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TK

Bewertungen

Insgesamt 101 Bewertungen
Bewertung vom 17.07.2023
22 Bahnen
Wahl, Caroline

22 Bahnen


sehr gut

Emotional sehr starkes Debüt

Tildas Leben gleicht einem durchgetakteten Schlachtplan, sie funktioniert für sich, aber vor allem für ihre kleine Schwester, die sie mit der alkoholkranken Mutter nicht alleine lassen kann, weshalb sie selbst für alles die Pause-Taste gedrückt hat. Ihre 22 Bahnen Schwimmen und die paar ruhigen Minuten am Abend, bevor alles wieder von vorne losgeht, sind ihre einzige wirklich eigene Zeit, in der sie einmal nicht kämpfen muss.

Caroline Wahl ist in ihrem Debütroman vor allem eine unglaublich starke Charakterisierung ihrer Figuren gelungen, man fühlt mit Tilda mit, die für ihr Leben eigentlich ganz andere Pläne hatte, aber für die es selbstverständlich ist, ihre Schwester stark zu machen für "den Krieg da draußen", aber auch im eigenen Zuhause - oder noch besser, ihre Lebensumstände so zu gestalten, dass man vielleicht nicht immer Kämpferin sein muss. Die Beziehung der beiden Schwestern und ihr Umgang miteinander war wirklich wunderschön zu verfolgen.

Mich persönlich haben nur die laufenden Verweise auf ganz konkrete Gegenstände (Eigenmarken von Supermarktketten, YA-Film-Franchises, Einkaufskorbhersteller, Literaturlisten des Mathematikstudiums) sehr irritiert. Sicher beschreiben solche Dinge zum Beispiel ein bestimmtes Milieu, aber mich hat jede Erwähnung ein bisschen aus der Emotion des Geschehens geworfen, was ich sehr schade fand.

"22 Bahnen" ist bei aller Tragik der Handlung und der Situation ihrer Figuren eine überraschend hoffnungsvolle Geschichte, in Idas Entwicklung und darin, dass Tilda über die Gegenwart hinaus in die Zukunft blicken kann.

Bewertung vom 13.07.2023
Nincshof
Sebauer, Johanna

Nincshof


ausgezeichnet

Die Freiheit im Vergessenwerden

Ein Dorf, das es vielleicht nie gegeben hat - oder wurde es nur von der Außenwelt vergessen, mit ein bisschen Nachhelfen seiner Bewohner, und ist wieder hinter seinem schützenden Schilfversteck verschwunden?
Ein Sommer, der heiß und drückend ist wie jeder andere, aber doch ein ganz besonderer Sommer, in dem plötzlich Bewegung in das Dorfleben kommt, nächtliche Ausflüge unternommen werden, Alte wieder jung werden, und geheimnisvolle Ziegen, die eigentlich Lamas sind, leuchten. In dem alte Geschichten erzählt werden, die nie passiert sind, oder vielleicht doch? Denn wenn sie ausgedacht, erinnert und erzählt werden, sind sie auch Wirklichkeit?

Johanna Sebauer ist mit ihrem Debütroman ein wunderbar skurriles Portrait eines Dorfes im Burgenland, am hintersten Zipfel Österreichs gelungen, zwischen Legenden und Dokumentarfilmerinnenblick.
Nincshof ist voller sympathischer, einprägsamer Figuren, die in diesem heißen Sommer alle ein kleines bisschen deppert werden, sich in wilde Ideen verrennen, die aber doch - zumindest im Hinterkopf, als nostalgisches, Idylle suchendes Stimmchen - auch sehr nachvollziehbar sind: das Nicht-Mitmachen am Weltgeschehen, am Immer-Neuen, am Schneller-Mehr-und-Weiter, und die Freiheit, die damit gewonnen wird.

Nincshof ist eine kleine, sommerliche Alltagsflucht, ins einfache, vermeintlich unaufgeregte Leben. Eine amüsante, aber auch zum Nachdenken anregende Lektüre, mit viel spürbarer, nachsichtiger Liebe zum Land, seinen Leuten, Traditionen und Eigenheiten erzählt, und eine Freude zu lesen!

Bewertung vom 09.07.2023
Die Gesellschaft der geheimen Tiere Bd.1
Gamble, Luke

Die Gesellschaft der geheimen Tiere Bd.1


ausgezeichnet

Fast perfekto
4,5 Sterne
Rezension geschrieben von einer 11-jährigen Leserin:

Ich mag die Hauptfigur Edie, weil sie Tiere mag und weil sie keine eingebildete Tussi ist, die denkt "Iiihh, jede Menge Wildtiere, die haben bestimmt Tollwut und so!"

Die Handlung ist wirklich spannend und überraschend, man weiß nie was als nächstes passiert und wie es die Charaktere doch noch schaffen, die Tiere (Yetis und Bharals) zu retten.

Die Geschichte ist sehr gut geschrieben, weil man sich alles gut vorstellen kann, sowohl das Waldhaus von Ediths Onkel als auch die Schauplätze im Himalaya. Im Umschlag gibt es auch Karten von beiden Orten.

Ich mag nicht, dass auf dem Cover keine Yetis abgebildet sind, sondern ein Phönix, aber in der Geschichte gar kein Phönix vorkam. Vielleicht ja dann im nächsten Teil, den ich auf jeden Fall wieder sehr gerne lesen würde!
Dass Edith jetzt ihren Onkel und die spannenden Abenteuer hat, die sie in den Ferien erleben kann, um allen möglichen fantastischen Tieren zu helfen, lässt sie die Zeit in ihrer strengen Schule bestimmt besser überstehen.

Bewertung vom 18.06.2023
Bergleuchten
Seemayer, Karin

Bergleuchten


sehr gut

Menschliche Geschichten vor einem gigantischen Bauwerk

"Bergleuchten" erzählt eine Geschichte vom Bau des Gotthardtunnels.
Diese Zeit des Aufbruchs, die Schwierigkeit, die Dauer und die Gefahr dieses gigantischen Unterfangens sind wirklich sehr eindrücklich eingefangen.
Auch die verschiedenen Leben, die durch dieses Bauwerk berührt und verändert wurden, sind sehr empathisch nachempfunden. Die Alteingesessenen, deren ruhiges, abgelegenes Bergdorf plötzlich ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerät, die sich dem unvermeidbaren Fortschritt gegenüber sehen, der ihre gesamte Welt verändern wird. Die Fuhrbetriebe, die mit dem Bau des Tunnels und der Eisenbahn zwar ihre Existenz bedroht sehen, aber für die Dauer der Bauzeit auch am ungeheuren Materialbedarf der Baustelle und der Arbeiter verdienen können. Die Italiener, die als Arbeitskräfte zu Hunderten in den Berg kommen, ausgebeutet werden, Gefahren und Feindseligkeiten ausgesetzt sind, und sich trotz allem mit dem Erfolg dieses Jahrhundertbauwerks tief verbunden fühlen. Und die jüngere Generation des Dorfes, vor der sich ganz neue Erfahrungen und Möglichkeiten eröffnen.
Überhaupt sind Karin Seemayer sehr einprägsame Figuren gelungen, allen voran Helene und ihre Freundin Paula, die vor den Traditionen und Erwartungen an eine junge Frau ihre Lebenswege selbst bestimmen wollen.

Die von Sophie Hutter gesprochene Hörbuchversion ist durch deren Schweizer Akzent sehr authentisch und stimmungsvoll. Stimmlich kann sie sich auf die unterschiedlichen Charaktere sehr gut einstellen, man nimmt ihr sowohl die lebensfrohen jungen Italiener als auch die zum Teil grimmigen älteren Bewohner des Bergdorfes ab, und für die starken jungen Frauenfiguren ist ihre Stimme ideal geeignet. Ohne das Buch zum Vergleich gelesen zu haben, würde ich behaupten, dass die Ereignisse beim Hören eindeutig mehr zum Leben erweckt werden.

Eine fesselnde Geschichte vor einem spannenden, gut recherchierten historischen Hintergrund, mit kleineren erzählerischen und stilistischen Schwächen, aber insgesamt sehr zu empfehlen - besonders als Hörbuch, welches die Geschichte noch etwas näher und stärker erleben lässt!

Bewertung vom 10.06.2023
Erdmittelpunkt: Betreten auf eigene Gefahr! / Im Bann der Elemente Bd. 1
Herzog, Anna

Erdmittelpunkt: Betreten auf eigene Gefahr! / Im Bann der Elemente Bd. 1


ausgezeichnet

Nur ein gaaaaanz kleines bisschen die Welt retten...

Einladungen von sprechenden Duschen und merkwürdigen Mädchen muss man folgen, und so stolpern Jacob, seine Freunde und seine Schwester in ein großartiges Abenteuer unter der Erde, um nur mal eben ein kleines bisschen (wirklich nur ein klitzekleines, und die Katastrophe ist auch nur winzig klein!) die Welt zu retten. Ach ja, und Jacob ist übrigens ein Elementarwesen, ein Erdwesen um genau zu sein, nur so nebenbei...

Anna Herzog erzählt wirklich kreativ, witzig und sehr unterhaltsam, und ist dabei sprachlich und stilistisch immer sehr nah an der Zielgruppe.
Der Handlungsablauf ist spannend und rasant gestaltet, ein aufregendes Ereignis jagt das nächste durch eine fantastische Welt aus toll beschriebenen Orten, an denen man den unterschiedlichsten Wesen begegnet. (Achtung, einige der Wesen lispeln oder haben sonstige Sprachbesonderheiten; als sichere Leser hat uns das nicht gestört, sondern trägt zur Charakterisierung bei, je nach Lesestand könnte es allerdings für einige Kinder Probleme bereiten.)
Es ist eine Freude, Jacob, Taio, Lili und Putte zu begleiten, denn ihre Freundschaft und ihr Zusammenhalt, bei dem die Stärken und Schwächen der Einzelnen in der Gruppe gemeinsam funktionieren, um die Abenteuer zu bestehen, sind toll beschrieben.

Das Buchcover ist für meinen Geschmack ein bisschen überladen, die gelblichen abstrahierten Kreaturen und die Schriftart des Titels sind mir zusammen etwas zu viel des Guten. Ansonsten würden die wirklich sehr schönen, blau glänzenden Flächen und die Illustration der Figuren viel besser zu Geltung kommen.
Die Illustrationen innerhalb der Geschichte sind sehr gut getroffen, wobei durch die detaillierte Beschreibung der Szenen und Schauplätze beim Lesen schon sehr starke Bilder im Kopf entstehen, die direkt ins Geschehen versetzen.

Ein wirklich gelungener, starker Beginn einer neuen Kinderbuchreihe. Die Charaktere möchte man sehr gerne noch auf weiteren Abenteuern begleiten, und die Welt der Elemente hält ganz sicher noch weitere Geheimnisse und Überraschungen bereit!

Bewertung vom 08.06.2023
Das Licht im Rücken
Lüpkes, Sandra

Das Licht im Rücken


ausgezeichnet

Wieder großartig erzählt

Sandra Lüpkes konnte mich schon in "Die Schule am Meer" (die in ihrer Anfangszeit auch in diesem Roman mit einigen Handlungsfäden verknüpft ist) mit ihrem Erzählstil begeistern.
"Das Licht im Rücken" verbindet wieder die Geschichte eines Ortes, hier Wetzlar, einer Institution, hier die Firma Leitz, mit den verschiedenen Lebensgeschichten von realen und fiktionalen Figuren, die mit der Zeitgeschichte des 20. Jahrhunderts vom ersten Weltkrieg über die Weimarer Republik bis zum Ende des Dritten Reiches verwoben werden. Diese Reichweite des Handlungsspielraumes, über mehrere Jahrzehnte hinweg und aus verschiedenen persönlichen Perspektiven, schafft eine unglaublich immersive Romanwelt.
Der zusätzliche Aspekt der Technikgeschichte, wie die Fotografie für Privatpersonen praktikabel und erschwinglich und damit massentauglich wurde, das Privatleben auf ganz neue Art festhalten konnte, und, in der Hand von Journalisten, ihrerseits den Verlauf der Weltgeschichte beeinflusst hat, hat mich sehr interessiert.

Die Figuren sind alle so stark charakterisiert, dass man trotz ihrer Vielzahl nicht den Überblick verliert, mit allen mitfühlen und ihre unterschiedlichen Erfahrungen und Beweggründe nachvollziehen kann. Besonders die historischen Persönlichkeiten Ernst Leitz II. und Elsie Kühn-Leitz haben mich in ihren Überzeugungen und Taten tief beeindruckt. Zum Ende des Buches, auch wenn die Handlung für die Charaktere abgeschlossen ist, wäre ich doch gerne all ihren Geschichten noch weiter gefolgt.

Absolut lesenswertes, historisch spannendes und persönlich bewegendes Bild einer Zeit und ihrer Menschen!

Bewertung vom 07.06.2023
Wo du mich findest
Barns, Anne

Wo du mich findest


sehr gut

Verlieren, Suchen und Finden

"Im Traum lebte ich ein Leben mit dir. [...] Doch du nahmst immer mehr Raum ein in mir, auch am Tag."
Auf der Suche nach dem Mann, der ihr seit einer flüchtigen Begegnung nicht mehr aus dem Kopf geht, fährt Sophie, haltlos nach schweren Verlusten und dem Ende ihrer Ehe, nach Rügen, freundet sich mit ihrer älteren Vermieterin an, begegnet den verschiedensten Menschen...
Die Zusammenfassung der Geschichte könnte unter einem Titel wie "Das kleine rote Rohrdachhaus am Meer" fast an einen Cosy-Romance-Roman erinnern.
Doch Anne Barns erzählt Sophies Geschichte so ganz und gar unkitschig und reduziert, und doch gleichzeitig in einer unglaublich schönen Sprache, die eine wunderbar unwirkliche Atmosphäre zwischen Realität und Traum malt.

Das Cover, wenn auch für sich genommen sehr schön, gefällt mir in Bezug auf die Geschichte noch immer nicht so richtig. Nach der Lektüre kann ich den eingefangenen Moment zwar einordnen, aber emotional passt die Stimmung für mich nicht ganz.

Auf den wenigen Seiten des recht kurzen Buches entstehen in unaufregegt-ruhigen, feinen Beobachtungen nachvollziehbare Persönlichkeiten und spürbare Emotionen, vor der magisch wirkenden Kulisse und dem sich wandelnden Licht der Küste.
Die Sehnsucht nach geliebten Menschen und Freunden, nach Orten und einem (emotionalen) Zuhause zieht sich durch alles, und die Beschreibung "traurigfroh", die Sophie zuteil wird, passt auch für die Geschichte selbst, zwischen Melancholie und Hoffnung, zwischen (Sich-)Verlieren, Suchen und Finden.

Ein trauriges, aber nicht bedrückendes Buch, und gleichzeitig ein sehr schönes, das ein Glücksgefühl zurücklässt. Und das Bild der wunderbaren Marlene mit ihrem verträumten Haus, mit Blick auf den Apfelbaum mit den leuchtenden Glaswindlichtern, und dahinter das Meer und der Himmel...

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 04.06.2023
Das Café ohne Namen
Seethaler, Robert

Das Café ohne Namen


sehr gut

"Man sollte sich immer ein bisschen mehr Hofnung als Sorgen machen."

Ein sehr atmosphärisches Bild eines Wiener Stadtviertels in den 1960er und 70er Jahren, rund um einen Markt und ein Café und die verschiedensten Charaktere, die dort auf ihren Lebenswegen aufeinandertreffen, zusammenkommen, sich ein Stück begleiten, aneinander geraten, auseinander gehen. Die Persönlichkeiten, Eigenheiten, Vergangenheiten, Wünsche und Träume der einzelnen Figuren sind sehr einfühlsam beobachtet und beschrieben. Auch die Aufbruchstimmung der Stadtbevölkerung und das Zusammengehörigkeitsgefühl in der Nachbarschaft des Cafés ist überall spürbar.

"Man sollte sich immer ein bisschen mehr Hofnung als Sorgen machen." Ein wirklich wunderschöner Satz, der die Grundemotion der Geschichte einfängt.

Als Portrait einer Zeit und eines Milieus und einer Stadt sehr gelungen, sprachlich und erzählerisch ebenfalls ein sehr schönes, ruhiges und stilles Buch. Insgesamt habe ich die Geschichte gern gelesen und ich habe auch keine konkreten Kritikpunkte, aber so richtig packen konnte mich die Handlung doch nicht - irgendetwas worauf die Geschichte zuläuft, ein entscheidendes Ereignis, eine Botschaft habe ich vermisst.
Definitiv aber eine empfehlenswerte Lektüre in leisen Tönen.

Bewertung vom 04.06.2023
Wieso? Weshalb? Warum? Mein Kalender 2024
Kienle, Dela

Wieso? Weshalb? Warum? Mein Kalender 2024


sehr gut

Wissenshäppchen für jeden Tag

Die "Wieso Weshalb Warum?"-Reihe ist bei Kindern und Erwachsenen beliebt, weil sie ihr Publikum wirklich gut aufbereitete Informationen zu allen möglichen Themen kindgerecht entdecken lässt. Der Abreißkalender bietet auch für 2024 jeden Tag (Samstag und Sonntag teilen sich ein Kalenderblatt) eine Wissensfrage, ein Rätsel oder eine Idee für eine Aktivität.
Die Themen sind eine bunte Mischung aus den WWW-Büchern, zum Teil auch passend zu den Jahreszeiten oder Feiertagen. Das Interessengebiet und der Wissensstand von Kindern von 4-7, also von Kindergarten über Vorschulalter bis zum ersten Selbstlesen wird ganz gut abgedeckt, wobei natürlich individuelle Vorlieben unterschiedlich sind und verschiedene Themen unterschiedlich bei verschiedenen Kindern ankommen werden - aber es sollte an den meisten Tagen für alle etwas dabei sein!

Die Aufmachung des Kalenders ist sehr gut geeignet um Monate, Zahlen/Datum und Wochentage zu lernen, die Monate haben verschiedene Farben und die Wochentage sind jeweils an ihrer Stelle in der Woche dargestellt.

Inhaltlich würde ich ein paar Abstriche machen, daher die Wissens"häppchen", die durchaus etwas gehaltvoller daherkommen könnten.
Gerade die Ausmalbilder sind für mich als Elternteil ein bisschen verschenktes Potential, hier hätte ich mir entweder mehr von den Rätseln gewünscht, kreative Malvorschläge und offene Fragen wie man sie aus Kritzelbüchern kennt, oder wenigstens auch zu den Malmotiven noch einige Informationen oder Fakten.
Auch einige der Erklärungen sind doch sehr kurz geraten, da wäre auf der Seite definitiv noch Platz für einige Sätze mehr gewesen. So würden zumindest unsere Kinder hier häufig nach der Erklärung noch mehr Warum-Fragen stellen. An sich finde ich das super, dann noch an anderer Stelle mehr herauszufinden, aber für den Kalender an sich ist es etwas schade. Da führt der Weg dann doch zur Sammlung der WWW-Bücher im Regal.

Eine tolle Inspiration, (fast) jeden Tag etwas Neues zu entdecken, im gewohnten Stil der "Wieso Weshalb Warum?"-Bücher.

Bewertung vom 28.05.2023
Zwischen Himmel und Erde
Rodrigues Fowler, Yara

Zwischen Himmel und Erde


gut

Politisch, kämpferisch und eine Herausforderung

Ein Buch das sehr anspruchsvoll zu lesen ist und schwierig zu beurteilen...
Wenn ich es gelesen habe, hatte es durchaus meine gespannte Aufmerksamkeit, aber sobald ich es weggelegt habe, blieb es dann auch mal ein paar Tage liegen, so dass ich mich erst wieder aufraffen musste. Man hat das Gefühl, ein sehr kluges, literarisch sehr spannendes Buch zu lesen, nur leider ist der Zugang dazu sehr erschwert.
Zum einen wird im Text sehr viel Wissen über brasilianische und britische Geschichte vorausgesetzt, ohne das man sich im Geschehen der Handlung nicht sehr leicht zurechtfindet, da historische Zusammenhänge größtenteils nur angedeutet werden (Innerhalb der Anmerkungen der Autorin am Schluss werden einige im Text angedeutete Ereignisse erklärt, was aber natürlich nur bedingt hilft, wenn man dann bereits die Lektüre beendet hat...). Auch springt die Geschichte zwischen Schauplätzen, Zeiten und Personen, was die Orientierung erschwert.
Eingeschobene größere Abschnitte auf portugiesisch, die nur teilweise übersetzt werden, lassen nicht-sprachkundige Lesende (vermutlich?) einiges (wichtiges?) verpassen. Während der Lektüre nach Übersetzungen zu suchen hätte mich wahrscheinlich noch mehr aus dem Lesefluss herausgerissen, in dem ich mich auch ohnehin schon gerade so halten konnte.

Der Stil ist sehr poetisch und für einen Roman sehr ungewohnt künstlerisch, fast experimentell. Der Erzählstil bewegt sich zwischen Stream of Consciousness und Rausch, lauter atemlos und zeichenlos aneinandergereihte Sätze, Eindrücke die auf einen einströmen, ohne klar zu fassen zu sein, eine Collage aus einzelnen Erinnerungen und Szenen.
Insgesamt respektiere ich diese Stilentscheidungen sehr, da sie die Grundatmosphäre der Geschichte stimmig widerspiegeln.
Für eine bessere Lesbarkeit und ein besseres Verständnis hätte ich mir aber doch vielleicht mindestens ein paar mehr Satzzeichen gewünscht, so dass man wenigstens in den Dialogen weiß, wer gerade spricht.

Das Buch ist definitiv eine Herausforderung, voller politischer und gesellschaftlicher Fragen (Demokratie, Gleichberechtigung, Race, soziale Gerechtigkeit, feministische und queere Themen...). Es ist in seiner Reichweite und Sprache beeindruckend, aber liest sich sicher nicht mal eben so zwischendurch.



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An einigen Stellen sind mir Unaufmerksamkeiten der deutschen Übersetzung aufgefallen, vor allem Formulierungen, an denen ein anderes Wort deutlich mehr Sinn ergeben hätte [z.B. hätte eine Katze sicher eher einen Riss bzw. eine Kerbe im Ohr, als eine Träne (vermutlich stand 'tear' im Original?)].
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