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yellowdog

Bewertungen

Insgesamt 2156 Bewertungen
Bewertung vom 01.02.2024
Hartmann, Ilona

Klarkommen


sehr gut

Das erste Jahr in der Großstadt

Die Autorin Ilona Hartmann erzählt auf realistische Art vom leicht tristen Aufwachsen in einer Kleinstadt und dem damit verbundenen Lebensgefühl. Auch dem Gefühl eines Mangels und dem Wunsch, woanders mehr zu finden.
Die Erzählerin fühlt sich dabei mit ihren Freunden Leon und Mounai verbunden. Sie haben ihr Abitur gemacht und gehen gemeinsam in einer Großstadt. Erste Erfahrungen sind aber enttäuschend.
Der Roman bleibt handlungsarm. Es zeigt das zusammenleben, wie sie sich besser kennen lernen. Auch viele Besuche in Clubs mit vielen coolen Leuten, kann eine Desillusion nicht verhindern.
Die Erkenntnis: Das erste Jahr in der großen Stadt war achtlos an uns vorbegelatscht.
Die Kapitel sind kurz gehalten und lassen auch Leerstellen zu. Außerdem gibt es immer wieder Sätze, die ich für gut formuliert halte.
Ilona Hartmann zeigt, dass man auch mit ruhiger Erzählweise ein gutes Buch gestalten kann.

Bewertung vom 01.02.2024
Mukasonga, Scholastique

Kibogos Himmelfahrt


sehr gut

Kibogos Berg

Die in Frankreich lebende Schriftstellerin Scholastique Mukasonga schreibt natürlich über ihr Heimatland Ruanda. Es ist die Zeit des 2.Weltkriegs als viele Kolonisten in Ruanda waren. Das mündet in Ausbeutung. Hinzu kommt eine große Hungersnot auf das ohnehin geschwächte Land hinzu.
Scholastique Mukasonga nutzt die Form der Fabel. Erzählt wird der mythischen Figur Kibogo als Hoffnung für Regen zur Beendigung der Dürrezeit.
In den nachfolgenden Abschnitten kommen weitere Figuren in den Mittelpunkt:
Der Priester Akayezu, dann die als alte Hexe geltende Mukamwezi. Schließlich ein weißer Professor, der den Berggipfel ersteigen möchte.
Es steckt viel drin in diesem kurzen Roman und die Zusammenhänge sind vielleicht nicht auf den ersten Blick sofort zu erkennen. Doch das alles dient dazu, die Geschichte um Kibogo zu weben. Es ist ein Text, der den Leser beschäftigt.

Bewertung vom 30.01.2024
Kouwenaar, Gerrit

Fall, Bombe, fall


sehr gut

Der C.H.Beck-Verlag ermöglicht hier die Entdeckung eines niederländischen Klassikers aus den Jahr 1950.
Im Mittelpunkt steht die Gedankenwelt und Perspektive eines 17jährigen Jungen, Karel Ruis. Er ist ziemlich gelangweilt, dabei vermutlich viel zu klug.
Daher sind seine zum teil merkwürdigen Phantasien vielleicht nicht so ungewöhnlich.
Doch es ist eine schlimme Zeit. 1940 überfällt die deutsche Wehrmacht die Niederlande.

Manchmal ist es wirklich wertvoll, ein Buch der Vergangenheit doch noch entdecken zu dürfen, denn stilistisch ist es wirklich bemerkenswert.

Bewertung vom 29.01.2024
Köhlmeier, Michael

Das Philosophenschiff


sehr gut

Der Bericht

Der Österreichische Schriftsteller Michael Köhlmeier hat eigentlich immer einen originellen Schreibstil, so auch hier.
Ein Schriftsteller (Köhlmeier selbst?) erklärt sich bereit aus dem Leben einer 100jährigen Frau ein Buch zu machen. Dabei ist insbesondere die Verschiffung unliebsamer Personen, vor allen Intellektuelle 1922 aus Russland zu schaffen. Diesen Vorgang gab es wirklich.
Das Gespräch zwischen der Dame, die das damals als 14jährige mitmachte und dem Schriftsteller sind nicht ohne Witz.
Es wechselt zwischen ihren Dialogen und den Berichten der Frau.
Diese Berichte sind spekulativer Art. Es gibt viele gute Passagen, wie die Begegnung mit Lenin. Es gibt zahlreiche weitere Abschnitte, die außerordentlich gut verfasst sind.Michael Köhlmeier weiß wirklich zu schreiben, detailliert und gründlich, dennoch behält er eine Leichtigkeit.
Ein gutes Buch, wenn auch nicht mein Lieblingsbuch des Autors, den ich sehr schätze. Aber geschickt erzählt ist auch dieser Roman.

Bewertung vom 29.01.2024
Kokkonen, Terhi

Arctic Mirage


sehr gut

Terhi Kokkonen ist eine neue Autorin aus Finnland, die mit Arctic Mirage ihren ersten Roman vorlegt.
Die Handlung wird stark vom ersten Satz geprägt. „Nachdem Karo Risto umgebracht hat, steht sie auf“.Danach zeigen die folgenden Kapitel, die je mit Wochentagesnamen (Sonntag bis Freitag) bezeichnet sind, wie es dazu kommen konnte. Karo und Ristos hatten im Urlaub einen Autounfall und mussten leicht verletzt im Hotel Arctic Mirage absteigen. Die Stimmung ist gereizt. Auch die Umstände des Autounfalls erinnern beide anders.
Die meiste Zeit ist man als Leser an der Seite von Karo, gelegentlich bei dem Hotelpersonal. Hinzu kommen Rückblenden.
Man erkennt zunehmend eine toxische Beziehung.
Das Buch ist lange geheimnisvoll und atmosphärisch sowie geschickt gemacht.

Bewertung vom 28.01.2024
Oliver, Diane

Nachbarn


sehr gut

Nachbarn und andere Geschichten

Diane Oliver ist eine amerikanische Schriftstellerin (1943 - 1966), die schon im Alter von 22 Jahren durch Unfall ums Leben kam.
Dieses Buch versammelt Kurzgeschichten von ihr. Angesiedelt sind die Geschichten in den sechziger Jahren, in einer Zeit des möglichen Umbruchs, die Hoffnung auf Inklusion und aber auch der Widerstände.
Die erste Geschichte ist die Titelgeschichte.
Tommy, ein schwarzer Junge, soll morgen zum ersten mal auf eine rein weiße Schule gehen. Das wird schwer. Wichtige Figur der Geschichte ist Tommys ältere Schwester Ellie.
Unerwartet kurz, aber kompakt zeigt die Geschichte einen besonderen, schicksalsträchtigen Moment und eine Familie in einer moralischen, verantwortungsvollen Entscheidungsfindung. Man spürt die Anspannung.
Diane Oliver zeigt die Situation der Charaktere in großer Tiefe, das ist beeindruckend. Spätere Geschichten haben mich weniger erreicht.
Daher würde ich die Autorin auch keineswegs in die Nähe von Gigantinnen wie Toni Morrison oder Ann Petry rücken. Die Geschichten können auch ohne so einen Vergleich lesenswert sein.

Bewertung vom 25.01.2024
Ivanji, Ivan

Der Aschenmensch von Buchenwald


ausgezeichnet

Der 1929 geborene Ivan Ivanji ist Zeitzeuge. 1944 war er in Buchenwald, überlebte und hat viele Romane geschrieben.
Der Aschenmensch ist ein Roman, der 1999 bereits erschienen war und jetzt wiederveröffentlicht wurde.

1997 wurden über 700 Urnen mit der Asche ermordeter Menschen gefunden.
Ivanji lässt sie als Stimmen auferstehen, die ihre Geschichten erzählen. Man erfährt viel über das Leben in Buchenwald, aber insbesondere über das Sterben.
Zwischendurch lässt Ivanji auch Menschen unserer Zeit zu Worte kommen, z.B. der Dachdecker, der die Urnen fand oder Schüler, die die Gedenkstätte besuchen. Einiges an leichtfertigen Reden ist unter ihnen, auch Unkenntnis. Die Erinnerung, wie es wirklich war, können nur die vermitteln, die da waren.
Aus der Asche der Urnen entsteht ein Aschenmensch. Das Kollektiv der Erinnerungen.

Ivan Ivanjis literarische Leichtigkeit beim Umgang mit dem Stoff ist bewundernswert.

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Bewertung vom 25.01.2024
Scheerer, Jana

Die Rassistin


sehr gut

Schon der Vorbau zu dem Roman deutet auf die spielerische Art des Stils und dem Humor der Autorin hin.Immer wieder wird das Erzählte von unterschiedlichen Personen kommentiert.
Es geht um einen Vorfall bei einer Vorlesung in einer Uni als chinesische Studierende brüskiert werden. Es beginnt sofort eine Kontroverse.
Neben Rassismus werden auch andere Themen diskutiert,

Jana Scheerer erfindet einen angebliche Autor dieses Romans. Das führt zur Spiegelung der Handlung bzw. der verschiedenen Erzähler, die auftreten werden.Es werden verschiedene Sichtweisen und Verhaltensweisen abgehandelt.
Die Autorin spielt mit dem Leser und dessen Erwartungshaltung. Es wird auch gezeigt, auf welche absurde Art etwas eskalieren kann. Man kann sich ggf. in der einen oder anderen, überspitzt gezeichneten Figur, ansatzweise wiedererkennen. Das ist keine schlechte literarische Methode.

Bewertung vom 20.01.2024
Masala, Carlo

Warum die Welt keinen Frieden findet


sehr gut

Ein Essay aus der Reihe Auf dem Punkt.
Carlo Masala ist als Autor des Buches Weltunordnung und als Militärexperte in zahlreichen Politiktalkshows zur Zeit sehr bekannt.
In wenigen Kapiteln fasst der Autor Aspekte zur Entstehung von Krieg zusammen. Auch Verminderungsstrategien werden thematisiert.
Er schreibt sachlich und Ideologiefrei, aber nicht trocken über das Thema. Und er ist dem Realismus verpflichtet, alos illusionslos.
Carlo Masala steckt viel in sein Essay, dadurch wird es zu einem kompakten Buch.

Bewertung vom 17.01.2024
Landwehr, Arthur

Die zerrissenen Staaten von Amerika


sehr gut

Die zerrissenen Staaten von Amerika ist ein hochaktuelles Sachbuch, das einen Blick auf den Zustand der USA in der momentanen Vorwahlsituation wirft.

Arthur Landwehr, von dem ich auch ein spannendes Interview zu diesem Buch gehört habe, ist ein USA-Experte, der die USA kennt und sich Gedanken gemacht hat. Sein Ansatz ist, ein Verstehen zu ermöglichen. Damit kann man dann besser die Situation einschätzen und besser damit umgehen.
Außerdem scheut Landwehr es auch nicht, Vergleiche der USA zu Deutschland zu nennen.
Das Buch passt auch vom Umfang. An manchen Stellen ausführlich, aber nie geschwätzig. Die Kapitel werden nicht zu lang.

Es ist ein Kluges Sachbuch, erzählerisch gut gestaltet.