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Frau_Ke
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Halle (Saale)

Bewertungen

Insgesamt 53 Bewertungen
Bewertung vom 03.04.2024
Sthers, Amanda

Caffè sospeso


ausgezeichnet

Amanda Sthers erzählt in „Caffè sospeso“ neapolitanische Kaffeehausgeschichten. Aufhänger dazu ist der titelgebende „Caffè sospeso“ - ein in Neapel etablierter Brauch, wonach man als Gast außer dem eigenen Kaffee auch einen weiteren Kaffee bezahlt. Es ist eine Geste der Solidarität, der Nächstenliebe. Der französisch-stämmig Ich-Erzähler hat als teils stiller Beobachter teils involvierter Protagonist verschiedene Geschichten rund um den „aufgeschobenen" Kaffee gesammelt. Sie alle drehen sich (im weitesten Sinne) um die Liebe. Der Bogen spannt sich dabei von den 1980er Jahren bis zur Corona-Pandemie.

Der große Pluspunkt des Buchs liegt darin, dass Amanda Sthers einen sehr feinsinnigen und berührenden Schreibstil hat. Hinzu kommt ein Hauch von Nostalgie - man fühlt sich einfach wohl beim Lesen. Leider wirken manche Episoden etwas zu konstruiert und rätselhaft. Nicht immer konnte ich vollends eintauchen und einen Zugang finden, schade. Auch das Ende kommt für meinen Geschmack zu schnell und dadurch etwas zu kurz.

Fazit: Ein Roman voller Wärme und Menschlichkeit und einer unerwarteten letzten Seite...

Bewertung vom 03.04.2024
Schulz, Bernhard M.

Liebe ist ganz anders


ausgezeichnet

Das in Schwarz-Weiß gehaltene Cover mag auf den ersten Blick unscheinbar, fast steril, erscheinen, aber wer genauer hinschaut, sieht die Liebe (zum Detail), die darin steckt. Zudem passt das Titelbild perfekt zum Buch(titel) und den Illustrationen im Buch, die allesamt in diesem einfachen, aber wirkungsvollen, beinahe karikaturistischen Stil gehalten sind. Mit wenigen Strichen werden ganze Szenerien geschaffen, die (fast) ohne Worte auskommen.

Viele Worte verschwendet auch der Autor nicht. Die Erzählungen sind kurz und auf den Punkt. Und dabei doch recht detailliert und liebevoll. Jeder Satz sitzt. Und jede Erzählung für sich ist besonders. Die Bandbreite der Geschichten und Anekdoten reicht von himmelhoch jauchzend bis zum Tode betrübt...Liebe hat eben viele Gesichter.

Fazit: Kurze Geschichten, die mitten ins Herz gehen und im Kopf bleiben.

Bewertung vom 28.03.2024
Seck, Katharina

Die Vermesserin der Worte


ausgezeichnet

Liebevoll und ergreifend - das ist das Buch von Katharina Seck. Mit viel Poesie erzählt sie die Geschichte der jungen Autorin Ida, die auf der Suche nach ihren verlorengegangenen Worten ist, und der älteren Damen Ottilie, die auf der Suche nach verlorengegangenen Erinnerungen ist. Auf den ersten Blick mag es ein ungleiches Paar sein, auf den zweiten Blick verbindet die beiden aber weitaus mehr, als sie anfänglich ahnen.

Es ist eine Geschichte über die Macht der Worte, die im positiven wie im negativen Sinn Menschenleben beeinflussen können. Das ist verzaubernd, teils melancholisch, aber dabei immer ausgewogen. Ebenso wie die Kapitel, die ähnlich lang sind und individuelle Überschriften tragen - auch das passt in das stimmige Gesamtbild. Nur das Cover fällt für meinen Geschmack etwas ab. Es wird dem Inhalt irgendwie nicht gerecht.

Für mich was das Buch ein Pageturner; man versinkt förmlich darin und hofft, dass es nicht allzu schnell vorbei ist. Und doch ist irgendwann Schluss.

„Und am Ende überwand man einen solchen Verlust nie ganz. Man lernte nur, die Trauer in eine Kiste zu stecken, die man öffnen konnte, wenn man bereit dafür war. Denn trotz allem waren der Schmerz und der Verlust auch für etwas gut: Sie waren Zeuge dessen, dass man geliebt hatte." (S. 249/250)

Fazit: Ein Buch, das mitten ins Herz trifft und von dort in den Kopf wandert - und dort hängen bleibt.

Bewertung vom 01.03.2024
Maiwald, Stefan

Die Spaghetti-vongole-Tagebücher


gut

Das in Leinen gebundene Buch ist optisch und haptisch schon ein echter Leckerbissen. Zudem machen Cover, Titel und Vorwort eindeutig Appetit. Allerdings bin ich nach der Lektüre - um im Wortbild zu bleiben - noch etwas hungrig.

Keine Frage, der lockere, amüsante Stil zieht sich wie eine nicht enden wollende Spaghetti durch das Buch. Man kaut sich genüsslich durch die Seiten - und hofft auf ein grandioses Dessert. Aber alles in allem bleibt es eine halb gare Geschichte ohne krönenden Abschluss.

Fisch, Fleisch oder doch vegan? Handelt es sich um ein Sachbuch, ein Kochbuch oder einen Roman? Zu allem fehlt das gewisse Etwas. Die Rezepte sind zwar schmackhaft, aber leider doch zu ungenau, als dass man sie nachkochen könnte. Für einen Roman hingegen ist die Handlung zu wässrig und am Ende bleiben Fragen offen. Und als Sachbuch wäre es wohl zu lax...

Fazit: Für alle, die sich vor Ort auskennen und somit auch etwas mit den handelnden Personen und Lokalitäten anfangen können, ist das Buch ein Genuss. Auch die Anekdoten und historischen Abstecher sind durchaus lesenswert und unterhaltsam, aber am Ende bleibt es für meinen Geschmack (zu) leichte Kost.

Bewertung vom 16.02.2024
Vieweg, Olivia

Die Stadt der Schattenschläfer und die Melodie der Albträume


sehr gut

Das Buch von Olivia Vieweg ist in der Tat ein schaurig-schönes Abenteuer mit lustig-originellen Charakteren. Der Schreibstil ist mitreißend, das Erzähltempo hoch - und ehe man sich versieht, ist man auch schon am Ende angelangt, das - ohne etwas vorwegzunehmen - durchaus überraschend und keineswegs vorhersehbar ist. Man hat das Gefühl, das es noch einen zweiten Teil braucht, um die Geschichte weiterzuerzählen.

Mir gefällt es gut, dass das Buch in Kapitel unterteilt ist, die jeweils eine gute Länge haben. So kann man, wenn man es schafft, das Buch auch mal zur Seite legen. (Was aufgrund der Spannung schwerfallen dürfte...)

Die Zeichnungen, die sich durchs Buch ziehen, sind sehr stimmungsvoll, obwohl - oder vielleicht gerade weil - sie in schwarz-weiß gehalten sind. Schade, dass das Cover nicht so ganz diesem Stil entspricht.

Fazit: Ein spannendes Buch mit Grusel-Faktor. An einigen Stellen bleiben allerdings Fragen offen - Fantasie ist also gefragt!

Bewertung vom 12.02.2024
Lux, Lana

Geordnete Verhältnisse


gut

Beklemmend, bedrückend, bewegend - mit diesen Worten lässt sich Lana Lux' Buch am besten beschreiben. Von der ersten Seite an entwickelt sie mit ihrem Schreibstil einen Sog, dem man sich nur schwerlich entziehen kann. Nahezu atemlos verschlingt man Seite um Seite, in der Hoffnung, dass sich am Ende doch noch alles zum Guten wendet.

Erzählt werden verschiedene Episoden, die den Leser in die Gefühls- und Gedankenwelt von Philipp und Faina eintauchen lassen. Die Abgründe, die dabei ans Licht kommen, werden im Verlauf der Geschichte immer größer und immer schmerzhafter.

An manchen Stellen verliert sich die Autorin in Details, die zu viel des Guten sind, z.B. wenn Philipp feststellt: "Am schlimmsten finde ich öffentliche Toiletten, bei denen man sich seine Ausscheidungen nicht ansehen kann." (S. 34) Auch bei Faina gibt es solche Stellen: "Ich kam (Anm.: zur Frauenärztin), bevor ich mein erstes Mal hatte, ich kam, als ich zum ersten Mal weißen Hüttenkäse in meinem Slip entdeckte..." (S. 142)

Ja, Lana Lux nimmt kein Blatt vor den Mund, aber derlei Ausführungen braucht es für meinen Geschmack nicht, um dem Leser die brutale, schonungslose Realität vor Augen zu halten - das gelingt auch ohne die Holzhammermethode, wie Lana Lux vor allem zum Ende hin deutlich beweist.

...und dann ist das Ende da - plötzlich, unerwartet, eiskalt. Und irgendwie ist man erleichtert, dass es vorbei ist, dass der Psychoterror ein Ende hat.

Fazit: Das Buch überzeugt mit seiner erzählerischen Wucht, aber ist definitiv nichts für schwache Nerven bzw. für Menschen, die von den Themen häusliche Gewalt, toxische Beziehungen o.ä. getriggert werden. Daher nur 3 von 5 Sternen. Doch all jenen, die gerne in die düsteren Bereiche der menschlichen Seele vordringen, sei das Buch empfohlen.

Bewertung vom 08.02.2024
Schoeters, Gaea

Trophäe


sehr gut

Es ist ein unmoralisches und scheinbar doch verlockendes Angebot, das der reiche und jagdbegeisterte Hunter in Afrika erhält: Statt nur auf die Big Five (Elefant, Nashorn, Büffel, Löwe und Leopard) soll er Jagd auf die Big Six machen dürfen – und einem anderen Menschen das Leben nehmen.

Der Gedanke ist nicht nur provokant, sondern regelrecht absurd und verstörend - und dennoch konnte ich das Buch nicht aus der Hand legen. Die detaillierten Beschreibungen der Natur und der Traditionen, ja vor allem auch der Jagd an sich, ziehen in den Bann - und lassen einen nicht wieder los. Der prägnante, temporeiche Schreibstil tut sein Übriges dazu.

Man bangt, man hofft, man zweifelt und fragt sich bis zuletzt: Wird er die Beute wirklich töten? Dabei kommt für meinen Geschmack das moralische und ethische Ringen Hunters mit der grundsätzlichen Frage, ob oder ob nicht, etwas zu kurz. Zudem bleibt das Buch einseitig - die Sichtweise und die Gefühlwelt des Gejagten bleiben nahezu außen vor.

Fazit: Das Buch ist ein moralischer, adrenalinreicher Ritt entlang der Grenze zwischen Richtig und Falsch, den man als Leser erstmal mitmachen und auch aushalten muss. Was am Ende bleibt, sind Erschütterung, Wut, Überforderung und ein Gedankenkarussell, das sich unaufhörlich dreht, denn wie viel ist ein Menschenleben wert? Nicht nur in Afrika, sondern weltweit.

Bewertung vom 10.11.2023
Fletcher, Susan

Florence Butterfield und die Nachtschwalbe


sehr gut

Krimi, Lebensbeichte oder Liebesgeschichte? Das Buch ist so vieles und lässt sich am Ende doch nicht in eine der klassischen Schubladen stecken. Im Grunde genommen, ist es ein Roman, der auf vielen Ebenen verzaubert und berührt. Zum einen ist die Sprache wunderschön, stellenweise sogar recht poetisch, z.B. wenn sich erste, zarte Liebesbande knüpfen. Zum anderen überzeugt die Tiefgründigkeit, mit der verschiedenste Themen behandelt werden wie der Verlust ihres Beines. Und vor allem überzeugt Florence Butterfield mit ihrer couragierten und empathischen Art. Sie ist quasi die Miss Marple oder auch Jessica Fletcher (Mord ist ihr Hobby) der Seniorenresidenz Babbington Hall.

„Unterbrochen“ werden ihre Ermittlungen von Rückblenden auf ihr bewegtes sowie bewegendes Leben. Dabei kommen neben amüsanten Anekdoten auch schwere Schicksalsschläge ans Licht. Das ist - zugegeben - manchmal etwas zu detailliert und dadurch leider langatmig, aber dennoch schafft es Susan Fletcher, die Spannung aufrecht zu erhalten und dem roten Faden zu folgen.

Fazit: Man muss Florence einfach mögen!

Bewertung vom 03.11.2023
Izquierdo, Andreas

Kein guter Mann


sehr gut

Walter, knapp sechzig, ist ein Postbote wie er im Buche steht: Er erledigt seine Arbeit gewissenhaft, ist dienstbeflissen, aber eben auch ein Eigenbrötler. Als er in die Christkindfiliale strafversetzt wird, erreicht ihn ein Brief, der sein Herz berührt - und ein Briefwechsel mit ungeahnten Folgen nimmt seinen Lauf. Walter, der anfangs eher an den Grinch erinnert, spielt plötzlich Gott - und will das Leben von Ben (und dadurch vielleicht auch sein eigenes) retten. Ob ihm beides gelingt, bleibt bis zum Ende offen. Man bangt und hofft. Aber Izquierdo wäre nicht Izquierdo, wenn er nicht in jedem Kapitel den Leser aufs Neue überraschen würde.

Ja, es ist ein herzerwärmender Roman, aber eben keine beliebige Weihnachts-Happy-End-Geschichte. Vielmehr bietet Izquierdo eine Geschichte zum Lachen und Weinen, für Herz und Kopf. Und am Ende bleibt die Frage: Was macht einen guten Menschen aus? Gut gemeint ist eben nicht immer auch gut gemacht...

Fazit: Kein Wohlfühlschmöker, aber eine wunderbare Tragikkomödie.

Bewertung vom 23.10.2023
Conny from the block

Da bin ick nicht zuständig, Mausi


ausgezeichnet

Zunächst einmal muss ich feststellen: Das Cover finde ich in Realität genauso schrecklich wie schon beim Blick auf die Leseprobe. Es spricht mich überhaupt nicht an, sondern schreckt mich regelrecht ab. Aber zum einen ist es Teil der Kunstfigur „Conny“ und zum anderen kommt es ja bekanntlich auf den Inhalt in - insofern kann ich darüber hinwegsehen. Die Optik im Buch wiederum gefällt mir gut. Die Karikaturen der Büro-Ladies passen perfekt zu dem Bild, das man beim Lesen von ihnen bekommt.

Der Schreibstil gefällt mir sehr gut. Ich hatte anfangs Bedenken, ob mir die Berliner Schnauze irgendwann auf den Keks gehen könnte - das war aber nicht der Fall. Im Gegenteil. Ich glaube sogar, dass ohne diesen Zungenschlag das Buch nicht annähernd so komisch gewesen wäre.

Natürlich sind die Charaktere und Alltagssituationen stark überzeichnet und lassen kein Vorurteil/Klischee aus, dennoch enthalten sie immer auch ein Fünkchen Wahrheit, manchmal sogar weit mehr.

Fazit: Conny bietet nicht nur eine bloße Aneinanderreihung von Anekdoten; sie folgt einem roten Faden, der sich durch das gesamte Buch zeiht - und am Ende sogar die Hoffnung auf eine Fortsetzung weckt. Wer zwischen den Zeilen liest, wird darüber hinaus merken, dass sie einen schonungslosen und ungeschönten Einblick in Deutschlands Amtsstuben gewährt. Wer schon einmal in diesem Bereich gearbeitet hat, wird an vielen Stellen zustimmend nicken - und herzhaft lachen.