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Rico

Bewertungen

Insgesamt 53 Bewertungen
Bewertung vom 06.09.2015
Wie die Franzosen die Liebe erfanden
Yalom, Marilyn

Wie die Franzosen die Liebe erfanden


sehr gut

In „Wie die Franzosen die Liebe erfanden“ taucht Marilyn Yalom tief in die mitteleuropäische Literaturgeschichte ein, um dem Leser jenen besonderen Esprit zu vermitteln, der den Franzosen zum Thema Liebe immer noch anhaftet. Das Alleinstellungsmerkmal der Liebe à la française ist die Bedeutung die sie sexueller Lust beimisst, so Marilyn Yalom. Betrug und Liebesverrat gehören praktisch zum guten Ton und von der Prüderie amerikanischer Provinzstädte ist Paris in etwa so weit entfernt, wie Planet Mars von der Erde. Augenscheinlich hat die französische Literatur einen nicht unerheblichen Anteil an dem leidenschaftlichen Gebaren des Nachbarlandes. Es ist schon erstaunlich, was Marilyn Yalom da aus Moliére, Racine, Balzac, George Sand, Rimbaud, Proust, Simone de Beauvoir und Marguerite Duras und einigen anderen Schriftsteller-Heroen herausholt. Diese kulturhistorischen Betrachtungen habe ich mit großem Vergnügen gelesen. Man merkt die Begeisterung der Autorin für ihr Thema an. Dabei ist der Erzählton wohltuend nüchtern gehalten, aber niemals wissenschaftlich abgehoben. Frankreich, einmal Hort der Aufklärung und Synonym für Modernität hat über die Jahrhunderte europäisches Leben geprägt und mündet nun langsam in den Nihilismus Houellebecqs. Da wird ein interessanter Bogen gespannt, der mich auf keiner Seite gelangweilt hat. Ein Buch für Frankreichfreunde!

Bewertung vom 06.09.2015
Billy
Einzlkind

Billy


ausgezeichnet

Billy ist Schotte, gut ausgelasteter Auftragsmörder und Hobby-Philosoph in einer Person. Schließlich hat Nietzsche sein Leben mehr beeinflusst, als seine früh verstorbenen Hippieeltern. Von den Beiden hat er lediglich die Liebe zur Musik geerbt. Es ist sein liebevoller Onkel, der ihn aufzieht und mit philosophischen Fragestellungen konfrontiert, die sich durch den gesamten Roman ziehen. Die neue Familie gibt ihm alles, was er zum Leben in der schottischen Provinz braucht. Schutz, immer mindestens ein offenes Ohr und den Hang Klartext untereinander zu reden. Es ist schlussendlich einfach logisch, dass Billy in der familieneigenen Firma für Auftragsmorde seinen Dienst antritt.

Zwölf Mal hat er inzwischen seinen Job getan. Er hat seine Opfer, die eigentlich auch Täter sind, gefesselt, er hat sie reden lassen, um etwas über ihr Leben zu erfahren. Er hat Ihnen einen letzten Musikwunsch erfüllt. Er verhält sich korrekt, nichts Persönliches bringt Billy zum morden. Kein Gerechtigkeitssinn treibt ihn an. Er erledigt einen Job. Sonst nichts. Schließlich fliegt er nach Las Vegas, um seinen Kumpel Whip zu treffen, der ebenfalls für die Firm arbeitet und die Dinge eskalieren. Doch bis dahin trifft Billy Elvis, der sich allerdings mit „w“ schreibt. Ein Wüstenindianer vom Stamme der Apachen kommt ihm in die Quere und die Anzahl von Wasserstoffblondinen mit Brustverstärkung nimmt in Las Vegas groteske Züge an.

Einzlkind- cleveres Pseudonym übrigens- ist in der deutschen Literaturlandschaft kein Unbekannter mehr. Er hat mit „Harold“ und „Gretchen“ bereits Aufmerksamkeit in den Feuilletons erregt. Nun legt er mit „Billy“ einen bärenstark erzählten Roman vor, der durch seine Spannungselemente ins Thriller-Genre hereinreicht, aber letztendlich in der gehobenen Literatur zu verorten ist. Inhalt geht also über Effekte. Wobei Billy einen erfrischend schnoddrigen Ton anschlägt, der den Leser bei Billy tatsächlich an einen Schotten denken lässt. Seine Beobachtungen, ob nun in Hotelbars, dem Death Valley oder Spielerstadt Las Vegas sind voll sprachlicher Tiefenschärfe. Seine philosophischen Rundumschläge lassen den Leser aufhorchen und nachdenken.

Er zerlegt Begriffe, wie Gerechtigkeit, Mitleid und Gleichheit, wobei er, wie sein Vorbild Nietzsche, deren erwiesenen Evolutionsnutzen strikt leugnet. Immer wieder fasst er hinter die Worthülsen und zeigt, was sie tatsächlich bedeuten oder beweist deren Inhaltsleere. Mir hat die Auseinandersetzung mit diesem fulminanten Stück Literatur ungemein Freude bereitet. Das sind wirklich Menschen über die der Autor schreibt und gleichzeitig ist das alles undenkbar, was wir da lesen. Das Buch bringt es fertig Humor, Mord und Philosophie zu einem gelungenen Ganzen zu vereinen. Hier sucht jemand die Wahrheit und zwar seine eigene. Dafür gebührt Einzlkind mein Respekt!

Bewertung vom 16.08.2015
Dreimal schwarzer Kater / Inspecteur Sebag Bd.1
Georget, Philippe

Dreimal schwarzer Kater / Inspecteur Sebag Bd.1


gut

Inspecteur Gilles Sebag liebt Kaffee, seine Frau Claire und den Sommer im Roussillon, solange ihn die Arbeit verschont. Was in einem Krimi naturgemäß nicht lange der Fall ist. In Argeles sur Mer wird eine Tote aufgefunden, außerdem verschwindet eine junge Frau. Ist es ein Zufall, dass beide Frauen aus den Niederlanden stammen? Und wie passen diese Puzzleteilchen zu dem Abtauchen eines Taxifahrers in Perpignan? Gar nicht, denkt Giles zunächst. Überdies macht ihm seine Frau Sorgen. Es scheint, sie hätte sich einen neuen Mann geangelt. Hat er Claire vernachlässigt, soll er über einen kleinen Seitensprung großzügig hinwegsehen oder seiner Angetrauten eine Szene machen? Gilles gerät mächtig ins Schwitzen. Woran auch ein karrieregeiler Kollege aus Paris Schuld trägt. Es dauert eine ganze Weile, bis Gilles versteht im Mittelpunkt eines perfiden Spiels zu stehen, dessen Opfer in einem Versteck um sein Überleben zittert.

An „Dreimal Schwarzer Kater“ ist alles solide. Die Sprache ist gut abgehangen. Gilles Sebag ist ein durchaus interessanter Ermittler mit Beziehungsproblemen, alle Menschen in diesem Buch wirken lebensecht. Die Konstruktion ist kein großer Wurf, aber mit Abstrichen gelungen, denn das Ende läuft relativ brav und vorhersehbar aus. So richtig aus den Socken gehauen hat mich der Roman zwar nicht. Aber Langeweile kam auch selten auf. Dazu ist das Buch einfach zu-ich schrieb es schon- solide gemacht. Der Autor versteht sein Handwerk, baut geschickt südfranzösischen Handlungsorte ein, in denen man gerne Urlaub machen würde. Nur fehlt es am besonderen Kick, einem Dreh, der diesen Krimi aus der Erscheinungsflut von Spannungsliteratur heraushebt. So bleibt ein etwas fader Geschmack ordentliche Durchschnittsware gelesen zu haben.

Bewertung vom 16.08.2015
Nur wer fällt, lernt fliegen
Gavalda, Anna

Nur wer fällt, lernt fliegen


schlecht

Anna Gavalda ist beileibe kein unbeschriebenes Blatt im Literaturbetrieb. Ihre Bücher verkaufen sich europaweit wie frische Croissants an der Champs Elysee und ich habe der Autorin den Erfolg gegönnt, weil mich die Kurzgeschichtensammlung „Ich wünsche mir, dass irgendwo jemand auf mich wartet“ von ihren Fähigkeiten überzeugt hat. Damals fand die Shortys frech, witzig und frisch in ihrer Unbekümmertheit, die nichts von der abgehobenen Sprache ihrer bisweilen ebenso abgehobenen französischen Schriftstellerkollegen hatte. Aus diesem Grund habe ich mich auf Ihr neues Buch gefreut. Der Nobelpreis-sammelnde Hanser Verlag steht bei mit ebenfalls hoch im Kurs. Zudem klang der Klappentext verlockend. Was sollte da noch schief gehen? Eine kurze Leseprobe ließ gutes erahnen. Meine Vorfreude beim Aufschlagen de Buches war dementsprechend groß. Was ich nun gelesen habe ist eine schriftstellerische Bankrotterklärung. Das 188 Seiten starke Buch kommt nach etwa 90 Seiten in die Gänge (da setzte übrigens meine Leseprobe ein) um dann vierzig Seiten später wieder steil abzufallen. Gleich zu Beginn verheddert sich die Gavalda bei dem vielversprechenden Versuch Spannung aufzubauen, indem sie weder ihre Protagonisten, noch das Geschehen ernst nimmt. Billie, eine junge Frau, laut der Autorin aus dem Prekariat, stürzt mit ihrem schwulen Freund Franck beim Wandern in den Cevennen in eine Bergspalte. Franck liegt verletzt an Ihrer Seite. Eigentlich wirklich eine formidable Möglichkeit Interesse zu wecken. Wenn Billie nur nicht so grenzdebil losplappern würde und jede Spannung von vornherein im Keim erstickt. Ich spüre da keine Sorge elendig zu verrecken, zu verdursten, kein Aufbäumen, meinetwegen auch Humor. Nichts von alledem. Nun gut, dachte ich. Das Buch ist kein Thriller, nicht einmal ein Krimi. Die Gavalda macht in Literatur. Und das bedeutet, dass sie den dramatischen Augenblick dazu nutzt, um uns über die Vergangenheit der beiden Protagonisten aufzuklären.

Allerdings tut sie das, in einem unerträglichen Plapperton, als säße sie gemütlich vor dem Café de France rührt ihren Café au lait mit dem Löffel um. Überhaupt, diese unglaubwürdige Erzählstimme… Ich kann sie eher einer Frau zu ordnen, die die ENA in Paris absolviert hat, als einer Frau, die aus den armen Schichten der Bevölkerung stammt. Die Autorin schreibt nicht aus ihrer Billie heraus. Sie hat auch keine Ahnung, wie solche Leute ticken und schreibt Empathie befreit viel lieber im Stil einer Tratsch und Klatsch Reporterin, die gleich noch zur Galeries Lafayette muss, um eine farblich passende Tischdecke zum Abendessen zu kaufen. Und was ist eigentlich die Geschichte? Franck ist schwul, natürlich künstlerisch begabt und sein Vater ebenso natürlich ein fürchterlicher Reaktionär. Billie ist hauptsächlich arm, geht manchmal anschaffen, hat aber einen inneren Kompass, der über alles Schlimme zielsicher hinweg führt. Die beiden lernen sich bei einer Theateraufführung kennen, anschließend gehen sie getrennte Wege, bis sie sich widerfinden und nicht mehr voneinander lassen können. Das klingt interessant, einer Amour Fou gleich. Ist in der Realität aber unglaublich zusammengestümpert und gähnend langweilig erzählt. Der Roman versinkt knietief im Kitschmorast, so tief greift Anna Gavalda in die Klischeekiste.

Übrigens hält die beiden auch nichts und niemand jemals davon ab eine traute Zweisamkeit, schwuler Mann, arme Frau, zu leben. Ich habe den ganzen Roman den Konflikt nicht gefunden, in dem die zwei sich befinden sollen. Insgesamt also ein Konstrukt für die Brigitte lesende Mittdreißigerin mit Hang zu Minderheiten und das internationale Feuilleton, die das angebliche Anliegen der Autorin womöglich löblich finden und den gesellschaftlichen Fortschritt, um die Ecken kommen sehen, wenn sich Gleichgeschlechtlichkeit anstelle von Familientristesse setzen darf. Alles an diesem Buch zielt auf Wirkung ab, auf den Verkauf von möglichst vielen Büchern. Bonjour Tristesse!

Bewertung vom 16.08.2015
Eleanor & Park
Rowell, Rainbow

Eleanor & Park


ausgezeichnet

Rainbow Rowells Roman “Eleanor & Park" entführt den Leser zurück in die achtziger Jahre. Die Zeit meiner eigenen Jugend, ganz nebenbei gesagt. Park, ein Halbkoreaner, der zwischen Anpassung und Selbstbewusstsein aufbauen pendelt, hört in der amerikanischen Provinz die Musik von U2 und The Smith im Schulbus. Die Kopfhörer, die er dabei trägt erlösen ihn von der Dumpfbackigkeit und Aggressivität seiner pubertierenden Schulkameraden. Die Musik ist eine sichere Zuflucht, ein Ort in der Park Intelligenz, Offenheit und Liebe findet, während er sich über einen Comic beugt, um die Zeit des wenig erbaulichen Schulalltags mit Träumen zu überbrücken. Das Auftauchen der rothaarigen Eleanor ist echte Herausforderung für ihn. Denn Eleanor gilt in der Schule als total uncool, auf keinen Fall will Park, der aufgrund seiner asiatischen Wurzeln von den Schulkameraden an den Rand gedrängt wird, etwas mit Eleanor zu tun haben. Er sieht seine eh schon fragile Außenseiter-Position in Gefahr. Doch schon bald frisst sich das pummlige Mädchen in sein Herz. Dabei ist Eleanor kein Mädchen für den Laufsteg, dafür hat sie das Herz auf dem rechten Fleck und hat einen klugen Verstand. Und den braucht sie auch, um sich gegen einen durch geknallten Stiefvater zu wehren oder einer Mutter, die bei Männern Sicherheit sucht und Verachtung findet, die sie nur zu gerne an die Tochter weiterleitet.

Um es gleich vorwegzunehmen. Ich war sehr angetan von diesem Roman. Es hat einfach alles, was Lesen seit jenen achtziger Jahren für mich zum Erlebnis macht. Musik und Bücher können Leben retten, weiß die Autorin. Eleanor & Park atmet Klugheit. Hier wird gelebt, geliebt, gehasst, hintertrieben und ums nackte seelische Überleben gekämpft. Und dass mit einer Leichtigkeit, die den Leser staunen lässt. Eine vergangene Zeit taucht wieder vor den Augen auf, all das kann man riechen, schmecken, sehen, fühlen und hören. Eleanor und Park machen interessante Entwicklungen durch, die auf eine besondere Weise enden. Das Teil strotzt nur so von treffsicheren Dialogen und kleinen Weisheiten über das menschliche Dasein. Dramaturgisch ist der Roman raffiniert aufgebaut, mich hatte der Text sofort an der Angel und ließ mich dann auch nicht mehr los. Was auch an dem typisch amerikanischen Erzählstil liegt, der alles Überflüssige aus dem Text verbannt und sich ganz auf das Wesentliche konzentriert. Die Essenz zweier Liebender zu vermitteln. Dabei geizt Eleanor und Park mit knalligen Effekten und setzt vielmehr auf Authentizität und einen erfrischend unspektakulären Handlungsablauf. Die Normalität birgt schon Schrecken genug. Der Roman mag sprachlich sicher einen Tick mehr auf Frauen zugeschnitten sein. Aber kann das verdammt noch einmal ein Manko sein? Zum Teufel, nein. Ein toller Roman, der bei mir bleibenden Eindruck hinterlassen hat!

Bewertung vom 16.08.2015
Voran, voran, immer weiter voran
Bartelmay, Ryan

Voran, voran, immer weiter voran


gut

Ryan Bartelmay beamt uns zurück in die fünfziger Jahre des vorigen Jahrhunderts, mitten ins aufblühende Amerika, der Nachkriegsjahre. Man kann nicht sagen, dass die Heirat mit seiner High-School-Liebe Diane das Landei Chic Waldbeeser besonders glücklich macht. Schon die Hochzeitsreise gerät zu einer veritablen Pleite. Immerhin wird der junge Konservenprüfer dank der Ehe zu einem passionierten Onanierer. Sein Bruder Buddy glaubt gar Chic hätte seine indische Frau bestiegen, was eine Kettenreaktion aus misslichen Ereignissen auslöst, derer Chic nie mehr so richtig Herr wird. Seine letzte Chance seinem Rentnerleben noch einmal eine Wendung zum Guten zu geben scheint ihm eng mit Mary verbunden, einer nicht mehr ganz taufrischen ehemaligen Billardspielerin, die das Leben von allen Seiten kennengelernt hat. Außer den richtigen Mann zu treffen.

Das Buch ist wahrlich unkonventionell, mit skurril anmutenden Menschen, richtig schräg, was die Handlung angeht. Genau wonach ich suche. Zu Chic Waldbeeser, dessen Vorfahren aus Deutschland ausgewandert sind, fallen mir Eigenschaften, wie Sturheit, ein gerüttelt Maß an Dummheit, Durchhaltevermögen und Naivität ein, vielleicht hat der Kerl auch eine autistische Ade, keine Ahnung welche Persönlichkeitsstruktur sich da bei ihm eingenistet hat. Chic ist auf jeden Fall ziemlich abgedreht. Das Handlungsgerüst für den Roman wurde locker zusammengezimmert, munter springt der Autor durch die Jahrzehnte, am Ende klappt diese krude Geschichte leider restlos zusammen. Bis dahin haben sich durchaus komische Passagen mit Sinnbefreiten abgewechselt. Es passiert tragisches, die Lebenswirklichkeit dahinsiechender wird ebenso gezeigt, wie die Aufbruchsstimmung einer Inderin. Allerdings fehlt es auch an vielem. Geschichtliche Ereignisse werden am Rande abgehandelt, bilden aber eine interessante Kulisse für einen traumwandlerisch sicheren Schreibstil. Da will jemand an große literarische Vorbilder anknüpfen. Mir ist da aufgrund des leicht absurden Ambientes John Irving und ja- Jeffrey Eugenides in den Sinn gekommen. Aber deren Klasse verfehlt der Autor bei weitem. Dafür bietet das Ganze zu wenig Projektionsfläche, zu wenig geschichtliche Einbettung, wirklich glaubhafte Figuren und Handlungsweisen, die einem unter die Haut gehen und im Gedächtnis bleiben. Dieses Buch kann man lesen, muss man aber nicht.

Bewertung vom 16.08.2015
STRAFE (Restexemplar)
Polanski, Paula; Nesser, Hakan

STRAFE (Restexemplar)


ausgezeichnet

Was ist das denn für ein Buch? „Strafe“ von Hakan Nesser und Paula Polanski passt so gar nicht ins Genreübliche denken von Verlagen und Lesern. Mir wurde der Roman als Krimi offeriert und in der Tat fliegen einem die falschen Spuren, Tod, Krankheit und Verrat nur so um die Ohren. Aber von einem Krimi typischem Aufbau und Ablauf ist „Strafe“ dennoch meilenweit entfernt. Hier ist alles anders. Die Spannung entsteht zunächst einmal aus den Menschen heraus.

Max Schmeling, der Protagonist des Buches, erfolgreicher Schriftsteller und Frauenschwarm erhält eine sonderbare Nachricht von einem Jugendfreund, der nur noch kurze Zeit zu leben hat. Er will, dass Max ihm einen letzten Gefallen tut. Max kann sich kaum noch an Tibor Schittkowski erinnern. Nur, dass dieser ihm zweimal das Leben gerettet hat, daran erinnert er sich noch halbwegs.

Das ist gar keine sonderlich spektakuläre Ausgangsposition, wer Menschen meuchelnde Psychopathen erwartet ist mit dem Roman nicht gut bedient. Es ist das alltägliche, das Zwischenmenschliche, was Hakan Nesser interessiert und er bohrt sich mit einer Bier Ruhe und sprachlicher Raffinesse in seinen Protagonisten, dass einem als Leser fast die Spucke wegbleibt. Es ist ein Buch der falschen Fährten, des Scheins, des Seins und des Betrugs mit einer genialen Grundidee. Eine Abrechnung, nicht ohne Humor. Auf seiner Art ein spannender Roman von emotionaler Tiefe, dem eigentlich die Genrebezeichnung Literatur gebührt.