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hamburger.lesemaus
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Bargfeld-Stegen

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Insgesamt 464 Bewertungen
Bewertung vom 05.05.2025
Schätte, Lena

Das Schwarz an den Händen meines Vaters (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

DAS SCHWARZ AN DEN HÄNDEN MEINES VATERS
Lena Schätte

„Meine Mutter bringt uns Töchtern Dinge bei. Andere Dinge, als mit geraden Rücken am Esstisch zu sitzen, als Danke und Bitte zu sagen, andere Dinge als ihrem Sohn. Sie bringt uns bei, dass Schnaps Ärger bedeutet. Dass Männer, die Bier trinken, harmlos sind: Sie tanzen und lallen und plaudern private Dinge aus, doch schließlich lassen sie sich ins Bett schubsen und schlafen friedlich ihren Rausch aus. Männer, die Schnaps trinken hingegen, werden aggressiv, suchen Streit, werden von der Polizei nach Hause gebracht oder kommen gar nicht erst Heim.“ S. ( 7)

Motte, die Ich-Erzählerin, wächst mit einem alkoholkranken Vater auf – eine Krankheit, die sich wie ein dunkler Faden durch die Generationen ihrer Familie zieht. Auch sie selbst beginnt als Erwachsene zu trinken, bis sie alles vergisst.
In kurzen, eindringlichen Kapiteln und mit großer sprachlicher Präzision führt uns Lena Schätte durch dieses Familienporträt. Ihr Staccato-Stil lässt uns durch die Seiten fliegen, während sich das Bild einer Kindheit entfaltet, in der Scham, Ausreden und das Schweigen zur Normalität wurden. Motte und ihre Familie entwickeln eine fast professionelle Routine darin, Lügen zu erfinden, Geschichten zu konstruieren, um das Bild des Vaters zu schützen – oder zumindest zu retten, was noch zu retten ist.

„Das Schwarz an den Händen meines Vaters“ ist ein ist ein autofiktionaler Roman. Schätte gelingt es, einen vielschichtigen, authentischen Blick auf das Leben mit einem trinkenden Elternteil zu werfen – und auf das, was davon übrig bleibt, schließlich auch auf den Versuch des Abschiednehmens, als bei ihm Krebs im Endstadium diagnostiziert wird..

Ein ehrliches, bewegendes Buch, das mitten ins Herz trifft. Ich wünsche dem Buch eine große Lerschaft.
5/5

Bewertung vom 05.05.2025
Bär, Matthäus

Drei Wasserschweine wollen's wissen / Die Wasserschwein-Reihe Bd.2


ausgezeichnet

DREI WASSERSCHWEINE WOLLEN’S WISSEN
Matthäus Bär

Grundsätzlich lieben Capybaras – also Wasserschweine – das entspannte Leben: schlafen, fressen, ausruhen, sich noch einmal umdrehen, dann wieder fressen, schlafen oder im Tümpel baden – und zwischendurch noch ein Snack oder ein weiterer Mittagsschlaf ...
Aufregung mögen sie gar nicht.

Doch Emmy, Raul und Tristan sind anders als der Rest der Herde im Zoo. Natürlich schätzen sie das geregelte Essen dort auch – aber ihnen ist es schlichtweg langweilig.
Hinzu kommt, dass sie seit ihrem letzten großen nächtlichen Abenteuer wissen, dass es da draußen – außerhalb ihres Geheges – noch eine ganz andere Welt gibt …

Da kommt es ihnen fast gelegen, dass Raben erzählen, das Flamingogehege sei leer – alle zwanzig Flamingos sind verschwunden.
Diese Nachricht verbreitet sich in Windeseile, und natürlich wollen die drei neugierigen Freunde wissen, was es mit dem dubiosen Flamingo-Verschwinden auf sich hat.
Vielleicht ist es etwas Gruseliges oder Geheimes? Man könnte jedenfalls ein paar Nachforschungen anstellen, denkt sich Wasserschwein Emmy.

Ihr könnt euch sicher denken, dass die drei Wasserschweine ein großartiges Abenteuer erleben.
Und ich würde euch ja zu gerne mehr verraten – aber besser ist es, ihr lest das Buch eurem Kind selbst vor.
Dann erfahrt ihr auch, was es mit den Göttern der Savanne, den Waldrappen und dem Eierdieb auf sich hat.

Ich empfehle euch und euren Kindern ab 5 Jahren dieses liebevoll erzählte Buch – wunderschön und mit Liebe illustriert von Anika Voigt.
5/5

Bewertung vom 03.05.2025
Stern, Anne

Wenn die Tage länger werden


ausgezeichnet

WENN DIE TAGE LÄNGER WERDEN
Anne Stern

Drei lange Wochen liegen vor Lisa. Ihr sechsjähriger Sohn Paul reist mit seinem Vater zu den Großeltern nach Polen – und Lisa bleibt allein zurück. Ohne Freundeskreis oder feste soziale Kontakte weiß sie wenig mit sich anzufangen. Auch das Verhältnis zu ihrer Mutter Barbara ist seit jeher schwierig: Schon als Kind wurde Lisa mit Schweigen und Unverständnis konfrontiert. Fragen blieben unbeantwortet, ein unsichtbarer Schleier hing stets zwischen ihnen.

Gefördert wurde Lisa dennoch – musikalisch. Klavier- und Geigenstunden bestimmten ihre Kindheit. Als talentierte Geigerin gewann sie Wettbewerbe und wurde früh von der Jugendförderung entdeckt. Ihr musikalisches Talent, so hieß es, habe sie vom Großvater geerbt – ebenso wie seine Geige. Doch ihn lernte sie nie kennen. Nur ein altes Foto blieb: ein Bild, das ihn in SS-Uniform zeigt.

Lisas Wunsch, mit ihrer Mutter über dessen Vergangenheit zu sprechen, wurde stets abgeblockt.

Nach Pauls Abreise nimmt Lisa die alte, verstaubte Geige wieder zur Hand – zum ersten Mal seit ihrer Pubertät, als sie das Instrument enttäuscht und trotzig verbannt hatte. Doch die Geige ist beschädigt. Auf der Suche nach einer Reparatur stößt sie auf einen Geigenbauer – und mit ihm auf eine Wahrheit, die sie tief in die Vergangenheit führt. In eine Zeit, die mit Schuld, Verlust und verdrängten Geschichten verknüpft ist.

Was als leise, zarte Geschichte beginnt, entwickelt sich zu einem bewegenden Roman über Identität, familiäre Prägung und die dunklen Kapitel der deutschen Geschichte. Gemeinsam mit @filipine gelesen, konnten wir das Buch kaum noch aus der Hand legen.

Besonders beeindruckt hat mich der poetische, bildhafte Stil, der nicht nur die Natur, sondern auch die inneren Welten der Figuren eindrucksvoll beschreibt.

Ein stilles, tiefgründiges Buch über das Suchen und Verstehen – und über die Zwangsverkäufe jüdischen Eigentums in der NS-Zeit.

Für alle, die literarisch ruhige, aber inhaltlich kraftvolle Geschichten mögen, eine klare Empfehlung.
4½/5

Bewertung vom 27.04.2025
Bilkau, Kristine

Halbinsel


ausgezeichnet

„Eine Generation übermässig fürsorglicher Eltern hat eine Generation von jungen Erwachsenen herangezogen, die nicht in der Lage sind, Krisen auszuhalten.“ (S.214)

HALBINSEL
Kristine Bilkau

Ich muss es einfach sagen: Kristine Bilkaus Vorgängerroman Daheim hatte mich damals nicht überzeugt. Umso glücklicher bin ich, dass ich diesmal auf eure Empfehlungen gehört und ihrem neuen Buch eine Chance gegeben habe.

Und was soll ich sagen?
DIESES BUCH IST EIN ECHTES HIGHLIGHT!

Es geht ums Erwachsenwerden, ums Loslassen – und um uns Mütter, die so viel für ihre Kinder wollen. Wir wünschen ihnen ein besseres Leben, investieren all unsere Kraft und verzichten still und leise.

Aber was passiert, wenn das Kind nach einem erfolgreichen Studium plötzlich nicht mehr in die Welt hinausstrebt?

Annett, 49 Jahre alt und Bibliothekarin, lebt auf einer kleinen Halbinsel bei Husum. Nach dem frühen Tod ihres Mannes hat sie ihre Tochter Linn allein großgezogen. Nun ist Linn erwachsen, das Studium abgeschlossen, der erste Job gefunden: Sie arbeitet für ein Unternehmen, das CO₂-Kompensationsprojekte verkauft, und engagiert sich voller Idealismus für den Umweltschutz.

Annett, die sich weniger gebraucht fühlt, beginnt unterdessen, an ihrem Leben auf der Halbinsel zu zweifeln. Soll sie ihr Haus verkaufen und noch einmal in einer Stadt ganz von vorn anfangen?

Doch plötzlich wird alles anders. Eine Klinik ruft an: Linn ist während eines Vortrags zusammengebrochen.
Annett reist zu ihr – und bald kehrt Linn zur Erholung auf die Halbinsel zurück. Was als kurzer Aufenthalt geplant war, wird zu einem langen Stillstand. Linn fühlt sich ausgebrannt, unfähig, in ihr altes Leben zurückzukehren.

Zwischen Mutter und Tochter entstehen Spannungen: Frustration, Sprachlosigkeit – und das unausgesprochene Drama einer Generation, die trotz aller Liebe aneinander vorbeilebt.

Halbinsel ist ein stilles, kluges Buch. Ohne Zorn, ohne Anklage – aber mit einer Kraft, die lange nachhallt.
Diverse Male habe ich mich in Annett erkannt.

Verdient ausgezeichnet mit dem Preis der Leipziger Buchmesse 2025 – herzlichen Glückwunsch, Kristine Bilkau! 💫
5+/5

Bewertung vom 23.04.2025
Armstrong, Tammy

Pearly Everlasting


ausgezeichnet

PEARLY EVERLASTING
Tammy Armstrong

Kennt ihr das auch?
Ihr klappt ein Buch zu – und da ist dieses warme Gefühl im Bauch. Das Ende war großartig, die Geschichte hat euch voll erwischt und die kleine Träne im Augenwinkel ist noch nicht ganz getrocknet.

New Brunswick, 1918.
Pearly Everlasting wächst als Tochter des Kochs in einem abgelegenen Holzfällercamp in Kanada auf. In derselben Woche, in der Pearly geboren wird, bringt ihr Vater ein verwaistes Schwarzbärenjunges mit nach Hause. Es wird von Pearlys Mutter mitgestillt und gehört von da an zur Familie.

Das Leben in einem Camp dieser Zeit ist hart – gefährlich, entbehrungsreich und geprägt von langen, bitterkalten Wintern. Viele Arbeiter verletzen sich, doch Pearlys Mutter ist eine Heilerin und wird von den Männern im Camp geschätzt. Pearly und ihr tierischer Bruder Bruno – der kleine Bär – wachsen zusammen auf. Bruno bleibt kleiner als andere Bären, ist verspielt und immer auf der Suche nach etwas zu fressen.

Als die beiden 15 Jahre alt sind, übernimmt ein neuer, harter Vorarbeiter das Camp. Er ist von Anfang an gegen den Bären – und verkauft ihn heimlich. Doch Pearly hat Glück: Die Männer des Camps stehen hinter ihr und Bruno. Doch dann geschieht etwas Schreckliches – ein Mensch stirbt, und alles deutet darauf hin, dass ein Bär dahintersteckt ...

Wie es mit Pearly und Bruno weitergeht, müsst ihr selbst lesen.

Tammy Armstrong hat sich bei dieser fiktiven Geschichte von einer wahren Begebenheit inspirieren lassen: Im Winter 1903 fotografierte der Naturfotograf William Lyman Underwood eine Frau, die gleichzeitig ihr Baby und ein Bärenjunges stillte.

Die Geschichte ist einfach wundervoll! Der feine, leichte Schreibstil hat mich regelrecht durch die Seiten getragen. Ich habe mit Pearly gezittert, gehofft und gelitten.

Meine Empfehlung: Lest dieses Buch. Es ist etwas ganz Besonderes.

Fazit:
Ein großartiges Buch – und ich will jetzt auch so einen Bären!
5/5

Bewertung vom 23.04.2025
Suter, Martin

Wut und Liebe


ausgezeichnet

WUT UND LIEBE
Martin Suter

Camille hat es satt, die ewige Muse und Versorgerin eines erfolglosen Künstlers zu sein. Ihren verhassten Job in der Buchhaltung will sie endlich hinter sich lassen – sie sehnt sich nach einem Leben, in dem sie selbst umsorgt wird.
Und so verlässt sie Noah mit den Worten:
„Ich liebe dich – aber ich hasse unser Leben.“

Noah ist am Boden zerstört. Er hatte alles auf die bevorstehende Vernissage gesetzt, in der Hoffnung, endlich einige Bilder zu verkaufen und zum gemeinsamen Lebensunterhalt beizutragen. Doch Camille konnte – oder wollte – nicht länger warten.

Er zieht sich in sein Atelier zurück, malt sie obsessiv in endlosen Variationen, als wollte er sie durch seine Kunst festhalten.

Eines Tages, mitten am Nachmittag, verirrt er sich in eine Kneipe – dort trifft er auf Betty. Eine ältere Dame mit müden Augen und einem Glas zu viel in der Hand. Auch sie trägt Trauer: Ihr Mann starb vor drei Jahren – nach dem dritten Herzinfarkt.
Er hatte sich im Büro buchstäblich zu Tode gearbeitet.

Was als zufällige Begegnung beginnt, wird schnell zu einem Pakt zwischen zwei Gestrandeten.
Betty, die Frau mit dem gebrochenen Herzen, macht ihm ein Angebot, das sein Leben – und das eines anderen – für immer verändern könnte.

Eine fein gezeichnete Erzählung über Schein und Sein, über verlorene Liebe – und die dunklen Wege, auf denen Menschen zu Geld und Trost gelangen. Zwischen Atelier und Abgrund erzählt Martin Suter eine Geschichte, in der nichts ist, wie es scheint. Poetisch, bitter und voller leiser Dramatik.

„Wut und Liebe“ ist ein leiser Schlag ins Herz – und ein Plädoyer, hinter die Fassade zu blicken.

Große Leseempfehlung
5/5

Bewertung vom 22.04.2025
Dobell, Darcy

Die Welt der Haie


ausgezeichnet

DIE WELT DER HAIE - Lerne die faszinierenden Lebewesen der Ozeane kennen.
Darcy Dobell
Illustration Becky Thorns

Wusstest du, dass Haie schon lange vor den Dinosauriern durch die Meere geschwommen sind?
Einige von ihnen sind riesig, andere so winzig, dass sie in eine Hand passen. Manche Haie sind scheu und zurückhaltend, andere neugierig oder sogar angriffslustig. Sie leben in tropisch warmen Gewässern oder in eiskalten Tiefen, durchqueren ganze Ozeane oder vergraben sich im Meeresboden. Hochseehaie, Tiefseehaie – die Welt der Haie ist unglaublich vielfältig.

Noch immer sind längst nicht alle Haiarten erforscht, doch täglich entdecken Wissenschaftler neue, faszinierende Fakten über sie.

In diesem Buch lernst du viele verschiedene Haiarten kennen – ihren Lebensraum, ihr ganz eigenes Jagdverhalten, ihren besonderen Körperbau und vieles mehr.
Ich war wirklich erstaunt, wie viel Neues ich erfahren habe!
Wusstest du zum Beispiel, dass Haie über sieben Sinne verfügen? Neben Hören, Sehen, Riechen, Tasten und Schmecken können sie auch elektrische Felder und Magnetismus wahrnehmen sowie feinste Wasserbewegungen spüren – beeindruckend, oder?

Ihr Skelett besteht übrigens nicht aus Knochen, sondern aus Knorpel – genau wie deine Nase.
Und auch beim Fressen sind Haie wahre Spezialisten: Während manche aktiv andere Fische jagen, gleiten andere mit geöffnetem Maul durchs Wasser und filtern dabei Plankton, kleine Fische und Tintenfische heraus. Das Wasser strömt durch die Kiemen wieder hinaus – ein genialer Mechanismus!

Ach ja – und der weiße Hai? Der kann nach einer ausgiebigen Mahlzeit tatsächlich bis zu einem Monat lang durchs Meer schwimmen, ohne erneut fressen zu müssen.

Ich hoffe, ich konnte euch neugierig machen auf dieses großartige Buch.
Von mir gibt es eine ganz klare Leseempfehlung – ideal für Kinder ab 5 Jahren!
5/5

Bewertung vom 19.04.2025
Hagena, Katharina

Flusslinien


sehr gut

FLUSSLINIEN
Katharina Hagena

„Alt sein ist oft wie Kind sein, bloß ohne dabei noch irgendwen zu entzücken.“ (S. 24)

Die 102-jährige Margrit Raven lebt in einer Seniorenresidenz direkt an der Elbe. Sie weiß, dass ihre Zeit bald abläuft – und begegnet dieser Tatsache mit einem feinen Sinn für Humor. Während ihr Körper dem Alter unterliegt, ist ihr Geist jung geblieben. Täglich besucht sie den Römischen Garten, den einst Else Hoffa, die Geliebte ihrer Mutter, angelegt hat. Hier erinnert sie sich an ihr bewegtes Leben, an ihre Mutter, die beim Bombenangriff auf Hamburg-Altona ums Leben kam, an vergangene Lieben und an ihre Familie.
Regelmäßig bekommt sie Besuch von ihrer Enkelin Luzie. Margrit liebt die 18-Jährige sehr, auch wenn ihr Herz schwer ist: Luzie hat gerade die Schule abgebrochen. Eigentlich wollte diese ihre letzten Schuljahre bei ihrem Vater in Australien beenden – doch ein Vorfall zwang sie zur vorzeitigen Rückkehr. Und ein weiterer hinderte sie daran, in ihrer alten Schule das Abitur wieder aufzunehmen. Nun möchte Luzie Tätowiererin werden – und findet in ihrer Großmutter eine Unterstützerin. Das ist doppelt praktisch, denn Luzie hat derzeit kein festes Zuhause und kann die Zeit so bei ihr verbringen.

In der Residenz trifft Luzie auf Arthur, den jungen Fahrer des Hauses. Auch er trägt schwer an seiner Vergangenheit. Einst war er begeisterter Taucher – gemeinsam mit seinem Zwillingsbruder. Die beiden waren unzertrennlich, entwickelten sogar gemeinsam Fantasiesprachen, die sie an die Medienwelt verkauften. Doch ihre innige Verbindung wurde ihnen zum Verhängnis.

Drei Menschen, drei Schicksale – alle auf der Suche nach Halt, damit sie nicht von der Strömung ihrer Gefühle mitgerissen werden.

Katharina Hagens Figuren könnten unterschiedlicher kaum sein – und gerade diese Gegensätze machen Flusslinien so vielschichtig. In ruhigem Tempo entfaltet sich nach und nach das Schicksal jeder Hauptfigur, bis sich am Ende ein stimmiges Gesamtbild ergibt. Nicht alles wird dabei vollständig aufgeklärt – etwa bleibt Luzies Mutter eher blass im Hintergrund. Besonders berührt hat mich jedoch der historische Teil rund um Margrits Mutter und deren Geliebte Else Hoffa – diese Geschichte ist atmosphärisch dicht und mitreißend erzählt.

Flusslinien ist ein stilles, poetisches Buch mit kleineren Längen, das mich als Hamburger und Elbeliebhaberin dennoch überzeugt hat.
4/5

Bewertung vom 13.04.2025
Carr, Garrett

Der Junge aus dem Meer


ausgezeichnet

DER JUNGE AUS DEM MEER
Garrett Carr

"Ach, da bin ich wieder!"
Bis eben war ich noch an der irischen Küste, wo mir die salzige Seeluft um die Nase wehte. Ich durfte auf kleinen Schiffskuttern und riesigen Trawlern mitfahren, habe gefischt und dem Seemannsgarn der Crew gelauscht.

Habt ihr das Buch schon gelesen?
Es erzählt die Geschichte eines Jungen, der 1973 als Baby in einer Tonne am Strand gefunden wurde. Anfangs kümmerte sich das ganze Fischerdorf abwechselnd um den Säugling, bis er schließlich bei dem Fischer Ambrose und seiner Frau Christine ein Zuhause fand. Ihr eigener Sohn Declan war damals erst zwei Jahre alt – und rebellierte von Anfang an gegen das neue Familienmitglied. Doch das Ehepaar schloss Brandon ins Herz und liebte ihn wie einen eigenen Sohn.

Das Leben der Fischer in Dublin ist hart: Fangquoten, schwindende Fischbestände und hohe Kredite bestimmen ihren Alltag.
Garrett Carr hat das Leben dieser irischen Fischerfamilie meisterhaft eingefangen. Sein Roman ist atmosphärisch dicht und hat mir den rauen Seegang beinahe bis ins Wohnzimmer gebracht. Ich habe das Buch in nur zweieinhalb Tagen verschlungen – nur einmal konnte mich ein gutes Fischfilet vom Lesen abhalten.

Was noch passiert? Am besten lasst ihr euch einfach selbst nach Dublin treiben – ich bin nur traurig, dass meine Zeit dort schon vorbei ist.

Große Leseempfehlung
5/5

Bewertung vom 10.04.2025
Schmidt, Joachim B.

Ósmann


ausgezeichnet

ÓSMANN
Joachim B. Schmidt

Jón Magnússon, von allen nur Ósmann genannt, ist der Mann, der Menschen und Vieh mithilfe seiner Seilwinde über die Gewässer des Skagafjords bringt. Er ist Fährmann, ein Bär von einem Mann – Robbenjäger, Trinker und Poet zugleich.

In vielen Kapiteln erfahren wir von seinem Leben, das Ende des 19. Jahrhunderts alles andere als leicht war. Viele Menschen wanderten damals nach Amerika oder Kanada aus, die Kindersterblichkeit war hoch, Hunger und lange, harte Winter forderten ihren Tribut.
Wir begleiten unseren Protagonisten über fünf Jahrzehnte hinweg – nicht immer chronologisch – in seine Hütte direkt am Ufer des Ós, im hohen Norden Islands. Gemeinsam essen wir Gammelhai und Robbenfleisch, lernen seine Freunde, seine Familie und seine Söhne kennen, denen es leider nicht bestimmt war, lange zu bleiben.

Ósmann muss man einfach mögen: Auch wenn er oft wortkarg ist, heißt er jeden in seiner Hütte willkommen, teilt Schnaps und geräucherten Fisch großzügig aus – und manchmal auch sein Herz. Für mich war es ein gelungener Ausflug nach Island.

Joachim B. Schmidt verwebt in seinem neuesten Buch die Geschichte des 1914 verstorbenen Fährmanns Jón Magnússon mit fiktiven Elementen. Die Atmosphäre des Romans ist stellenweise düster – was jedoch perfekt zur rauen isländischen Kulisse passt und die Geschichte umso glaubhafter wirken lässt.
Wer Lust auf eine außergewöhnliche Geschichte in einem ganz besonderen Schreibstil hat, dem lege ich dieses Buch wärmstens ans Herz.
5/5