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Frankfurt

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Insgesamt 774 Bewertungen
Bewertung vom 18.03.2025
Die Fletchers von Long Island
Brodesser-Akner, Taffy

Die Fletchers von Long Island


sehr gut

Ein Roman, der es in sich hat. Wer leicht besaitet ist, lieber liegen lassen. Hier wird im wahrsten Sinne des Wortes keiner mit Samthandschuhen angefasst.
“Unsere Großmütter hatten uns oft gesagt, egal, wie glühend wir andere beneideten, würden wir alle das Bündel unserer Sorgen auf einen Haufen werfen, und jeder dürfte sich ein beliebiges Bündel aussuchen, dann würden wir am Ende doch zu unserem eigenen Sorgenbündel greifen, garantiert. Wir waren uns nie sicher, ob unsere Großmütter recht hatten” (S. 22)
Wir lernen eine reiche Familie kennen, die in einem wohlsituierten Ort auf Long Island leben. Reich, überheblich, jüdisch und alle mit Dachschaden. Und diesen Dachschäden geht das Buch nach. Der Auslöser allen Übels ist eine Entführung des Vaters, Carl, im Jahr 1980. Prägt alle, keiner spricht drüber.
Ein Sprung in die Gegenwart. Nach und nach lernen wir alle drei Kinder kennen und was sie umtreibt, wie sie ticken und was ihre dunkelsten Geheimnisse sind. Da ist der große Bruder Nathan, sehr ängstlich, immer auf der Hut, dass etwas passieren könnte. Arbeitet in einer großen Kanzlei in Manhattan, aber ist eigentlich menschenscheu. Dann der aufmüpfige mittlere Bruder, der nur Beamer genannt wird. Sunnyboy, Drehbuchschreiber in Hollywood, mittlerweile weit weg von seiner Mischpocke und versucht sich selbst auf irritierende Weise zu kontrollieren…lest selbst. Und dann die jüngste im Bunde, die schlaue Jenny. Sie geht an die Uni, kommt aus dem Studieren nicht raus, weil sie nicht so recht weiß wohin mit sich und wird am Ende noch Gewerkschaftsvertreterin. Beziehungsunfähig und trotz hohem IQ nicht in der Lage ihre eigenen Traumata zu bearbeiten.
Alles beginnt mit Müttern und endet mit ihnen und so hat der „wrap up“ am Ende einen fulminanten Schlusspunkt. Filmreif und gelungen.
“Sie alle setzten den Umwelt-zerstörenden, Klima-verändernden, die-Wirtschaft-in-den-Abgrund-treibenden, Seelen-vernichtenden amerikanischen Lebensstil fort, zu dem sie von Anfang an erzogen worden waren.” (S. 407)
Insgesamt findet die Autorin Taffy Broadesser Akner eine leichte Sprache für ihre Kritik an der unbedarften Art der Reichen wie sie sich selbst ins Verderben treiben lassen und sich auch noch der Opferrolle bedienen. Sozial sehr kritisch und doch unheimlich unterhaltsam und witzig. Ich habe sehr oft laut gelacht bei diesem Roman.
Spannend fand ich auch die interessanten alltäglichen Elemente, die durch das Jüdische hinzukommen, wenn dort eine Bar Mizwa vorbereitet wird.
Nicht zu vergessen die sehr gute Übersetzungleistung von Sophie Zeitz!
In dem Sinne: „Aber was willst du machen? So sind die Reichen.” (S 44 und noch mal weiter hinten…)

Bewertung vom 16.03.2025
Der ewige Tanz
Schroeder, Steffen

Der ewige Tanz


sehr gut

Steffen Schroeder gelingt mit Der ewige Tanz eine fesselnde literarische Annäherung an Anita Berber, eine der schillerndsten und zugleich tragischsten Figuren der Weimarer Republik. In einer Mischung aus biografischem Roman und fiktionaler Reflexion führt uns Schroeder in das fieberhafte Berlin der 1920er Jahre, eine Epoche zwischen rauschhafter Freiheit und sich abzeichnendem Verfall.
Der Roman setzt im Jahr 1928 an: Anita Berber liegt schwer krank in einem Berliner Krankenhaus und erinnert sich an ihr kurzes, intensives Leben. Wie in einem Fiebertraum verschwimmen Gegenwart und Vergangenheit, real Erlebtes und Halluzinationen. Schroeder nutzt diesen kunstvollen Perspektivwechsel, um das Leben Berbers nicht nur linear zu erzählen, sondern es vielmehr als einen Tanz aus Erinnerungen, Träumen und schmerzhaften Reflexionen darzustellen.
Berbers Leben war ein permanentes Spiel mit Extremen. Ihre Kunst, vor allem der Ausdruckstanz, war provokant, kühn und voller Hingabe. Doch ihre Karriere war ebenso von Skandalen wie von Sucht und Absturz geprägt. Der Roman zeigt sie als ungezähmte Frau, die sich mit Haut und Haaren der Kunst hingibt, aber auch als verletzliches Individuum, das stets auf der Suche nach Liebe und Anerkennung ist.
Schroeder erweist sich als Meister der atmosphärischen Verdichtung. Seine Sprache ist bildhaft und sinnlich, gleichzeitig von einer melancholischen Nüchternheit durchzogen. Durch kunstvolle Metaphern und rhythmische Satzstrukturen spiegelt er Berbers inneres Chaos und ihre unaufhaltsame Rastlosigkeit wider. Besonders eindrucksvoll sind die Passagen, in denen die Protagonistin im Delirium in ihre Vergangenheit eintaucht – eine Mischung aus Erinnerungsfragmenten, Dialogen mit Geistern der Vergangenheit und introspektiven Monologen.
Darüber hinaus gelingt es Schroeder, das Lebensgefühl der Weimarer Republik lebendig werden zu lassen. Ich hab mich in die dekadenten Salons der Künstlerszene entführt gefühlt, man erlebt Berbers Auftritte, ihre Begegnungen mit Berühmtheiten wie Fritz Lang und Marlene Dietrich. Dabei zeigt der Roman auch die gesellschaftlichen Brüche der Zeit: die Sehnsucht nach Freiheit und Vergessen nach dem Ersten Weltkrieg, die Emanzipation der Frauen, aber auch die Schattenseiten der Exzesse. Eine turbulente Zeit.
Anita Berber wird in Schroeders Darstellung nicht allein als Skandalfigur gezeichnet, sondern als vielschichtige Persönlichkeit, die zwischen Selbstzerstörung und künstlerischer Hingabe schwankt. Ihre Beziehungen zu Männern und Frauen sind von Leidenschaft, aber auch von Enttäuschung geprägt. Besonders bewegend ist die Beziehung zu ihrer Großmutter, die ihr Halt gibt, während ihr Vater, der Geiger Felix Berber, eine abwesende Schattenfigur bleibt.
Schroeder vermeidet es, seine Protagonistin zu verklären. Anita Berber bleibt in vieler Hinsicht ungreifbar, manchmal gar unsympathisch. Doch gerade diese Distanz macht die Lektüre so eindrucksvoll: Man folgt einer Figur, die sich selbst nicht retten kann, die gegen Konventionen kämpft, aber an den gesellschaftlichen und persönlichen Abgründen zerschellt. Fast zum Haare raufen.

Bewertung vom 16.03.2025
Wiedersehen in Fonds-des-Nègres
Vieux-Chauvet, Marie

Wiedersehen in Fonds-des-Nègres


ausgezeichnet

Was für eine Entdeckung! "Wiedersehen in Fonds-des-Nègres" ist ein literarischer Schatz, den wir Marie Vieux-Chauvet verdanken, einer der großartigsten Stimmen Haitis. Wer ihre Werke kennt, weiß, dass sie mit beeindruckender Scharfsicht gesellschaftliche Missstände aufzeigt, psychologische Tiefe mit poetischer Kraft verbindet und unerschrocken die Konflikte zwischen Klassen, Kulturen und Geschlechtern beleuchtet. Doch dieser frühere Roman, lange Zeit kaum beachtet, bietet uns nun eine weitere Facette ihres Schaffens – und er ist schlichtweg faszinierend! Dank des Manesse Verlages erscheinen all ihre Werke neu ins Deutsche übersetzt peu a peu auch bei uns. Toll aus dem Französischen übersetzt von Nathalie Lemmens.
Marie-Ange kehrt in das Dorf ihrer Vorfahren zurück, ein Ort voller Armut, mystischer Rituale und tief verwurzelter Traditionen. Ihre anfangs arrogante, von europäischer Bildung geprägte Sicht prallt auf die Realität des haitianischen Landlebens. Und hier entfaltet sich das Drama: ein Ringen zwischen Vergangenheit und Zukunft, zwischen Unterwerfung und Emanzipation. Die Darstellung der Voodoo-Kultur, die hier nicht romantisiert, sondern in all ihren Ambivalenzen gezeigt wird, gibt dem Roman eine geradezu fesselnde Tiefe. Wie die Autorin das Ineinandergreifen von sozialer Ungerechtigkeit, Umweltzerstörung und patriarchalen Strukturen aufzeigt, ist grandios.
Der Roman ist lebendig, bildstark und mit einer Energie geschrieben, die einen nicht loslässt. Die Figuren sind so nuanciert, so voller innerer Konflikte, dass man unweigerlich mit ihnen fühlt.
Was bleibt, ist Dankbarkeit. Dankbarkeit dafür, dass dieses Buch endlich aus dem Schatten tritt. Dankbarkeit für eine Erzählerin, die uns auf so intensive Weise eine Welt nahebringt, die oft genug aus unserem Blickfeld verschwindet. Wer sich auf dieses Werk einlässt, wird nicht nur eine große Geschichte erleben, sondern auch seine eigene Sichtweise hinterfragen. Ein Muss für alle, die Marie Vieux-Chauvet auch schon gelesen haben und für allen anderen ohnehin: Sie gilt es zu entdecken!

Bewertung vom 11.03.2025
Die Allee
Anders, Florentine

Die Allee


sehr gut

Florentine Anders' Roman "Die Allee" ist eine faszinierende Familien- und Zeitgeschichte, die eng mit der Architektur der DDR verknüpft ist. Im Mittelpunkt steht der visionäre Architekt Hermann Henselmann, dessen Name untrennbar mit ikonischen Bauwerken wie der Stalinallee, dem Berliner Fernsehturm und dem Uni-Hochhaus Leipzig verbunden ist.
Gut an dem Roman ist, dass ich diesen Architekten nun mit diesen Gebäuden verbinde und die Historie besser kenne, auch wenn es fiktionalisiert wurde.
Der Preis für seinen Erfolg ist hoch: Ständig muss er zwischen seinen künstlerischen Idealen und den starren Vorgaben der sozialistischen Führung lavieren. Gleichzeitig kämpft seine Frau Isi, selbst talentierte Architektin, mit den Herausforderungen einer achtköpfigen Familie und einem Ehemann, der sich kompromisslos seinen beruflichen Ambitionen verschreibt. Ihre Tochter Isa schließlich geht ihren eigenen, von Widerstand und Emanzipation geprägten Weg.
Was "Die Allee" besonders lesenswert macht, ist die eindrückliche Schilderung der Aufbruchsstimmung in der DDR – einer Zeit voller Hoffnungen, ideologischer Kämpfe und architektonischer Visionen. Florentine Anders gelingt es sehr gut, die komplexe Atmosphäre dieser Epoche einzufangen und die Ambivalenz zwischen Idealismus und politischer Realität darzustellen. Die fundierte Recherche macht das Buch zu einer wahren Zeitreise, in der man nicht nur spannende Einblicke in die Baugeschichte erhält, sondern auch das gesellschaftliche Leben der DDR aus einer privilegierten, aber keineswegs sorgenfreien Perspektive erlebt.
Die wechselnden Erzählperspektiven von Hermann, Isi und Isa sorgen für eine vielschichtige Darstellung der Familie Henselmann. Besonders berührend ist der Kampf der beiden Frauen um Selbstbestimmung – ein Thema, das über die spezifische DDR-Konstellation hinaus universelle Gültigkeit besitzt.
Der Schreibstil ist ruhig, sachlich und dennoch mitreißend. Die kurzen Kapitel lassen die Lektüre angenehm fließen, und man fühlt sich schnell mitten im Geschehen.
Ein kleiner Wermutstropfen ist, dass manche Aspekte der DDR-Realität, etwa die massiven Wohnungsengpässe für die nicht privilegierte Bevölkerung, nur am Rande gestreift werden. Dennoch überzeugt "Die Allee" als spannender Roman.
Fazit: Ein eindrucksvolles Buch über eine Familie im Spannungsfeld von Architektur, Politik und persönlicher Freiheit. 4 von 5 Sternen!

Bewertung vom 02.03.2025
30 Pflanzen pro Woche
Seiser, Katharina

30 Pflanzen pro Woche


ausgezeichnet

Wer Stress hat mit den eigenen inneren Werten, also dem eigenen Darm, dem kann ich getrost dieses charmante Kochbuch empfehlen aus dem Hause Brandstätter: 30 Pflanzen pro Woche! Es ist eine feine Sammlung an Rezepten, die uns anstiften zur Abwechslung wie es zum Auftakt so schön lautet. Bund ist gesund und wer viele verschiedene pflanzliche Lebensmittel frisch in seine Ernährung einbaut, lebt versöhnlicher mit seinem Darm und merkt es auch am Wohlbefinden.
Es sind war allesamt Rezepte, die sich bereits in anderen Brandstätter Kochbüchern finden lassen, aber eben zusammengestellt um eine besonders große Vielfalt für pflanzliche Kost zusammen zu bringen.
Wie ist das Kochbuch aufgebaut? Es entält eine Sektion KALT und eine Sektion WARM sowie SÜSS.
Damit ist schon mal klar, dass es viele tolle Salatrezepte gibt, die wirklich sehr abwechslungsreich sind, sowie auch warme Speiseideen. Die Sektion Süß ist schmaler, aber ja auch das im idealen Anteil zu herzhafter Kost wie es unsere Körper mögen.
Wir waren durch die kalte Wetterlage erst einmal mehr den warmen Speisen zugetan und probierten das ein und andere aus. Die Kids lieben die Rote-Linsen-Bällchen, ich das Tofu Keema und wie sollte es anders sein: Mein Mann mochte das Bananenbrot mit Nüssen!
Abwechslungsreich, schlichte schöne Bilder, gut erklärte übersichtliche Rezepte mit einem Zutatenbanner am äußeren Rand. Gelungen.

Bewertung vom 27.02.2025
bruder, wenn wir nicht family sind, wer dann
Lovrenski, Oliver

bruder, wenn wir nicht family sind, wer dann


ausgezeichnet

Was für ein Roman. Hammer. Oliver Lovrenski hat mit "Bruder, wenn wir nicht Family sind, wer dann" einen Roman geschrieben, der sprachlich und inhaltlich herausfordert, weil er so was von außerhalb jeglicher literarischer Normen liegt. Das Buch erzählt die Geschichte von Ivor und seinen Freunden – vier jungen Männern, die in Oslo aufwachsen, aber kaum Chancen auf ein besseres Leben haben. Ihre Realität ist geprägt von Gewalt, Drogen und einer Sehnsucht nach Zugehörigkeit, die sie nur in ihrer brüchigen Freundschaft zu finden scheinen. Sehr hart, kaum ertragbar.
Oliver Lovrenski selbst stammt aus sozial schwachen Verhältnissen, daher nimmt man dem Autoren ab was er schreibt, er kennt dieses – ja sein Millieu.Die Sprache seines Romans ist roh, direkt und durchzogen von einem Slang, der für viele Leser:innen gewöhnungsbedürftig sein dürfte. Hier liegt ein faszinierender Widerspruch: Während literarische Werke oft eine gewisse sprachliche Ästhetik anstreben, verzichtet Oliver Lovrenski bewusst darauf. Stattdessen wirkt seine Sprache wie ein ungefilterter Strom an Gedanken, manchmal stakkatoartig, manchmal unfertig, aber immer authentisch. Daher eben auch leicht anstrengend. Dieser Stil ist keine spielerische Provokation, sondern spiegelt die Lebenswelt seiner Protagonisten wider – eine Welt, in der Regeln, auch sprachliche, nicht mehr viel zählen.
Wer sich auf dieses Buch einlässt, muss bereit sein, sich von vertrauten literarischen Strukturen zu lösen. Es gibt keinen sanften Einstieg, keine geschliffenen Metaphern, sondern nur die harte Realität, serviert in einer Art Telegrammstil, der zwischen Poesie und Chaos schwankt. Manche Sätze bohren sich tief ins Herz, andere sind wie eine Ohrfeige. Es ist ein Roman, der nachhallt, aber nicht unbedingt bequem ist.
Besonders beeindruckend ist, wie Oliver Lovrenski die Sehnsucht seiner Figuren nach einem besseren Leben einfängt. Trotz all der Trostlosigkeit gibt es Momente, in denen sie sich vorstellen, jemand anderes zu sein – ein Künstler, ein Unternehmer, ein Star. Doch diese Träume zerplatzen schnell an der Wirklichkeit. Traurig.
"Bruder, wenn wir nicht Family sind, wer dann" ist ein mutiges Buch. Es fordert seine Leser:innen heraus, es verlangt, dass man sich auf eine ungewohnte Erzählweise einlässt.

Bewertung vom 27.02.2025
Eine feine Linie
Madjidi, Maryam

Eine feine Linie


ausgezeichnet

Eine Linie, die Maryam nie übertreten wird.
Maryam Madjidi hat mit ihrem Debüt, dass ich leider noch nicht gelesen habe, „Du springst, ich falle“ den renommierten Prix Goncourt gewonnen. „Eine feine Linie“ ist wohl der Folgeroman dieser Fluchtgeschichte, denn es geht um die jugendliche Maryam. Nicht nur der Name gleicht der Autorin, hier sind scheinbar viele sehr persönliche Elemente.
Die Jugendliche Maryam, lebt in einem Banlieue außerhalb von Paris, in Drancy. Fühlt sich aber weder heimisch noch verloren. Ein Zwischen-den-Stühlen-sitzen und ihre Eltern, auch fremd hier in Frankreich sind keine Hilfe die sozialen Codes zu knacken. Ihr wird der Wunsch eingepflanzt sich um einen Studienplatz an einer der Elite-Universitäten zu bemühen, heißt also erst einmal bewerben um die Vorbereitungsklasse. Und es klappt! Aber wie es schon hinten der Buchrücken verrät: Ein Quotenplatz, da sie aus den Banlieues kommt. Hart, aber wahr.
Die Wut kocht aus mehreren Gründen und sie schwimmt sich frei und findet sich selbst.
Auch wenn der Stoff hart klingt und eine Realität abbildet, die es genauso in Frankreich gibt, sind die etwas mehr als 200 Seiten eine unterhaltsame und gute Lektüre. Sogar witzig ist sie an manchen Stellen! Wirklich gelungen und lesenswert!

Bewertung vom 27.02.2025
Unico erwacht Bd.1
Tezuka, Osamu;Sattin, Samuel

Unico erwacht Bd.1


ausgezeichnet

Was ein cooles Buch! Mit Unico erwacht wird die zauberhafte Welt eines fast vergessenen Klassikers neu belebt. Ursprünglich von Osamu Tezuka im Jahr 1976 geschaffen, hat sich die Geschichte um das magische kleine Einhorn Unico tief in die Herzen von Manga- und Comicfans eingebrannt. Nun kehrt Unico in einer modern interpretierten Version von Samuel Sattin und dem Künstlerduo Gurihiru zurück, um eine neue Generation von Leserinnen und Lesern zu verzaubern, dennen Unico noch gänzlich unbekannt ist.
Das Original von Osamu Tezuka, der oft als "Gott des Manga" bezeichnet wurde, erschuf mit Unico eine Geschichte, die tief in der japanischen Mythologie und in universellen Themen wie Freundschaft, Verlust und Wiedergeburt verwurzelt ist. Ursprünglich erschien Unico als Manga in den 1970er Jahren und wurde später auch in zwei Anime-Filmen adaptiert. Die Geschichte dreht sich um ein magisches Einhorn, das die Fähigkeit besitzt, Liebe und Glück zu schenken. Doch die Göttin Venus, eifersüchtig auf Unicos Einfluss, verbannt ihn immer wieder an fremde Orte und löscht seine Erinnerungen.
In der Neuinterpretation Unico erwacht greifen Sattin und Gurihiru die Essenz von Tezukas Werk auf, während sie es gleichzeitig in ein neues visuelles und erzählerisches Gewand kleiden. Wir finden es frisch und cool! Die farbenfrohen, ausdrucksstarken Illustrationen fangen die Magie und Emotionalität der Geschichte perfekt ein. Besonders dynamisch sind die Passagen, die ganz ohne Text auskommen und nur durch die Kraft der Bilder die Handlung vorantreiben. Daher auch so gut für Erstleser geeignet, denn die Geschichte wird vorrangig von den Bildern getragen und das Lesen passiert (fast) von alleine!
Die Geschichte wird aus mehreren Perspektiven erzählt: Venus, die Unico aufspüren und vernichten will, der Westwind, der Unico zu retten versucht, und Unicos eigene Abenteuer.
Die Illustrationen von Gurihiru sind nicht nur eine Hommage an Tezukas Originalstil, sondern setzen auch eigene Akzente. Die leuchtenden Farben und der moderne Zeichenstil machen Unico erwacht zugänglicher für ein breiteres Publikum, ohne die Ursprünglichkeit der Geschichte zu verlieren. Ein besonderes Highlight ist der Vergleich mit dem alten Unico am Ende des Buches, der einen faszinierenden Einblick in die Weiterentwicklung der Figuren und der Erzzählweise gibt. Super für alle die den Klassiker (noch) nicht kannten.
Die Geschichte ist fantasievoll, spannend und liebevoll erzählt, mit Figuren, die das Herz im Sturm erobern. Der Cliffhanger am Ende lässt uns gespannt zurück: Wohin wird Unicos Reise als nächstes führen? Wir freuen uns auf Band 2: Unico wird gejagt!
Toll ab 8 Jahren, auch schon in der ersten Klasse – oder noch besser zum Zeugnis nach der 1. Klasse als Leseansporn!

Bewertung vom 23.02.2025
Das Museum der Insekten
Goulson, Dave;Carter, Emily

Das Museum der Insekten


ausgezeichnet

Ich liiiiiebe diese Reihe aus dem Prestel Verlag mit all seinen „Eintritt Frei“ – Museums-Erklärbüchern. Wir haben schon einige im Regal stehen und immer wenn wir uns wieder einem Thema genauer widmen, holen wir sie hervor.
Da ist eines über Pilze, Meerestiere, das Planetarium, Bäume. Herrlich! Und nun Insekten! Achtung, auch der Knesebeck Verlag hat ein Buch mit dem gleichen Titel, ist aber ein anderes Buch anderer Autoren!
Was ich wieder so mächtig toll finde, sind die detailreichen Bilder und detailgetreuen Abbildungen der Tiere. Bei Insekten kommt das ganze besonders zum Tragen, da ja viele der Tiere größer als ihre eigene Lebensgröße abgebildet sind.
Es startet mit einem kurzen historischen Abriss und geht dann über in die Frage: Was sind eigentlich Insekten? Wer gehört dazu? Viele!
Und dann geht es Saal für Saal los mit den einzelnen Gruppen. Natürlich sind nicht alle abgebildet und es ist nicht vollständig, aber zeigt einige größere Gruppen und erklärt grundsätzliches. Wer gehört zu den Heuschrecken und Grillen, was sind Schnabelkerfe (ich hab mich nicht verschrieben!).
Und auch wichtig für alle Kindergartenkinder: Auch die Laus kann man hier mal in Ruhe und in Überlebensgröße studieren.
Auch sind zwischendrin immer mal wieder Erklärungen zu Lebensräumen: Wald, Wasser, Wüste.
Aus meiner Sicht auch dieser Band wieder hervorragend gelungen. Aber seht es mir nach: ich bin befangen, ich liebe diese Reihe! :0)

Bewertung vom 18.02.2025
Der große Riss
Henríquez, Cristina

Der große Riss


sehr gut

Cristina Henríquez' Roman Der große Riss entfaltet ein faszinierendes Panorama historischer Umbrüche und menschlicher Schicksale zur Zeit des Baus des Panamakanals. Besonders beeindruckend ist ihre Erkundung der Frage, wie nah Fortschritt und Ausbeutung beieinanderliegen und wie tief soziale, ethnische und geschlechtsspezifische Gräben die damalige Gesellschaft durchzogen. Henríquez erzählt aus der Perspektive von Frauen und gibt damit jenen Menschen eine Stimme, die oft im Schatten der großen historischen Narrative stehen. Daher ist dieser Roman heutzutage sehr wertvoll!
Die poetische Sprache des Romans, die sich bereits in der atmosphärisch dichten Eröffnung zeigt, entfaltet eine beeindruckende Bildkraft. Francisco, der Fischer, und sein in handwerklicher Präzision gebautes Boot symbolisieren die alte Welt, die mit dem technokratischen Fortschritt der Kanalbauprojekte kollidiert. Henríquez fängt in ihren Naturbeschreibungen eine fast mythische Ruhe ein, die durch den Einbruch der Moderne zerstört zu werden droht. Diese Faszination für das Fremde, das Ursprüngliche und die natürlichen Rhythmen des Meeres und der Arbeit verleiht dem Roman eine zusätzliche, fast kontemplative Dimension.
Gleichzeitig verleiht die Autorin auch den Frauenfiguren eine erzählerische Tiefe, die ihre Rolle in der Gesellschaft infrage stellt. Marians Geschichte etwa, die auf erschütternde Weise von den Ungleichheiten zwischen Mann und Frau berichtet, zeigt, wie tief patriarchale Strukturen verwurzelt sind. Dabei wird deutlich, dass Henríquez nicht nur an historischen Fakten interessiert ist, sondern an den inneren Welten ihrer Figuren, an den oft unausgesprochenen Konflikten und der Suche nach Selbstbestimmung.
Der Roman gelingt als eindrucksvolle Verbindung von großem historischen Drama und intimen Einzelschicksalen. Er fängt die Ambivalenz eines gigantischen Projekts ein, das sowohl Hoffnung als auch Zerstörung brachte, und macht deutlich, dass die gesellschaftlichen Fragen von damals keineswegs ihre Relevanz verloren haben. Der große Riss ist damit nicht nur ein packender historischer Roman, sondern auch eine vielschichtige Reflexion über Machtverhältnisse, Widerstand und den Preis des Fortschritts.