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Benutzername: 
kerstin_aus_obernbeck
Wohnort: 
Ostwestfalen

Bewertungen

Insgesamt 38 Bewertungen
Bewertung vom 09.03.2023
In die Wellen!
Nordberg, Amy

In die Wellen!


ausgezeichnet

Das hübsche Cover, der Leichenwagen auf der Rückseite – zack, hatte ich mich in „In die Wellen“ von Amy Nordberg schockverliebt. å

Erzählt wird die Geschichte von Katha „Hellcat Kate“ Muñez. Ihr Leben ist ziemlich festgefahren, ihre Ehe auch nicht der Knaller. Ein Sabbatical in Spanien mit ihrem Mann Carlos soll’s irgendwie richten. Kurz vor der Abfahrt gibt das Auto für die Reise den Geist auf. Hilfe kommt von Henne, einem bezaubernden, buddhistischen, (bedingt) brandheißen Bestatter. Der leiht Katja für den Trip nach Spanien einen Leichenwagen, hört zu, wenn sie mal den Lebensmist loswerden muss und hat auch noch andere Qualitäten.
In Spanien ist dann der fast chronisch übellaunige, pedantische und mental steinalte Carlos Kontroletti mit der Gesamtsituation unzufrieden und es wird ungemütlich im warmen Murcia. Als nix mehr geht haut Katha ab und macht sich mit dem Leichenwagen auf eine abenteuerliche Reise - durch diverse Länder und zu sich.

Den Debütroman von Amy Nordberg habe ich quasi in einem Rutsch gelesen, weil ich wissen musste, wie es mit Katha weitergeht. Eine spannende und nachvollziehbare Geschichte, die super zu lesen ist. Man kann sich in Katha hineinversetzen, auch wenn es durchaus widersprüchliche Momente in ihrem Handeln gab, an denen ich mir ein „echt jetzt?“ nicht verkneifen konnte. Die Charaktere in dem Buch sind gut beschrieben, ich habe mir Carlos, Tammy und Henne genau vorstellen können. Vor allen Dingen Henne …
Neben der packenden Geschichte haben mich an dem Roman die Informationen zu Land, Leute und Küche der jeweiligen Station von Kathas Reise begeistert.
Ein toller Roman, der es verdient gelesen zu werden.

Bewertung vom 09.03.2023
Gezählte Tage
Häusler, Martin

Gezählte Tage


ausgezeichnet

Gezählte Tage – Als John Lennon seine Seele verkaufte / Martin Häusler

Das Cover ist schrill, in bunten Farben finden sich hier Jesus, kreischende Girls, die Beatles und im Vordergrund John Lennon mit etwas um den Hals, was wohl der Seeleneinkäufer ist.

Das Buch beginnt in den 1960ern, eine talentierte, jedoch vom Glück eher nicht verfolgte Tanzkapelle aus Liverpool träumt vom großen Erfolg und bemüht sich dafür in Hamburg den Grundstein zu legen. Wer die Geschichte der Beatles ein wenig kennt, weiß, dass die Jahre auf der Reeperbahn kein Ponyhof waren. Und dort soll John Lennon zu Tony Sheridan gesagt:

„Ich weiß, dass die Beatles Erfolg haben werden wie keine andere Gruppe.
Ich weiß es genau, denn für diesen Erfolg habe ich dem Teufel meine Seele verkauft.“

ZACK – und da haben wir die Geschichte, denn genau um diesen diabolischen Deal geht es in dem Buch.

Die Beatles werden in den 60ern weltweit gefeiert und schreiben Songs für die Ewigkeit. Erfolg, Ruhm, Geld, ein feines Leben – alles, was sich John, Paul, George und Ringo gewünscht haben, wird wahr.

Jedoch basiert dieser Ruhm auf der verkauften Seele von John Lennon.

Das Buch handelt primär von ihm, einem Mann, der „Das Gute, das Böse, das Schöne, das Hässliche, der Friede, die Gewalt, die Genügsamkeit, die Gier“ in einer Person ist. So beschreibt sich John Lennon nach einem Traum und genau so habe ich ihn beim Lesen des Buches empfunden.

Wie es John Lennon vom Abschluss des Deals bis zum 8.12.1980 ergeht, wie er lebt, liebt, sich musikalisch entwickelt und experimentiert, wer ihn umgibt, wen er verlässt und wie er versucht mittels Spiritualität, Glaube und Liebe einen Ausweg aus dem Pakt zu finden, wird in der Geschichte von Martin Häusler auf sehr lesbare Art erzählt. Man trifft Freunde, Familie und Weggefährten in einer Geschichte mit fließenden Übergängen zwischen Fakt und Fiktion.

„Gezählte Tage“ ist speziell im allerbesten Sinne, ebenso weird wie berührend, es macht nachdenklich und wirft Fragen auf. Ein tolles Buch – unbedingt lesen!

Bewertung vom 09.03.2023
Das Papierhaus
Domínguez, Carlos María

Das Papierhaus


ausgezeichnet

Das Papierhaus / Carlos María Domínguez

88 Seiten sind nicht gerade ein riesiger Wälzer, aber bei dem Buch „Das Papierhaus“ ist ganz klar Qualität statt Quantität das Motto!

„Im Frühjahr 1998 kaufte Bluma Lennon in einer Buchhandlung in Soho eine alte Ausgabe der Gedichte von Emily Dickinson und wurde an der nächsten Straßenecke, als sie gerade beim zweiten Gedicht angelangt war, von einem Auto überfahren.
Bücher verändern das Schicksal der Menschen.“

Ein ungewöhnlicher Einstieg in ein Buch und ich war neugierig, wie es weitergeht.

Erzählt wird die Geschichte durch einen Kollegen von Bluma Lennon, der ihre Aufgaben an der Universität Cambridge übernimmt und einige Zeit nach ihrem Tod ein an sie adressiertes Paket aus Uruguay erhält. In diesem Paket findet sich ein zerlesenes, verdrecktes, mit Zement verunreinigtes Exemplar von Joseph Conrads „Schattenlinie“ mit einer rätselhaften Widmung von Bluma Lennon an einen dem Erzähler unbekannten Carlos.

Neben dem Wunsch, das Buch an den Absender zurückzubringen und zu erklären, dass Bluma verstorben ist, ist auch die Neugier des Erzählers geweckt, mehr über das Buch, warum es sich in diesem Zustand befindet und den Absender zu erfahren. Zu diesem Zweck macht er sich auf eine aufregende Spurensuche nach Südamerika. Dort erfährt er, wie die Liebe zu Büchern und zur Literatur aussehen können und welche Auswirkungen eine Bücherobsession haben kann – und die Frage der optimalen Sortierung der Druckwerke im Regal ist dabei nur ein Teilaspekt.

Mich hat das Buch von der ersten bis zur letzten Seite gefesselt und zum Ende der Geschichte mehr und mehr nachdenklich gemacht. Es ist eine Liebeserklärung an Bücher, es erzählt vom Leben und vom Lesen und einer großen Leidenschaft für Literatur. „Das Papierhaus“ ist ein Buch mit viel Gefühl.

Ein wunderbares Buch für einen zeitlich überschaubaren Lesemoment, ein feines Geschenk für einen Buchmenschen und eine schöne Geschichte, wenn man Bücher liebt.

Bewertung vom 09.03.2023
Der betrunkene Berg
Steinfest, Heinrich

Der betrunkene Berg


ausgezeichnet

Der betrunkene Berg / Heinrich Steinfest
 
Eine Buchhandlung auf einem Berg in 1.765 m Höhe und ein vor dem Erfrieren geretteter Unbekannter – mir hat der Klappentext gereicht, damit ich neugierig auf das Buch war.
 
Katharina Kirchner betreibt auf einem Berg eine Buchhandlung. Nach persönlich und beruflich bewegten Jahren hat sie sich für dieses Leben entschieden. Von Oktober bis Dezember ist die benachbarte Schutzhütte nicht besetzt und Katharina ist allein auf dem Berg. Bei einer Tour entdeckt sie einen Mann in Sommer-Wanderbekleidung, der halb erfroren im Schnee liegt. Katharina ist überzeugt: „hier oben stirbt keiner“ und rettet „den vom Unglück verzauberten Bären“. Der Fremde kann sich nicht erinnern, wer er ist und was er auf dem Berg wollte. Katharina gewährt ihm den Wunsch, eine Weile bei ihr bleiben zu dürfen und da der richtige Name nicht bekannt ist, einigen sie sich auf den Namen Robert.
 
Die Beiden gestalten den Alltag in der Abgeschiedenheit, indem sie den Buchladen renovieren, Robert seine Qualitäten als Koch unter Beweis stellt und sie sich aus dem Buch „Selbstporträt eines lächelnden Mannes auf der Spitze des Berges“ (ein Buch im Buch mit einer ebenfalls bemerkenswerten Geschichte) vorlesen. Nach und nach kommen Roberts Erinnerungen zurück.
 
„So war die Natur. Ein achselzuckendes, geniales Wesen zwischen Feingeist und Monstrum.“ - und dies gilt nicht nur für die Natur, sondern auch für die Protagonisten des Romans, wie der Leser im Laufe der Geschichte erfährt. Das Buch beginnt unaufgeregt und gelassen, selbst die Entdeckung des Fremden erscheint unspektakulär, jedoch ist von Beginn eine Spannung vorhanden, die durch die unerwarteten Wendungen gesteigert wird, bis die Geschichte ein überraschendes Ende nimmt.

„Die Sonne wirkte so groß und greifbar nahe, als sei sie ein riesiges Loch im Himmel, eine fantastische Wunde, durch die das helle Blut des Universums flutete.“ - der Autor beschreibt Personen, Orte und Situationen wunderbar bildhaft. Ich war beim Lesen mit auf dem „Bücherberg“.

Ein fesselnder, gewaltiger Roman. Unbedingt lesen!

Bewertung vom 09.03.2023
Die Ladenhüterin
Murata, Sayaka

Die Ladenhüterin


ausgezeichnet

Die Ladenhüterin / Sayaka Murata

Schon als Kind ist Keiko Furukara speziell, fehlende Emotionen und unerwartete Verhaltensweisen sind für ihre Familie und ihr Umfeld nicht nachvollziehbar und führen zu Problemen.

~ „Jetzt guck doch mal, Keiko, das ist doch traurig, das arme Vögelchen (ist tot)“, flüsterte meine Mutter unentwegt auf mich ein, aber ich fand das kein bisschen. ~

Keiko erkennt, dass ihr Verhalten ihre Umwelt irritiert. Mit der Strategie nur das Nötigste zu sagen und sich aus allem herauszuhalten, bewältigt sie die Schul- und Unizeit.

~ Meine Freizeit verbrachte ich grundsätzlich allein, persönliche Unterhaltungen führte ich nie. Ich fand überhaupt keinen Anschluss an die Gesellschaft. ~

Während des Studiums nimmt sie einen Aushilfsjob in einem 24/7-Supermarkt an, diesen behält sie auch nach dem Uni-Abschluss, denn der Konbini mit seinem Handbuch,
seinen Regeln und strukturieren Abläufen gibt ihr Sicherheit.

~ Zum ersten Mal war es mir gelungen, am normalen Leben teilzunehmen. Als wäre ich gerade erst geborgen worden. Mein erster Tag im Konbini war mein Geburtstag als normales Mitglied der Gesellschaft. ~

Die Normalität, wie Keiko sie empfindet, ist jedoch nicht real und für die Ewigkeit. Das Imitieren anderer Menschen und maximale Anpassung verhindern nicht, dass es im Leben immer wieder zu irritierenden Situationen kommt.
Mit Mitte 30 muss sie sich dann fragen lassen, warum sie noch immer einen Aushilfsjob ausübt, nicht verheiratet und kein normales Mitglied der Gesellschaft ist. In dieser Situation begegnet sie Shiraha.

„Die Ladenhüterin“ - ein ganz besonderes Buch. Mit seiner Doppeldeutigkeit gibt der Titel bestens auch Keikos Situation wieder. Die Autorin hat einen fluffig-lesbaren Stil, die Charaktere sind gut beschrieben und die Geschichte ist originell.
Die Fragen, was normal ist, wie man zu einem normalen Mitglied der Gesellschaft wird und die damit verbundene Kritik, dass Individualität zur Ausgrenzung führen kann und Konformität eine mögliche Lösung ist, haben mir gut gefallen.

Ein Einblick in die japanische Kultur, eine Geschichte, die lesenswert ist und nachdenklich macht.

Bewertung vom 09.03.2023
Before the Coffee Gets Cold
Kawaguchi, Toshikazu

Before the Coffee Gets Cold


ausgezeichnet

Before the coffee gets cold / Toshikazu Kawaguchi
 
Eine urbane Legende berichtet von einem Café in Tokyo, das seinen Besuchern eine Reise in die Vergangenheit ermöglicht. In dem Roman „Before the coffee gets cold“ werden die Geschichten der Inhaber Nagare und Kei, der Mitarbeiterin Kazu sowie von Fumiko, Hirai, Kothake und Fusagi, Gästen des „Funiculi Funicula“ erzählt.
 
Wer kennt es nicht, dass einen mitunter beschäftigt, was ungesagt oder unterlassen blieb?
 
-     ich hätte es sagen sollen
-     er soll wissen, dass ich immer für ihn da bin
-     hätte ich mich doch nur nicht immer verleugnen lassen
-    ich möchte es einfach nur sehen
 
Vielfältige Gründe führen zu dem Wunsch, in der Zeit reisen zu wollen, jeder Gast hat seine eigene Geschichte und unter bestimmten Bedingungen und Einhaltung wichtiger Regeln gibt es in dem Café tatsächlich die Möglichkeit, eben genau diesen Wunsch zu erfüllen.
Eine der Regeln besagt, dass man die Gegenwart nicht ändern kann. Die wichtigste Regel jedoch ist, von der Reise zurückzukehren, bevor der zu Beginn servierte Kaffee kalt ist.
 
Der Roman umfasst nur wenige Figuren, die untereinander auf vielfältige Weise in Verbindung stehen und erzählt von den Gründen, warum sie in die Vergangenheit möchten.

Mich hat die Geschichte von der ersten Seite an begeistert, Toshikazu Kawaguchi beschreibt die Figuren und die Umgebung so lebhaft, dass ich das Gefühl hatte, ebenfalls mit einem Kaffee in dem Café sitzend, die Szenerie zu beobachten.
Die Gründe für den Wunsch nach einer Zeitreise sind vielfältig, bei jeder Person nachvollziehbar und die Geschichte hat mich sehr nachdenklich gemacht und berührt.

If I could turn back time…
 
Ein besonderes Buch, dass es wirklich wert ist, gelesen zu werden!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 09.03.2023
Das glückliche Geheimnis
Geiger, Arno

Das glückliche Geheimnis


gut

Das Glückliche Geheimnis / Arno Geiger

Es war das Cover mit seinen fröhlichen Farben und ein Klappentext, der mich neugierig gemacht hat und so habe ich an einem trüben Tag im Februar „Das Glückliche Geheimnis“ gekauft.

„Ein Buch voller Lebens- und Straßenerfahrung, voller Menschenkenntnis, Liebe und Trauer.“
 
In dem Roman erzählt Arno Geiger von seinem Weg als Schriftsteller. Er berichtet von seiner Familie, den Sorgen um Eltern, die älter werden, von Beziehungen und Affären, Familie und Freunden und davon, dass er über einen langen Zeitraum die frühen Morgenstunden damit verbracht hat, das Altpapier von Wien zu durchsuchen. Was durch einen Zufall begann, entwickelt sich zu einem wichtigen Teil seines Tagesablaufes und seiner Arbeit - und sichert auch durch verwertbare Zufallsfunde die Existenz eines zunächst nicht erfolgreichen Autors.
Bücher, Drucke, Postkarten, Briefwechsel, all das findet er auf seinen Streifzügen. Einiges wird auf dem Flohmarkt verkauft, anderes dient, um mehr vom Leben der Menschen zu erfahren und zur Inspiration. Diese Touren sind „Das glückliche Geheimnis“ des Autors.

Das Buch erzählt von Höhen und Tiefen, einem leidenschaftlichen Künstlerleben, einer Gratwanderung zwischen Buchpreis und Burnout und von Liebe in vielfältiger Art und Weise.
 
Zunächst bin ich nicht richtig in die Erzählung reingekommen und wollte es schon zu den „lese ich irgendwann mal“-Büchern legen, denn auch wenn die Erzählweise flüssig und das Erzählte sicher sehr ehrlich ist, fehlte mir irgendwie Sympathie für die Geschichte. Aber dann waren da auch diese schönen Beschreibungen von Wien, wenn die Stadt morgens erwacht. Und auch die vielen wunderbaren Denkanstöße bezüglich Besitzes, erfülltem oder angefülltem Leben, nach der Frage, was bleibt und die verschiedenen Blickwinkel, die sich daraus ergeben, haben mir gefallen.
 
Es war letztlich ein anderes Buch, als ich erwartet habe.
Es ist ein Roman mit schönen Momenten.