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Bellis-Perennis
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Wien

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Insgesamt 1172 Bewertungen
Bewertung vom 23.09.2025
Schwarzkopf, Margarete von

Das schwarze Kreuz


ausgezeichnet

Als Kunsthistorikerin Anna Bentorp ihren Schreibtisch wegen der bevorstehenden Professur in Dublin zusammenräumt, entdeckt sie unter anderem den Brief von einer Studentin namens Anja Großknecht, der schon seit 2017 unbeantwortet unter zahlreichen Papieren schlummert. Sie weist auf einen Diebstahl von sakralen Kunstgegenständen, die nicht mehr aufgetaucht sind und möglichen Mord hin, der während der Napoleonischen Kriege im Jahr 1801 in der Nähe von Bonn, inTrondorf, stattgefunden hat. Anna findet das Thema zwar interessant, kontaktiert den Diakon von Trondorf Gregor Bauers, um mehr über die Gegenstände zu erfahren und versucht Anja Großknecht zu erreichen, die seit sieben Jahren spurlos verschwunden zu sein scheint. Eine klare Sache für die Polizei, daher kontaktiert sie Hans Schumann, mit dem sie schon in der Vergangenheit mehrere Verbrechen aufgeklärt hat. Damit ist Anna Bentorp einmal aus dem Spiel und reist nach Irland.

Für Schumann und seinen Kollegen Markus Fechter aus Hannover beginnt nun die Suche nach der Vermissten Anja Großknecht, die letztlich zu einem Cold Case wird, der nun brandheiß wird. Denn Anja wird nicht die Einzige sein, die in diesem mysteriösen, mehr als 200 Jahre zurück liegenden Verbrechen, ermordet wordrn ist. Auch Diakon Bauers gerät in das Visier skrupelloser Täter.

Meine Meinung:

In diesem 9. Fall spielt Margarete von Schwarzkopf ihre ganze Klasse aus! Auch wenn Anna Bentorp nicht persönlich ermittelt, so sind es ihre Neugier sowie ihr Gerechtigkeitssinn, die den Anstoß dazu geben, die alten Verbrechen und die damit verbundenen aktuellen aufzuklären. Crimen criminem invocat - ein Verbrechen zieht ein anderes nach sich - sagten schon die alten Römer.

Hauptrolle diesmal darf der Diakon Gregor Bauers spielen, der durch seine umfangreichen Kenntnisse der Kirchenbücher sowie der Geschichte des Kunstraubs von anno 1801, die Polizei unterstützt.

Mir hat dieser Krimi außerordentlich gut gefallen, der durch seine komplexen Handlungsstränge, die auf mehreren Zeitebenen spielt, besticht. Seit Jahren beschäftige ich mich mit Napoleon, der ganz Europa mit seinen Eroberungskriegen überzogen hat. Seine Raubzüge durch Residenzen besiegter Fürsten, Museen sowie Kirchen und Klöster sind legendär. Auch die Säkularisierung von Klöstern und der Missbrauch von Kirchen als Pferdeställe ist gut bekannt.

Daneben spricht Margarete von Schwarzkopf Themen wie #metoo, Kunstfälschungen und Kunstgegenstände zweifelhafter Provenienz an. Ein Thema, das sich durch die gesamt Reihe rund um Anna Bentorp zieht.

Ich hätte noch Dutzende Seiten weiterlesen mögen. Hoffentlich spinnt Frau Autorin die Reihe weiter.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem Kunstkrimi, der auch ohne die tatkräftige Unterstützung von Anna Bentorp, fesselt, 5 Sterne und eine Leseempfehlung für die gesamte Reihe.

Bewertung vom 23.09.2025
Johannsen, Anna

Das erkaufte Glück


ausgezeichnet

Kriminaloberkommissarin Lea Nielsen tritt, nach einigen Jahren als höchst erfolgreiche Ermittlerin beim LKA Hannover ihre neue in Wittmund, Ostfriesland an. Dieser berufliche Abstieg hängt mit ihrer privaten Situation zusammen, denn ihr alleinstehender Vater, den sie zwar lange Jahre nicht gesehen hat, ist an Demenz erkrankt und braucht langsam Hilfe. Doch mit der geruhsamen Verfolgung von Fahrraddieben und Einfangen verlorener Schafe wird es nichts, denn kurz nach ihrer Ankunft hält die Suche nach der vermissten Maya van Berg die ganze Dienststelle in Atem.

Auch die Kollegen sind von Lea, die noch dazu gleich als Vertreterin des Dienststellenleiters Robert Petersen, fungiert, nicht sonderlich begeistert. Besonders Lars, der sich ebenfalls für diese Stelle beworben hat, macht mit seiner ruppigen Art, sowohl Lea als auch Verdächtigen und Zeugen das Leben schwer.

Dann erhält die Familie ein Video mit der gefangenen Tochter und eine Lösegeldforderung sowie die Anweisung, auf der Website ihrer Mutter eine Sachverhaltsdarstellung zu veröffentlichen. Mayas Mutter ist, ohne entsprechend fundierte Ausbildung, eine erfolgreiche Coachin, deren Methoden ein an eine Sekte erinnern. Zudem ist sie bissig und kooperiert nicht mit der Polizei, der sie unverhohlen mit einer Dienstaufsichtsbeschwerde droht.

Als dann die Vermisste plötzlich wieder auftaucht und vehement abstreitet entführt worden zu sein, entwickelt dieser Krimi eine Eigendynamik, in der Konflikte in der SoKo aufbrechen und in deren Folge Lea von ihrer Funktion als stellvertretende SoKo-Leiterin enthoben wird.

Doch aufgeben ist Leas Sache nicht und so ermittelt sie gemeinsam mit Julia auf eigene Faust, denn Lea hat ihre ganz eigene Theorie zu diesem mysteriösen Kriminalfall.

Meine Meinung:

Ich kenne schon einige von Anna Johannsens Krimis. Dieser hier hat das Potenzial Auftakt einer neuen Krimi-Reihe zu werden, denn Eintagsfliegen sind nichts für die Autorin.

Mir hat der Krimi sehr gut gefallen spricht er doch mehrere brisante Themen an. Zu einem halten sich auch nach Jahrzehnten Männerbündnisse im Polizeidienst. Selbst der dämlichste Mann wird gut ausgebildeten und toughen Frauen beim Aufstieg vorgezogen. Ein weiteres interessanter Fokus liegt zum einem auf die Machenschaften von selbst ernannten Coaches, die mitunter mit sektenartigem Mehtoden den Ratsuchenden viel Geld aus der Tasche ziehen, und das auch in Deutschland schwierige Thema der Betreuung von Demenzkranken. Hier scheint sich für Leas Vater eine Lösung abzuzeichnen. Schauen wir einmal, was die Zukunft bringt.

Die Charaktere sind gut herausgearbeitet. Sie haben alle ihre Ecken und Kanten, die unterschiedlich scharf ausgebildet sind. Auffällig ist, dass aktuell kaum eine Krimi ohne eine lesbische Ermittlerin oder einen schwulen Ermittler auskommt.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem komplexen Krimi, der mich gut unterhalten hat, 5 Sterne

Bewertung vom 20.09.2025
Günther, Andrea

Die Gipfelstürmerin (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Andrea Günther hat sich in diesem historischen Roman, der der Beginn einer Reihe sein soll, einer Pionierin in Sachen Bergsteigen angenommen: Es handelt sich um Lucy Walker (1836-1916), die Tochter des britischen Alpinisten Frank Walker, der mit seinem Sohn Horace bereits zahlreiche Gipfel bestiegen hat. Lucy ist ein Bewegungstalent, obwohl sie von Rheumaschüben geplagt wird. Zudem ist es Frauen auf Grund gesellschaftlicher Konventionen nicht erlaubt bequeme Kleidung zu tragen. Schnürmieder, Krinolinen, bodenlange bauschige Röcke aus vielen Lagen Stoff sowie dünnsohlinge Schuhe machen schon den Alltag beschwerlich. Doch Lucy setzt ihren Kopf durch. Anstatt wie von Tante und Mutter gefordert, die Schweizer Alpen von der Terrasse des feudalen Hotels aus zu betrachten, schlüpft sie in zwei Paar Socken und die Bergschuhe ihres Bruders. Gemeinsam mit Vater und Bruder, die von erfahrenen Bergführern, unter anderem Melchior Anderegg geführt werden, feiert sie nicht nur einen Gipfelsieg nach dem anderen sondern den Sieg über sich selbst sowie über Konventionen. Dabei kommt ihr der Ruf, dass Engländer spleenig sind, gerade recht.

Mit dem verheirateten Bergführer Melchior Anderegg entspinnt sich eine zarte verbotene Liebe. Als Lucy erfährt, dass die Amerikanerin Meta Breevort das Matterhorn besteigen will, kommt sie ihrer Konkurrentin zuvor und steht am 22. Juli 1871 auf dem Gipfel des höchsten Berg der Schweiz.

Lucy wird nie heiraten und, weil die Britische Alpine Club keine Frauen als Mitglieder akzeptiert, tritt sie dem 19067 gegründeten Ladies‘ Alpine Club bei und ist von 1913 bis 1915 dessen zweite Vorsitzende.

Meine Meinung:

Schon das Cover lädt ein, dieses Buch zu lesen und der Inhalt fesselt bis zur letzten Seite. Man kann Lucy Walkers Mut und Entschlossenheit (oder Sturheit?) nicht hoch genug einschätzen, in einer Zeit in der Frauen künstlich dumm gehalten und wie Ware gewinnbringend an einen vom Vater ausgesuchten Ehemann verschachert worden sind, sich diesen Konventionen entgegen zu stellen.

Wenn ich nur daran denke, mit welcher Ausrüstung die Männer damals die Alpen bezwungen haben sind, wird mir schon Angst und Bang. Und dann noch als Frau, immer daran denken müssend, keinesfalls die Knöchel zu zeigen, dafür nicht zu schwitzen, mit gerafften Röcken und tadelloser Frisur auf mehr als 4.000 Meter aufzusteigen. Wahnsinn! Schmunzeln musste ich, als Lucy von ihrer Mutter ansteckbare Löckchen erhält, um im Tal den Eindruck einer ordentlich frisierten Frau zu erwecken.

Ich habe ja schon einige Biografie und/oder Romane über Bergsteigerinnen gelesen, doch diese hat mir besonders gut gefallen. Autorin Andrea Günther hat hier Fakten und Fiktion geschickt zu einem leicht lesbaren und amüsanten historischen Roman verknüpft.

Gut gelungen ist der Autorin auch die Zweifel der Lucy Walker darzustellen, die sich den Vorurteilen der damaligen Gesellschaft entgegenstellt, aber doch beinahe den Einflüsterern, der einzige Daseinszweck einer Frau sei es, zu heiraten und Kinder zu bekommen, erliegt. Nachdem sie die Hochzeit mehrmals unter zum Teil fadenscheinigen Ausflüchten verschiebt, löst Henry Pernick zornig und enttäuscht die Verlobung.

So verschieden Lucy Walker, die Tochter aus guten Hause, und der Schweizer Bergführer Melchior Anderergg gewesen sind, so eint sie neben ihrer Liebe zu Bergen, dass weder nach ihr noch nach ihm, ein Gipfel, Grat oder eine Route benannt worden sind. Nach Meta Breevort ist in der französischen Dauphiné trägt der höchste Gipfel, der 3.675 Meter hohe Pointe Breevort ihren Namen. Pointe Walker in den Grandes Jorrasses ist nach Lucy Walkers Bruder Horace benannt.

Lucy Walkers bestieg innerhalb von 21 Jahren 59 Berge, darunter Eiger, Mönch, Jungfrau, Matterhorn und Ortler. Auf sechzehn Gipfel war sie die erste Frau. Ihre Leistungen sind fast vergessen, aber nur fast. Mit diesem historischen Roman wird ihr Beifall gezollt.

Fazit:

Gerne gebe ich dieser Hommage an die britische Alpinisten Lucy Walker eine Leseempfehlung und 5 Sterne.

Bewertung vom 20.09.2025
Leiss-Huber, Anton

Der große UFA-Bluff


ausgezeichnet

Dieser historische Roman von Anton Leiss-Huber beruht auf wahren Begebenheiten. Worum geht’s?

Der Zweite Weltkrieg geht nun, 1944/45, in seine finale Phase. Während die Alliierten vom Westen her Stadt für Stadt einnehmen und die Sowjet-Armee vom Osten auf Berlin vorrückt, trommeln Hitler und Konsorten die große Mär von Wunderwaffen und Endsieg. Auch die in Babelsberg ansässige Ufa muss ihren Beitrag leisten und entsprechende Filme drehen.

Doch auch hier, im Zentrum der Illusionen weiß man, wie die Wirklichkeit aussieht. Zahlreiche Schauspieler, Beleuchter und Kameramänner leben in steter Angst, eingezogen zu werden und die Mangelwirtschaft lässt die Menschen hungern. Rund um die Ufa gibt es zwar noch Lebensmittel, Zigaretten und Schnaps, woher, will niemand so recht wissen.

Also redet der (fiktive) Produktionsleiter Eberhardt Schmidt Minister Goebbels ein, einen weiteren Propagandafilm für den Endsieg zu drehen. Er erhält tatsächlich den Befehl und so begibt sich das Filmteam samt Ausrüstung auf abenteuerlichem Weg nach Mayrhofen, im österreichischen Zillertal. Mit dabei unter falschem Namen ist Erich Kästner, dessen Bücher verboten sind. Zunächst scheint alles wie ein Ferienaufenthalt zu laufen, doch auch im Zillertal gibt es stramme Nazis wie den Ortsgruppenleiter oder das Fräulein Rottecker, die fest an den Endsieg glauben, weshalb die Filmcrew in große Gefahr gerät, aufzufliegen.

Wie sie es schaffen, selbst den Tiroler Gauleiter Franz Hofer, von ihrer Arbeit zu überzeugen, müsst ihr schon selbst lesen.

Meine Meinung:

Dieser historische Roman ist Autor Anton Leiss-Huber, der durch seine Altötting-Krimis bekannt ist, sehr gut gelungen. Wie er im Nachwort schreibt, hat er penibel in diversen Archiven und vor Ort in Mayrhofen recherchiert, dort mit Zeitzeugen gesprochen. Die beste Quelle um dieses Buch authentisch zu schreiben, ist - wie er sagt - Erich Kästners Tagebuch. Kästner hat diese Ereignisse später in seinem Werk „Notabene 45“ literarisch verarbeitet.

Erich Kästner ist nicht der einzige Prominente der uns hier über den Weg läuft. So taucht plötzlich die Sängerin und Tänzerin Marika Rökk, der Haltung zum Regime durchaus ambivalent zu sehen ist, zumal sie sich, wie hier zu lesen, aufmacht, zu den britischen oder amerikanischen Befehlshabern zu eilen, um für deren Unterhaltung zu sorgen.

Die Rökk ist nicht der einzige bekannte Namen. Zu Beginn des Romans, noch in Berlin, treffen wir mit Gustav Gründgens, Elisabeth Flickenschild, Kristina Söderbaum und Veit Harlan zahlreiche Größen der Ufa, die in zahlreichen Propagandafilmen mitgespielt haben.


Mir hat dieser historische Roman, der eine nicht ungefährliche Aktion beschreibt, sehr gut gefallen. Der Schreibstil ist flüssig und angenehm zu lesen. Anton Leiss-Huber hat geschickt Fakten mit Fiktion verknüpft.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem, auf wahren Ereignissen beruhendem, historischen Roman 5 Sterne.

Bewertung vom 20.09.2025
Thömmes, Günther

Fanny Leicht - Eine Frau und ihr schwäbisches Bierimperium (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Dieser historische Roman von Günter Thömmes beschäftigt sich mit Fanny Leicht, die Ende des 19. Jahrhunderts, nach dem frühen Tod ihres Bruder, heimlich das Brauhandwerk bei ihrem Vater Carl Johann Widmaier erlernt. Allerdings muss Fanny, um die Konzession zu behalten, einen Braumeister heiraten. In Robert Leicht findet sie einen fortschrittlichen Ehemann und Geschäftspartner. Dennoch kommt Fanny nicht gegen die gesellschaftlichen Konventionen an. So werden Robert zahlreiche Ehrungen wie Kommerzienrat zuteil, während Fanny mehrmals leer ausgeht. Sie darf zwar mildtätig sein, aber gewürdigt wird sie erst nach ihrem Tod als man die von ihr gestiftet Mädchenoberschule nach ihr benennt. Das Fanny-Leicht-Gymnasium in Vaihingen besteht heute noch.

Bevor wir uns Fanny widmen können, entführt uns der Autor zwei Generationen zuvor in die Familiengeschichten der Leichts und Widmaiers. Diese durchaus spannende Reise ist notwendig, um die gesellschaftlichen und familiären Hintergrund zu verstehen, der auch die eine oder andere Widrigkeit mit Verwandten mit sich bringt.

Ich bin ja ein Fan von historischen Romanen, die sich mit beinahe fast vergessenen starken Frauen beschäftigen. Ich trinke zwar kein Bier, doch der eine oder ander Name einer Brauerei ist mir geläufig. Als Wienerin kenne ich natürlich die Schwechater Brauerei, die von Franz Anton Dreher, der 1760 ein kleines Brauhaus nahe Wien pachtet, gegründet worden ist. Seine Nachkommen werden die Brauerei weiter ausbauen, bis die 130-jährige Familientradition mit dem Tod von Anton Eugen Dreher (1871-1925) erlischt. Die Schwechater Brauerei firmiert heute gemeinsam mit anderen Brauereien als Brau-Union unter einem Dach.

Was ich nachlesen möchte, wann den Frauen das Bier brauen untersagt worden ist. Wenn ich mich richtig erinnere, wurde im Mittelalter bis zur Neuzeit in bäuerlichen (?) Haushalten Bier gebraut. Vermutlich nur zum Eigengebrauch und mit geringem Alkoholgehalt.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem Ausflug in die Kunst des Bierbrauens 5 Sterne.

Bewertung vom 20.09.2025
Strohmeyer, Anette; Niemann, Eric

Hamburg Chinatown (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Das Autoren-Duo Anette Strohmeyer und Eric Niemann entführt uns in das Hamburg der 1920er-Jahre. Es ist die Zeit kurz nach dem Ende des Großen Krieges, wie man den Ersten Weltkrieg damals genannt hat. Die Wirtschaft liegt darnieder, an Körper und Geist versehrte Soldaten betteln auf den Straßen, weil es weder Unterkünfte noch Sozialsystem gibt. Besonders schwer haben es jene Kriegsversehrte, die eine Gesichtsverletzung davongetragen haben und sich kaum in die Öffentlichkeit trauen. Man nennt sie „Gueules Cassées, zerhauene Visagen". Einige engagierte Frauen fertigen Gesichtsmasken für diese Männer an, um ihnen ein wenig ihrer Würde zurückzugeben. Gleichzeitig leben einige wenige, wie der Reeder Alfred Möller auf großem Fuß. Seine Tochter Tessa treibt sich heimlich in Chinatown herum und lernt Li Lim kennen, der einen besonderen Auftrag hat.

Zahlreiche kleinere und größere Verbrechen halten die Polizei, wie den Ordnungspolizisten Peder Hansen in Atem, der zusätzlich noch den Mörder seines Bruders Claas sucht und ihn unter den Chinesen vermutet. Muss sich Peder mit einem Chinesen verbünden, um den Mörder seines Bruder zu entlarven?

Die Sucht nach Betäubung von Hunger und Schmerzen lassen den illegalen Opiumhandel blühen. Nicht immer sind er nur die Chinesen, die Nutzen daraus ziehen. Ohne Verbindungen zu Hamburger Kaufleuten könnte auch die Chinatown von St. Pauli nicht so florieren. So ist auch hier der Fall, das der Drahtzieher des groß angelegten Opiumschmuggels kein Chinese ist, sondern ein Verbrecher, der sich hinter einer Maske eines dieser Kriegsversehrten versteckt.

Dutzende Chinesen, die auf der Suche nach einem besseren Leben auf deutschen Schiffen angeheuert haben, sehen sich nach ihrer Ankunft in Hamburg der Hoffnung beraubt und leben wieder prekär. Nur ganz wenige Chinesen schaffen es, mit Wäschereien oder Imbissstuben Erfolg zu haben. Akzeptiert werden sie von den Hanseaten nicht, zumal sie als Drehscheibe des Opiumhandels und Bandenkämpfe gelten.

Meine Meinung:

Mir hat dieser historische Krimi im Hamburg der 1920er-Jahre sehr gut gefallen. Allerdings habe ich Ähnliches schon einmal gelesen. Selbst der Name des gejagten Phantoms Keyser, hat bei mir ein déjà vu hinterlassen. Es wird mir schon wieder einfallen, welcher Krimi (Krimi-Reihe) das war. Weshalb ich recht bald eine Idee hatte, wer hinter den Verbrechen steckt. Aber das behindert diese fesselnde Lektüre nicht im geringsten.

Dieser Krimi zeigt deutlich die Doppelmoral der Wohlhabenden. Der Reeder, der den Tod seiner Beschäftigten billigend in Kauf nimmt, nur um Profite zu machen, werden ebenso an den Pranger gestellt, wie korrupte Polizisten. Die einen halten die Hand auf, um Razzien zu verraten und andere, wie höhere Chargen lassen sich ihr Wohlwollen und Wegschauen durch weibliche Dienstleistungen bezahlen.

Um sich in der fesselnden Geschichte gut zurecht zu finden, gibt es zu Beginn ein Personenverzeichnis, das schon auf Grund der vielen chinesischen Namen eine große Hilfe ist.

Der Krimi ist flott geschrieben, so dass die knapp 450 Seiten nur so verfliegen. Hin und wieder wird das eine oder andere Klischee bemüht, was aber nicht weiter stört.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem historischen Krimi, der mich sehr gut unterhalten hat, 5 Sterne und hoffe auf die angedeutete Fortsetzung.

Bewertung vom 20.09.2025
Neumann, Andy

VIER (eBook, ePUB)


gut

Hat mich leider nicht überzeugt

Dieser Krimi ist die Fortsetzung zu Zehn, einem Krimi, in dem ein Serienmörder die Polizei Jahre lang an der Nase herumführt, bis ihm bei einem Showdown das Handwerk gelegt werden konnte, auch wenn sein letztes Verbrechen, bei dem mehr als dreißig Personen und Dutzende schwer verletzt worden sind, nicht mehr verhindert werden konnte. Man muss den Vorgänger nicht unbedingt gelesen haben. Denn einige wichtige Aspekte von Zehn in der Fortsetzung rekapituliert bzw. erwähnt werden. Daher ist gewährleistet, den Anschluss zu finden.

Der Krimi beginnt mit einem Prolog und der Einvernahme eines Tatverdächtigen am 1. September 2020. Anschließend springt der Krimi in unregelmäßigen Abständen zwischen der Vergangenheit von 2001, 2008, 2012 und 2016 wieder nach 2020. Zwar ist bei jeden Kapitel der genau Tag angegeben, man kann das aber in der Gier, wissen zu wollen, was nun weiter passiert, leicht überlesen werden, sodass dann ein wenig verwirrt zurück geblättert werden muss.

Anders als in Zehn wird diesmal von Beginn an ordentlich ermittelt. Denn spätestens nach dem zweiten geköpften Opfer ist klar, dass ein direkter Zusammenhang mit der damaligen Mordserie besteht. Die Ermittler stehen unter Hochspannung. Übt hier jemand Rache? Oder will man ehemalige Mitwisser beseitigen? Nur wer?

Der alte Täter kann es nicht sein, denn der liegt, nachdem ihn seine Ehefrau, weil sie ihn zu stoppen versucht hat, durch mehrere Schüsse schwer verletzt hat, im Koma. Die fieberhafte Suche beginnt und ein Verdächtiger wird gefasst. Aber ist wirklich der Mörder mit dem Schwert, der auch den damaligen Ermittlungsleiter Kanther ermordet?

Meine Meinung:

Das Buch wird als Thriller beworben, was ich so nicht unterschreiben mag. Nur Zeitsprünge machen noch keinen Thriller. Der Schreibstil ist eher einfach gehalten. Allerdings gibt es einige Passagen, bei denen ich meinen Kopf schütteln musste. Ein Beispiel gefällig?

„Aury brannte. Lichterloh. Verdammt, sie hätte Steaks auf ihrer nackten Haut grillen können. Jedenfalls gefühlt.“

Ähem, das klingt schon sehr nach Groschenroman.

Mit den Charakteren bin ich auch nicht wirklich warm geworden. Vor allem, weil das Verhältnis zwischen Teamleiter Martin Paulus und seiner jungen Kollegin Aurelie die Ermittlungen überhaupt nicht weiterbringt, sondern die beiden eher ablenkt. Ließe man das weg, hätte der Krimi wohl nur die Hälfte der Seiten. Auch zu Charlotte, die als toughe Frau beschrieben wird, finde ich keinen Zugang.

Das Buch schließt dann mit gleich drei (!) Epilogen, von denen der letzte im Jahr 2021 am Krankenbett des Koma-Patienten spielt. Ich habe eine, nein eigentlich zwei, vage Ideen, die vermutlich erst im dritten Band dieser Reihe schlüssig beantwortet werden können. Denn an den festgenommenen Verdächtigen als Täter glaube ich nicht so recht.

Fazit:

So ganz kann mich dieser Krimi, der durchaus spannende Stellen hat, diesmal nicht überzeugen, weshalb er nur 3 Sterne erhält.

Bewertung vom 20.09.2025
Klementovic, Roman

Dunkelnah (eBook, ePUB)


sehr gut

Hier ist wenig, wie es scheint

In seinem neuen Psychothriller nimmt uns Autor Roman Klementovic in die düstere Atmosphäre eines Lost Place mit. Schon der Prolog stimmt auf einen kommenden Albtraum ein.

Simon Winter trifft im ehemaligen Hotel Waldhof ein, um dort bei Renovierungsarbeiten mitzuarbeiten. Doch schon dessen Ankunft lässt ahnen, dass der Autor wieder mit seinen Leser:innen Katz und Maus spielen wird. Das Hotelier-Paar besteht aus einer Frau, die Simon ständig nötigt, Schnaps zu trinken und deren aggressiven Mann, der ohne Flinte und Rottweiler keinen einzigen Schritt tut.

Simon hätte besser auf sein Bauchgefühl gehört und unverzüglich umgedreht. Allerdings gerät er in den Sog dieses seltsamen und manipulativen Ehepaares. Als er erfährt, dass eine junge Frau verschwunden ist, beschließt er, diese zu finden.

Meine Meinung:

Ich verfolge die literarische Karriere von Roman Klementovic seit seinem Debüt Verspielt im Jahr 2015. Er schafft es in jedem seiner Thriller eine bedrückende Atmosphäre darzustellen, in der Protagonisten wie Leser nicht wissen, wem sie trauen können oder welchen Streich einem das verängstigtes Gehirn spielt. Wie Klementovic in einem Interview erklärt, hat ihn das dem Verfall preisgegebene Südbahnhotel am Semmering zu diesen Thriller inspiriert.

Die Spannung steigt von Seite zu Seite bis sie sich in einem furiosen Final entlädt. Nicht immer wirkt alles glaubhaft, aber das gehört zu einem Psychothriller wohl dazu, das Ängste und Visionen die Wirklichkeit entstellen.

Fazit:

Wer also einen Psychothriller lesen möchte, bei dem wenig so ist, wie es scheint, ist hier richtig. Mir war es diesmal ein wenig zu viel der Manipulation, weshalb ich diesmal 4 Sterne gebe.

Bewertung vom 20.09.2025
Gary, Romain

Europäische Erziehung


ausgezeichnet

Europäische Erziehung ist der erste Roman von Romain Gary (1914-1980). Gary schildert darin die Geschichte des 14-jährigen Janek Twardowski, der 1942 von seinem Vater, einem Arzt, in einem Wald nahe der Stadt Vilnius versteckt worden ist. Das unterirdische Versteck ist mit einer Feuerstelle, Decken und einigen Säcken Erdäpfeln beinahe luxuriös ausgestattet. Zunächst kommt der Vater immer wieder, um nach Janek zu sehen. Doch als er wegbleibt, der geneigte Leser wird wissen warum, schließt sich Janek, wie ihm der Vater geraten hat, den Partisanen an, bei denen er zuerst als Laufbursche bis er seinen Platz in der Gruppe findet.

Während im entfernten Stalingrad die Schlacht tobt, werden in Litauen Juden deportiert und ermordet. Für jeden getöteten deutschen Soldaten werden Dörfer niedergebrannt und Geiseln erschossen, wobei kein Unterschied gemacht wird, ob es sich um Frauen, Männer oder Kinder handelt. In dieser grausamen Zeit reift Janek frühzeitig zum Mann.

Meine Meinung:

Romain Gary hat diesen Roman noch während des Zweiten Weltkriegs verfasst, als er auf Seiten der Alliierten kämpft. Das Buch ist vor kurzem neu übersetzt worden, wobei angemerkt wird, dass die Sprache der damaligen Zeit weiterhin verwendet worden ist, was unter Umständen zu Irritationen führen könnte. Meiner Ansicht nach hat der Verlag damit richtig gehandelt, um die Authentizität des Romans beizubehalten.

Der Autor selbst ist 1914 in Vilnius (Litauen) als Sohn einer jüdischen Familie geboren, in Polen aufgewachsen und nachdem der Vater die Familie verlassen hat, 1928 mit seiner Mutter nach Frankreich übersiedelt. Dort geht er 1938 zur französischen Luftwaffe und nach der Besetzung Frankreichs durch die Wehrmacht nach England zu Charles de Gaulles Exilregierung.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem Roman 5 Sterne.

Bewertung vom 20.09.2025
Melzener, Axel;Neviandt, Julia Nika

Blut und Spiele in Colonia


weniger gut

Dieser historische Krimi ist der zweite Fall für das ungewöhnliche Ermittlerpaar, dem Anwalt Quintus und der Patriziertochter Lucretia, der in der Colonia Claudia Ara Agrippinensium, kurz CCAA, also im heutigen Köln, um 87 n. Chr. spielt.

Der Inhalt ist schnell umrissen: Rund um den charismatischen Schauspieler und Tänzer Aulus, werden einige Personen ermordet. Um den Ruf seiner Stadt (und seine Macht) nicht zu verlieren, werden Lucretia und Quintus vom Statthalter der CCAA beaufragt, den oder die Täter ausfindig zu machen. Bei ihren Recherchen, müssen sie feststellen, dass auch Aulus seine Geheimnisse hat und nicht nur ein viel beklatschter Künstler ist.

Leider kann mich dieser Ausflug in die römische Geschichte nicht begeistern, denn für meinen Geschmack und mein Geschichtsverständnis wird hier die Realität viel zu stark gebeugt. Es mag ja die eine oder andere aufmüpfige unter den verwöhnten Töchtern aus Patrizierfamilien gegeben haben, aber solche Freiheiten, wie sich Lucretia nimmt, sind äußerst unwahrscheinlich. Da wäre der Pater Familias mit vollem Recht eingeschritten.

Das Buch lässt sich leicht lesen, denn einerseits gibt es am Ende ein ausführliches Glossar, das allen jenen, die sich in der römischen Antike nicht so gut auskennen, hilfreich zur Seite steht, und andererseits ist der Schreibstil der heutigen Zeit angepasst.

Fazit:

Wer einen Roman aus der Römerzeit lesen will, aber auf historische Genauigkeit nicht so viel Wert legt, wird Freude an diesem Buch haben. Wer, so wie ich, auf Authentizität achtet, muss zu anderen Büchern greifen. Von mir gibt es 2 Sterne.

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