ihr einfach zuhören muss und sich der Geschichte nicht entziehen kann, gut betont und lebendig. Den einzelnen Charakteren verleiht Julia Nachtmann individuelle Stimmen, man erkennt die Figuren sofort wieder. Vor allem ihre Interpretationen von Mats und Oma Inge finde ich sehr gelungen. Kaum zu glauben, dass hier wirklich nur eine einzige Person spricht.

Ganz wunderbare Menschen trifft man in Sommerby. Da ist natürlich Oma Inge, die manchmal etwas harsch wirkt, ihre Gefühle nicht immer unter Kontrolle hat, Fehler macht, mitunter zu Notlügen greift, aber im Grunde doch nur das Beste für ihre Enkel will. Martha ist für ihr Alter sehr reif, verständnisvoll und einfühlsam. Sie beobachtet genau und bekommt auf diese Weise vieles mit, was anderen vermutlich leicht entgehen würde. Martha ist kein kleines Kind mehr, hat erste Gefühle für einen Jungen und sorgt sich darum, sich nicht „peinlich zu machen“ und selbstverständlich um Oma Inges Zukunft. Keine einfache Situation für sie. Aber auch Mikkel, der leidenschaftliche Tierfreund mit dem großen Herzen und der einfallsreiche, pfiffige Mats sind ganz besondere Jungen, die es einem unmöglich machen, sie nicht zu mögen. Und dann gibt es ja auch noch Krischan Boysen, auf den immer Verlass ist.

Es ist idyllisch in Sommerby. Ein Stück heile Welt, das aber durch die fiesen Machenschaften des Maklers bedroht wird. Das macht die Geschichte ganz schön spannend. Auch nebenher passiert allerhand: Wie geht es mit Martha und Enes weiter? Wird Mats wie Astrid Lindgrens Pelle auch ausziehen? Und wird Mikkel am Ende doch noch zum Retter hilfloser Tiere?
Langeweile ist trotz der ruhigen, angenehmen Erzählweise Fehlanzeige. Gut gefallen hat mir, dass Kirsten Boie immer wieder Bezug auf Klassiker der (Kinder-)Literatur nimmt, Matha schmökert in „Vom Winde verweht“, Mats bekommt als Gute-Nacht-Geschichte „Rasmus und der Vagabund“ oder „Pelle zieht aus“ vorgelesen. Das weckte bei mir schöne Kindheitserinnerungen.
Dass wichtige Themen wie Tierquälerei oder die Geschlechterrollen ganz beiläufig behandelt werden, ohne dass das aufdringlich und aufgesetzt wirkt, finde ich sehr angenehm. In „Zurück in Sommerby“ geht es um Missverständnisse, langjährige Konflikte, Lügen und Notlügen, miteinander Reden und Versöhnung. Ganz schön viel enthalten in diesem Hörbuch, das aber trotzdem zu keiner Zeit überfrachtet wirkt.
Immer wieder werden kleine Wahrheiten eingeflochten, die die Dinge treffend auf den Punkt bringen: Wer sich wichtig fühlt, ist glücklich oder das Nicht-verzeihen-Können ist am schlimmsten für denjenigen, der nicht vergeben kann. Oft könnten wir uns das Leben etwas einfacher machen, wenn wir uns dabei nicht immer selber im Wege stehen würden und die Dinge auch so klar sehen könnten wie manchmal Martha oder Krischan Boysen. Ein wunderbares Wohlfühlhörbuch nicht nur für Kinder, sondern für alle die, die das Meer, kleine Abenteuer, Bücher, Natur und ruhige, besondere Geschichten lieben.

Bewertung vom 02.09.2020
Simmons, Jo

Hilfe, meine Eltern haben meinen Geburtstag gestrichen!


ausgezeichnet

Herrlich überdrehtes Lesevergnügen, auch für Lesemuffel

Tom fiebert seinem Geburtstag entgegen, der ist am 11. und dann wird er endlich elf Jahre alt. Ein richtiger Glücksgeburtstag. Doch leider kommt es vor Toms besonderem Tag zu einer ausgewachsenen Pechsträhne: Ein Schwein fällt vom Dach, ein Hund wird zerquetscht, Oma stürzt, muss ins Krankenhaus und zieht danach bei Toms Familie ein und die Zahnfee verflucht Toms kleine Schwester Meg, zumindest glaubt Meg das. Bei all den Katastrophen sehen Toms Eltern nur eine Möglichkeit: Toms Geburtstagsfeier wird gestrichen, um noch mehr Unglück zu verhindern. Doch diese Entscheidung kann und will Tom nicht akzeptieren. Deshalb nimmt er die Organisation der „besten Party aller Zeiten“ einfach selbst in Hand.

Jo Simmons schreibt aus Toms Sicht prima verständlich, kindgemäß, lebendig und irre witzig. Die Kapitel sind recht kurz, der Text hat etwas mehr Zeilenabstand als gewöhnlich, manche Wörter sind fett hervorgehoben. Nathan Reeds lustige, comicartige Illustrationen sorgen für Auflockerung. Das Buch ist insgesamt sehr abwechslungsreich und motivierend gestaltet und spricht durch seine besondere Aufmachung auch Lesemuffel an.

Tom ist ein wirklich netter Kerl, begeisterungsfähig, phantasievoll, einfallsreich, sympathisch, unbefangen, aber auch ziemlich naiv. Mit erfrischendem kindlichen Tatendrang versucht er, sich seine Geburtstagsparty selbst zu organisieren. Seine nette, abergläubische Schwester Meg unterstützt Tom dabei vorbehaltlos. Auch auf seine treuen Freunde Harry und Keith und den verständnisvollen Mister Hector kann der Junge sich stets verlassen.

Wahnsinnig witzig und völlig absurd, was Tom alles erlebt und mindestens genauso verrückt-genial sind seine Vorstellungen vom perfekten Glücksgeburtstag. In der Geschichte reiht sich eine herrlich überdrehte skurrile Situation an die nächste: Verkleidete Riesenzahnfeen mit extra viel Glitter treten auf, es gibt Gladiatoren in Unterhosen zu bestaunen, die sich gegen furchteinflößende Hühner wehren oder auch Verfolgungsjagden zwischen Omas und als Zebras getarnten Schweinen. Ganz nebenbei feiert Jo Simmons noch Geschwisterbeziehungen und wahre Freundschaft und zeigt, dass auch Eltern Fehler machen können. Ein wirklich temporeiches, spannendes, lustiges Buch für Jungen und Mädchen ab acht, neun Jahren. Uneingeschränkte Leseempfehlung für alle, die das Leben nicht immer ganz so ernst nehmen.

Bewertung vom 02.09.2020
Kuhlmann, Torben

Einstein / Mäuseabenteuer Bd.4


sehr gut

Großartige Bilder - raffinierte, anspruchsvolle Geschichte

Seit Wochen zählt die kleine Maus die Tage zum großen Käsefest. Doch als sie schließlich am Austragungsort, dem schweizerischen Bern, ankommt, hat sie es doch tatsächlich um einen Tag verpasst. Das kann doch nun wirklich nicht sein! Mit allen Mitteln versucht die kleine Maus die Zeit zurückzudrehen. Ob ihr das gelingt und sie sich am Ende doch noch über einen ganz besonderen Käsegenusstag freuen darf?

Torben Kuhlmanns Geschichte wird für Kinder ab fünf Jahren empfohlen. Kinder in diesem Alter haben sicherlich großen Spaß an den brillanten, detailreichen, einfach wunderbar gestalteten Bildern. So wird es aber wahrscheinlich vielen anderen Leser unterschiedlichen Alters auch gehen, denn derartige Illustrationen sind wirklich eine Rarität. Die Geschichte richtig zu verstehen, das wird Fünfjährigen allerdings Schwierigkeiten bereiten. Kindergartenkinder können mit Begriffen wie „Relativität“, „Konstruktion“ oder „Koordinaten“ in der Regel vermutlich wenig anfangen. Torben Kuhlmann formuliert „schön“ und klar, aber definitiv nicht für Kindergartenkinder, eher für ältere Grundschüler.

Ziemlich schlau und dabei extrem niedlich ist diese Maus, sie kann schließlich sogar Albert Einstein das Wasser reichen. Eine gewitzte und sehr intelligente Hauptfigur! Die drollige Schweizer Uhrmachermaus hat mir und meinen kleinen Mitlesern ebenso ausgesprochen gut gefallen.
Albert Einstein ist nicht gerade häufig in Kinderbüchern zu finden. Auch wenn für Kinder - und für Erwachsene wie mich - alles andere als einfach zu begreifen und erfassen ist, worin genau seine Genialität liegt, finde ich es prima, dass dieser außergewöhnliche Wissenschaftler eine Rolle in der Geschichte einnimmt und so das Interesse an ihm und seiner Person geweckt wird.

Eine Maus, die versucht, mit Hilfe einer besonderen Erfindung aus der Zeit zu fallen, und das nur, weil sie ein Käsefest verpasst hat. Ist es möglich, dass ein kleines Tier Einstein entscheidende Impulse für seine berühmte Theorie geliefert hat? Eine sehr originelle phantasievolle, aber - wenn es dann um die Relativität der Zeit geht- auch eine sehr komplexe Geschichte. So wird z.B. die Tatsache, dass sich die Maus auf ihrer Zeitreise selbst sieht, jüngere Leser sicherlich ein wenig irritieren. Für kleine Kinder ist die Handlung nicht hundertprozentig nachvollziehbar, sie werden die Einsteinschen Aspekte, die bei mir vor allem nach der Lektüre des Nachworts für „Knoten im Gehirn“ gesorgt haben, aber wahrscheinlich ohne Probleme ausblenden können. Kuhlmanns „Einstein“ hat verschiedene Stärken: Kinder werden von den bezaubernden Bildern fasziniert sein, Erwachsene zusätzlich von der hintergründig raffinierten Geschichte, die mit jedem Mal Lesen noch ein bisschen klarer und damit auch „besser“ wird. Ein außergewöhnliches Bilderbuch für Groß und Klein.

Bewertung vom 02.09.2020
Ahrnstedt, Simona

The one that I want (eBook, ePUB)


weniger gut

Leider sehr wenig Leseglück

Die Stockholmerin Stella findet heraus, dass ihr Freund sie betrügt und gleichzeitig verliert sie auch noch ihren Job. Daraufhin beschließt die junge Frau, ihr Leben komplett zu ändern: Sie möchte zunächst aufs Land ins idyllische Örtchen Laholm fahren, um dort die Hütte zu verkaufen, die sie von ihren Großeltern geerbt hat. Anschließend plant Stella, ihren großen Traum, die Modeschule in New York zu besuchen, endlich in die Tat umzusetzen, sofern sie dort wirklich angenommen wird. Aber als Stella in Laholm den attraktiven Bauern Thor kennenlernt, beginnt sie an ihrem Vorhaben zu zweifeln.

Simona Ahrnstedt schreibt einfach, teilweise zu einfach und umgangssprachlich. Ihr Schreibstil wirkt eher plump als gefällig.

Die meisten Figuren des Romans, vor allem die Protagonisten Stella und Thor, werden mir zu schlicht und eindimensional dargestellt, um sympathisch zu sein. Lediglich Thors Schwiegermutter Rakel und Thors Tochter Juni, die in Ansätzen über so etwas wie Ecken und Kanten verfügen, fand ich als Persönlichkeiten interessant.

Die Geschichte ist zwar nicht besonders innovativ, aber durchaus nett und unterhaltsam: Eine Frau mit Talent und großem Traum will ganz neu anfangen und findet auf dem Land das, was sie eigentlich gar nicht bewusst sucht. Das ist ein ganz klassisches und typisches Thema für Eskapismus-Literatur, die geheime Wünsche weckt, den Alltag kurz vergessen lässt und beim Lesen ein bisschen glücklich macht. Leider ist das bei mir in diesem Fall überhaupt nicht passiert: Mir war das Schicksal der Hauptfiguren über weite Strecken ziemlich egal, die Zwei erreichten und berührten mich nicht. Im Gegenteil die gefühlt permanenten Liebesszenen zwischen Thor und Stella gingen mir mit der Zeit sogar ziemlich auf die Nerven. Ich fand sie langweilig und fast befremdlich, habe sie rasch überlesen. Die restliche Handlung geriet bei den sich ewig wiederholenden Sexszenen in den Hintergrund. Für mich leider kein bisschen Glück, dieser Roman. Ich empfand ihn eher als enttäuschend, als eine ziemlich belanglose Geschichte mit zuviel Sex, dafür ohne Substanz.

0 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 28.08.2020
Rieckhoff, Sibylle

Konratt - Held der Unterwelt - Eine gefährliche Nacht / Konratt Bd.1


sehr gut

Temporeiche und witzige Geschichte über einen untypischen Helden wider Willen

Konratt ist eigentlich eine ganz normale Ratte, allerdings eine von Natur aus ziemlich faule. Am liebsten chillt Konratt auf seinem Sofa zu Hause. Doch leider muss sich irgendwann auch mal die faulste Ratte der Welt aus dem gemütlichen Heim bequemen und Futter suchen. Und damit gerät der Stein ins Rollen: Konratt bekommt mit, wie Hund Apollo die Katze Fee schwer drangsaliert. Da bleibt ihm doch wohl nichts anderes übrig, als Fee zu retten. Die ist nicht wirklich dankbar, vielmehr fällt ihr nichts besseres ein, als Konratt zu nötigen, sie zum Hafen zu führen, wo sicher ein leckeres Fischfilet auf sie wartet. Doch der Weg zum Hafen gestaltet sich länger als erwartet und ist voller überraschender Begegnungen und Abenteuer, in denen sich Konratt immer wieder als Held beweisen muss.....

Sybille Rickhoff schreibt kindgemäß, lebendig und humorvoll. Zum Vorlesen ist das Buch für Jungen und Mädchen ab fünf Jahren geeignet, aber auch größere Kinder haben beim Selberlesen sicher noch Spaß daran. Elli Bruders witzige, bunte und lebendige Illustrationen sorgen für Abwechslung und Motivation. Als besonders gelungen empfanden meine Kinder und ich das perfekt passende Cover, das schon einmal alle Figuren vorstellt.

In „Konratt Held der Unterwelt“ tingeln sich eine Menge bunter, origineller Figuren. Allen voran natürlich Konratt, „die faulste Ratte unter den Kanaldeckeln“, die ganz schön viel weiß, die untypischerweise Wasser hasst und unter einem starken Helfersyndrom leidet. Der Verstand wird dabei von Konratts Herz immer wieder besiegt und Konratt kann einfach nicht anders, als in Not geratenen Tieren zu helfen. Ein echt charismatischer Held wider Willen! Auch die anderen Tiere sind besondere Persönlichkeiten, wie z.B. Fee, die sich nach außen hin arrogant und „etepetete“ gibt, aber trotzdem einen weichen Kern hat, die engagierte Umweltaktivistin Ente Ducki oder Kurt, die ängstlichste Kröte weit und breit. Dass die Tiere so extrem unterschiedlich sind, führt zu witzigen Situationen und Wortgefechten. Wichtige Themen wie soziales Miteinander, Tier- oder Umweltschutz werden durch die einzelnen Figuren nebenbei und ganz zwanglos angesprochen, ohne dass das gewollt oder verkrampft wirkt.

Wie aufregend doch eine einzige Nacht sein kann! Erstaunlich, was da alles passiert.. Eine temporeiche Geschichte für alle Tier- und Abenteuerfreunde, die zeigt, dass auch ganz gegenteilige Charaktere sich prima ergänzen, voneinander lernen und Freunde werden können und dass es manchmal gar nicht darauf ankommt, wohin man läuft. Erst hinterher merkt man oft: Der Weg ist das Ziel.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 28.08.2020
Lavoie, Marie-Renée

Tagebuch einer furchtbar langweiligen Ehefrau


gut

Langweilige Ehe - ungewöhnliche, unberechenbare Trennungsverarbeitung

Diane, 48 Jahre, Mutter von drei Kindern, verliert den Boden unter den Füßen, als Ehemann Jacques sie wegen einer anderen verlässt. Sie versucht mit der neuen Situation umzugehen, erleidet dabei aber immer wieder Rückfälle. Fünfundzwanzig Jahre Ehe lassen sich eben nicht so leicht ungeschehen machen.....

Marie-Renée Lavoie schreibt klar, treffend und oft amüsant in Tagebuchform, aus der Ich-Perspektive von Diane. Wie in einem Tagebuch ist der Text nicht immer besonders strukturiert und logisch aufgebaut, es geht vielmehr um die Schilderung von Dianes Gedanken und Gefühlen, während sie die Einträge verfasst.

Diane ist eine sehr spezielle Protagonistin, mal wirkt sie sehr träge und lethargisch, lässt sich zu sehr von anderen herumkommandieren, dann wieder reagiert sie völlig über, beschimpft unkontrolliert und unbeherrscht ihre Mitmenschen oder reagiert sich körperlich an Möbeln und anderen Gegenständen ab. Anfangs will sie nicht wahrhaben, dass Ehemann Jacques Schwächen hat, doch im Verlauf ändert sich ihre Haltung. Sie verarbeitet die Trennung, aber ob es ihr langfristig gelingt, bleibt abzuwarten. „Langweilig“ finde ich Diane nicht, eher schwer einzuschätzen, manchmal sympathisch, manchmal etwas überdreht und überzogen. Auf alle Fälle wirkt sie ungewöhnlich und interessant, aber nicht immer auf die positivste Art.

„Tagebuch einer furchtbar langweiligen Ehefrau“ hat mich gut unterhalten, ich habe mich immer wieder über die beschriebenen skurrilen, teils absurden Situationen amüsiert, war erstaunt über die präzise Treffsicherheit so mancher Sätze, Wahrheiten und psychologischer Analysen. Trotz alledem ist der Roman schwer einzuordnen, mir fehlte der rote Faden. Dem Ende mag ich noch nicht ganz trauen. Eine Trennung läuft vermutlich nie nach Schema F ab, gerade weil Menschen verschieden und individuell sind. Jeder braucht unterschiedlich viel Zeit, verarbeitet Dinge anders, es gibt dafür kein Rezept. Das macht die Handlung zwar glaubwürdig, aber für den Leser wenig greifbar und manchmal etwas befremdlich. Definitiv wird zum Nachdenken angeregt, es bleiben aber nach der Lektüre Fragezeichen bestehen. In zweierlei Hinsicht für mich ein merkwürdiger Roman.

Bewertung vom 25.08.2020
Oliver, Sophie

Grandhotel Schwarzenberg - Der Weg des Schicksals / Die Geschichte einer Familiendynastie Bd.1 (eBook, ePUB)


gut

Starker und packender Auftakt der Trilogie, allerdings mit schwachem Ende

1905: Die 17-jährige Anna Gmeiner lebt mit ihrem Vater und dem Bruder in Bad Reichenhall. Sie sind sogenannte Häusler, Kleinbauern mit wenig Vieh und Land. Da das Geld nicht reicht, um die Familie zu ernähren, muss Bruder Christoph zusätzlich als Trifter arbeiten und in Bächen gestautes Holz freischlagen. Dabei geschieht ein tragisches Unglück. Anna und ihr Vater sind am Boden zerstört und es wird nun noch schwerer für sie, finanziell über die Runden zu kommen. Als Anna sich in den jungen, aus Südtirol stammenden Salzsieder Michael Schwarzenberg verliebt und die beiden zu heiraten beschließen, schöpft sie neue Hoffnung. Doch das Schicksal schlägt erneut erbarmungslos zu und Annas Leben entwickelt sich ganz anders als erwartet.

Sophie Oliver schreibt angenehm, gut verständlich, aber nicht modern, sondern der Zeit angemessen, in der der Roman spielt. Dadurch konnte ich mich rasch in das Geschehen hineinversetzen.

Anna ist eine junge Frau, die sehr viel Unglück erleiden muss. Sie erträgt ihr Schicksal tapfer, arbeitet hart und lässt sich nicht unterkriegen. Eine starke, mutige Frau! Sie hat mit Therese eine treue Freundin, die ihr beisteht und die sie im Rahmen ihrer Möglichkeiten unterstützt. Michael hingegen zeigt sich weniger ausdauernd und nicht so konsequent wie Anna, wirkt etwas farblos, kaum leidenschaftlich, er hinterlässt keinen tiefen Eindruck. Auch die anderen Männer kommen nicht ganz so gut weg, erscheinen im Gegensatz zu den patenten, bemerkenswerten Frauenfiguren fast alle ein wenig „blass“. Eine weitere wichtige Rolle im Roman spielt Katharina von Feil, Tochter des reichen Salinenmeisters. Sie stellt einen Gegenpart zu Anna dar, stammt sie doch aus völlig konträren, nämlich reichen Verhältnissen. Auch Katharinas Leben läuft nicht nach Plan, sie schlägt sich allerdings auf ganz andere Art durch als Anna, weckt dabei deutlich weniger Mitgefühl und Sympathie in mir.

Ich habe durchgehend mit Anna gefiebert und gehofft, dass sich die Situation für sie bessert. Bis zum Schluss blieb die Handlung durch verschiedene überraschende Wendungen spannend. Das Ende empfand ich allerdings als unbefriedigend, einerseits offen, andererseits zu überhastet, abrupt und für mich nicht ganz logisch. Unterm Strich eine unterhaltsame und packende Lektüre mit nicht ganz stimmigen Abschluss. Da es sich allerdings um den Auftakt einer Trilogie handelt, mag der „Cliffhanger“ vermutlich so gewollt sein. Ich jedenfalls werde - trotz kleinerer Schwächen im ersten Roman- Annas Schicksal mit Interesse weiter verfolgen.

Bewertung vom 23.08.2020
Schuster, Stephanie

Alles, was das Herz begehrt / Wunderfrauen-Trilogie Bd.1 (eBook, ePUB)


sehr gut

Vier Frauen erleben die Wirtschaftswunderzeit: mitreißend, interessant und unterhaltsam

Starnberg 1953: Gerade ist Luise Dahlmanns Schwiegermutter gestorben und das Ladenlokal im Haus ist nun freigeworden. Luise träumt davon, dort ihren eigenen Lebensmittelladen zu eröffnen. Doch ganz so einfach ist das auch nicht, zunächst muss ihr Mann Hans überzeugt werden und Geschäftserfahrung sammelt man leider auch nicht über Nacht. Auch Helga, Tochter einer reichen Münchner Unternehmerfamilie, die gerade durchs Abitur gefallen ist, wagt einen Neuanfang. Sie beginnt in der Frauenklinik eine Ausbildung zur Krankenschwester und lernt beim Tanzen einen amerikanischen Soldaten kennen. Marie hingegen musste aus Schlesien fliehen und sucht nun verzweifelt nach einer Anstellung. Die Aussicht, auf einem Gestüt zu arbeiten, zerschlägt sich, dafür bietet sich ihr unerwartet eine andere Möglichkeit. Arztgattin und Mutter Annabell ist mit ihrem Leben unzufrieden und fürchtet, dass ihr Mann wichtige Geheimnisse vor ihr hat. Die vier Frauen stehen während des Wirtschaftswunders vor ganz unterschiedlichen neuen Herausforderungen.

„Die Wunderfrauen“ liest sich angenehm flüssig und unkompliziert. Immer abwechselnd wird die momentane Situation von Luise, Marie, Helga und Annabell dargestellt. Sofort und ohne Probleme konnte ich mich in die Hauptfiguren und in die Geschichte hineinversetzen.

Die Wunderfrauen sind alle ziemlich verschieden: Luise hat einen ganz speziellen Traum, packt jederzeit zu, ist außergewöhnlich hilfsbereit und zu allen freundlich. Auf sie kann man sich verlassen, vor allem für ihre Brüder ist sie eine unersetzbare Stütze. Marie hat es nicht leicht, sie hat sich immer noch nicht von den furchtbaren Erlebnissen während des Krieges erholt und hat Schwierigkeiten, anderen zu vertrauen. Dadurch wirkt sie recht distanziert. Ganz anders die selbstbewusste, lebenslustige Helga, die ihrem Elternhaus den Rücken gekehrt hat und es nun alleine schaffen will. Eigentlich geht es Annabell von außen betrachtet am besten, sie wohnt mit ihrem reichen Gatten in einem schönen Haus und muss sich keinerlei finanzielle und existenziellen Sorgen machen. Trotzdem ist sie unglücklich, reagiert misstrauisch und nachtragend und steht sich selbst im Weg, unverkrampften Kontakt zu anderen aufzubauen. Alle Charaktere entwickeln sich mit der Zeit. Die Personenkonstellation und die Art, wie die gegensätzlichen Frauen Beziehungen zueinander aufbauen, empfand ich als interessant und plausibel. Die Protagonistinnen stehen für verschiedene Gesellschaftsschichten, die durch die Persönlichkeiten der Figuren ein individuelles Gesicht bekommen.

Da ich alle Frauen irgendwie verstehen konnte -die eine mehr, die andere weniger - wollte ich natürlich jederzeit wissen, wie sich die Handlung um die Schicksale der Hauptfiguren weitergestaltet. Das Geschehen fesselte mich. Schon immer empfand ich die Zeit des Wirtschaftsaufschwungs der 50er Jahre als eine faszinierende, zuversichtliche, aber auch zwiespältige. Plötzlich hatten auch Frauen verschiedene Möglichkeiten, etwas anderes zu sein als „nur“ Hausfrau. Nach den schrecklichen Jahren des Krieges herrschte wieder Hoffnung und es bot sich Raum für ganz viele Neuanfänge. Trotzdem erwiesen sich so manche alte Denkweisen und Haltungen als viel tiefer verwurzelt als angenommen. Dies wird in Stephanie Schuster Roman sehr anschaulich und eindringlich gezeigt. Für mich ein kurzweiliger, lohnender Schmöker. Nach dem stimmigen, aber leider offenen und für manche Figuren unbefriedigendem Ende bin ich sehr gespannt, wie es mit Luise und Co weitergeht. Zum Glück erscheint die Fortsetzung schon bald.