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Lilli33
Buchflüsterer: 

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Insgesamt 554 Bewertungen
Bewertung vom 29.06.2015
Koelle, Patricia

Das Meer in deinem Namen / Ostsee-Trilogie Bd.1


sehr gut

Warmherziger Roman, sommerlich leicht

Inhalt:
Fast ihr Leben lang schon fürchtet sich Carly vor dem Meer. Als sie ein Kind war, hat es ihr die Eltern genommen. Als sie nun den Auftrag bekommt, für ihren ehemaligen Chef ein Häuschen in dem Künstlerdorf Ahrenshoop an der Ostsee für den Verkauf vorzubereiten, ist ihr ein wenig mulmig zumute. Doch Land und Leute machen es ihr leicht, sich dort wohl zu fühlen. Je mehr Carly in die Geschichte der Vorbesitzerin eintaucht, desto weniger will sie diesen wunderbaren Ort wieder verlassen.

Meine Meinung:
Detailreich und bildhaft erzählt Patricia Koelle die Geschichte zweier Frauen. Wir begleiten zum Einen Carly im Jahr 1999, als sie nach Ahrenshoop in das Haus Naurulokki kommt, um auszumisten und sauber zu machen, damit das Haus verkauft werden kann. Je mehr sie sich mit dem Haus beschäftigt, umso mehr erfährt sie über die (Liebes-) Geschichte der verstorbenen Besitzerin, Henny Badonin, einer Malerin. Sie fühlt sich auf eigenartige Weise mit der ihr unbekannten Frau verbunden und spürt sogar deren Anwesenheit auf Naurulokki. Ausgerechnet hier am Meer, vor dem sie immer Angst hatte, fühlt Carly sich endlich heimisch. Es gelingt der Autorin, eine wunderbare Atmosphäre heraufzubeschwören. Man kann leicht nachvollziehen, warum Carly sich auf Naurulokki und in Ahrenshoop so wohl fühlt.

In Rückblicken erfahren wir Leser noch mehr als Carly, nämlich wichtige Ausschnitte aus Hennys Leben in den 1950er und 1990er Jahren. Die Perspektivwechsel haben mir gut gefallen, sie machten den Roman abwechslungsreicher und interessanter. Allerdings blieb mir Henny und ihre Zeit bis zum Schluss fremder als Carly. Aber das ist ja nicht schlimm. Wichtig ist, dass die Handlung in sich logisch und nachvollziehbar ist, und das ist sie, auch wenn es zuweilen vor glücklichen Zufällen nur so wimmelt. Probleme lösen sich wie von selbst, was in der Häufigkeit dann doch etwas unglaubwürdig wirkt. Es wird alles ein bisschen durch die rosa Brille betrachtet, Ecken und Kanten hat wohl das Meer schon abgeschliffen. ;-)

„Das Meer in deinem Namen“ ist ein leichter Roman, nicht besonders tiefgründig, aber auch nicht oberflächlich, ein wenig kitschig, ein wenig klischeebehaftet. Wer das mag, ist hier genau richtig.

Die Handlung kann man als abgeschlossen betrachten. Gleichwohl gibt es einige lose Fäden, die noch weiter verfolgt werden können. Und so wird der 2. Teil der Trilogie mit dem Titel „Das Licht in deiner Stimme“ im September 2015 als Taschenbuch erscheinen. Als E-Book ist er bereits erhältlich.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 05.06.2015
Spielman, Lori Nelson

Nur einen Horizont entfernt


gut

Konnte meine Erwartungen leider nicht erfüllen

Inhalt:
Die Fernsehmoderatorin Hannah Farr ist an einem Wendepunkt ihres Lebens angelangt. Die Beziehung zu Michael tritt auf der Stelle, die Quoten ihrer TV-Show sinken beständig. In ihrer Not erinnert sich Hannah wieder an die Versöhnungssteine, die ihr vor zwei Jahren von einer ehemaligen Schulkameradin geschickt wurden. Fiona wollte sie mit einem Stein um Verzeihung bitten, doch Hannah war noch nicht dazu bereit. Den zweiten Stein sollte Hannah an jemanden schicken, den sie selbst um Verzeihung bitten möchte. Diese Steine bringen nun eine Lawine ins Rollen, unter der Hannahs bisheriges Leben verschüttet werden wird.

Meine Meinung:
Nach dem großen Erfolg ihres ersten Romans „Morgen kommt ein neuer Himmel“ war ich sehr gespannt auf das aktuelle Buch und hatte wohl zu hohe Erwartungen. Mehr als durchschnittlich war das für mich nicht.

Der Schreibstil ist ganz okay, es lässt sich flott lesen, ist aber nicht wirklich außergewöhnlich schön. Ein Klischee reiht sich an das nächste, und vieles ist zumindest in groben Zügen vorhersehbar. Es gibt einige nette Lebensweisen, die aber auch nicht gerade neu sind, z.B. "Die Menschen, die man liebt, gibt man niemals auf." Diese Phrase zieht sich wie ein roter Faden durch die Handlung.

Was mich aber tierisch genervt hat, war die Protagonistin Hannah. Ich wurde mit ihr einfach nicht warm. Es hat mich immer wieder gewundert, wie schnell sie in ihren Meinungen umschwenkt. Sie hat erstaunlich wenig Rückgrat, dafür eine Riesenmenge Naivität. Mehr als ein Mal wollte ich sie schütteln und Klartext mit ihr reden. Auch ihre ständige Jammerei ging mir gehörig auf den Keks. Ach hätte ich doch…, ich sollte nicht…, warum habe ich nur… Immer dreht sich alles nur um sie. Und das, obwohl sie doch gerade dabei ist, sich bei anderen zu entschuldigen.

Aber auch die meisten anderen Charaktere waren mir nicht unbedingt sympathisch. Hannahs Maskenbildnerin Jade und der Winzer RJ waren die Einzigen, die mich voll und ganz auf ihre Seite ziehen konnten, wobei RJ schon fast zu gut ist, um wahr zu sein.

Leider blieb am Ende eine wichtige Frage unbeantwortet. Das war für mich recht unbefriedigend. Natürlich kann hier jeder für sich entscheiden, was er vermutet. Ich persönlich hätte lieber eine klare Antwort gehabt.

Was mir an diesem Buch aber gefallen hat, ist, dass es einen zum Nachdenken bringt. Nachdenken darüber, bei wem man sich vielleicht selbst endlich mal entschuldigen müsste. Nachdenken darüber, ob eine Entschuldigung wirklich immer gut ist oder ob man manche Dinge nicht besser ruhen lässt. Nachdenken darüber, auf welche Art man eine Entschuldigung vorbringt. Nachdenken darüber, wie viel befreiter man sich selbst fühlen kann, wenn man den richtigen Schritt getan hat.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 25.04.2015
Patterson, James;Raymond, Emily

Heart. Beat. Love.


ausgezeichnet

Road Trip mit Gefühl

Inhalt:
Von heute auf morgen überredet die sechzehnjährige Axi ihren besten Freund Robinson, mit ihr abzuhauen und eine Tour quer durch die USA zu machen. Was Robinson nicht weiß: Axi ist ihn verliebt. Doch das Schicksal hält nicht nur Gutes für die beiden bereit.

Meine Meinung:
Ganz ehrlich? - Anfangs war ich ziemlich enttäuscht, ich fand die Handlung total unlogisch. Axi hat einen Ruf als BM = Braves Mädchen weg, sagt in einem Satz, dass sie sich um ihren Vater kümmern muss, um im nächsten Satz Robinson zu bitten, mit ihr abzuhauen. Und schon geht’s los, statt wie von Axi geplant mit dem Greyhoundbus mit einer geklauten Harley, mit der die beiden mal eben ohne Helm mit 180 über die Straßen brettern.

„Wir sind Axi und Robinson, die jugendfreie Version von Bonnie und Clyde.“ (S. 101)

Und in dem Stil geht es weiter. Sie erleben ein paar schöne Dinge, Axi kämpft mit ihren Gefühlen für Robinson, traut sich aber nichts zu sagen. Alles recht oberflächlich. Über die beiden Protagonisten erfährt man sehr wenig, sie waren für mich nicht fassbar. Dieses war der erste Teil.

Und dann kam die Wende, Teil 2. Ach, wäre doch der erste Teil auch schon so gut geschrieben gewesen! Endlich geht es wirklich um große Gefühle, das Schicksal ist ein mieser Verräter (wenn ich mal diesen Buchtitel von John Green zitieren darf) und schlägt gnadenlos zu. Auch die Hintergrundgeschichte von Axi und Robinson kommt nun zur Sprache. Da ist nichts mehr oberflächlich, man möchte die beiden nur noch in den Arm nehmen und ganz fest halten. Und man kann die beiden schließlich nur für ihren Lebensmut und ihre optimistische Einstellung bewundern.

„Man kann ein gutes Leben führen oder es halb verschlafen. Man kann eine Sanddüne herunterrasen oder sein Leben vor dem Fernseher verbringen.“ (S. 299)

Erzählt wird die Geschichte von Axi in der Ich-Form. Die Sprache wirkt recht jugendlich und flott. So lässt sich das Buch auch aufgrund der relativ großen Schrift und der vielen Bilder in kürzester Zeit lesen.

Erwähnenswert ist noch die Aufmachung des Buches. Wie schon auf dem Schutzumschlag gibt es auch im Buchinneren jede Menge Fotos, die Axi und Robinson bei ihrem Roadtrip zeigen, innen sind sie allerdings schwarz-weiß. Diese Illustrationen finde ich wirklich sehr schön, sie zeigen gelungene Schnappschüsse der Reise.

Bewertung vom 08.04.2015
Wagner, Antje

Unland


ausgezeichnet

Spannendes Jugendbuch mit Mystery-Elementen

Inhalt:
Franka kann nicht mehr bei ihrer Pflegefamilie in Berlin bleiben. Das Jugendamt weist sie einer Erziehungsstelle in Waldburgen in Sachsen-Anhalt zu. In dem kleinen Dorf lebt Franka fortan mit sechs weiteren Kindern und Jugendlichen und den Erziehern Vera und Andreas Kämpf in Haus Eulenruh. Schon bald bemerkt Franka, dass etwas nicht stimmt. In regelmäßigen Abständen fällt der Strom im gesamten Dorf aus und immer wieder fühlt Franka sich beobachtet. Um eine nahe gelegene Ruinenlandschaft, „Unland“ genannt, ist ein Zaun gezogen. Betreten verboten! Als die Bewohner von Haus Eulenruh immer stärker von den Alteingesessenen angefeindet und beschuldigt werden, stellen die Jugendlichen auf eigene Faust Nachforschungen an und bringen sich damit in höchste Gefahr.

Meine Meinung:
Mir fiel es sehr leicht, in das Geschehen einzutauchen und mich auf die Protagonisten einzulassen, sind sie doch alle auf ihre Art Sympathieträger. Allen voran die 14-jährige Franka, die in der Ich-Form erzählt. Schon rein äußerlich passt sie in keine Norm, und auch im Inneren hebt sie sich von den meisten Jugendlichen ab. Gerade das hat mir gut an ihr gefallen. Sie hält nichts von Modetrends und Cliquengehabe, sie ist eher der geradlinige, unverstellte Typ, auch wenn sie damit bei anderen aneckt. Im Laufe der Erzählung lernt man sie ziemlich gut kennen und mögen. Aber auch die anderen Bewohner von Haus Eulenruh werden sehr plastisch dargestellt. Ich hatte keine Probleme, sie mir vorzustellen. Sie haben alle eine problematische Vergangenheit, die im Verlauf der Geschichte immer mehr zutage tritt, ohne sich allzu sehr in den Vordergrund zu spielen. Trotzdem machen ihre Schicksale betroffen.

Antje Wagner erzählt eher ruhig, atmosphärisch dicht und von Anfang an mit unterschwelliger Spannung, die sich immer mehr steigert. Mich hat das Buch absolut gefesselt, selbst am Anfang, wo noch gar nicht so wahnsinnig viel passiert. Als es dann mit den mysteriösen Vorkommnissen losgeht, konnte ich das Buch gar nicht mehr aus der Hand legen, so war ich in der Geschichte gefangen.

Die Mystery-Elemente in der Geschichte tauchten für mich völlig überraschend auf. Ich hatte vorher keine Ahnung, dass die Handlung in diese Richtung laufen könnte, fand diese Wendung aber gut. Lediglich das offene Ende hat mich nicht ganz befriedigt, aber ich kann damit leben.

Fazit:
Ein wirklich spannendes, zum Nachdenken anregendes Jugendbuch ab ca. 12 Jahren, das auch Erwachsene fesseln kann. Absolut lesenswert!

Bewertung vom 06.04.2015
Sánchez Piñol, Albert

Der Untergang Barcelonas


gut

Kriegsbericht mit einigem Witz, aber vielen Längen

Albert Sánchez Piñols neues Buch wird in Spanien als Meisterwerk gehandelt. Vielleicht muss man Spanier sein oder aber zumindest Historiker, um dies nachvollziehen zu können. Ich kann es nicht.

Die Leseprobe - die ersten 59 Seiten des Romans - fand ich einfach genial. Sie sprühen vor Witz und lebendigen Szenen. Daher wollte ich dieses Buch gerne lesen. Doch die Enttäuschung kam schon bald.

Der Protagonist Martí Zuviría, genannt Zuvi, diktiert im stolzen Alter von 98 Jahren einer gewissen Waltraud, seine Erinnerungen. Diese beginnen 1705, als Zuvi mit 14 Jahren die Schule des großen französischen Baumeisters Vauban antritt, um die Ingenieurskunst zu erlernen. Die Lehrmethoden sind äußerst seltsam, dafür für den Leser umso unterhaltsamer. Mit Ingenieurskunst ist vor allem die Kunst der Belagerungstechnik gemeint, also der Bau von Angriffsgräben, Mauern und Bastionen.

Schon bald befindet sich Zuvi mitten im Kriegsgeschehen, im spanischen Erbfolgekrieg. Und so begann mein Martyrium. Nicht nur die Soldaten kämpfen - nein, auch ich musste mich durch die Seiten kämpfen. Hier zeigte sich, dass es sich bei diesem Werk weniger um einen Roman als vielmehr um einen subjektiv angereicherten minutiösen Bericht über den spanischen Erbfolgekrieg handelt. Ich habe gefühlt jeden einzelnen Soldaten mit Namen kennengelernt, jede Bastion verteidigt und zig Angriffsgräben gegraben. Mir waren das einige detaillierte Beschreibungen zu viel! Das Lesen war ermüdend bis langweilig. Die Hintergründe des Krieges und die Erläuterungen zu den verschiedenen beteiligten Parteien fand ich allerdings schon interessant.

Auch Piñols Schreibstil, die Wortwahl, der Sarkasmus haben mir sehr gut gefallen. So wirkte der Bericht nicht ganz so trocken, die unzähligen Toten blieben keine Zahlen, sondern bekamen Gesichter. Trotzdem erinnerte das Buch über weite Strecken an ein ödes Geschichtslehrbuch und nicht an einen Unterhaltungsroman.

Erschwerend kommt hinzu, dass die Hauptfigur Zuvi nicht unbedingt ein Sympathieträger ist, mit dem man sich gerne identifizieren würde. Er betitelt sich selbst als Taugenichts und liegt damit nicht ganz falsch. Zwar entwickelt er als Ingenieur einigen Ehrgeiz, doch sein Charakter ist nicht wirklich so, dass man ihm nacheifern möchte. Er ist ziemlich egoistisch und unbedacht. Erst recht spät beginnt er, Verantwortung zu übernehmen.

Lobend hervorheben möchte ich die von Zeit zu Zeit eingestreuten Illustrationen, ohne die ich bei manchen Beschreibungen aufgeschmissen gewesen wäre bzw. ohne die das Buch noch theoretischer geworden wäre. Denn so kann man die Anlage von Befestigungen oder Gräben mit einem Blick erfassen, wozu in Worten mehrere Seiten erforderlich wären.

Im Anhang findet man eine kurze Zeittafel mit Ereignissen des Krieges sowie ein Personenverzeichnis.

Piñol arbeitet wohl gerade an der Fortsetzung des Romans, die ich aber mit Sicherheit nicht lesen werde, zumal der erste Band mit der Niederlage Barcelonas an einem bedeutenden Abschnitt endet, man also nicht unbedingt weiterlesen muss.

Bewertung vom 28.03.2015
Martin, Peer

Sommer unter schwarzen Flügeln


ausgezeichnet

Meine Meinung:

Martin hat sich etwas ganz Besonderes ausgedacht. Zum Einen sind jedem Kapitel zwei aussagekräftige Zitate vorangestellt, zum anderen wird der Leser am Ende jedes Kapitels angeregt, bestimmte Begriffe im Internet selbst zu suchen und dadurch das Gelesene noch zu vertiefen und zu erweitern. Das ist eine tolle Sache, die außerdem zeigt, wie hervorragend der Autor für das Buch recherchiert hat. Die eigene Internetsuche ist allerdings kein Muss, es geht auch ohne, wenn man das nicht mag.

Peer Martin hat hier ein (leider immer noch) brandaktuelles Thema bearbeitet: den Krieg in Syrien, der schon so viele Opfer gefordert und so viele Leben und Städte zerstört hat. Doch Syrien ist weit weg von Deutschland.

„Da sah ich in den Himmel, an dem der Morgen sich rot und violett und gelb abzeichnete. Die Berge waren so hoch wie immer, und die Wolken zogen über Tall Achmar, als wäre nichts geschehen.
Was war schon ein kleines Dorf.“ (S. 484)

Wir sehen die schrecklichen Bilder in den Nachrichten und gehen anschließend wieder zu unserem eigenen Alltag über. Doch immer mehr Menschen bleibt gar nichts anderes übrig, als zu fliehen und darauf zu hoffen, in fremden Ländern unterzukommen. Auch Deutschland nimmt viele Flüchtlinge aus Syrien auf, und es werden noch mehr werden. Heißen wir sie willkommen, geben wir ihnen hier bei uns ein Stück Heimat!

Nuri ist eine faszinierende Person. Sie erkennt sofort, dass dieser Junge in dem Kapuzensweatshirt mit einer schwarzen Sonne auf dem Rücken und Springerstiefeln an den Füßen nicht nur schlecht ist. Wie schon in ihrer Heimat, wo sie ihre Familie mehrere Male durch ihre Vorahnung gerettet hat, hat sie auch bei Calvin den richtigen Riecher.

Und Calvin kann sich nicht gegen Nuris dunkle, große Augen wehren, gegen dieses unsagbar schöne Mädchen, das ihm Geschichten erzählt, Geschichten wie aus 1001 Nacht, von einem Land voller exotischer Gerüche, voller leuchtender Farben und fröhlicher Menschen. Doch die Geschichten, die Nuri erzählt - eigentlich ist es ja nur eine Geschichte, die immer wieder durch die Ereignisse in der Gegenwart unterbrochen wird -, nehmen immer düsterere Züge an. Wir erfahren immer mehr von Übergriffen, Folter und Krieg. Nuri nimmt Calvin und den Leser - denn auch als Leser kann man sich ihrer Erzählung nicht entziehen - mit in das zerbombte Syrien, lässt uns an ihrer Angst teilhaben, an den vielen Toten und Vermissten. Das ist teilweise wirklich harter Tobak, schwer zu ertragen. Aber das Schlimmste ist, dass es realistisch ist.

Nuri und Calvin werden ein Paar - doch wie soll das gehen? Calvin muss ganz langsam umdenken, sich von seinen Ausländer-raus-Parolen distanzieren, sich von seiner Clique abwenden. Aussteigen. Doch das ist alles andere als einfach - es ist gefährlich, lebensgefährlich. Wen die Rechten mal in ihren Fängen haben, den lassen sie nicht einfach wieder los. Doch die Liebe der beiden ist so fest und dabei doch so zart, einfach wunderbar beschrieben.

„„Wir haben uns eine Woche lang nicht geküsst, weißt du das?“
„Schande über uns“, sagte Calvin und fühlte die Schwere dieser Woche mit den Wolken davonziehen. „Wir sollten es nachholen.“
Sie hatten es nicht verlernt.“ (S. 336)

Die Charaktere erhalten im Laufe der Erzählung eine immense Tiefe, ihre Entwicklung geht langsam aber stetig voran und wirkt absolut glaubwürdig. Überhaupt macht die ganze Geschichte einen sehr realistischen Eindruck, was sicher auch dadurch hervorgerufen wird, dass immer wieder auf wahre Begebenheiten eingegangen wird.

Peer Martin hat eine unvergleichliche Art zu schreiben, voller Gefühle, voller Spannung. Seine Worte lassen das Gelesene wie einen Film im Kopf ablaufen. Man taucht ganz tief in die Handlung ein, wird ein Teil davon und kann vieles davon in die Realität mitnehmen.

Ob es für Nuri und Calvin ein Happy End geben kann, müsst ihr selbst lesen. Es lohnt sich!

Bewertung vom 20.03.2015
Colfer, Eoin

Der Klunkerfischer / W.A.R.P. Bd.2


sehr gut

Inhalt:
Chevron Savano ist Kadettin einer Militärakademie, die Colonel Box untersteht, der sich als Gott feiern lässt. Alles könnte so einfach sein, wenn da nicht diese aufrührerische Stimme in ihrem Kopf wäre, die gegen den Colonel intrigiert. Kein Wunder fällt Chevie ihren Vorgesetzten auf und soll eliminiert werden, zusammen mit Professor Smart. Glücklicherweise kann dieser in letzter Sekunde eine Zeitkapsel aktivieren, sodass Chevie zusammen mit zwei Thundercats, Mitgliedern der Eliteeinheit des Boxitenmilitärs, im Jahr 1899 landet, wo sie bald auch wieder auf Riley trifft …

Meine Meinung:
Klasse fand ich, dass Eoin Colfer gleich zu Anfang die Hintergründe dieser Zeitreisegeschichte noch einmal darstellt, ohne auf die Ereignisse im ersten Band genauer einzugehen. Das ist auch nicht notwendig, denn abgesehen davon, dass nur durch die damaligen Ereignisse das jetzige Szenario zustandekommen konnte, ist „Der Klunkerfischer“ fast eine eigenständige Geschichte, allerdings mit denselben Personen. Wer kann, sollte natürlich trotzdem möglichst die Reihenfolge beim Lesen einhalten.

Chevie findet sich also als Kadettin in einem alternativen Zeitstrahl wieder. Das fand ich anfangs etwas verwirrend, doch beim Weiterlesen wurde es immer klarer. Colonel Box hat die Herrschaft über die ganze Welt übernommen (außer Frankreich) und unterdrückt das Volk nach Strich und Faden. Sobald Chevie wieder in der Vergangenheit ist, setzt sie sich zum Ziel, Box’ „Auftauchtag“ und somit seine Machtübernahme zu verhindern. Riley ist dabei natürlich an ihrer Seite und zusammen sind die beiden mehr oder weniger unschlagbar. Auch wenn es manchmal eher nach weniger aussieht. ;-)

Riley ist inzwischen erwachsener geworden, er ist nicht mehr der kleine Junge aus dem 1. Band. Als Zauberer hat er allerlei hilfreiche Tricks auf Lager, und seine Loyalität und Freundschaft Chevie gegenüber ist sowieso riesengroß. So können die beiden mit allerlei Gefahren und Widrigkeiten fertigwerden. Erwähnen sollte ich vielleicht, dass viel gestorben wird in diesem Band (in der Regel gewalttätig und unfreiwillig), und auch der Ekelfaktor ist recht hoch (ich sag nur Kanalisation).

Zwar gibt es einige Längen, hier hätte man Beschreibungen oder Kämpfe gerne etwas abkürzen können. Doch Colfer versteht es, durch seinen very britischen Humor und eine Menge Sarkasmus zu überzeugen. Man muss einfach immer wieder schmunzeln. Natürlich fiebert man auch mit den sympathischen Protagonisten mit, spannende Szenen gibt es zur Genüge.

Eine meiner Lieblingsfiguren in diesem Band war der König der Rammböcke, Otto Malarkey, der ja auch schon aus dem 1. Band bekannt ist. Hier hat er nun eine tragende Rolle. Er wurde vielschichtig ausgebaut, was ihm wirklich guttut. Ein Charakter, der für so manche Überraschung gut ist.

Am Ende greift Colfer zu einem geschickten Schachzug, indem er einen Ausblick auf den nächsten Band gibt. Denn jetzt möchte ich natürlich gerne sofort erfahren, ob Chevie und Riley es schaffen, ihr Vorhaben erfolgreich abzuschließen. Doch wann der 3. Band auf Deutsch erscheint, ist leider noch nicht bekannt.

Fazit:
Durch einige Längen und zum Teil auch verwirrende Handlung konnte mich das Buch nicht ganz so begeistern wie der Vorgänger, ist aber auf jeden Fall lesenswert und führt die Reihe gut weiter.

Die Reihe:
1. WARP - Der Quantenzauberer
2. WARP - Der Klunkerfischer
3. WARP - (engl. Titel: The Forever Man, erscheint Juni 2015)

Bewertung vom 25.02.2015
Condie, Ally

Atlantia


gut

Faszinierende Idee - schludrig umgesetzt

Inhalt:
Durch die immer weiter voranschreitende Umweltverschmutzung ist ein gutes Leben auf der Erde nicht mehr möglich. Deshalb wurde Atlantia, die Stadt unter dem Meer, gegründet. Hier leben auch Rio und ihre Zwillingsschwester Bay, die Töchter der kürzlich verstorbenen Hohepriesterin Ozeana.

Doch Atlantia ist darauf angewiesen, von Oben versorgt zu werden. Deshalb opfern sich jedes Jahr bei der Trennungsfeier junge Erwachsene, die an die Oberfläche gehen, wo sie ein kurzes, hartes Leben erwartet. Nur so kann das Überleben Unten gesichert werden.

Als Bay nach Oben geht, bleibt Rio allein in Atlantia zurück. Sie hat hier niemanden mehr, dem sie vertrauen kann, musste sie sich doch von kleinauf verstellen, um ihr großes Geheimnis zu verbergen. Sie muss neue Beziehungen knüpfen, um ihr Ziel zu erreichen, nach Oben zu Bay zu gelangen. Dabei stößt sie auf immer seltsamere Dinge, die ihr bisheriges Weltbild auf den Kopf stellen.

Meine Meinung:
Die Idee einer Trennung in Land- und Unterwasserbevölkerung und die Beziehungen dieser beiden zueinander fand ich schon sehr faszinierend. Trotz aller fantastischen Elemente weist diese Welt durchaus Parallelen zu unseren realen Gesellschaftsformen auf. Toleranz, Rassenhass, Ausbeutung vorgeblich minderwertiger Menschen werden indirekt thematisiert. Das war’s dann aber auch fast schon an Positivem.

Die Handlung schien mir etwas unausgegoren. Es ist nicht immer alles logisch und nachvollziehbar. Die Charaktere wirken etwas sprunghaft in ihrem Verhalten. Es bleiben lose Handlungsstränge und wichtige Fragen offen, dabei ist der Roman an sich abgeschlossen. Nach Aussage der Autorin handelt es sich um einen Einzelband, es ist keine Fortsetzung geplant.

Überraschungen gibt es so gut wie keine, der Großteil der Handlung ist vorhersehbar. Auch richtige Spannung kann man vergeblich suchen, und wenn sie mal auftritt, wird sie im nächsten Satz schon wieder gelöst. Das war für mich frustrierend.

Erzählt wird im Präsens und in der Ich-Form von Rio. Normalerweise habe ich damit überhaupt keine Probleme, kann im Gegenteil mich stark mit der Protagonistin identifizieren und fühle mich beim Lesen, als ob ich mittendrin mitmischen würde. Nicht so bei „Atlantia“. Rio musste sich ihr Leben lang verstellen, ihre Gefühle verbergen, und so kommt sie anfangs nicht besonders sympathisch rüber, sondern recht egoistisch und emotionslos. Entsprechend wenig Gefühle werden zum Leser transportiert. Dafür gibt es viele nüchterne Beschreibungen der Örtlichkeiten.

Die Handlung kommt sehr langsam in Gang. In der ersten Buchhälfte bekommt man immer wieder mal ein kleines Häppchen hingeworfen, ansonsten wird viel beschrieben und Hintergründe erklärt. Stellenweise habe ich mich ziemlich gelangweilt.

Neben Rio bleiben die meisten anderen Charaktere relativ blass. Man kann auch von Anfang an gut einschätzen, wer gut und wer böse ist, lediglich bei Rios Tante Maire gibt es in dieser Hinsicht Zweifel. Sie war für mich die interessanteste Person, weil sie viele Ecken und Kanten aufweist und eben nicht so leicht zu durchschauen ist.

Die Schrift ist sehr groß. Die Sprache ist einfach mit kurzen Sätzen, die man schnell lesen kann. Insofern fliegen die Seiten nur so dahin. Doch reicht das für ein gutes Buch einfach nicht aus.

Fazit:
Insgesamt hat mich das Buch eher enttäuscht. Anfangs hatte es viele Längen, wurde dann zwar mit jeder Seite besser, aber nicht wirklich sehr gut. Die Idee ist wirklich interessant, aber das Ganze wirkt etwas hingeschludert. Viele Verhaltensweisen konnte ich nicht nachvollziehen. Die Charaktere waren mir zu sprunghaft, und die Sprünge wurden nicht erklärt. Insofern konnte mich das Buch nicht wirklich berühren und wird wohl ganz schnell wieder vergessen sein.

Bewertung vom 14.02.2015
Lindner, Lilly

Was fehlt, wenn ich verschwunden bin


sehr gut

Bekannt geworden ist Lilly Lindner durch die Veröffentlichung ihrer Autobiografie „Splitterfasernackt“ im Jahr 2011. Auch „Was bleibt, wenn ich verschwunden bin“ greift zum Teil eigene Erlebnisse der Autorin auf. Hier geht es um zwei Schwestern, Phoebe ist neun, April sechzehn. Beide sind hochintelligent, die Eltern hoffnungslos überfordert. April ist in einer Spezialklinik, wo ihre Magersucht behandelt werden soll. So schreiben sich die beiden Mädchen Briefe, die ihr inniges Verhältnis erkennen lassen.

Anfangs fand ich die Briefform sehr ermüdend. Im Nachhinein empfinde ich diese Form des Romans als die einzig Passende. Nach wie vor schade finde ich, dass die Briefe nicht datiert sind. Das hätte mir eine Einordnung erleichtert.

Was die beiden Mädchen schreiben, ist erschütternd. Die Eltern sind nicht in der Lage, ihnen irgendwelchen Halt zu geben. Den geben sich Phoebe und April gegenseitig.

„Schwestern müssen schließlich zusammenhalten, weil man zusammen viel mehr halten kann als alleine.“ (S. 17)

Doch was kann ein neunjähriges Kind groß bewirken, wenn die große Schwester quasi schon aufgegeben hat, wenn ihre „Freundin Ana“ (die Magersucht) alle Macht über sie hat? Die beiden Kinder sind nicht „normal“, aber was ist schon normal? Und warum ist es überhaupt wichtig normal zu sein? Aprils Leben ist eine einzige Qual, sie fühlt sich unverstanden, zurückgewiesen und absolut einsam. Anstatt zu kämpfen, zieht sie sich in die Stille zurück, im Gegensatz zu Phoebe, die sich zum Glück nicht so schnell verbiegen lässt.

„Aber manchmal muss man die Wut und die Angst rausschreien, sonst bleiben sie in einem stecken, und dann explodiert man irgendwann.“ (S. 161)

Über viele Weisheiten aus dem Mund der Neunjährigen muss man schmunzeln oder den Kopf schütteln, weil sie so wahr sind. Dabei sprüht das Buch vor lauter Wortspielen und Wortschöpfungen, fast war mir das schon etwas zu inflationär. Dadurch habe ich sicherlich das ein oder andere gar nicht mitbekommen. Überhaupt geht es viel um Wörter und Worte, denn mit ihnen kann man so viel Gutes tun oder aber auch zutiefst verletzen. Leider hat die Autorin die beiden Begriffe „Wörter“ und „Worte“ anscheinend willkürlich durcheinander geworfen, ohne die unterschiedliche Bedeutung zu würdigen. Das wird die meisten Leser wahrscheinlich nicht stören, wenn sie es überhaupt bemerken. Mich hat es leider sehr stark gestört, so stark, dass es stellenweise den Inhalt des Buches überlagert hat. Das hätte nicht sein müssen, und ich finde es sehr schade, denn davon abgesehen, kann Lilly Lindner wirklich sehr gut mit Wörtern und Worten umgehen. Ihre Sätze gehen unter die Haut.

Fazit:
Trotz kleiner Kritikpunkte gibt es von mir eine klare Leseempfehlung. Möge das Buch dazu beitragen, dass wir mehr aufeinander achten und uns gegenseitig stützen.