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Milienne
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Essen

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Insgesamt 110 Bewertungen
Bewertung vom 06.09.2023
The stars we reach / Emerald Bay Bd.1
Schäfer, Lorena

The stars we reach / Emerald Bay Bd.1


ausgezeichnet

INeues Leben, neue Freunde, neue Liebe?


m ersten Teil der Emerald-Bay-Triologie bringt uns die 19-Jährige Ivy an die atemberaubende australische Küste von Emerald Bay. Nach ihrer Trennung von ihrem Ex-Freund, wegen dem sie sich in Deutschland ein Jahr durch einen BWL-Studiengang quälte, will sie endlich ihren Leben leben und möchte sich nie wieder von einem Mann aufhalten lassen - auch wenn ihr neuer Mitbewohner Taylor sich als attraktiver und sympathischer Surfer-Boy entpuppt.

Obwohl die beiden sich auf Anhieb bestens verstehen, halten sie an ihrer Vereinbarung fest: Freundschaft ja, aber alles andere ist ausgeschlossen. Doch wie sollen sie ihre aufkeimenden Gefühle unterdrücken, wenn Taylor Ivy in ihren Träumen unterstützt und Ivy Taylor in einer schweren Zeit beisteht?

In der Beschreibung wird von einer From-Strangers-to-Lovers-Geschichte gesprochen, die der Entwicklung ihrer Beziehung nicht gerecht wird. Ihre Verbindung beginnt mit einer tiefen Freundschaft, was ihre Gefühle authentisch und glaubwürdig macht. Hier verliebt sich niemand über Nacht, alles entwickelt sich langsam. Erst kommen die Gefühle, dann die bedeutungsvollen Worte und schließlich die wohlüberlegten Entscheidungen - ein Ansatz, den ich äußerst gelungen finde.
Die Geschichte dreht sich nicht nur um ihre Beziehung, nebenbei knüpft Ivy auch andere Freundschaften und entdeckt, wie sie sich ihre Zukunft vorstellt und lebt ihre Liebe zum Kochen aus.
All das spielt sich vor dem bezaubernden Hintergrund der sommerlichen Umgebung Australiens ab, die immenses Fernweh hervorruft.

Dass Ivy tatsächlich „schon immer” nach Australien wollte, kaufe ich ihr nicht unbedingt ab, dazu war sie mir zu verwundert über den australischen Sport, das Fahren auf der anderen Straßenseite und auch die Möglichkeit, Schlangen und Spinnen zu sehen. Allerdings wird so vermutlich jede*r abgeholt, auch jene, die keine Kenntnisse über Australien haben.

Eine süße Geschichte, die einem zumindest zeitweise den Aufenthalt in Australien inklusive jugendlicher Romanze ermöglicht, auch ganz ohne echtes Flugticket.

Bewertung vom 30.08.2023
Be My First / First & Forever Bd.1
McLean, Jay

Be My First / First & Forever Bd.1


schlecht

Connor muss für seine Basketballkarriere in seinem letzten Jahr die High School wechseln. Anfangs ist er wenig begeistert von der plötzlichen Umstellung. Doch als er in seiner ersten Unterrichtsstunde neben Ava sitzt, ändert sich alles. Obwohl sie von den anderen kaum beachtet wird und sich von der Welt abzuschotten scheint, übt Ava eine unerklärliche Anziehungskraft auf Connor aus. Ava ist nicht ohne Grund so isoliert: Ein stadtbekannter Vorfall mit ihrer Mutter hat sie dazu gebracht, den Kontakt zu anderen Menschen zu vermeiden. Doch auch sie spürt eine unerklärliche Verbindung zu Connor. Langsam beginnen die beiden sich einander anzunähern.

Das Buch verspricht auf dem Rücken „Intensiv. Bittersüß. Sexy.” zu sein.
Der Anfang war aufgrund des angenehmen Schreibstils noch vielversprechend. Allerdings erwies sich die Geschichte als alles andere als romantisch. Die Triggerwarnung am Anfang wies auf Gewaltdarstellungen hin, das Buch muss also auf seine Sensibilität geprüft worden sein. Leider wurden dabei zahlreiche kritische Punkte übersehen. Es wäre vertretbar gewesen, wenn diese Punkte einen ästhetischen Nutzen gehabt hätten oder einen anderen Sinn und Zweck erfüllt hätten. Doch stattdessen wurden Dinge wie Bodyshaming, Sexting MIT Bildern und schädliches Verhalten innerhalb der Beziehung von Conor und Ava unkommentiert dargestellt und sogar romantisiert. Wenn Connor der Auffassung ist, dass Ava ihren kurzen Schulrock trägt, um ihn zu „provozieren“, frage ich mich, um welchen Preis der Roman “intensiv” sein soll.
Das Trauma der Mutter und die damit verbundene Belastung hätten der Geschichte eine Tiefe verleihen können, die ich nicht einmal von einem Romance-Roman erwartet hätte. Connor zeigte allerdings subtil sein wahres Ich im Umgang mit dem Trauma. Ich glaube jedoch nicht, dass die Autorin ihn tatsächlich als besitzergreifenden und egoistischen Partner darstellen wollte. Vielmehr scheint sie gedacht zu haben, dass dies der Zielgruppe junger Mädchen gefallen würde. Der erzählerische Perspektivwechsel hätte ebenfalls viel Potenzial gehabt, aber leider wurde er falsch genutzt. Als Ava sich trotz ihrer sozialen Ängste dazu entscheidet, sich aufgrund ihrer „Liebe” zu Connor einer High-School-Veranstaltung anzuschließen, wird dies von Connor auf eine unempathische Weise erzählt. Trotz seiner innigen Liebesschwüre zeigt er gegen Ende wenig Verständnis, wenn Ava Sorgen hat, die nichts mit seiner Basketballkarriere zu tun haben.
Auch Avas Verhalten ist an vielen Stellen sehr fragwürdig und es entwickelt sich das, was man heute als toxische On-Off-Beziehung bezeichnen würde. Mehr belastend als bittersüß kann ich dieses Buch eigentlich niemandem empfehlen, da ich es sehr bedenklich finde, was hier als romantische und erotische Unterhaltung verkauft wird.

Bewertung vom 30.08.2023
In Deeper Waters
Lukens, F. T.

In Deeper Waters


ausgezeichnet

Endlich ist Tal an der Reihe: Wie seine drei Geschwister zuvor, bricht auch er mit dem Schiff zu seiner Coming-of-Age-Reise auf. Für ihn ist dieser Aufbruch besonders, da er aufgrund seiner Magie zuvor im Schloss abgeschirmt wurde. Seine Magie ist eng mit seinem Urgroßvater verbunden, der damit Angst und Schrecken verbreitet hat. Tal soll seine Magie weiterhin geheimhalten. Als das Schiff den jungen Athlen aus einem Wrack birgt, entdeckt Tal eine ganz andere Art der Magie - die Magie der Anziehung. Doch bevor etwas geschehen kann, verschwindet Athlen bereits, und Tal begegnet ihm erst nach seiner eigenen Entführung wieder. Dabei stellt er fest, dass auch Athlen alles andere als gewöhnlich ist. Ihrer aufblühenden Romanze stehen weit mehr Hindernisse im Weg, als Tal ahnt. Während er seine eigene Magie und die vielen Feinde seiner Familie als größte Hindernisse betrachtet, hat auch Athlen seine eigenen Probleme zu bewältigen.
Der Rahmen der abenteuerlichen Schiffsreise verleiht der Geschichte einen Hauch von klassischen Abenteuer, ohne veraltet zu wirken. Die jungen Charaktere sind modern und unterhaltsam gestaltet, insbesondere Athlen erweist sich als interessante und mystische Schlüsselfigur. Die Kombination von Queerness und magischen Elementen bringt die abenteuerliche Seefahrt aus dem männlich geprägten Bild heraus, ohne den Flair zu zerstören. Es zeigt, dass es sich lohnt, alte Muster zu überdenken, und dass Veränderungen Traditionen nicht zerstören, sondern bereichern können und einem breiteren Publikum schmackhaft gemacht werden können. Die Liebesgeschichte entwickelt sich langsam und beginnt mit einer Freundschaft. Dabei werden keine kitschigen Klischees bedient. Tal und Athlen handeln stets vernünftig und vergessen die Gefahren um sie herum nicht. Ein möglicher Kritikpunkt ist die Undurchdringlichkeit der magischen Welt. Es werden viele Wesen, Verstrickungen und Regeln eingeführt, wodurch man leicht durcheinander kommen kann. Erst spät begreift man, warum gerade Tals Magie ein Problem darstellt. Da man lange Zeit nicht weiß, wem man vertrauen kann, fiebert man bis zum Ende mit und wird vollständig von der Verschwörung eingenommen. Ein zweiter Teil, der genauso magisch, unterhaltsam und emotional ist, wäre großartig, denn man taucht gerne in diese Welt ein.

Bewertung vom 30.08.2023
Wenn Magie erwacht / Twisted Fate Bd.1
Iosivoni, Bianca

Wenn Magie erwacht / Twisted Fate Bd.1


sehr gut

"Twisted Fate" bildet den Auftakt einer fesselnden Diologie, deren Cover eine bezaubernde, feenähnliche blonde Frau ziert – vermutlich eine Darstellung von Faith, der Protagonistin. Das Cover strahlt eine Aura von Magie und Geheimnis aus, indem es ihr Gesicht verbirgt und somit Raum für individuelle Vorstellungen beim Lesen lässt.

Faith und ihr älterer Bruder werden gleichzeitig für ein Studium an der University of Dundee in Schottland aufgenommen und hoffen auf ein "normales" Studierendenleben. Unverhofft holt ihre magische Vergangenheit die Geschwister ein, und sie finden sich in einem Strudel aus Magie, Geschichte und zunehmend komplexen Situationen wieder. Dabei enthüllt sich, dass sie nicht die Einzigen sind, die über rätselhafte Fähigkeiten verfügen.

Die Erzählung präsentiert den Lesenden viele kleine und größere Rätsel. Eine ausführliche Zusammenfassung würde daher die Spannung mindern, da die vielen Puzzleteile zum Gesamtbild führen und so eine Atmosphäre von Geheimnissen und Gefahren aufbauen. Dazu trägt auch die gelungene Umgebungsbeschreibung ein, die Uni in Schottland wirkt wie der ideale Schauplatz.

Während der Geschichte begegnen wir einer Fülle neuer Ideen, jedoch tauchen auch einige Klischees aus dem Romantasy-Genre auf. Die magische Welt ist einfallsreich und sinnvoll gestaltet, obwohl gelegentlich Fragen zur Logik der Kräfte aufkommen könnten, die sich meiner Meinung nach teilweise aufheben. In Faiths Leben treten zwei männliche Figuren auf, die den gängigen Stereotypen entsprechen: der geheimnisvolle Held aus der Vergangenheit und der freche Frauenschwarm mit verborgener Güte. Trotzdem ist nicht vorhersehbar, wohin ihr Liebesleben führt.

Umso mehr freue ich mich auf den zweiten Teil, vor allem auf Antworten zu einigen Fragen, die noch offen sind.

Bewertung vom 30.08.2023
Hani & Ishu: Fake-Dating leicht gemacht
Jaigirdar, Adiba

Hani & Ishu: Fake-Dating leicht gemacht


gut

Humairi führt ein Doppelleben: Als Maira lebt sie angepasst an ihre weißen Freundinnen ein westliches Leben, während sie als Hani zuhause regelmäßig betet, den Koran liest und fest in der bengalischen Community verwurzelt ist. Das Leben wird noch komplizierter, als sie einfach behauptet, mit Ishita zusammen zu sein - einer ebenfalls bengalischen Mitschülerin. Auf den ersten Blick scheinen die beiden nichts gemeinsam zu haben, denn Humaira ist beliebt, während Ishita als strebsame Einzelkämpferin gilt. Da Humairas 'beste' Freundinnen ihre Bisexualität nicht wahrhaben wollen, entwickeln sie einen Plan für ein Fake-Dating, der auch Ishita Vorteile verspricht.

Obwohl Fake-Dating als Konzept normalerweise weit hergeholt klingt, wird es hier plausibel eingeführt, und der Perspektivwechsel mit jedem Kapitel ermöglicht es, uns sowohl in Hani als auch in Ishu reinzuversetzen.

Beiden begegnet Rassismus, und Ishita steht zusätzlich unter dem Leistungsruck ihrer Eltern. Zudem hat Humaira mit zwei "Freundinnen" zu kämpfen, die diese Bezeichnung gar nicht verdienen. Diese Charaktere nehmen definitiv zu viel Raum in der Handlung ein. Sie sind so offensichtlich toxisch und unempathisch, dass es beim Lesen schmerzt. Ihre Rolle als Antagonistinnen ist dermaßen überspitzt, dass man sich als Leser*in fragt, ob die Autorin dachte, man würde es sonst nicht verstehen - ohne damit die Rassismuserfahrungen zu meinen, die Humairi durch die beiden erfährt, diese will ich nicht in Frage stellen. Den Lesenden hätte im Verständnis für den zwischenmenschlichen Bereich jedoch mehr zugetraut werden können und die beiden hätten nicht so offensichtlich als “die Bösen” dargestellt werden müssen, denn dadurch verschwimmt leider der Fokus von Ishita und Hani häufig aufgrund der unangenehmen Begegnungen mit diesen "Freundinnen". So fühlt man sich nur frustriert über die beiden und die Dynamik ihrer Freundschaft. Die Familienmitglieder hingegen sind gelungene Figuren, und es wäre großartig gewesen, mehr über Ishitas große Schwester Nikita zu erfahren. Es war ebenfalls interessant, mehr über die bengalischen Communities in Irland zu lernen, insbesondere über ihre Diversität.

Wer also keine Probleme hat, die belastende Freundschaftssituation auszuhalten und Interesse an einem Plot mit Fake-Dating in einer queeren Lovestory hat, wird mit dem Roman auf jeden Fall fündig.

Bewertung vom 30.08.2023
Was Wanda will
Hach, Lena

Was Wanda will


ausgezeichnet

An ihrem ersten Tag an der neuen Schule beobachtet Wanda ihre Mitschüler*innen besonders aufmerksam. Doch ihr Ziel ist nicht, neue Freunde zu finden; vielmehr sucht sie gezielt nach Personen, die in ihr Vorhaben passen. Sie hat bereits einen gut durchdachten Plan, aber ihr fehlt noch das passende Team, um ihn umzusetzen. Schnell freundet sie sich mit einem cleveren Jungen an, der sich selbst "der Meister" nennt. Glücklicherweise kennt er die Schullandschaft und ihre Strukturen genau und unterstützt Wanda dabei, die übrigen Teammitglieder zu rekrutieren. Zu diesen zählt Lynn, eine begabte handwerkliche Künstlerin, ihr Schatten Schulze, der stets im Hintergrund agiert, der sportliche Kai sowie Desiree, die eher für ihr Agressionsproblem bekannt ist, in der Wanda jedoch Potenzial sieht. Wanda sorgt dafür, dass die Gruppe sich formiert, bevor irgendjemand auch nur ansatzweise von ihrem Plan erfährt: Sie will gemeinsam einen handsignierten Tennisball im Wert von 30.000 Euro aus der Villa am Stadtpark stehlen. Obwohl die auserwählten Mitglieder im Schulalltag wenig miteinander zu tun haben, überzeugt Wandas Plan sie, bei dem gewagten Vorhaben mitzumachen. Als kluge Strategin kennt sie die Abläufe des Villeninhabers genau und glaubt, für jedes auftretende Problem eine Lösung parat zu haben, aber auch ihr Plan hat Lücken…

Beim Lesen gewinnt man fast den Eindruck, dass Wandas Plan tatsächlich Sinn ergibt. Die Strategie klingt logisch und wird durch anschauliche Illustrationen unterstützt. Doch letztlich trägt die Geschichte die besondere Dynamik des Teams: Ein sonst mobbender Sportler trifft auf seine "Opfer", und eine aktivistische Künstlerin muss ihre eigene Blase verlassen. Gerade diese Zusammensetzung verleiht dem Buch eine besondere Note, denn allein der durchdachte Einbruchsplan würde keine so fesselnde Handlung ergeben. Die Mitglieder des Teams lernen nicht nur voneinander, sondern auch über sich selbst und ihre eigenen verborgenen Fähigkeiten. Die Spannung steigt, als sich unerwartete Herausforderungen in den Plan einschleichen. Bis zum Schluss bleibt unklar, ob es diesem ungewöhnlichen Team tatsächlich gelingen wird. Als Leser*in wird man stets überrascht. Vor allem wird die Lust auf Abenteuer geweckt, und man möchte am liebsten selbst einen aufregenden Plan aushecken - auch wenn es nicht unbedingt ein Einbruch sein muss.

Bewertung vom 03.08.2023
Das Summen unter der Haut
Lohse, Stephan

Das Summen unter der Haut


ausgezeichnet

Julle ist 14 und so verliebt, wie man nur mit 14 sein kann, nämlich direkt und ganz heimlich. Heimlich allerdings auch, weil er schwul ist und in den 70ern 14 und verliebt ist. So freundet er sich mit Alex, dem Neuen in der Klasse, erst mal an und zählt die Stunden, die sie sich kennen. Verliebt wie er ist, folgt Julle Alex in den Wald zu einer verbrannten Hütte und die beiden versuchen zu rekonstruieren, was passiert ist. Ein Abenteuer, das verbindet und Julle lernt viel über Alex' Leben, über sich selbst und den Wert wahrer Freundschaften.

Die Geschichte entfaltet sich vor dem Hintergrund eines sommerlichen Settings und veranschaulicht, wie viel eine kurze Begegnung in einem Teenagerleben bedeuten kann. Die nostalgische Atmosphäre der 70er Jahre wird so gekonnt eingefangen, dass man sich fast in diese Zeit zurückversetzt fühlt, ohne sie selbst erlebt zu haben. Man spürt die Aufregung des Lebens ohne Smartphone und Internet, die damalige gesellschaftliche Rolle von Sexualität und die universellen Themen, die Jugendliche sowohl damals als auch heute beschäftigen. Der Roman schafft so eine wunderbare Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart und appelliert an Gefühle, die wir alle irgendwo kennen: die sommerliche Leichtigkeit, das Gefühl des Verliebtseins und die Sorgen, die Jugendliche in einer Welt voller Erwachsener plagen. Dabei ist die Erzählung einfühlsam und gleichzeitig humorvoll geschrieben, was sie zu einem abgerundeten Sommerroman macht, den man an einem Nachmittag verschlingen kann.

Bewertung vom 02.08.2023
Missing in Paris - Wo ist Nina?
Meijer, Cis

Missing in Paris - Wo ist Nina?


sehr gut

Obwohl Lotte eine enge Beziehung zu ihrer älteren Schwester Nina hat, haben sie für Ninas Aufenthalt in Paris, wo Nina versucht, sich als Model zu etablieren, eine Vereinbarung getroffen: Nur eine Postkarte pro Woche von Nina, ohne ihre genaue Adresse und ohne weitere Telefonate. Umso aufmerksamer liest Lotte eben jene Postkarten und ist sich bei der letzten sicher, dass etwas nicht stimmt. Wieso sollte Nina die Mutter grüßen, die sie vor langer Zeit verlassen hat? Ihr Vater begleitet Lotte nach Paris, möchte aber von ihren "Hirngespinsten" nichts mitbekommen. Lotte ist erstmal auf sich allein gestellt. Allerdings übernachten sie bei einer alten Freundin des Vaters, deren gleichaltriger Sohn Jean-Paul sie in Paris herumführen soll. Wenn er nicht gerade Lottes Pläne, ihre Schwester zu finden, stört, lässt er ihr Herz sogar ein wenig höher schlagen.

Der Thriller überzeugt vor allem durch sein Ende, weswegen sich die gesamte Lektüre lohnt. Die erste Hälfte lässt das gelungene Ende noch nicht unbedingt erahnen, denn dort fügt sich alles etwas zu einfach für Lotte zusammen. Sie landet genau zur richtigen Zeit an den richtigen Orten, lernt wichtige Kontakte ohne Probleme kennen und vertraut sogar einem übernatürlichen Hellseher. Da am Ende alles Sinn ergibt und bis dahin offen bleibt, ob und was passiert ist, verzeiht man die kleinen Schwächen. Gelungen sind auch die zwischenmenschlichen Beziehungen, seien es die komplizierten Familienverhältnisse bei Lotte und Nina, das Misstrauen gegenüber der französischen Gastgeberin oder die sich anbahnende Romanze zwischen Jean-Paul und Lotte, die genau das richtige Maß in der Geschichte einnimmt.
Der Thriller ist eher psychologisch betrachtet nervenaufreibend; er kommt ohne spezifische Gewaltdarstellung aus und schafft es dennoch, die Leser*innen mit jeder Seite tiefer in ein Netz aus düsteren Geheimnissen und unvorhersehbaren Wendungen zu ziehen, bis das atemlose Finale alles enthüllt.

Bewertung vom 03.07.2023
Koller (eBook, ePUB)
Büsing, Annika

Koller (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Ein Roadtrip, der viele Fragen aufwirft

Chris lernt Koller kennen und noch bevor er sich sicher ist, ob Koller sein richtiger Name ist, erleben die beiden innerhalb einer Woche mehr zusammen als andere in jahrelangen Beziehungen. Ursprünglich war der Plan, an die Ostsee zu fahren, Koller erwähnt beiläufig seine Verbindung zu dem Ort. Dass der Ausflug einen Einblick in seine Kindheit bietet und noch weitere private Details enthüllen wird, ahnen beide nicht. Schnell wird Chris klar, warum Koller so ist, wie er eben ist. Während Chris aufgrund seiner distanzierten Mutter eher rational handelt, macht Koller seinem Namen alle Ehre und zeigt offen seine Emotionen. Obwohl zwei verschiedene Welten aufeinander treffen, passt es irgendwie, wenn auch vielleicht nicht für immer, zumindest für diesen ausgedehnten Roadtrip.
Als Leser*in kann man sich genauso wenig der mitreißenden Art von Koller entziehen wie Chris. Obwohl man spürt, dass ein Leben mit ihm alles andere als stressfrei sein kann, bleibt man gefesselt. Was als unscheinbare Begegnung beginnt, entfaltet sich wie der Schmetterlingseffekt zu etwas Großem und wirft viele Fragen über das Leben auf. Besonders gelungen ist, dass diese Fragen nicht nur aus der Perspektive einer einzelnen Generation gestellt werden, sondern auch andere Altersgruppen einbezogen werden. Ungewöhnlicherweise wird der Fokus an einer Stelle auf die Geschichte von Kollers verstorbener Großmutter gelegt, obwohl sie in der erzählten Gegenwart nicht mehr lebt. Auch Chris eigene Vergangenheit kommt nicht zu kurz und wir erfahren, wie seine wissenschaftlich engagierte Mutter überhaupt zu einem Kind gekommen ist. Während wir als Leser viele Einblicke erhalten, scheinen Koller und Chris kaum ernsthafte Gespräche zu führen, die nicht ausarten. Das macht ihre Beziehung, sofern man sie als solche bezeichnen kann, nicht unbedingt plausibel. Dennoch ist die Dynamik zwischen den beiden Hauptfiguren für den Roadtrip entscheidend und treibt einen zum Weiterlesen. Spannend ist auch die Einbeziehung der Hochwasserkatastrophe von 2021, die sich zu den vielen persönlichen Katastrophen im Leben der beiden dazu gesellt. Der direkte Stil passt wunderbar zu den beiden und man schließt diese Gegenpole doch sehr ins Herz.

Bewertung vom 14.06.2023
Unten
Ilisch, Maja

Unten


ausgezeichnet

Wer auf Netflix den zur Coronazeit populären Film “Der Schacht” geguckt hat, erinnert sich: Denen in den oberen Etagen geht es gut, je weiter unten man ist, destwo tiefer ist man auch in der Nahrungskette. Wesentlich besser und tiefgründiger hat Maja Ilisch dieses dystopische Konzept umgesetzt.
In einem Moment spielt Nevo noch mit ihrer Freundin Juma fangen, im nächsten müssen sie sich aufteilen, denn solche Spiele sieht die Hausverwaltung gar nicht gerne. Da das Etagenhaus die einzige Welt ist, die die Bewohner kennen, hat die Hausverwaltung eine beträchtliche Macht, der die Kinder nicht ausgesetzt sein wollen. Juma versteckt sich im Wäscheschacht, aber als die Wachen weg sind, kann Nevo sie nicht mehr finden. Juma versteckt sich im Wäscheschacht, doch als die Wachen weg sind, findet Nevo sie nicht mehr. Der einzige Weg zu Juma und zur Wahrheit führt nach unten, und Nevo beginnt, das System zu hinterfragen, über das sie zuvor nie nachgedacht hat.
Dieses Buch öffnet eine Welt, die in sich sehr geschlossen ist und eine Gesellschaftskritik verbindet.
Nevo ist ein mutiges 11-Jähriges Mädchen und nach der Beschreibung des Hochhauses zu urteilen, hätten sich nur die wenigsten nach unten getraut.
An sich ging das Konzept immer auf und war gut durchdacht. Nur am Anfang blieb unklar, warum ein so kontrollierendes System überhaupt so etwas wie einen gemeinsamen Wäscheschacht zulässt, der mal eben nach unten führt.Zudem wird eine etwas banale Frage nicht geklärt: Wie wird die Wäsche der vielen Bewohner richtig zugeordnet? Da das Buch einen zum Hinterfragen anregt, bleiben diese Fragen bei der Genauigkeit der Geschichte nicht aus, diese wird dadurch jedoch nicht beeinträchtigt. Am Ende hätte mir noch etwas mehr Aufklärung des Systems gefallen, so bleibt jedoch zumindest die Fantasie angeregt. Eine kreative und spannende Geschichte.

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