Benutzer
Benutzername: 
holdesschaf

Bewertungen

Insgesamt 588 Bewertungen
Bewertung vom 12.01.2022
Slaughter, Karin

Die falsche Zeugin


gut

Brutales, aber etwas langatmiges Katz-und-Maus-Spiel
Obwohl Leigh unter widrigen Umständen in einem miesen Viertel aufgewachsen ist, hat sie es zu einem Job als Anwältin in einer renommierten Kanzlei gebracht. Sie lebt von ihrem Mann getrennt, doch liebt sie ihn und die gemeinsame Tochter Maddy sehr. Gerade besucht sie eine Schulaufführung, da wird sie von ihrem Chef zu einem Treffen mit einem Mandanten gerufen, der wegen einer brutalen Vergewaltigung angeklagt ist und nur von ihr vertreten werden möchte. Verwundert macht sie sich auf den Weg, nicht ahnend, dass der Mandant Dinge aus ihrer Vergangenheit weiß, die sie am liebsten vergessen würde. Nun muss sie alles tun, um nicht nur ihre Tochter, sondern auch ihre drogenabhängige Schwester Callie zu beschützen, die die damaligen Geschehnisse nie überwinden konnte. Doch der Gegner scheint immer einen Schritt voraus zu sein.

Ich bin ein großer Fan von Karin Slaughter, vor allem, weil ich ihre Romane - insbesondere die um Sara Linton - sehr spannend finde. Bei diesem Buch handelt es sich wieder um eine Einzelgeschichte. Sie beginnt auch wie oben beschrieben recht geheimnisvoll und auch das Cover lässt erahnen, dass hier etwas Aufregendes passiert. Doch gleich nach der Einleitung sank für mich die Spannung ab. Am Schreibstil und am Setting gibt es nichts auszusetzen, Slaughter ist einfach eine tolle Erzählerin und auch sehr gut darin menschliche und unmenschliche Charaktere und ihre Beweggründe zu Papier zu bringen. Sie erzählt sehr authentisch. Hier auch gut nachzuvollziehen, da sie die Pandemie nicht ausklammert.

Nach der Einleitung beginnt sie also die Vergangenheit vor uns auszubreiten und auch die Taten und Motive, so dass von der Spannung nur noch eine leichte, eher subtile Bedrohung übrig bleibt. Ich bin nicht so der Fan von Thrillern, bei denen Täter, Motiv und Opfer bereits sehr früh bekannt sind. Natürlich ist das, was Leigh und ihre Schwester Callie erlebt haben sehr schrecklich gewesen, die Beweggründe des Täter aber sind in meinen Augen etwas dürftig, obwohl die Autorin wirklich alles tut, um uns Einblick in die Psyche der Protagonisten zu gewähren und das in einem sehr sehr langen Mittelteil, der zwar noch ein paar kleine Geheimnisse aufdeckt, aber nicht besonders fesselnd ist. Zum Beispiel erzählt sie lang und breit davon, wie Callie ihre Drogen besorgt, konsumiert und welche Wirkung das auf ihren Körper hat. Manches, was sie ausführlich darstellt, braucht man, um Mitgefühl aufzubauen, anderes war mir einfach zu weitschweifig und es passierte 400 Seiten lang nicht besonders viel.

Zum Ende hin, konnte mich die Geschichte dann aber wieder packen, weil es ein paar überraschende Wendungen und einen ganz guten Showdown gibt, aber kein wirkliches Happy End. Trotzdem werden alle noch offenen Fragen geklärt und die Auflösung ist gut nachvollziehbar.

Fazit: Sehr gute Erzählweise nur für einen Thriller einfach zu langatmig und nicht spannend genug. Um die Geschichte nachzuvollziehen hätten auch 200 Seiten weniger gereicht. Leider diesmal nur 3 Sterne.

Bewertung vom 12.01.2022
Mohn, Kira

The Sky in your Eyes / Island-Reihe Bd.1


gut

Liebesgeschichte zum Trendthema Bodyshaming
Elin ist 24, hat sich gerade von ihrem Freund, der sie nur noch fertiggemacht hat, getrennt und ist wieder bei ihren Eltern eingezogen. Das alles lastet sehr auf ihrem schon seit Kindheit angeknacksten Selbstbewusstsein. Sie fühlt sich nur noch dick und all ihre Verhaltensweisen richtet sie danach aus, was andere über sie denken könnten. Deshalb verschweigt sie ihren Eltern auch den veganen Kochkurs, den sie bald jede Woche besucht, so wie viele andere "perfekte" Frauen. Und wie Jón, der einzige Mann in der Runde und zufällig ihr Kochpartner. Er scheint großes Interesse an Elin zu haben, doch kann sie sich selbst genug lieben, um eine neue Beziehung einzugehen?

Das Thema Bodyshaming liegt gerade im Trend sehr weit vorn und das vermeintliche Verständnis der "Schönen" gegenüber Dicken, Aknegeplagten, Sommersprossigen, Beeinträchtigten und andern Menschen mit "Schönheitsfehlern" scheint groß zu sein. Gehört man selbst in diese Gruppe, merkt man davon nicht wirklich etwas. Deshalb war ich sehr neugierig auf Kira Mohns Roman über eine zu dicke junge Frau, die mit ihrem Körper einfach nicht klarkommt. Ich gebe zu, es ist ein schwieriges Thema und zunächst gelingt es der Autorin das Seelenleben der Protagonistin sehr gut vor den Lesern auszubreiten. Der dauernde Zweifel, der Versuch zu kaschieren, die mitleidigen Blicke, die sie zu spüren glaubt, das Ausrichten aller Handlungen danach, wie andere darauf reagieren könnten. Bloß nicht zu viel essen, dann denkt jeder: Kein Wunder, dass die so dick ist usw. Für Menschen, die mit sich im Reinen sind, ist das manchmal nur schwer nachvollziehbar und drückt vermutlich auf die Stimmung.

Ich bin davon ausgegangen, dass Elin sich etwas mehr mit Jóns Augen sieht, sobald klar wird, dass er sie anziehend findet. Doch stattdessen werden ihre Zweifel immer größer und teilweise wirkt ihre Denkweise dann konstruiert und wiederholt sich so oft, dass sie ein bisschen nervt. Was mich auch sehr störte ist, dass Jón natürlich der Traumtyp schlechthin ist, beinahe makellos. Warum muss das so sein? Das weckt vor allem in jungen Lesern doch auch eine gewisse, vermutlich hohe Erwartungshaltung. Ein Normalo hätte mir da besser gefallen und wäre auch realistischer gewesen.

Diverse Probleme bei Elins Arbeitsstelle, mit ihrem Ex-Freund und den Eltern waren auch nicht unbedingt notwendig und waren dann ein bisschen zu viel des Schlechten. Am meisten jedoch störte mich, dass Jón nicht der Anstoß zum Umdenken bei Elin ist, sondern, dass ihr ganzes Selbstbewusstsein am Ende davon herzurühren scheint, dass er sich für sie interessiert. Ein anderer Mensch kann nicht für unser Glück verantwortlich sein, das ist für mich so keinen gelungene Botschaft. Zudem geht mir am Schluss auch einiges zu schnell, ist zu perfekt und idealisiert.

Fazit: Eine schöne Liebesgeschichte vor der Kulisse Islands, eine tiefergehende Auseinandersetzung mit den Problemen der Protagonistin kann man aber nicht erwarten. Ich hab sie wirklich gern gelesen, doch am Ende hat sie mich nicht zufriedengestellt. Daher leider nur 3 Sterne. Hätte man mehr draus machen können.

Bewertung vom 31.12.2021
Ocker, Kim Nina

The Lie in Your Kiss / Die Hüter der fünf Jahreszeiten Bd.1


sehr gut

Gelungener Romantasy-Auftakt
Bloom, die als schwarzes Schaf ziemlich unbeachtet im Haus des Winters aufwächst, lebt ein recht normales Leben in einer Familie mit magischen Kräften. Ihre Familie und drei weitere sind dafür zuständig, die Jahreszeiten zu steuern und deren Wechsel zu initiieren. Als der Hüter des Winterhauses überraschend tot aufgefunden wird, muss Bloom, die plötzlich ebenfalls Kräfte entwickelt, für ihn einspringen und gerät so in einen jahrhundertealten Kampf, den sie gar nicht kämpfen möchte. Schon gar nicht gegen den Rebellen Kevo, der sich in ihr Herz geschlichen hat.

Normalerweise lese ich nicht so viele Jugend- und Fantasybücher, aber hier hat mich die Idee mit der fünften Jahreszeit sehr neugierig gemacht. Das Cover ist natürlich auch ein Hingucker. So bin ich eingetaucht in die Welt der vier Häuser Winter, Frühling, Sommer, und Herbst und war überrascht, wie logisch sich in diesen Plot die Rolle einer fünften Jahreszeit einfügt.

Die Autorin verknüpft diese geschickt mit aktuellen Problemen der Klimaveränderung auf der Erde. Die Protagonistin Bloom, die ein normales Mädchen ist, stolpert in den Konflikt zwischen den Jahreszeiten unfreiwillig hinein und es ist toll zu sehen, wie sie sich in der Geschichte vom Nobody zur Heldin mausert und das nicht, ohne Schuldgefühle, Zweifel und Angst. Man kann die meisten ihrer Gefühle sehr gut nachempfinden. Auch die anderen Charaktere werden sehr gut herausgearbeitet. Der Plot hat zwar durch einige Wiederholungen auch manche Länge, dennoch kann er mit zahlreichen Überraschungen aufwarten. Dazu gibt es noch genug Schmetterlinge und Kribbeln im Bauch.

Der angenehme Schreibstil und auch die Aufteilung der Kapitel sorgt für einen guten Lesefluss. Nur einige wenige Male hatte ich das Gefühl, dass einige Erklärungen zu oft wiederholt wurden. Diverse actionreiche Szenen waren eine gute Entschädigung dafür und vor allem der Cliffhanger am Ende sorgt dafür, dass ich garantiert den zweiten Band lesen muss. Für mich ein außergewöhnlich interessanter und recht gut gelungener Auftakt um die Hüter der Jahreszeiten. 4 Sterne

Bewertung vom 16.12.2021
Hierteis, Eva

Eine Freundschaft aus Wind und Magie / Insel der Sturmpferde Bd.1


gut

Haben mehr Abenteuer erwartet
Nilla lebt bei ihrem Ziehvater Jun auf der Vulkan-Insel Maolis fernab vom Rest der Welt. Wie jeder Mensch auf Maolis hat auch sie ein Seelenpferd, das fest mit ihr verbunden ist: Windtänzer. Gemeinsam mit ihm trainiert Nilla für das große Wettrennen, das zum alljährlichen Windfest ausgetragen wird. Doch dann bringt Jun eines Nachts ein fremdes Mädchen samt verletztem Pferd mit in die Hütte, für das Nilla den Babysitter spielen muss. Sie ist sich sicher, dass die beiden, Luna und Mondlicht, ein Geheimnis umgibt.

Schon allein das Cover ist ein echter Hingucker und schien ein großes und actionreiches Pferdeabenteuer zu versprechen. Auch die Inhaltsbeschreibung hat meiner Tochter, die Pferde gern mag, und mir gut gefallen. Leider startete das Buch dann mit sehr vielen Beschreibungen von Personen, Pferden und der Landschaft auf der Insel, so dass meine Tochter etwas das Interesse verlor. Auch ich muss sagen, dass es wirklich lange sehr ruhig zugeht. Meist geht es darum, wie Nilla mit ihrem Pferd kommuniziert und ausreitet oder sich um die beiden Neuankömmlinge kümmert, wobei wieder deren Mensch-Pferd-Beziehung sehr genau beschrieben wird. Es wiederholen sich sehr viele Ausdrücke und Gesten zwischen den beiden. Nilla ist dann auch nicht sehr sympathisch, weil sie zunächst eine Abneigung gegen Luna und Mondlicht hat, als sie auf die beiden aufpassen soll und das Haus nicht verlassen darf. Sehr langatmig fand ich bei Ausritten dann auch die ausführlichen Landschafts- und Wegbeschreibungen, die kaum dazu beitragen, dass man sich die Insel besser vorstellen kann.

Zwischendurch kommen dann mal einige Szenen mit etwas Spannung (meist wenn Nilla sich nicht an Regeln hält) und man glaubt schon, jetzt startet endlich das magische Abenteuer, doch bis zum Höhepunkt, der ebenfalls sehr kurz geraten ist, muss man doch etwas zu lange warten. Die Klärung einiger, aber nicht aller Geheimnisse entschädigt zwar etwas, doch insgesamt ist da ziemlich viel Luft nach oben. Für Mädchen, die gern vertraute Szenen zwischen Reiter und Pferd mögen, mag es eine feine Geschichte sein, wer ein magisches und actionreiches Abenteuer erwartet, wird vermutlich enttäuscht. Die Figuren wirken blass, die Story hölzern. Ich bin mir nicht sicher, ob wir es mit Band 2 noch einmal versuchen, obwohl dessen Beschreibung auch wieder interessant klingt.

Bewertung vom 16.12.2021
Neuhaus, Nele

In ewiger Freundschaft / Oliver von Bodenstein Bd.10


ausgezeichnet

Ausgezeichnete Krimispannung
Pia Sander wird von ihrem Ex-Mann kontaktiert. Seine Agentin Maria Hauschild braucht Hilfe, da sie sich Sorgen um ihre Freundin Heike Wersch macht, vor deren Haus sie steht. Als Pia mit ihr das Haus betritt, finden sie Blutspuren und im Obergeschoss ist ein alter Mann mit Handschellen an das Treppengeländer gefesselt. Alarmiert schaltet sie ihren Chef Oliver von Bodenstein ein. Die Ermittlungen laufen alle an einem Punkt zusammen: dem angesehenen Literatur-Verlag Winterscheid. Dann wird die Leiche der Vermissten aufgefunden und ein weiterer Mitarbeiter des Verlages verunglückt bei einem Fahrradunfall. An einen Zufall glaubt niemand. Könnten die Fälle etwas mit den Querelen zu tun haben, die Heike Wersch durch einen Plagiatsvorwurf losgetreten hat? Oder liegt das Motiv in den Schatten der Vergangenheit?

Der 10. Fall von Oliver von Bodenstein und Pia Sander hat mich neugierig gemacht. Mir war die Reihe zwar bekannt, doch hatte ich den letzten Band vor Jahren gelesen. Trotzdem hatte ich keinerlei Mühe, mit den Protagonisten warm zu werden - im Gegenteil. Nele Neuhaus beschreibt ihre Charaktere unvergleichlich natürlich und lebendig, so dass man sofort Verbindung aufnehmen kann. Hin und wieder fließen zwar ein paar Details aus früheren Fällen ein, es wird aber nie näher darauf eingegangen, so dass man den Krimi auch sehr gut unabhängig von den Vorgängerbänden lesen kann. Sander und von Bodenstein, sowie das familäre Team des K11 waren mir sofort sympathisch. Am Anfang des Buches findet man sogar noch eine Personenliste, diese habe ich aber tatsächlich gar nicht gebraucht.

Schon mit dem Prolog wird klar, dass die Zusammenhänge in diesem Fall weit in die Vergangenheit reichen müssen und dass es einige Geheimnisse aufzudecken gilt, bevor der Fall abschließend gelöst werden kann. Und wenn ich etwas bei Krimis mag, dann sind es die Schatten der Vergangenheit, die auf die Gegenwart fallen. Der Plot hat mich auch wirklich sofort gefesselt und die über 500 Seiten flogen nur so dahin. Neuhaus schreibt so lebendig und subtil spannend, dass man mitten im Geschehen ist. Auch die Beschreibungen und die Gespräche waren nie langatmig, wie ich es schon oft in Krimis empfunden habe, sondern auf das Nötige reduziert. Witzig waren auch die wenigen hessischen Mundart-Aussagen. Da hätte ich mir fast ein paar mehr gewünscht, um das Lokalkolorit noch etwas besser herauszuarbeiten. Die Zusammenhänge des Falles waren plausibel und es war ein Vergnügen zu kombinieren, bis nahezu am Ende durch gute Ermittlungsarbeit Licht ins Dunkel kommt. Wirklich ein klassischer Krimi!

Besonders gut und interessant fand ich im Übrigen auch die Entwicklungen in den Privatleben der Protagonisten, die immer wieder kurz einfließen. Man kommt sich vor, wie ein Teil der Ermittlerfamilie. Insgesamt hat mich der 10. Fall ausgezeichnet unterhalten, so dass ich mir wohl auch noch die älteren Fälle vornehmen werde, um die Wartezeit bis zum nächsten zu überbrücken. 5 Sterne

Bewertung vom 16.12.2021
Gröger, Anne

Hey, ich bin der kleine Tod ... aber du kannst auch Frida zu mir sagen


ausgezeichnet

Schwierige Themen verpackt in einer erfrischend witzigen Geschichte
Gerade erst hat eine Stammzellentransplantation Samuels Immunerkrankung geheilt, als ihm ein kleines Mädchen in schwarzer Kutte mit Sense erscheint. Mist, denkt sich Samuel, jetzt kommt der kleine Tod, um ihn doch noch zu holen. Doch Frida hat vom großen Tod den Auftrag bekommen, bis zu ihrer Prüfung das Leben kennenzulernen. Und das ausgerechnet bei Samuel, der vor so ziemlich allem im Leben Angst hat, vor allem vor keimverseuchten Kindern. Doch Frida macht ihm Beine, ohne ihm zu verraten, dass ihre Prüfung darin besteht, ihn zu holen. Glaubt sie und tut alles, damit das schnell passiert.

Ich bin mir sicher, so lustig wurde noch nie über Krankheit und Tod geschrieben, wie in diesem Buch. Samuel ist ein unglaublich starker Charakter, der schon sieben Mal den Tod überlisten konnte und auch noch einen Freund verlor. Es ist klar, dass er jetzt Angst vor so ziemlich jeder Art sich zu verletzen oder zu erkranken hat. Zudem liegt ihm ein Versprechen schwer im Magen, von dem er glaubt es nicht einhalten zu können.

Dem gegenüber steht Frida, die Samuel auf ihre sehr direkte Art Beine macht und ihn aus seiner Isolation reißt. Wegen ihrer Prüfung unternimmt sie zahlreiche, unheimlich lustige Versuche, Samuel früher holen zu können. Doch gleichzeitig möchte sie unheimlich gern, dass er ihr vertraut und ihr Freund wird. Doch dass ein Menschenleben zu leben gar nicht so einfach ist, wird ihr auch schnell klar.

Mir hat das Buch total gefallen. Man denkt auch als Kind sicher häufiger daran, wie der Tod denn so ist, was mit den Menschen passiert, die von uns gehen. Dieses Buch sendet klar die Message, dass das natürlich wichtig ist, noch wichtiger ist es aber, das Leben zu nutzen, sich daran zu erfreuen und es zu genießen, ohne Angst, dass es im nächsten Moment vorbei sein könnte. Die lockere Schreibweise der Autorin lässt jedenfalls keine Schwermut aufkommen und des Öfteren musste ich über den kleinen Tod einfach nur Schmunzeln. Vor allem die Auszüge aus dem Notizbuch von Frida und die super passenden Illustrationen sind wirklich lustig. Am Ende findet nicht nur Samuel Freunde. Sowohl von der Idee, als auch von der Ausführung her ist das Buch sehr gelungen. 5 Sterne

Bewertung vom 16.12.2021
Nicol, Lisa

Vincent und das Großartigste Hotel der Welt


sehr gut

Sehr fantasievolles Setting
Vincent lebt mit seiner Familie in Barry, einer tristen Kleinstadt. Seine Eltern haben ihre Lebensträume über Bord geworfen, der Vater arbeitet in einer stinkenden Tierfutterfabrik, während sich die Mutter um Vincents anstrengenden, kleinen Bruder Thom kümmert, der ständig Schreianfälle hat. Keiner weiß genau, was ihm fehlt. Als Vincents Opa stirbt, erbt er dessen zauberhaftes Schuhputzzeug und wird schon an seinem ersten Tag vom Großartigsten Hotel der Welt engagiert. Dieses liegt hoch im Gebirge über Barry und bietet die sagenhaftesten Zimmer, wilde Tiere und erstaunlichen Service. Vincent ist überglücklich dort arbeiten zu dürfen, doch dann wird er unvorsichtig und riskiert aus Sorge um seine Familie einen Blick in das Spiegel-der-Zunkunft-Zimmer. Ein Fehler, den er nicht wiedergutmachen kann, oder doch?

Es ist schon eine sehr sehr seltsame Welt, die der Autor in diesem Buch beschreibt. Zum einen scheint es die ganz normale Gegenwart zu sein, doch dann taucht dieser Zauber-Schuhputzkasten auf. Auch andere Elemente erinnern eher an große, bunte Fantasyverfilmungen. Alles ist recht extrem dargestellt: der Bruder Thom, der nur Eier isst, die Schwester, die mit ihren sieben Jahren auf jeden Fall Schauspielerin werden möchte und immer eine Decke als Cape trägt, der Geruch von fauligen Fischabfällen aus der Katzenfutterfabrik. Dazu spricht uns der Autor teilweise direkt an und berichtet auch über das, was sein Co-Autor tut und meint. Zunächst war das alles etwas verwirrend.

Der erste Tag in diesem riesigen, farbenfrohen Hotel war dann fast noch verwirrender und lief über vor fantasievollen Ideen. So richtig vorstellen konnte ich es mir nicht, dazu waren es einfach zu viele Eindrücke auf einmal und zunächst fehlte mir auch ein bisschen die Handlung. Zudem ist das ganze Hotel auch irgendwie unglaublich und passte so gar nicht zum Rest der Welt. Wie ist das möglich? Diese Frage tauchte ständig in meinem Kopf auf. Dieser Gegensatz von Fantasie zu Wirklichkeit erklärte sich erst viel später.

Obwohl wie gesagt zunächst etwas wenig Handlung da ist, entwickelt das Buch trotzdem einen seltsamen Sog, so dass man unbedingt wissen möchte, wie die einzelnen Fäden zusammenlaufen. Etwas ab der Hälfte nahm die Handlung etwas Fahrt auf und ich rauschte nur so durch. Sprachlich war sie sehr flüssig, farbenfroh und bildhaft dargestellt. Der Protagonist Vincent ist ein sehr einfühlsamer Mensch. Überhaupt sind alle Mitarbeiter des Hotels auf ihre Weise so verständnisvoll und freundlich, nichts kann sie aus der Ruhe bringen, nicht mal die schwierigste Kundschaft.

In der Logik der Geschichte tun sich für mich einige Lücken auf. Diese versteht man erst, wenn man akzeptiert, dass man sie nicht logisch betrachten sollte. Für Kinder ist das Großartigste Hotel der Welt vermutlich einfach eine schöne, bunte Traumwelt, in der man alles sein kann, was man möchte. Erst am Ende erfährt man, dass auch der manchmal kommentierende Co-Autor ein Grund dafür ist und welche Motivation der Autor beim Schreiben des Buches hatte. Eine sehr bunte Geschichte über Freundschaft, Träume und die Fantasie. 4 Sterne

Bewertung vom 08.12.2021
Mennuti, Aly

Aber der Sex war gut


sehr gut

Trust me if you can
Annie Sheperd ist die von ihren Lesern gefeierte und geliebte Autorin der Trust-Me-Reihe. Sie hat Fans auf der ganzen Welt und gespannt warten sie auf den neuen Band. Nur ihr eigener Agent, Henry Higgins, für Annie ein verstockter Brite, kann mit diesen Romanen und der Art seiner Klientin so überhaupt nichts anfangen. Als nun Joe, der viel ältere Lebensgefährte von Annie, welcher selbst einmal als Autor anspruchsvoller Bücher galt, das Zeitliche segnet, hat Annie plötzlich ganz andere Sorgen, als die Traue um ihn. Ein Besucht beim Anwalt fördert Schockierendes zu Tage. Annie bleibt nur eine Person, an die sie sich wenden kann: Henry. Doch dafür müsste Annie zuerst ihr größtes Geheimnis preisgeben.

Den Klappentext fand ich so einladend, dass ich das Buch unbedingt lesen wollte. Das war mal was ganz Anderes, als die üblichen Liebesgeschichten, denn mir war irgendwie klar, dass da mehr dahinter stecken muss, als man zunächst erfährt. Und tatsächlich ist die Auflösung von Annies Geheimnis ein ziemlicher Schock für den Leser und erst recht für Henry, dessen Job vom Erfolg der Trust-me-Reihe abhängt. Und damit beginnt auch eine reichlich turbulente Story. Die Autorin pflegt einen offenherzigen, flüssigen und manchmal bissigen Schreibstil, der sich sehr gut lesen lässt, auch wenn die Gedanken ihrer Protagonisten manchmal etwas verwirrend und ihre Entscheidungen für mich nicht sofort nachvollziehbar waren. Etwa 2/3 des Buches waren wirklich gespickt mit neuen und witzigen Ideen, die Handlung war spannend. Zum Ende hin lässt sie dann meiner Meinung nach etwas nach, da das Ganze doch recht konstruiert wirkt oder ganz einfach auch, weil ich mir den Verlauf anders gewünscht hätte. Es geht dann sehr viel um Vertrauen, das fehlt oder verspielt wird.

Die Protagonisten, die man abwechselnd toll findet und dann wieder schütteln möchte, sind ganz spezielle Charaktere. Ich hatte noch kein Buch, wo mir die gerade aufgebaute Sympathie für jemanden im nächsten Moment fast wieder gänzlich abhanden gekommen ist. Aber genau diese Sprunghaftigkeit und die Gegensätze, die sich auch im Cover widerspiegeln, machen den Unterhaltungswert der Geschichte aus, die ich ziemlich flott weggelesen habe, weil ich natürlich wissen wollte, ob die Liebe eine Chance hat. Und dass es sich bei dem Buch nicht um einen typischen, schnulzigen Liebesroman handelt, fand ich sehr erfrischend.

Bewertung vom 08.12.2021
Brosche, Heidemarie

Sing mit dem Rentier


ausgezeichnet

Sorgt beim Mitmachen für weihnachtliche Stimmung
Das kleine Rentier liegt im Bett und träumt von einem wunderschönen Weihnachtsbaum. Der hat ihm so gut gefallen, dass es sich nach dem Aufstehen sofort auf den Weg in den Wald macht, um nachzusehen, ob es dort vielleicht den Baum seiner Träume gibt. Doch allein schafft das Rentier das nicht, deshalb braucht es deine Hilfe.

In diesem wunderschönen und unaufdringlich gestalteten Bilderbuch ist die Weihnachtsstimmung des Rentiers auf jeder Seite sichtbar. Alles ist festlich dekoriert und es gibt jede Menge zu entdecken. Die Welt draußen ist winterlich verschneit, so dass die warmen Farben gut zur Geltung kommen. Auf etwa jeder zweiten Doppelseite wird zunächst die Geschichte des Rentiers in kurzen Reimen weitererzählt, bevor die kleinen Zuhörer zum Mitmachen und Mithelfen angeregt werden. Sie dürfen pusten, kippen, schütteln, anstupsten etc. Geschichte und Aufforderung sind schnell gut zu unterscheiden, da verschiedene Schriftarten verwendet wurden. Die darauffolgende Seite zeigt oft, in welcher Art die Interaktion der Kinder die Geschichte beeinflusst hat.

Sobald das Rentier im Wald ist, tauchen auch noch andere Tiere auf, z.B. gibt es auf einigen Seiten gut versteckte Hasen, die die Kinder entdecken können und auch die Möglichkeit, sie oder andere Tiere zu zählen. Denn das Rentier erhält nicht nur Hilfe von den Lesern, sondern auch von seinen Freunden aus dem Wald, so dass am Ende richtige Weihnachtsstimmung aufkommt. Ein wunderschönes Mitmachbuch für Kinder ab dem Kindergartenalter und auch meine ältere Tochter mit ihren 7 Jahren hatte noch Spaß daran. Es verkürzt und auf alle Fälle die aufregende Wartezeit bis zum Heiligen Abend und das gemeinsame Singen ist einfach toll. Ich kann das Buch nur empfehlen.

Bewertung vom 08.12.2021
Bronsky, Alina

Barbara stirbt nicht


sehr gut

Einer vom alten Schlag
Als der Rentner Walter Schmidt eines morgens allein im Bett aufwacht, fällt ihm erst durch das Fehlen des gewohnten Kaffeedufts aus der Küche auf, dass mit seiner Frau Barbara etwas nicht stimmen kann. Er findet sie verletzt im Bad, wo sie einfach umgefallen ist. Er verfrachtet sie - es wird schon nicht so schlimm sein - wieder ins Bett. Doch wer macht jetzt seinen Frühstückskaffee?

Der Klappentext lässt den Eindruck entstehen, dass es sich hier um ein lustiges Buch über einen alten Kauz handelt, der endlich lernen muss, für sich selbst zu sorgen, anstatt sich, was Haus, Garten und Küche betrifft, auf seine Frau zu verlassen. Stimmt und stimmt auch wieder nicht. In diesem Buch steckt so viel mehr und oft zwischen den Zeilen. Ganz klar ist es kein "urkomisches Porträt einer Ehe", denn wann immer man eigentlich lauthals loslachen möchte, sorgt der grantelnde und ignorante Herr Schmidt dafür, dass es dem Leser im Halse stecken bleibt.

Manchmal hat man das Gefühl, er lässt wirklich an niemandem ein gutes Haar. Selbst seine eigenen Fehler kreidet er anderen an. Walter Schmidt ist wirklich ein Mann vom alten Schlag, dessen Frauenbild zunächst noch aus dem Mittelalter stammt. Seine Frau tat mir oft leid, weil ihrem Mann zwar auffällt, dass sie viel für ihn getan hat, bei Heim und Garten ihr bestes gegeben hat, doch immer wieder fallen ihm Dinge ein, die sie hätte besser machen sollen, obwohl da schon manchmal auch liebevolle Schwingungen wahrzunehmen sind. Herr Schmidt ist irgendwie ein Widerspruch in sich selbst zugezogen, aber rassistisch gegenüber allem anderen, die Hilfe seiner Kinder will er nicht, da geht er lieber die Bäckereiverkäuferin fragen, über die abgerissenen Gestalten herziehen, aber dann mildtätig werden usw.

Zu Gute halten muss man ihm, dass er versucht, das Beste aus der Situation zu machen. Er findet neue Aufgaben für sich, die er akribisch betreibt und seinem Perfektionismus unterwirft. Doch oft wenn er mir gerade sympathisch zu werden droht, tut oder sagt er wieder etwas, was gar nicht geht.

Nach und nach zeigen sich dann auch Risse in seiner perfekten Fassade. Das Verhältnis zu den Kindern, Eifersucht, Schwächen, die unterdrückte Angst um Barbara, die er sich nicht anmerken lassen will. Und am Ende offenbart er dann noch ein Geheimnis, das er immer versucht hat, für sich zu behalten, von dem aber eigentlich das ganze Dorf seit Jahrzehnten weiß.

Ich bin nicht ganz schlau aus diesem widersprüchlichen Mann geworden, vor allem die Aktion am Ende des Buches hat für mich auch nicht so recht zu ihm gepasst. Zudem bleibt der Schluss weitestgehend offen. Nichts gegen ein offenes Ende, das mir Spielraum lässt, die Geschichte weiterzuspinnen, doch hier bleibe ich eher etwas orientierungslos zurück.

Der Schreibstil von Alina Bronsky ist im Übrigen sehr locker, was wieder etwas im Widerspruch zur Thematik steht, aber vermutlich genau so beabsichtigt ist, weil die Geschichte sich beim Lesen leicht und kurzweilig anfühlt trotz der schwierigen Themen. Und das gefällt mir wiederum ausgezeichnet. 4 Sterne