Benutzer
Benutzername: 
yellowdog

Bewertungen

Insgesamt 2156 Bewertungen
Bewertung vom 28.12.2023
Karunatilaka, Shehan

Die sieben Monde des Maali Almeida


ausgezeichnet

Ein energiegeladener Text

Der preisgekrönte Roman Die sieben Monde des Maali Almeida ist ein aufregendes Buch. Zum einen, weil es den Leser in die achtziger Jahre nach Sri Lanka führt. Es ist die Zeit des Bürgerkriegs zwischen der tamilischen Minderheit und der singhalesischen Mehrheit in Sri Lanka.
Eine fremde Welt für mich. Zwar gibt einen der Autor Shehan Karunatilaka Hilfestellungen, welche Gruppen zu der Zeit, welche Interessen in Sr Lanka verfolgten, dennoch ist es schwer, immer zu folgen. Manchmal muss man sich daher trieben lassen. Am besten man folgt dem gerade ermordeten Protagonisten Maali Almeida, der Fotograf war, auf seiner Suche nach seinem Mörder. Es geht durch Sieben Tage und Nächte und erzählt von seinen Begegnungen mit anderen Geistern. Ein Weg wie durch ein Labyrinth.

Das Buch ist aber auch aufregend wegen seiner großartigen literarischen Form. In der zweiten Person erzählt, ist man nah bei der Figur. Maali ist wirklich eine starke Figur, engagiert, neugierig, furchtlos und voller Lebensgier.
Es gibt auch Passagen mit Maalis guter Freundin Jaki und ihr Cousin DD, der sein Liebhaber war. Diese beobachtet Maali für eine Zeit lang.

Das Buch ist sprachlich farbig, der Ton ist durchsetzt von Ironie. Das Buch hat so viel Kraft und Energie. Das ist beeindruckend.

Bewertung vom 28.12.2023
Didion, Joan

Wie die Vögel unter dem Himmel


sehr gut

Das harmonische Beben in Boca Grande

Joan Didions Roman „Wie die Vögel unter dem Himmel“ ist in den siebziger Jahren entstanden und auch ein wenig ein Produkt seiner Zeit. Der Originaltitel A Book of Common Prayer ist vielleicht der bessere.
Auffällig ist der sachliche Erzählstil. Es ist eine Art Bericht. Dadurch kommt man der Hauptfigur nicht so nahe.
Erzählerin ist Grace Strasser-Mendana, eine Frau, die mit der amerikanischen Hauptprotagonistin Charlotte Douglas bekannt war. Sie treffen sich in einem lateinamerikanischen Land.
Einschneidendes Ereignis für Charlotte war das Verschwinden ihrer Tochter Marin, nachdem diese an einem politisch motivierten Anschlag beteiligt war.

Die distanzierte Erzählart erinnert an Essays, von denen Joan Didion so einige geschrieben hat. In einem Roman ist diese Form problematisch, doch die Themen an sich sind packend und die Dramaturgie des Plots nimmt kontinuierlich zu. Es ist insgesamt gesehen ein interessantes Buch.

Bewertung vom 27.12.2023
Kürthy, Ildikó von

Eine halbe Ewigkeit


sehr gut

25 Jahre später

Eine halbe Ewigkeit von ildiko von Kürthy ist ein interessantes Buch. Die Preisfrage für mich war aber, ob man auch etwas mit dem Roman anfangen kann, wenn man den Vorgänger, den Bestseller Mondscheintarif nicht gelesen hat. Das ist bei mir der Fall.
Ich kann sagen, dass da schon eine gewisse Leerstelle ist.
Aber ich kenne „Morgen kann kommen“ von ihr und schon gibt es ein Wiedersehen mit bekannten Figuren, zum Beispiel den extrovertierten Erdal. Eine originelle, wenn auch klischeevolle Figur.

Die Handlung um Cora Hübsch setzt 25 Jahre später als bei Mondscheintarif ein und es geht viel um den Scheidepunkt, an dem Cora angekommen ist.
Cora ist zwar selbstbewusst, aber manchmal auch selbstkritisch und unzufrieden, zum Beispiel mit ihrem Körper. Manchmal erinnerte mich das an Bridget Jones.

Auch mit der Handlung komme ich gut klar. Tagebuchszenen der Vergangenheit sind eingebunden. Schließlich kommen spät im Buch auch Szenen, die die vorher nicht erzählte Vorgeschichte der Trennung mit Daniel erläutern und das mit Coras Freundin Johanna erklärt.

Ildiko von Kürthy ist für mich ein Aushängeschild von Unterhaltungsliteratur mit einer Spur Tiefgang. Sie ist einfach besser als andere des Genres Frauenschmöker. Stilistisch hat sie ihre Linie, die funktioniert und dazu gehört eine gute Portion Selbstironie. Dass kennzeichnet das Buch.

Bewertung vom 27.12.2023
Henn, Carsten Sebastian

Die Butterbrotbriefe


gut

Kati und Severin

Das mit den Briefen ist eine originelle, ungewöhnliche Idee. Die Protagonistin Kati nutzt Briefe, um damit verschiedenen Menschen etwas mitzuteilen und einen Schlussstrich zu ziehen, zum Beispiel mit ihrem Exmann, ihrer früheren Lehrerin, dem Vater und anderen. Das hat einen therapeutischen Effekt bei ihr. Ich denke aber, das funktioniert mehr in einem Unterhaltungsroman als im wirklichen Leben.
Das Katis Leben an einem Scheidepunkt steht, wird aber glaubhaft vermittelt und eine große Erkenntnis über ihr Leben erwartet sie noch.
Hinzu kommt eine zweite Hauptfigur, Severin. Er lebt auf der Straße und trifft Kati zufällig. Mein weiß anfangs nicht, was ihm widerfahren ist. Früher war er Klavierstimmer und verhält sich überwiegend kultiviert. Auch das entspricht wohl kaum dem realen Bild Obdachloser.
Das Buch hat etwas von einem Märchen und ist auf Rührung ausgerichtet. Vielleicht etwas zu kalkuliert für meinen Geschmack.

Von Carsten Henn kannte ich Der Buchspazierer. Wer das mochte, wird auch mit Die Butterbrotbriefe etwas anfangen können.

Bewertung vom 27.12.2023
Lamberti, Frieda

Die Eisfischerin vom Helgasjön (eBook, ePUB)


gut

Leichte Unterhaltung

Frieda Lamberti ist eine Vielschreiberin. Das merkt man dem Roman Die Eisfischerin von Helgasjön auch an. Die Autorin macht keine literarischen Klimmzüge. Dafür spürt man aber doch eine Routine, die sich in einer flüssigen Schreibweise und einem kompakten Plot auszahlt.
Im Mittelpunkt steht Rieke, die eine Beziehungskrise gerät. Das merkt sie erst, als sie und ihr Freund Marco getrennt in Urlaub fahren. Marco betrügt sie. Eine ganze Weile zögert Rieke sich endgültig zu trennen, zumal sie im Urlaub ihren Jugendfreund Theo wiedergetroffen hat, der aber anscheinend verheiratet ist.

Rieke ist eine typische Hauptfigur dieses Genres, eigentlich tough und sympathisch, aber teilweise auch naiv. Als Protagonistin funktioniert sie aber gut und man folgt ihr gerne durch die Handlung.
Etwas enttäuschend war für mich der Schwedenbezug. Es gibt Passagen in Lappland, aber viel Eindruck haben sie nicht hinterlassen.
Es ist ein Roman, der okay ist, den man aber auch nicht unbedingt gelesen haben muss.

Bewertung vom 30.11.2023
März, Ursula

Verfehlungen und Verbrechen (eBook, ePUB)


sehr gut

Geschichten aus dem Alltag

Ursula März berichtet von Gerichtsfällen und den Umständen, wie es in den einzelnen Fällen zu den tragischen Vorfällen kommt.
Einige der Reportagen sind schon vorher erschienen, z.B. in der ZEIT und in dem 2011 erschienen Buch Fast schon kriminell.

Es sind kleine menschliche Tragödien, die dahinter stecken. Die Art, wie über die Fälle geschrieben wird, weckt Empathie und Anteilnahme.
Immer geraten die Protagonisten mehr oder weniger mit dem Gesetz in Konflikt und vor Gericht. Es sind meistens kleine Leute. Auffallend ist die Sachlichkeit, die die Autorin anwendet und letztlich so auch immer die Würde ihrer Figuren wahrt.
März schreibt eindeutig und zeigt dabei Schwächen und Ticks ihrer Protagonisten, sie dabei jedoch nicht verurteilt.

Das Niveau eigentlich aller Reportagen bleibt gleichmäßig hoch.

Bewertung vom 29.11.2023
Reibert, Jörg

Im Gleichschritt stark


sehr gut

Kommissar Franz Reinicke

Jörg Reibert hat seine Reihe um Kommissar Franz Reinicke schon einige Jahre in Gange. Dies ist der dritte Teil. Der erste war 2017 erschienen.
Damit gehört Reibert ähnlich wie Volker Kutscher zu den Pionieren als Autoren von Krimis, die in der Zeit des Nationalsozialismus handeln.
Der Erfolg von Bayblon Berlin dürfte weiteres Interesse an Büchern dieser Art geweckt habe.

Jörg Reibert schreibt geradlinig und sorgfältig. Das ist gut gemacht.
Es ist das Jahr 1935. Im Mittelpunkt stehen der ermittelnde Kommissar Franz Reinicke und der SA-Mann Emil Bachmann, ein begnadigter Mörder.

Eine junge Arbeiterin wird ermordet aufgefunden. Der Kommissar ermittelt mit seinem Team.

Das Milieu und die Stimmungen der Zeit werden intensiv transportiert. Dazu gehört auch die Gewaltbereitschaft und der Judenhass. Ich halte diese Beschreibungen für glaubhaft und da kann man froh sein, dass man nicht in dieser Zeit leben musste.
Wer sich für diese Zeit interessiert, findet hier ein lesenswertes Buch.

Bewertung vom 29.11.2023
Flamm, Peter

Ich?


ausgezeichnet

Die Frage der Identität

Das Besondere an dem packenden Roman ist, dass man als Leser von Anfang an dicht an der Figur und seinen Gedanken ist. Seine Perspektive dominiert das ganze Buch.
Er ist ein Kriegsheimkehrer, der an der Front die Papiere eines Gefallenen nimmt und dessen Identität annimmt. Aber ist das wirklich so? Bei seiner Heimkehr wird er von Frau, Freunden und Mutter sofort akzeptiert. Es gibt keinen Zweifel an seiner Identität, nur der Hund erkennt ihn nicht.
Der Protagonist ist traumatisiert und hoch verwirrt. Als Leser ist man sich nicht sicher, was jetzt stimmt.Das ist das Spannungsfeld.

Der Roman ist 1926 geschrieben. Die psychologische Note und die Dichte lassen ihn aber modern erscheinen. An der Art wie geredet wird, erkennt man dann aber doch das zeitbezogene, aber auch das ist interessant.

Bewertung vom 25.11.2023
Lando, Veronica

Der flüsternde Abgrund


sehr gut

Der wispernde Wind
Es handelt sich bei „Der flüsternde Abgrund“ um einen sehr atmosphärischen Roman, der auch sehr geheimnisvoll ist.
Der Protagonist heißt Callum. Aus Anlaß des Todes eines Mannes kehrt er nach 30 Jahren nach Granite Creek zurück. Hier ist er aufgewachsen und die Vergangenheit lässt ihn nicht los. Callum ist Journalist, aber hier ist er persönlich involviert.
Der Leser wird bei der Stange gehalten, indem nur häppchenweise berichtet wird, was vor 30 Jahren eigentlich passiert ist. In diesen Passagen wechselt die Perspektive in die erste Person, während sonst in der dritten Person erzählt wird. Das trägt dazu bei, den Plot noch intensiver zu machen und es folgen noch ein paar Überraschungen.
Das Buch hat mit der australischen Umgebung inklusive dem Regenwald einen reizvollen Schauplatz.
Veronica Lando ist eine Autorin, die man sich merken muss.

Bewertung vom 25.11.2023
Zimmermann, Birgit

Am Ende des Seils


gut

Am Ende des Seils verspricht ein Drama 1936, also in schweren Zeiten im Setting der Berge und der Bergsteiger, die die Eigernordwand erklimmen wollen.
Das hält der Roman auch weitgehend. Das erwartbare wird bedient.  Die Figurenkonstellation ist interessant gemacht. Doch die Figuren selbst sind etwas flach. Da hätte mehr Tiefe gutgetan. Die Sprache von Birgit Zimmermann bleibt auch mehr im belletristisch gemütlichen.
Was für das Buch spricht ist, dass die Befindlichkeiten der Menschen damals deutlich wird und wie schmal der Grat zur Mitläuferschaft war.
Ich hätte mir mehr und detailliertere Bergsteigerszenen gewünscht.
Es gibt bessere und schlechtere Romane . Ich bewerte mit 3,5 Sternen von 5.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.