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meerblick

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Insgesamt 466 Bewertungen
Bewertung vom 10.08.2025
Kilimann, Susanne;Görgens, Manfred

Baedeker Reiseführer Bretagne


ausgezeichnet

Die Bretagne - ein außergewöhnliches Fleckchen Frankreich

Mit dem Baedeker ‘B Bretagne‘ haben Sie nicht nur einen umfänglichen Reiseführer an der Hand, sondern auch ein Hilfsmittel, dass das Überangebot an Highlights versucht zu ordnen. Dieses ‘Mehr‘ an Besonderheiten, welches diese Region Frankreichs zu bieten hat, ist ein faszinierender Reiz, den es zu genießen gilt. Wer im Urlaub in der Bretagne unterwegs ist, wird sehr schnell merken, dass magische Momente zu erleben – dort gelebter Alltag bedeutet. Das nordwestlichste Ende des Landes ist der Beginn eines vom Meer bestimmten Traumes, des so oft schon beschriebenen, von Leichtigkeit geprägten Savoir Vivre, verbunden mit dem einzigartigen, wilden Charme des Atlantiks. Namen wie Saint Malo oder Mont-St-Michel entfachen sofort, bereits beim Aussprechen, Bilder im Kopf. Die Bretagne ist ein Spiel zwischen Moderne und Mittelalter. Beim Betrachten der Gegensätze spürt man, dass diese durchaus auch miteinander harmonieren können und diese Rauheit diesem Fleckchen Erde einen liebenswerten Charakter verleihen.
Wer unbedingt stilvoll Shoppen möchte – und mal genug hat von diesem reizenden Meeresklima, macht einen Abstecher nach Nantes, um dort in der Passage Pommeray Zeit zu verbringen.
Auf mehr als 400 Seiten in diesem Reiseführer kann man so vieles entdecken, was man unbedingt als Besucher der Bretagne wissen sollte. Anregungen werden in Hülle und Fülle im Baedeker ‘B Bretagne‘, geschrieben von Susanne Kilimann und Manfred Görgens, angeboten. Hilfreich ist die ebenfalls enthaltene praktische Karte EASY ZIP.

Bewertung vom 04.08.2025
Adler, Warren

Die Rosenschlacht


ausgezeichnet

Abgrundtiefer Hass

Die vor achtzehn Jahren geschlossenen Ehe zwischen Jonathan und Barbara Rose zerbricht scheinbar wie aus heiterem Himmel. Barbara verlangt die Scheidung und fordert ihren Noch-Ehemann durch konsequentes, unerbittliches Handeln gemeinsam mit dem Star-Anwalt Washingtons auf, der Trennung zuzustimmen. Es werden Bedingungen zur Aufteilung des Wohnraumes und der Begleichung finanzieller Aufwände des noch gemeinsam genutzten Haushalts für das Trennungsjahr ausgehandelt, denen auch Jonathan mit seinem nicht minder schlitzohrigen Anwalt zunächst zustimmt. Doch als das mit viel Liebe zum Detail aufwendig renovierte und ausgestattete luxuriöse Anwesen in bester Stadtlage bezüglich einer Gütertrennung zur Disposition steht, eskaliert die Situation, weil sich keiner davon freiwillig trennen möchte, beide auf ihr Recht beharren, den größten Anteil an der gemeinsam aufgebauten Immobilie geleistet zu haben. Die Gemüter erhitzen sich zusehends. Jonathan und Barbara gehen wie zwei Boxer, eigentlich das initial verbindende Glied zwischen ihnen in Form von zwei wertvollen Porzellanfiguren, aufeinander los und verbeißen sich selbstzerstörend ineinander. Ungeachtet der Folgen ihres Handelns, die sich belastend auf ihre Kinder auswirken können, werden die Hassattacken immer brutaler ausgetragen.
Es faszinierte und erschreckte mich zugleich, wie sich die Charaktere aufbauen, wie menschliche Schwächen in ihrer Unachtsamkeit aus einer Mücke einen Elefanten entstehen lassen, wie die Gemüter sich an Dingen hochschaukeln, die normalerweise vernünftig diskutiert und geklärt werden könnten. Man steht fassungslos vor dieser unglaublich wuchtigen, skrupellosen, ins Maßlose ausufernden Inszenierung von Vernichtung zweier sich ehemals Liebenden.
Warren Adler liefert mit seinem überarbeiteten Roman ‘Die Rosenschlacht‘ die Vorlage zur gleichnamigen Neuverfilmung, des Ende der achtziger Jahre sehr erfolgreich gelaufenen Kinohits ‘Der Rosenkrieg‘. Der Autor schreibt äußerst lebendig, lässt den Lesenden kaum Zeit zum Luftholen in der bildlichen Darstellung der katastrophalen Zustände im Hause Rose. Gleichzeitig wirft er Fragen auf woher die Unzufriedenheit der Ehefrau in diesem bevorzugten Leben ohne finanzielle Not kommt. Ist es der unausgefüllte Alltag, in dem die Kinder stetig selbständiger werden, der Neid auf den beruflichen Erfolg des Mannes, während sie
immer zurückgesteckt hatte oder ist es das vollkommene Luxusheim, das keiner weiteren Hinwendung bedarf?
Dieser Roman, den ich sehr gern gelesen habe und auch weiterempfehle, stellt gesellschaftliche und menschliche Probleme in den Mittelpunkt und beweist in seiner zugegeben überspitzten Ausführung absolute Aktualität.

Bewertung vom 03.08.2025
Andrea, Jean-Baptiste

Was ich von ihr weiß (eBook, ePUB)


sehr gut

Mimo, der Außenseiter

Michelangelo Vitaliano, genannt Mimo, wird von seiner Mutter nachdem der Vater verstorben war aus Geldnöten im zarten Alter von zwölf Jahren nach Ligurien zum Onkel Alberto geschickt. Der Junge ist Bildhauer, hat das künstlerische Rüstzeug und die Begabung vom Vater mitbekommen. Seine Kleinwüchsigkeit und die überaus schlechte Behandlung durch seinen Verwandten setzen Mimo mental zu. Neben seine Freunden Annex und Emanuele findet er in der lebenslustigen als auch besonders eigenwilligen Adligen Viola Orsini eine Vertraute Beide dürfen sich allerdings nur im Verborgenen sehen. Die Standesunterschiede sind zu groß.
Die Familie Orsini fördert den Künstler, der damit finanziell wohl situiert leben kann. Sein letztes Werk wird allerdings vom Vatikan als zu skandalös eingeschätzt und verschwindet in einem Kloster, in dem auch der Protagonist Mimo viele Jahre seines Lebens verbringt. Rückblickend wird aus der Perspektive des alten Mannes, der auf dem Sterbebett liegt, über sein Leben und seiner großen Liebe zu Viola, die nie ihre Erfüllung fand, berichtet. Verwoben wird die Geschichte mit den historischen Ereignissen des 20. Jahrhunderts in Italien zu Lebzeiten der Hauptfigur.
Jean-Baptiste Andrea erhielt für seinen feinfühligen, poetischen, stillen Roman ‘Was ich von ihr weiß‘ den Prix Concourt.

Bewertung vom 02.08.2025
Bretzinger, Otto N.

Der große Erbschaftsratgeber


ausgezeichnet

Vorsorgen ist besser als Nachsicht

‘Der große Erbschaftratgeber‘ von Otto N. Bretzinger bietet geballtes Wissen rund um das Thema der Planung von Nachlass. Um eventuellen Streitigkeiten schon frühzeitig aus dem Weg zu gehen, ist es empfehlenswert, sich rechtzeitig ausführlich und sachkundig über die Gegebenheiten in unserer deutschen Rechtsprechung zu informieren. Zeitgerechte Vorsorge sichert vor ungewollten bösen Überraschungen.
Gut strukturiert und leicht verständlich gibt der Autor in einundzwanzig Hauptabschnitten wertvolle Ratschläge zum Umgang mit dem Erbe. Schließlich ist es überhaupt nicht leicht, sich im Paragraphendschungel als Laie zurechtzufinden. Einen bösen, vielleicht sogar langwierigen Streit vor den Gerichten sollte man durch fürsorgliche Planung vermeiden können. Das ist doch ein positiver Aspekt dafür, den ein oder anderen Blick in dieses lehrreiche Nachschlagewerk zu riskieren.

Bewertung vom 01.08.2025
Weinert, Steffen

Eisfeld - Dunkle Enthüllungen / Mara Eisfeld ermittelt Bd.2


ausgezeichnet

Brisante Verwicklungen

Mara Eisfeld, die Kriminalhauptkommissarin, ist zerrissen zwischen ihrem beruflichen und privaten Leben. Mit Haut und Haar hat sie sich der Verbrecherjagd in ihrer Heimatstadt Berlin verschrieben. Doch ihr kleiner Sohn und der Noch-Ehemann fordern ebenso ihre ganze Aufmerksamkeit und vor allem Zeit, die gemeinsam verbracht werden möchte – ein Spagat, den sie nicht zur Zufriedenheit aller Beteiligten leisten kann. In ihrem Job gibt sie alles, ist überlegt, mutig und erfolgreich. Sie ist in der Lage, ihr Team zu motivieren. Gegenüber unliebsamen Anordnungen ihrer Vorgesetzten weiß sie sich zu behaupten. Im Privaten ist sie eher eine kleine, liebenswerte Chaotin.
Als ein sehr bekannter Investigativ-Journalist auf offener Straße erschossen und gleichzeitig eine Praktikantin lebensgefährlich verletzt wird, übernimmt KHK Eisfeld den Fall, muss allerdings mit unliebsamen Kollegen zusammenarbeiten. Sehr schnell ist klar wer hinter diesem Mord und Mordversuch steckt. Es entwickelt sich nun eine rasante Jagd nach dem Schuldigen, wo natürlich Zeit eine entscheidende Rolle spielt. Die Spur, die sie verfolgt, gibt immer neue Rätsel auf und schließlich ergeben sich sogar Verwicklungen bis in ihr innerstes familiäres Umfeld.
Steffen Weinert liefert mit seinem Kriminalroman ‘Eisfeld – Dunkle Enthüllungen‘, dem zweiten Teil einer Fortsetzungsreihe um die KHK Eisfeld, eine brisante, hochaktuelle und ebenso spannende wie unterhaltsame Story, die wenn man einmal begonnen hat zu lesen, nicht mehr aus den Händen legen mag. Seine gut ausgebauten Charaktere geben der Geschichte eine sympathische Nahbarkeit. Man ist sozusagen mittendrin im Geschehen, das sicherlich eng an der Realität angelegt ist. Bis zur letzten Seite bleibt es fesselnd, weil stets neue, ungeahnte Aspekt einfließen und so plötzliche Wendungen der Sachlage hervorrufen.
Die Bücher lassen sich unabhängig voneinander lesen, ohne inhaltliche Schwierigkeiten.

Bewertung vom 27.07.2025
Kreutzmüller, Christoph;Weigel, Bjoern

Berlin im Nationalsozialismus


ausgezeichnet

Herausfordernde Zeiten für Berlin

Das Buch von Christoph Kreutzmüller und Bjoen Weigel ‘Berlin im Nationalsozialismus – Abriss einer Stadtgeschichte‘ zeichnet ein Bild dieser Stadt in jenen Jahren der Herrschaft des Nationalsozialismus. Es setzt sich intensiv mit den Auswirkungen des ideologischen Einflusses auf die Bevölkerung, die Veränderungen in ihrem Alltag auseinander. Dabei werden ausgewählte Örtlichkeiten in ihrer Veränderung betrachtet. Mal sind es ganz private, mal Vergnügungsorte oder auch Plätze, an denen die Politik durchgesetzt wurde. Zahlreiche Fotografien beleben die gut recherchierten Fakten, die in ihrer Art populärwissenschaftlich und damit gut lesbar aufgearbeitet sind.
Das Sachbuch bietet interessante, ungeahnte Einblicke in das Leben der Menschen, die in jener Zeit in der Metropole Berlin lebten und sich mit den herrschenden Machtverhältnissen auseinandersetzen mussten.

Bewertung vom 27.07.2025
Kelly, Julia R.

Das Geschenk des Meeres


ausgezeichnet

Geschenke erkennen und annehmen

Julia R. Kelly beschenkt uns Lesende mit einem berührenden, vielschichtigen, lebensnahen und meiner Meinung nach auch zeitungebundenen Roman ‘Das Geschenk des Meeres‘. Die Geschichte lebt nicht nur aus dem zauberhaft aufgebauten Plot heraus allein, sondern ebenso durch den einfühlsamen, ruhigen Schreibstil, der sowohl die widrigen Witterungsbedingungen in jenen kalten, unwirtlichen Wintertagen im Jahre 1900 in dem kleinen, schottischen Fischerdörfchen Skerry, gelegen an der schroffen, stürmischen Atlantikküste, eindrucksvoll beschreibt als auch die Protagonisten in ihrer charakterlichen Entwicklung hervorragend darstellt.
Im Mittelpunkt der Geschichte stehen die unnahbare, steife Dorfschullehrerin Dorothy und der ruhige, liebenswerte Joseph, deren Liebe füreinander schicksalhaft belastet ist und viele Jahre ihres Lebens als schwere Bürde auf ihren Schultern lastet, allerdings aus völlig unterschiedlichen Beweggründen. Als eines Tages ein heftiger Sturm ein Kind mehr tot als lebendig an die Küste spült, das Joseph findet und der Pfarrer es schließlich in die Obhut von Dorothy gibt, werden alte Wunden aufgerissen aber gleichzeitig ergeben sich neue Chancen im Leben, dem einst grausamen Schicksal offen zu begegnen. Ausgerechnet dieser kleine, schweigsame Junge könnte es möglich machen Gefühle zu überdenken, alte Wunden endlich heilen zu lassen und ein wertvolles Geschenk anzunehmen.
In den zwei Erzählsträngen vom ‘Damals‘ und dem ‘Jetzt‘ aus unterschiedlichen Perspektiven der Schlüsselfiguren erfahren wir vom Leben der Dorfgemeinschaft, von ihren Vorlieben und Sehnsüchten, vom täglichen Tratsch und Klatsch, von Intrigen und Pflichterfüllung, von Schmerz und tragischen Ereignissen, von unerfüllten Lebensträumen, von brutalen Szenen in einer Ehe.
Dieser Roman besitzt für mich auch heute noch eine große Aktualität. Ich wünsche ihm, dass er sein begeistertes Lesepublikum findet.

Bewertung vom 27.07.2025
Evans, Virginia

Die Briefeschreiberin


ausgezeichnet

Der Zauber des geschriebenen Wortes

Entgegen der Schnelllebigkeit in unserem modernen Leben liebt es die Protagonistin Sybil van Antwerp, Briefe zu schreiben. Sie glaubt sich besser im geschriebenen Wort ausdrücken zu können und mag eine ganz besondere Sorte von Briefpapier und natürlich ganz konventionell die Spur des Tintenflusses. Dabei verfolgt sie bei manchem Briefwechsel eine zeitliche Routine einzuhalten, bei anderen wiederum erfolgt der Austausch in losen Abständen. Als begeisterte Leserin spiegelt sie dem ein oder anderen Autor ihre Gedanken und Gefühle als Feedback auf seine Geschichte und freut sich sehr über eine Antwort. Sie hebt alle ihre erhaltenen und zum Teil die Kopien der geschrieben Briefe auf. Diese Korrespondenz besitzt einen unschätzbaren Wert für sie.
Sybil ist mit dreiundsiebzig Jahren längst im Ruhestand. Nicht ganz unvermögend konnte sie sich diesen Luxus noch vor dem üblichen Rentenalter leisten. Sie blickt auf ein beruflich ausgefülltes und erfolgreiches Leben als Juristin zurück, das allerdings nicht ganz ungetrübt ist. Eine falsche Handlung von ihr belastete durch ein Fehlurteil eine ganze Familie. Diese Tat liegt noch immer schwer auf ihrer Seele. Ihr privates Glück jedoch konnte sie nicht finden. Ein tragischer Unfall, eine Scheidung, Missverständnisse mit ihrer Tochter trüben ihren Alltag. Hier muss sie Fehler einsehen und versuchen zu korrigieren. Schließlich begibt sie sich auf die Spuren ihrer Vergangenheit, die unverhofftes Glück bescheren.
Virginia Evans wagt sich mit ihrem Roman ‘Die Briefeschreiberin‘ auf ein ungewöhnliches Terrain, eine Geschichte zu erzählen. Ich war sehr überrascht wie leicht und flüssig sich die aufeinanderfolgenden Briefe gelesen haben, sich in wunderbarer Weise zu einer Geschichte mit Tiefe, Tragik, glücklichen und schmerzlichen Momenten als Beschreibung eines inhaltsreichen Lebens zusammenfügten.
Wer sich an ein ungewöhnliches auf jeden Fall lohnendes Leseerlebnis heranwagen möchte, findet hier beste Unterhaltung und besonderen Lesegenuss.

Bewertung vom 26.07.2025
Schreiber Pekin, Yasemin

Die Truhe der Schamanin


sehr gut

Im Jahr der Schlange

Yasemin Schreiber Pekin entführt uns Leser in ihrem historischen Roman ‘Die Truhe der Schamanin‘, dem ersten Teil einer Trilogie, in die Zeit der kämpferischen, brutalen Auseinandersetzungen des Dschingis Khan. Entlang der Seidenstraße kreuzen sich die Wege von Menschen aus sehr unterschiedlichen Landesteilen mit differenten kulturellen Ausprägungen, Sprachen und spirituellen Besonderheiten. Die spannend geschriebene Fiktion ist eng verwoben mit regionalen, mystischen Fabelwesen.
Im Mittelpunkt des Geschehens steht die Schamanin Rana, die gemeinsam mit ihrer hochschwangeren Tochter Al-Su vor Enforcern flieht. Dabei wird ihnen eine wertvolle Truhe mit unschätzbar wichtigen Schriftstücken und medizinischen Gaben gestohlen. Der Dieb, ein Mongole, konnte schwer verletzt entkommen. Nun sind sie auf der Suche nach ihren Habseligkeiten, bekommen Gesellschaft und treffen auf Gäste, die sich entlang der Seidenstraße auf den Weg gemacht haben zu einer Hochzeit, einer bedeutenden Hochzeit. Dschingis Khan möchte seiner Tochter mit einem Uiguren verheiraten. Das lockt jede Menge Besucher aus nah und fern an.
Es gibt drei Handlungsstränge, die sich im Laufe der Geschichte verbinden, dennoch jede Menge Fragen offenlassen, die sicherlich in der angekündigten Romanfortsetzung ihre Antworten finden. Im Anhang des Buches werden hilfreiche Anmerkungen zu geschichtlichen Zusammenhängen und angeführten Personen gemacht.

Bewertung vom 21.07.2025
Knecht, Doris

Ja, nein, vielleicht


sehr gut

Herausforderungen im Leben

Die Ich-Erzählerin, Ende fünfzig, in Doris Knechts Roman ‘Ja, nein, vielleicht‘ lebt die überwiegende Zeit unabhängig und allein in einem alten zurecht gemachten Haus auf dem Land, ohne innigen Kontakt zu ihren Nachbarn. Man grüßt sich, wenn man sich begegnet, wechselt ein paar knappe Worte. Aber dieses freie unabhängige Leben hat sich die Protagonistin selbst ausgesucht. Ihre Kinder, ein Zwillingspaar, leben unabhängig in der Großstadt, in Wien. Die Verbindung zum Vater der Kinder besteht so gut wie gar nicht mehr.
Trotz eines sehr großen Familienverbandes mit weiteren 4 Geschwistern, die wiederum Kinder haben, verheiratet sind und den eigenen Eltern besteht wenig Kontakt. Man telefoniert, tauscht sich sporadisch aus über Belanglosigkeiten oder Themen, die berühren. So auch über eine Schwester, die unsere Protagonistin darum bittet, ihr Apartment in der Großstadt Wien vorübergehend benutzen zu dürfen. Nun beginnt sich das Gedankenkarussell zu drehen. Unglaublich viele Fragen entstehen, die mit sich allein diskutiert werden. Auch ein zufälliges Treffen mit einem alten Freund führt zu ausufernden Gedankenkonstrukten, die zwanghafte Handlungen bewirken. Schließlich werden auch Zahnschmerzen, verursacht durch Parodontose als Folge des fortschreitenden Alterungsprozess gesehen und ausgewertet.
Die Autorin fängt das seelische Leiden ihrer Protagonistin sehr akribisch ein, zeichnet das Bild einer Selfmadefrau, die sich in den gesellschaftlichen Zwängen eines Paarbildes unwohl fühlt, Zu Hause in ihren vier Wänden führt sie ein glückliches Dasein, ist zufrieden mit ihrer schriftstellerischen Berufung, dem Alleinsein. Doch dann, wie so oft im Leben, wandeln sich die Herausforderungen durch unvorhersehbare, unbeeinflussbare Ereignisse, die neue Perspektiven in den Mittelpunkt mentaler Auseinandersetzungen stellen.