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leseratte
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Alt Ruppin

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Insgesamt 53 Bewertungen
Bewertung vom 09.11.2021
Die Queen
Hobbelstad, Inger Merete

Die Queen


ausgezeichnet

In dieser Biografie spazieren zu gehen ist wie durch ein Jahrhundert zu lustwandeln. Da präsentiert
mir die norwegische Autorin ein wenig Klatsch und Tratsch aus dem Königshaus, jede Menge Infos
über die dienstälteste Monarchin die die Welt zu bieten hat und nicht zuletzt ist es ein Blick auf
die politischen Weltereignisse der letzten 70 Jahre. Ich bekomme im Buch einen Eindruck davon
wie die Welt aussah als Königin Elizabeth II. antrat und wir alle wissen wie die Welt heute aussieht,
dazwischen liegen Welten und sich durch diese hindurchzulesen macht Spaß und ist vergnüglich.

Im Mittelteil der umfangreichen Biografie sind sehr schöne Fotos zu sehen, die die Queen in
allen Lebenslagen zeigen, als junge Frau und als alte Regentin.

Beim Lesen habe ich mich oft gefragt warum von dieser Königin so eine Faszination ausgeht und
die Autorin selbst liefert die Antwort: In einer Welt die sich so rasant verändert, in der alles in
Frage gestellt wird, in der die Menschen aber auch zunehmend verunsichert sind, da sehnen sie
sich vielleicht nach so einem kostanten Fels in der Brandung wie ihn die Königin symbolisiert.
Wenn dieser Antwortversuch stimmen sollte, dann wird es um so spannender, wenn eines Tages
ein neuer Regent ins Amt kommt. Werden die Massen ihn ebenso lieben ?

Die Autorin nimmt sich selbstverständlich auch der Vielzahl der Schlagzeilen und Skandale an
und schaut so gut sie kann hinter die Kulissen. All das wird dafür sorgen, dass diese Biografie
ein Renner wird.

In den großen Medien wird Königin Elizabeth II. oftmals als die Firma bezeichnet, ich bin froh in
dieser Biografie ein wenig von der Frau erfahren zu haben, die seit 70 Jahren Königin ist und
ihren Job sehr ernst und gewissenhaft ausübt !!!

Bewertung vom 07.11.2021
Die Kanzlerin am Dönerstand
Körner, Torsten

Die Kanzlerin am Dönerstand


sehr gut

So manch eine Biografie habe ich bereits über Angela Merkel gelesen, aber so dicht an die Person Angela Merkel wie mich Torsten Körner mit seinem Buch führt, dass hat noch niemand geschafft. Ich lese nicht nur etwas über Angelas Beerdigung, ich bekomme auch eine Ahnung davon, wie sie in der DDR gelebt und unter welchen Verhältnissen sie in Templin aufgewachsen ist.

Die Zahl der Geschichten und Anekdoten über Angela Merkel in diesem Buch habe ich nicht gezählt. Eins kann ich verraten, es gibt sehr viele, sehr kurze Geschichten über die man schmunzeln kann, es gibt auch solche, die etwas nachdenklich klingen und die etwas vom familiären Flair der Familie Kasner verraten. Dies liest sich sehr angenehm und ich lasse mir gern eine Story nach der anderen vom Autor erzählen.

Nur da, wo ich auf Sätze stoße, die einfach nicht stimmen, da möchte ich dem in Oldenburg geborenen Autor gern entgegenen: "Nein, auch das kann man nicht verallgemeinern!" Beispiel gefällig ? Wenn Körner bspw. auf Angelas Mutter gemünzt behauptet: "Sie ist Lehrerin für Latein und Englisch und darf als Frau eines Pfarrers nicht in der DDR unterrichten." Das ist sachlich falsch. Im Fall von Frau Kasner mag das zutreffen, aber im Buch klingt es verallgemeinernd wie ein DDR-Gesetz. Ich bin selber Ossi und in meiner POS hat die Frau des evangelischen Pastors als Russischlehrerin gearbeitet. Es ist wie so oft in Büchern, die Geschichten aus der DDR erzählen: Jemand der nicht in der DDR gelebt hat, erklärt mir meinen DDR-Alltag nicht korrekt und das kommt gar nicht gut an.

Noch ein Beispiel gefällig ? Torsten Körner behauptet: "DDR-Bürgern unter 65 Jahren war - bis auf wenige Ausnahmen - verboten, ins nicht sozialistische Ausland zu reisen." Auch das ist sachlich nicht korrekt. Mit dem Eintritt ins Rentenalter durften DDR-Bürger in die BRD reisen, Frauen also ab 60 und Männer ab dem 65. Lebensjahr.

Der Peinlichkeiten gibt es noch eine ganze Reihe im Buch, hier an dieser Stelle noch ein allerletztes Beispiel: Der Name der EOS in Templin hieß noch nie "Hermann Mattern". Alle drei Beispiele die ich nun hier gebracht habe, sind so typisch und zeigen mir deutlich, wie durch scheinbare Kleinigkeiten Geschichtsverfälschung beginnt. Ich bin mir sicher, dass einem Leser im Westen diese sachlich falschen Geschichtsfakten gar nicht auffallen und ich finde dies sehr schlimm. Ach übrigens, die EOS in Templin trägt den Namen des deutschen Kommunisten "Hermann Matern".

Bei all meiner Kritik an diesem Buch muss ich sagen: Ich habe es gern gelesen. Es war unterhaltsam und hat mir Seiten von Angela Merkel offenbart, die ich bislang nicht kannte. Sie liebt ihren Berliner Döner und hat dort selbst mit dem Messer Fleisch abgeschnitten, sie hat als Ministerin geweint und unsere friedliche Kanzlerin hat einmal eine schallende Ohrfeige ausgeteilt, obwohl dies geschah, bevor sie in die Politik einstieg.

Bei gründlicherer Recherche hätte dieses Buch mit Leichtigkeit 5 Sterne bekommen !!!

0 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 27.10.2021
Die neue Undine
Bruyn, Günter de

Die neue Undine


ausgezeichnet

de Bruyn erzählt Undine neu


1811 veröffentlichte Friedrich de la Motte Fouqué sein Märchen Undine, rund 200 Jahre später hat Günter de Bruyn dieses neu und etwas verkürzt noch einmal erzählt. Jörg Hülsmann zeichnet für die Illustrationen verantwortlich, die noch einmal mehr die Atmosphäre unterstreichen, denn wir haben es im Märchen mit Unterwassergeistern und Nixen zu tun.

Dieses wunderschön gestaltete Buch mit gelbem Lesebändchen beherbergt nicht nur beide Textfassungen, sondern hat die Themen Liebe und Verrat zum Thema. Günter de Bruyn hat in seinem letzten Text, der für eine Veröffentlichung vorgesehen war, neugierig auf die Romantik gemacht. "Die neue Undine" ist ihm gelungen, ich lese dieses Märchen immer wieder gern !!!

Bewertung vom 27.10.2021
Die Nase vorn
Hansson, Bill

Die Nase vorn


ausgezeichnet

. . . eine äußerst spannende Lektüre !!!


Wer macht sich schon groß Gedanken über seinen Geruchssinn, die Hauptsache ich rieche meinen morgendlichen Kaffee oder Mittags die kräftige Hühnerbrühe. Bill Hansson breitet sich über 340 Leseseiten über unseren Geruchssinn aus und auf keiner einzigen Seite ist mir bei der Lektüre langweilig geworden.

Genauer gesagt, geht es nicht nur um meinen Geruchssinn im hier und heute. Der Wissenschaftler Hansson nimmt mich mit auf eine Zeitreise. Wie war es mit unserem Geruchssinn vor 1000 Jahren ? Wie wird sich unser Geruchssinn in Zukunft verändern ? Keine Angst, der morgendliche Kaffee duftet Morgen noch immer so herrlich, aber der Geruchssinn und die vielen Gerüche und Düfte an sich sind in ständiger Veränderung. Professor Hansson findet in seinem Buch den richtigen Ton um mir als Laien alles verständlich zu erklären.

In 14 kurzweiligen Kapiteln erfahre ich wer alles riechen kann und bin immer wieder neu verblüfft oder wussten Sie vielleicht schon, dass selbst Pflanzen riechen können ?

Für mich war dieses Buch eine äußerst spannende Lektüre, vor allem auch deshalb, weil bei Hansson deutlich wird, wie sich unsere Welt verändert und mit ihr unsere Wahrnehmung von Düften und Gerüchen.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 27.10.2021
Liebe in Zeiten des Hasses
Illies, Florian

Liebe in Zeiten des Hasses


ausgezeichnet

...... dennoch kommt Illies uns erschreckend nahe !!!

Es ist mein zweites Buch von Florian Illies und ich bin auch diesmal begeistert. In "Liebe in Zeiten des Hasses" zieht mich der begnadete Autor sofort hinein in die 20er und beginnenden 30er Jahre. Illies ist in Berlin unterwegs, alle berühmten Leute trifft er: Schauspieler, Dichter und Revolutionäre, die Namen dürften jedem Leser bekannt sein. Er scheut auch Ausflüge nach Moskau, München und Paris nicht, aber die Berliner Luft und unzählige Liebschaften stehen im Mittelpunkt.

Deutlich ist zu spüren, dass diese Jahre einen Umbruch einleiten. Die Frauen erkennen endlich, dass sie der Unabhängigkeit dem Mann gegenüber so nah wie nie zuvor sind. Aber da macht sich trotz der Liebe und der wilden Zwanziger auch eine große Unsicherheit bemerkbar. Da ist die Frage nach dem Morgen. Kann es noch lange so weitergehen ? Was wird kommen ? Die Menschen ahnen bereits nichts Gutes, viele beschleicht Angst vor der Zukunft. Und wenn ich auch nicht zu denen gehöre, die meinen, Geschichte wiederholt sich, so kommt Florian Illies unserer Gegenwart doch erschreckend nahe.

Sein Buch teilt der Autor in drei Teile. Die Jahre vor 1933, das Jahr '33 und die Zeit danach bis 1939. Florian Illies gelingt mit seinen Non - stop - Liebesgeschichten ein Streifzug durch die deutsche- und teils auch europäische Geschichte jener Zeit, in der es die Liebe oftmals sehr schwer hatte und in der der Hass Morgenlicht witterte.

3 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 27.10.2021
Pandemien
Kohlhöfer, Philipp

Pandemien


ausgezeichnet

Das definitiv beste Buch zum Thema !!!

Alle großen Verlage bringen Bücher zur Pandemie. Viele habe ich gelesen, einige gleich der blauen Tonne anvertraut. Dieses vorliegende Buch jedoch stellt alle Bücher in den Schatten. Philipp Kohlhöfer hat einen Vorteil, den wohl kein anderer Autor hat. Seit Jahren ist er mit Christian Drosten befreundet und für dieses Buch hat er sich viel von Drosten erzählen lassen.

So bringt Philipp Kohlhöfer auf seinen 480 Buchseiten alles geschickt zusammen. Der Autor nimmt mich ganz an den Anfang der Pandemie mit. Erste Meldungen treffen aus China ein. Die WHO ruft per Videoschalte alle weltweit wichtigen Virologen zusammen. Drosten ist dabei und wundert sich: Wo sind die chinesischen Wissenschaftler ?

Der Autor findet eine lockere, aber doch präzise Art und Weise, um mir als Laien etwas von der Welt der Bakterien und Viren zu erzählen, die die Welt und meinen Körper bewohnen. Haben Sie gewusst, dass die Bakterien auf Zahn Nummer 2 links, nur dort leben und niemals auf Zahn Nummer 3 rechts ansässig werden könnten ?

Christian Drosten spaltet die Nation, inzwischen bekommt er Morddrohungen, aber eines Tages klingelt sein Telefon und am anderen Ende der Strippe meldet sich eine Dame: "Hier ist Angela Merkel. Wir müssen miteinander reden." Einen Tag später sitzt Drosten im Bundeskanzleramt und ist beeindruckt von der Kanzlerin und ihrer Kompetenz.

Mir ist klar, dass Philipp Kohlhöfer durch eben solche Einschübe sein Buch spannend und lesenswert macht, ja es ist ihm gelungen. Ich komme Christian Drosten sehr nahe, erfahre mehr von seinem Fleiß und den ungezählten Arbeitsstunden des Virologen und ich schaue mithilfe von Drosten und Kohlhöfer hinter so manch eine Kulisse und verstehe vieles besser.

Manchmal macht der Autor einen Schwenk zu längst überstandenen Pandemie, beim Lesen wird selbst mir klar, Corona ist nicht die letzte Pandemie, aber durch dieses Buch kann ich, was gerade geschieht, besser für mich einordnen, nicht zuletzt auch wegen der vielen fachlich leicht verständlich gemachten Vorhaltungen zum Thema Viren. Auch wenn es sicher noch viele weitere Pandemiebücher geben wird, dieses ist für mich definitiv das beste, was ich gelesen habe !!!

4 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 09.07.2021
Es war einmal in Hollywood
Tarantino, Quentin

Es war einmal in Hollywood


ausgezeichnet

Quentin Tarantino, Regisseur und Autor von bekannten Filmen wie „Pulp Fiction“ oder „Inglourious Basterds“, legt nun als Schriftsteller sein Debüt vor. Es handelt sich, wie man am Titel bereits erkennen kann, um die Romanfassung seines letzten Films „Once upon a time in Hollywood“.

Tarantino entführt uns in das Hollywood des Jahres 1969, wo er die unterschiedlichen Geschichten seiner Figuren ansiedelt. Da ist zum Beispiel der Schauspieler Rick Dalton, der verzweifelt um seine Karriere kämpft. An seiner Seite steht sein Stuntdouble Cliff Booth, über dessen Person ein dunkles Gerücht schwebt und der ebenso unter der Talfahrt der Karriere seines „Chefs“ leidet. Die Geschehnisse um die beiden verwebt der Autor mit tatsächlich existierenden bzw. historischen Personen, wie Regisseur Roman Polanski, Schauspielerin Sharon Tate oder aber auch Charles Manson, Sektenführer und Möchtegern-Rockstar.

Dieses Buch zu lesen, vermittelte mir genau das gleiche Gefühl, das ich habe, wenn ich einen Film des Amerikaners schaue. Die episodenhafte Erzählweise mit den vielen Figuren, die alle irgendwie das Zeug zu einem Hauptcharakter haben und der teilweise doch äußerst derbe Umgangston, dies alles sind Dinge, die ich hier wiedererkenne. Besonders hervorheben möchte ich die Zeichnung der Figuren. In immer wieder aufgeführten Rückblenden bezieht Tarantino deren Vergangenheiten in die Handlung mit ein, was so ziemlich jeder auftretenden Person einen doppelten Boden gibt. Nein, in dieser Welt gibt es keine weißen Westen, hier hat jeder seine Ecken und Kanten und das ist auch gut so. Diese Tiefe der Figuren ließ mich auch Unsympathen mit Spannung folgen.

Quentin Tarantino weiß, worüber er schreibt. Er hat ein umfangreiches Wissen über die Geschichte Hollywoods im Speziellen, aber auch generell über die internationale Filmgeschichte. Dies zeigt er auch in seinem Roman sehr gern, zum Beispiel wenn er über mehrere Seiten hinweg über den Filmgeschmack seines Charakters Cliff Booth schreibt und ihn über diverse Aspekte gesehener Filme philosophieren lässt. Ich könnte mir vorstellen, dass diese Abschweifungen nicht jedem gefallen. Ich persönlich jedoch finde sie interessant und dem Feeling der Story mehr als zuträglich, da so auch das Ambiente und der damalige Zeitgeist greifbarer gemacht werden.

„Es war einmal in Hollywood“ ist, wie der Titel es mit seiner Märchenanspielung bereits andeutet, kein hundertprozentig geschichtlich korrekter Roman. Ich denke, dass es Tarantino eher darum ging, ein Lebensgefühl zu transportieren und dafür wählte er den Weg der Fiktion, die er jedoch in einem realistischen Rahmen ansiedelte. Dass der Mann gute Geschichten erzählen kann, weiß jeder, der seine Filme kennt und schätzt und mit seinem Debütroman beweist er, dass er dies auch als Schriftsteller kann.

Bewertung vom 24.03.2015
89/90
Richter, Peter

89/90


ausgezeichnet

Literarisch erzählte Zeitgeschichte auf hohem Niveau

In 89/90 erzählt der jugendliche Ich-Erzähler die Wende, das knappe Jahr, in dem die DDR nicht mehr und das vereinigte Deutschland noch nicht existierten. Nicht nur dass die Pubertät, die erste Freundin, das Leben sowieso schon auf den Kopf stellt, plötzlich wird das ganze Land aus den Fugen gehoben.

Der Ich-Erzähler beschreibt im Rückblick diese turbulente Zeit, es geht um Politik, um Jugendkulturen, um Musik - um den Aufbruch in eine völlig unbekannte und vor allem unklare Zukunft. Stilistisch hat der Roman einiges zu bieten: Die Figuren werden mit Großbuchstaben abgekürzt, was zuerst verwirren scheint, sich aber sehr schnell als nicht störend herausstellt. Der Ich-Erzähler benutzt eine Sprache, die sich eng an die gesprochene Sprache anlehnt und er reflektiert die Sprache - seine eigene, die der anderen und die des Sozialismus. In Fußnoten, die ja für einen Roman relativ ungewöhnlich sind, werden Abkürzungen (GOL, FDJ, NVA, ABV, UaZ,...), Namen, Begriffe, ... erklärt. Aber hier stehen auch immer wieder Anmerkungen des Ich-Erzählers zu bestimmten Details, Kommentare und Hintergründe. Die Figurenrede wird ohne Anführungszeichen als direkte autonome Rede wiedergegeben. Der ganze Roman ist in zwei Bücher, diese jeweils in mehrere Teile und die Teile jeweils in mehrere Abschnitte unterteilt.

Peter Richter erzählt ein Stück Zeitgeschichte modern, unkonventionell und literarisch und stilistisch auf hohem Niveau. Ein Buch, dass so vielleicht nicht nur die Dabeigewesenen, sondern auch die nachkommenden Generationen mit Gewinn lesen.

Bewertung vom 19.03.2015
Annegret - die fremde Tochter
Seltmann, Lothar von

Annegret - die fremde Tochter


weniger gut

Rita Roll hat sich nun nach Jahrzehnten dazu entschlossen, mit ihrer Lebensgeschichte an die Öffentlichkeit zu gehen. Wenige Tage ist sie alt, da wird sie 1958 im evangelischen Kinderheim in der Güstrower Grünen Straße von der staatlichen Jugendfürsorge bei Diakonieschwestern abgegeben und zur Adoption freigegeben.

Dieses Buch wollte ich unbedingt lesen, weil es ein wichtiges Thema ist und bislang noch nicht sehr viel geschah, um es aufzuarbeiten. Den Autor Lothar von Seltmann kannte ich bereits, er ist mir aufgefallen, weil er bereits viele andere Lebensgeschichten gut zu Papier gebracht hat. In diesem vorliegenden Fall allerdings scheint der Autor seiner Protagonistin ziemlich auf den Leim gegangen zu sein. Während des Lesens wurde mir immer unwohler. Mein Bauchgefühl wehrte sich immer mehr gegen diese Geschichte.

Ich will versuchen dies an einem Beispiel festzumachen. Auf Seite 113 beispielsweise erklärt die Schülerin Annegret ihrem Lehrer: "Ich lese kein 'Neues Leben' und keine 'Junge Welt'." Als ehemaliger DDR-Bürger stocke ich da, weil mir die Zeitung 'Neues Leben' nichts sagt. Ein Blick ins Internet verrät mir dann, okay, die Zeitung gab es wirklich ... Logisch für die Lebensgeschichte wäre es allerdings gewesen, wenn Annegret gesagt hätte: "Ich lese kein 'Neues Deutschland" und keine 'Junge Welt'." Solcherlei Beispiele gibt es eine ganze Reihe, aber mein Bauchgefühl kann ich natürlich niemandem zum Vorwurf machen.

Was allerdings Kostkinderheime und das Clara Dieckhoff Haus in Güstrow angeht, da kann ich genau sagen was im Buch falsch wiedergegeben wird, habe ich mich doch intensiv mit der Geschichte des Hauses und des Vereins der Kostkinderheime beschäftigt. Mein Vertrauen in dieses Buch ist nach der Lektüre ziemlich erschüttert, ob die anderen Episoden der Annegret auch so an der Wahrheit vorbei beschrieben wurden?

Es folgen wirklich heftige Lügen:

So bezeichnet der Autor den Verein der Kostkinderheime in der DDR auf Seite 29 als "staatskonform". Ich möchte diese Zeilen im Buch nicht den noch lebenden ehemaligen Mitarbeitern in den Kostkinderheimen zumuten. Unter den schwierigen DDR-Bedingungen haben sie für wenig Geld viel Arbeitszeit und Liebe für ihre Schutzbefohlenen investiert.

Eine weitere Lüge:

Annegret geht im Juli 1975 ins Clara Dieckhoff Haus zurück, um etwas über ihre Eltern zu erfahren. Im Buch wird auf Seite 161 behauptet, dass die Chefin des Hauses eine "stramme Parteigenossin" gewesen sei. Da allerdings frage ich mich tatsächlich, warum müssen solche Lügen verbreitet werden?

Tatsächlich kamen Karin und Eckhard Sturz 1966 ins Clara Dieckhoff Haus, um es bis zur Wende zu leiten. Glücklicherweise ist Eckhard Sturz bereits 2011 verstorben. Er muss also diese Lügengeschichte über sein Haus nicht lesen. Noch heute findet man seine Bildbände über das Leben von Behinderten in der DDR. Seine Frau ist sprachlos über die Behauptung, dass ihre Einrichtung 1975 von einer "strammen Parteigenossin" geleitet wurde. Im Buch wird dann weiter behauptet, diese erfundene Leiterin hätte die zuständige Abteilung beim Rat der Stadt Güstrow sofort nach Annegrets Besuch informiert. Anhand solcher Lügen soll hier der DDR-Überwachungsstaat dargestellt werden, er war zwar einer, aber die Darstellung ist nicht immer so einfach.

Verlag & Autor sollten bei der nächsten Lebensgeschichte wenigstens die wichtigsten Geschichten durch Dritte prüfen lassen. Was das Clara Dieckhoff Haus betrifft wäre es eine Kleinigkeit gewesen, der Lüge auf die Spur zu kommen.

Dieses Buch verbreitet Unwahrheiten, dem eigentlichen Thema Zwangsadoptionen ist damit kein Dienst getan!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 22.05.2013
Alleine weinst du wütender
Mitchell, R. B.

Alleine weinst du wütender


sehr gut

"Alleine weinst du wütender" hebt sich bereits vom äußeren Erscheinungsbild her sehr positiv von anderen Titeln dieses Verlages ab. Ansprechendes Cover und solide Umschlaggestaltung lassen mich fragen, warum dies nicht öfter möglich ist.

Der bekannte amerikanische Finanzberater R. Mitchell beschreibt seine traumatische Kindheit bis zu dem Punkt, als er selbst eine Familie gründet und zum ersten Mal in seinem Leben ein eigenes zu Hause hat.

Bislang war er viele Jahre lang in einem Waisenhaus untergebracht. Sein Vater geriet ins direkte Visier von Mutter und Ehefrau, konnte dem seelischen Stress nicht standhalten und nach gescheitertem Selbstmordversuch, saß er den Rest seines Lebens in einer psychatrischen Einrichtung. Des Autors Mutter gab sich immer mehr dem Alkohol hin und wurde schnell von ihm abhängig. So wurde der kleine Robby ein Fall für das Waisenhaus.

Obwohl er immer mehr Fragen nachging wie "Was habe ich nur falsch gemacht?" oder "Warum mag mich niemand?" hatte er immer Menschen um sich die ihm von Jesus und Gottes Liebe erzählten. Seine langjährige Erzieherin Nola ist so ein Beispiel. Auch seine Großmutter Gigi, die er besuchen durfte, erzählte ihm von Gottes Liebe. Zu Anfang setzte Mitchell all diesen Erzählungen und Gebeten Fragen entgegen "Warum reden die alle von Gottes Liebe? Warum gehe ich dabei immer leer aus?"

Dieses Buch ist inhaltlich ein Meisterwerk. Es zeigt sehr gut Gottes wirken an uns Menschen. Jahrelang hat der Autor von Jesus und Gottes Liebe gehört, aber alles prasselte von ihm wieder ab. Doch plötzlich, als er zu Gott bewusst ja sagt, da erlebt R.B. Mitchell eine Wendung in seinem Leben...

Soweit meine Rezension zum Buch. Fragen habe ich allerdings zur Präsentation dieses Titels seitens des Verlages. Auf der Verlagsseite wird dem Leser der Eindruck vermittelt, dass es sich um eine Neuerscheinung handelt. Eine Aufzählung von Gründen für dieses Buch beginnt jeweils mit den Worten: "Endlich ein Buch ...". Nicht erwähnt wird, dass dieser Titel bereits im Oktober 2008 ein erstes Mal als "Kind der Hoffnung" veröffentlicht wurde. Fairer Umgang mit dem Leser sieht für mich anders aus. Lediglich im Kleingedruckten findet sich der Hinweis "Überarbeitete und gekürzte Ausgabe".

Bei mir als Leser wäre es viel besser angekommen, wenn der Verlag auf seiner Internetseite geschrieben hätte, aus Anlass des Besuches von R.B. Mitchell Ende Mai beim Willow Jugendplus-Kongress in Wetzlar haben wir uns zu einer zweiten Auflage seines erfolgreichen Buches entschlossen. Leider habe ich diesen Hinweis nicht gefunden.

Am Samstag, 1. Juni 2013 hat R.B. Mitchell seinen großen Auftritt in Wetzlar. Sicher wird dies ein sehr emotionaler Einstieg in den Kongress sein. In Zusammenarbeit mit dem Jugendplus-Kongress und dem Verlag SCM Hänssler hat der amerikanische Finanzberater den Förder-Wettbewerb „OPEN active“ initiiert, für den er 10.000 Euro Fördergeld zur Verfügung stellt. Mit dem Projekt möchte er Jugendliche in Deutschland in ihrem Engagement für Andere bestärken und christlich-soziale Projekte fördern. Daneben wird er aus seinem eigenen Leben berichten, das ein ermutigendes Beispiel für die Veränderung in einer fast ausweglosen Situation darstellt.

Unabhängig davon wie der Verlag seinen Titel präsentiert, ist er doch ein glaubwürdiges Zeugnis dafür, wie Gott auch heute Wunder tut!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.