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misspider

Bewertungen

Insgesamt 711 Bewertungen
Bewertung vom 22.06.2022
Finn, Thomas

Whispering Fields - Blutige Ernte


sehr gut

Das Buch bietet eine sehr gelungene Mischung aus Folklore, Mystery und Horror, die auf zwei sorbischen Sagenfiguren basiert. Neben der wohl bekanntesten Figur Krabat wird hier eine dunkle Macht heraufbeschworen, die noch viel eindrucksvoller und vor allem angsteinflössender ist.
Eingebettet wird das ganze in einen Kriminalfall, der Leichenfunde im Zusammenhang mit dem Auftauchen von Kornkreisen untersucht. So gibt es mehrere Erzählperspektiven: die des ermittelnden Polizeiteams, und die Sicht des Teenagers Tim, dessen Bruder verschwunden ist und der sich mit seinen Freunden auf die Suche nach Antworten zu den mysteriösen Vorfällen macht. Durchwoben wird das Ganze durch faszinierende Einblicke in die sorbische Folklore, die mir bis dato nur durch die Geschichte von Krabat im gleichnamigen Buch ein Begriff war.
Meine Meinung zum Buch: der Autor liefert eine spannende und unheimliche Geschichte, die mir zudem mit den Anleihen an sorbische Sagen eine bislang unbekannte, aber absolut faszinierende Welt näher gebracht hat. Einziges subjektives Manko sind ein paar Abschweifungen, die die Spannung unnötig verwässern.

Bewertung vom 21.06.2022
Rauh, Wolfgang

Leichdorf


ausgezeichnet

Dieses Buch hat mich mehr als positiv überrascht, denn es entpuppte sich entgegen meiner anfänglichen Skepsis als absolutes Lese-Highlight.
Mir ist sofort die unglaubliche inhaltliche Dichte aufgefallen: von Anfang an gibt es vergleichsweise viele Charaktere, die einem aber sehr schnell vertraut werden, und es passiert wirklich sehr viel, was ich alleine daran merkte, dass ich nicht durch die Seiten 'fliegen' konnte, sondern wirklich jeden Satz bewusst aufnehmen musste. Und auch wenn nicht in jedem Moment hochdramatische Action ablief, so waren die Beschreibungen und das Geschehen immer interessant und fesselnd. Der Schreibstil hat mich tatsächlich ein wenig an Werke von Stephen King erinnert, in denen sich die Spannung ja auch langsam aufbaut und der Anfang für eine ausführliche Einführung der Charaktere genutzt wird. Ich hatte dann auch gleich meine Favoriten unter den Personen - denen ich natürlich gewünscht habe dass sie heil aus der ganzen Geschichte herauskommen mögen... Und auch wenn die Wahl einer der Hauptfiguren auf den ersten Blick sehr klischeehaft wirkte, hat der Autor dieser Person eine ganz eigene sehr intensive Aura verliehen, die ihr unglaubliches Denken und Handeln gleichzeitig sehr glaubhaft und eindringlich machte.
Zwischendurch hatte ich kurz die Sorge, dass die sehr komplexe Handlung mit zu vielen Nebenschauplätzen und verschachtelten Handlungssträngen überfrachtet ist und sich in den Details verliert, aber am Ende passte alles perfekt zusammen und ergab einen extrem düsteren und unheimlichen Sinn.
Besonders gut gefallen hat mir auch, dass der Horror immer wieder zwischenmenschlichen Tönen wich, die einem manche der Protagonisten so richtig ans Herz wachsen ließen und der Geschichte Nachdruck und Tiefe verliehen. Das große Finale am Ende schliesslich hat alle meine Erwartungen übertroffen, und ich war von der bildhaften Ästhetik des Horrors wirklich total beeindruckt - das war wirklich ganz großes Kino. Fazit: 'Leichdorf' bietet Horror vom Feinsten und legt hoffentlich den Grundstein zu weiteren Romanen, die das Thema und den schaurigen Reiz der Gegend vertiefen und (hoffentlich) auch die ein oder andere Figur wieder aufleben lassen.

Bewertung vom 14.06.2022
Serle, Rebecca

In fünf Jahren


gut

Auf den ersten Blick hatte ich eine unbefangene turbulente Romanze erwartet, eine ungewöhnliche Liebesgeschichte, die mit einem kurzen Blick in eine unerwartete Zukunft beginnt. Die Handlung war dann aber viel ernster und dramatischer, und auch das Ende konnte noch einmal mit einer Überraschung aufwarten.
Dannie ist eine komplizierte Frau, obwohl bei ihr alles schön geordnet und nach Plan abläuft. Aber gerade deswegen wirft sie ihre kurze Vision, in der sie fünf Jahre später mit einem anderen Mann als ihrem jetzigen Partner zusammen ist, völlig aus der Bahn. Jetzt geht es darum, sich nicht vom Kurs abbringen zu lassen und ihren vorbestimmten Weg zu Glück und Erfolg einzuhalten. Doch natürlich kommt letztendlich alles anders als geplant.
Das Buch war schnell gelesen, und im Großen und Ganzen habe ich mich ganz gut unterhalten gefühlt. Allerdings hatte ich so meine Probleme mit Dannie, weshalb es mir schwer fiel Sympathie für sie aufzubringen. Das mochte vor allem daran liegen, dass ich mit ihrem New Yorker Lifestyle so gar nichts anfangen konnte - Karriere über alles, Privatleben kaum vorhanden. Wieder und wieder stößt sie ihren Verlobten vor den Kopf und schiebt wichtige private Entscheidungen auf, anstatt endlich mal reinen Tisch zu machen. Zudem fand ich die andauernden Beschreibungen von diesem oder jenem Lieblingsrestaurant auf Dauer ziemlich langweilig, da sie keinerlei Gehalt hatten. Und so konnte ich mit Dannies Leben, ihren Gedanken und Beweggründen nicht wirklich viel anfangen, was letztendlich dazu führte dass ich auch nicht mit ihr fühlen konnte. Und obwohl es am Ende richtig dramatisch und eigentlich herzerweichend wurde, hat mir eine spürbare Nähe zu den Protagonisten gefehlt und ich kam mir eher wie ein distanzierter Beobachter vor. Kurzum: für mich brachte das Buch eine willkommene Abwechslung für zwischendurch, nicht weniger, aber auch nicht mehr.

Bewertung vom 07.06.2022
Dieudonné, Adeline

23 Uhr 12 - Menschen in einer Nacht


schlecht

Das Buch erzählt das Schicksal von 12 Menschen, die sich zufällig zur selben Zeit an einer Raststätte befinden. Lässt man diesen unbedeutenden Rahmen weg, bleibt eine Sammlung von 12 Kurzgeschichten, die als "knallhart, drastisch, wild, tabulos, surreal, rabenschwarz und voll überbordender Fantasie" angepriesen werden.

Leider konnte ich mit den Geschichten überhaupt nichts anfangen, da die persönlichen Schicksale in der knallharten, drastisch-wilden Tabulosigkeit und surreal-überbordender Fantasie ertränkt wurden. Letztendlich waren mir die Personen einfach nur egal, und die einzige Sympathiebekundung konnte mir die Geschichte eines Pferdes entringen. Ansonsten zog die Parade der Ereignisse an mir vorbei wie die eintönige Landschaft bei einer Autofahrt - für einen Sekundenbruchteil wahrgenommen, um im nächsten Moment schon wieder vergessen zu werden. Denn leider waren sich die Schicksale in ihrem überzogenen Drama letztendlich viel zu ähnlich, um irgendeinen Eindruck zu hinterlassen. Im ersten Moment schrill und bunt, aber in der Gesamtheit langweilig und fade: große Klappe und nichts dahinter.

Bewertung vom 07.06.2022
Korn, Max

Talberg 2022 / Talberg Bd.3


ausgezeichnet

Dies ist der dritte Teil einer Trilogie, die man aber in beliebiger Reihenfolge lesen können soll. Obwohl ich mich ein paarmal gefragt habe, ob manche Details mit dem Vorwis
sen der anderen beiden Bücher anders gewirkt hätten, hatte ich nie das Gefühl etwas verpasst zu haben oder nicht zu verstehen. Lesen will ich die anderen Bände jetzt trotzde
m unbedingt. Aber zu diesem Band:

Der Anfang reißt einen gleich mit, und das in mehrfacher Hinsicht - allein das einleitende Unwetter mit Erdrutsch fand ich schon sehr aufregend. Die Vorstellung, dass von einem Moment zum anderen alles weg(gespült) ist und nur noch Verwüstung übrigbleibt, finde ich ziemlich gruselig. Mir war jedenfalls nur beim Lesen schon eiskalt.
Aber der einhergehende Leichenfund war natürlich mindestens genauso spektakulär. Und indem man mit Adam, dem Dorfpolizisten, durch das Dorf stiefelt, bekommt man einen sehr guten Eindruck von der Umgebung und den Leuten - eine verschworene Gemeinschaft mit Fehden und Klüngeln wie aus dem Bilderbuch.

Adam ist von Anfang an sehr geheimnisvoll und nur langsam enthüllt sich seine eigene Geschichte, die parallel zu den aktuellen Ereignissen erzählt wird. Jedenfalls nimmt er den Fall sehr persönlich, was allerdings mehr als einmal dazu führt, dass er seine sonstigen dienstlichen Pflichten vernachlässigt. Verstärkung bekommt Adam schliesslich von Eva, die urplötzlich auftaucht und mit ihrer energischen Art die Ermittlungen aufnimmt und Adam aus der Reserve lockt. Auch Eva verbinden Kindheitserinnerungen zu Talberg, und so schliesst sich der Kreis - alles scheint verbunden und von diesem merkwürdigen Ort durchdrungen, der einen nicht loslässt. Was folgt, ist teilweise ziemlich harte Kost und habe ich so überhaupt nicht erwartet. Die Auflösung schliesslich war gut gemacht, sie gab nicht zu viel preis und liess dadurch noch Raum für eigene Gedanken.

Ein absolut packendes Buch, das wesentlich mehr bietet als nur einen spannenden Krimi, der mit einer dramatischen Geschichte des Ortes und damit verknüpften persönlichen Schicksalen angereichert ist.

Bewertung vom 23.05.2022
Golling, Alexander Lorenz

Racheengel


gut

Achtung: kann Spuren von Spoilern enthalten!
Nach dem grandiosen ersten Teil bin ich natürlich mit besonders großen Erwartungen in den zweiten Fall von Kommissar Brauner gestartet, und der Anfang verhieß viel Gutes (nun ja...): Brauner ist irgendwie neben der Spur, trinkt zu viel, kommt unpünktlich zur Arbeit, raunzt die Kollegen an - was ist denn da bitte los? Der Fall hat mich auch sofort in seinen Bann gezogen: ein Leichenfund auf einem gruseligen alten Friedhof im Wald, der auf einen Ritualmord hindeutet. Das waren durchaus perfekte Zutaten für eine gelungene Fortsetzung.
Leider hat sich die Geschichte für mich am Ende nicht so entwickelt wie gehofft: es wurde zu wenig über die Hintergründe von Brauners aktuellem Verhalten geschrieben, und so wirkte auch sein Bemühen, sich mehr zusammen zu reißen, eher willkürlich. Dabei war der Kampf gegen (innere) Dämonen ein durchaus interessantes rotes Band, dass sich gleich in mehrfacher Hinsicht durch die Geschichte zog. Das Verhältnis zu seiner Tochter war mir zu vage und zu wenig greifbar - irgendwie hatte ich immer den Eindruck, es schwebt etwas zwischn den beiden im Raum, das aber nie konkretisiert wurde. Die beiden lebten eher schon wie in einer WG als in einer Familie nebeneinander her, man erfuhr kaum etwas über die Tochter, sie war halt da - was sich später allerdings noch als nützlich für die Handlung erweisen sollte.
Bei der Auflösung des Falles hatte ich dann auch leider mehr als einmal den Eindruck, dass die Polizei nicht gründlich genug ermittelt - einige Szenen fand ich daher nicht ganz glaubwürdig, allerdings kamen sie dem Verlauf der Handlung später zugute, was möglicherweise der Grund war.
Je weiter das Ende nahte, desto mehr schienen sich Brauner und seine Kollegen zu verzetteln, und nur im Alleingang verzeichnete Brauner dann größere Ermittlungserfolge. Das 'Finale' fand ich leider zu wenig originell, einzig die Hintergründe der Taten und die zugrunde liegenden historischen Wurzeln waren ungemein interessant und durchaus auch ein wenig unheimlich. Letztlich wies mir die Handlung aber zu viele Ungereimtheiten auf, so dass die Ermittlungsarbeit mehr als einmal einen eher zufälligen als geplanten Eindruck vermittelte.
Fazit: ein gut lesbarer Krimi, der für mich allerdings nicht an seinen Vorgänger heran reicht. Trotzdem werde ich der Serie noch weiter treu bleiben, denn grundsätzlich passt die Mischung aus Thriller mir leichten Anklängen von Horror.

Bewertung vom 19.05.2022
Faber, Henri

Kaltherz


sehr gut

Nur ein kurzer Moment, und alles ist anders: Clara Lipmann lässt ihre kleine Tochter nur wenige Minuten allein im Auto, doch als sie wiederkommt ist Marie verschwunden. Es gibt keine Lösegeldforderung, und der Fall wird nicht aufgeklärt. Schnitt: Lansky, problembeladene Polizisistin die mit ihrer schroffen und rücksichtslosen Art überall aneckt, wird in die Vermisstenabteilung versetzt, die von Theo Rizzi, ihrem Freund aus Kindertagen geleitet wird. Zufällig wird sie auf den Fall Marie Lipmann aufmerksam und entdeckt schon bald einige Ungereimtheiten, die damals möglicherweise übersehen wurden.
Lansky beginnt zu ermitteln und bringt damit nicht nur sich selbst in Gefahr.
Von der ersten bis zur letzten Seite liefert das Buch temporeiche Hochspannung, während die Handlung immer wieder eine neue Richtung wählt wie ein Haken schlagender Hase. Und so fliegt man nur durch die Seiten, während Lansky ein ums andere Mal in einer Sackgasse landet, nur um die Fährte wie ein Bluthund gleich wieder aufzunehmen. Der Autor versteht es, die Leserschaft ein ums andere Mal in die Irre zu führen, und am Ende ist alles ganz anders. Leider wurde mir das ansonsten spannende Verwirrspiel am Ende tatsächlich etwas zu viel, und so fand ich die Auflösung eher enttäuschend, zu nah dran und etwas unglaubwürdig. Fazit: ein hochspannender Katz-und-Maus-Thriller, der nicht nur mit den Akteuren, sondern vor allem auch mit der Leserschaft spielt.

Bewertung vom 18.05.2022
Sommerfeldt, Albrecht

Der Pesthof


ausgezeichnet

Bei diesem Buch hat für mich einfach alles gepasst - die Beschreibung des Lebens im Pesthof, die Charaktere und natürlich die spannende Handlung. Der Schreibstil gefällt mir sehr, man kann sich alles sofort bildlich vorstellen und ist so immer „mittendrin“, auch wird nicht zu viel ausgeschmückt, so dass der Spannungspegel durchweg hoch bleibt. Dankbar bin ich für die eingestreuten Fußnoten, die mir eine Recherche und unliebsame Unterbrechung beim Weiterlesen erspart haben. Auch die Erläuterungen im Nachwort waren sehr interessant und aufschlussreich.
Mit dem Kaufmann Merten, der aufgrund seiner Lepraerkrankung als Patient auf dem Hamburger Pesthof lebt, und der Pflegeschwester Maria hat der Autor ein ungemein sympathisches "Ermittlerpaar" geschaffen, und es hat ungemein Spaß gemacht zu verfolgen wie die beiden sich immer wieder teils zweideutige Wortduelle liefern. Aber auch die Nebenpersonen werden ungemein anschaulich beschrieben, so dass ich von allen schnell ein Bild vor Augen hatte und bei so manchem Schicksal mitgefühlt habe.
Die Handlung selbst ist genial ausgedacht und konstruiert, und mehr als einmal habe ich mich in die Irre führen lassen, bevor das dramatische Ende
endlich die würdige Auflösung brachte, die alle Puzzleteile an ihren rechten Platz rückten.
Fazit: ich bin schwer begeistert von dem Buch - uneingeschränkte 5 Sterne und klare Leseempfehlung von mir!