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sommerlese
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Zu meinen Hobbies gehört Lesen einfach dazu. Meine Rezensionen erscheinen auch auf meinem Blog. Schaut doch bei Interesse mal rein! https://sommerlese.blogspot.com/
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Bewertungen

Insgesamt 2702 Bewertungen
Bewertung vom 23.04.2025
Engel, Henrike

Die Lichter über St. Pauli / Elbnächte Bd.1


sehr gut

Fesselnder Hamburg-Roman mit Krimielementen
Im Ullstein Verlag erscheint mit "Elbnächte. Die Lichter über St. Pauli" der erste Band der historischen Roman-Dilogie von Henrike Engel.
Hamburg, 1913: Das Leben in der Hansestadt ist turbulent und zum Teil auch gefährlich. Nachdem Louises Mann spurlos verschwunden ist und sie völlig mittellos zurück lässt, wagt sie gemeinsam mit Ella, eine ehemalige Prostituierte, einen Neuanfang und eröffnet auf St. Pauli eine Bar. Als in der Nachbarschaft ein Mord geschieht, verstecken die beiden Frauen den vermeintlichen Mörder und geraten damit in gefährliche Konflikte. Zu ihnen gesellt sich Paul, ein Ex-Polizist, der seinen Arm, seine Frau und sein Zuhause verloren hat und eine Bande wilder Straßenkinder verfolgt.

Die Story ist eine Mischung aus unterhaltsamer Geschichte dreier interessanter Hauptfiguren, die in eine fesselnde Krimihandlung verstrickt sind, die mich als Leserin ins Hamburg dieser Zeit eintauchen lässt. Dabei werden dunkle Verbrechen aufgedeckt, Prostitution und die damaligen Lebensumstände abgebildet, sodass sich für mich eine authentisch wirkende Zeitschilderung ergibt.

Der Erzählstil ist flüssig, bildhaft beschreibend und wir begleiten die Protagonisten auf einer abwechslungsreichen und packenden Ermittlungsreise in Hamburgs Unterwelt.
Besonderes Schmankerl, wer die Hafenärztin-Reihe gelesen hat, darf sich in diesem Band auf einen erneuten Auftritt einiger Figuren freuen.

Die Geschichte lebt von ihren wunderbar gezeichneten Figuren, die alle ihr persönliches Päckchen zu tragen haben, sich trotz ihrer Unterschiede zusammen raufen und den kriminellen Hintermännern auf die Schliche kommen wollen. Sie müssen sich selbst eine Lebensgrundlage erarbeiten und setzen dazu ihre individuellen Fähigkeiten sinnvoll ein. Dabei bilden sie ein Trio, dessen Handeln ich gespannt verfolgt habe. Während der Erzählung taucht man in die Gedankengänge und Erinnerungen der Figuren ein, lernt sie besser kennen und fühlt und hofft mit ihnen.

Louise entwickelt sich von der behüteten, naiven jungen Frau, die ganz von ihrem Mann abhängig war, zu einer selbstbewussten und mutigen Person, die trotz aller Schwierigkeiten den Start ihrer Bar vorantreibt.

Mit Ella hat sie eine tatkräftige Unterstützung gefunden, die nach einer ärmlichen Kindheit von ihren Eltern verkauft wurde, um eine Stelle als Dienstmädchen anzunehmen, doch sie landete in einem Bordell. In Hamburg wird sie ständig an ihre Vergangenheit erinnert und fühlt mit allen Frauen, deren Schicksal sich ähnlich entwickelte. Ihre große Freude im Leben ist ihre Mopsdame Principessa, die sich auch in mein Herz geschlichen hat.
Paul leidet nach dem Verlust seines Arms darunter, die Arbeit als Polizist nicht mehr ausüben zu können. Doch mit der Zeit und mit Arbeitsaufgaben, die er übernimmt, kehrt sein Lebensmut kehrt zurück. Er setzt alles daran, sich für Joshua einzusetzen, was ihn sehr sympathisch macht.

Die Herausforderungen an die drei Figuren sind groß, denn sie haben die Kiez-Größen der Unterwelt herausgefordert und damit gibt es auch einige spannende Szenen, die gerade zum Ende noch einmal für Furore sorgen. Ich hätte mir etwas mehr Einbindung der geschichtlichen Zusammenhänge erhofft.


Dieser fesselnde Roman dreht sich um starke Frauenfiguren, um Verbrechen und den Kampf um einen Neuanfang, der Hoffnung auf bessere Zeiten mit sich bringt.

Bewertung vom 21.04.2025
Caspari, Anna-Maria

Schlehengrund


ausgezeichnet

Ein fesselnder Abschluß der Trilogie!
Im Ullstein Verlag erscheint der abschließende Band der Eifel-Trilogie "Schlehengrund" von Anna-Maria Caspari.

Nachdem das Dorf Wollseifen 1946 zum Sperrgebiet wurde, nutzen Briten und später Belgier das Gebiet als Truppenübungsplatz. Die Bewohner müssen das Dorf verlassen und Johanna Lintermann und ihr Schwiegervater Albert kaufen einen Bauernhof in Embken, den sie gemeinsam bewirtschaften. Als Johanna Mann Karl nach 13 Jahren aus russischer Gefangenschaft zurück kehrt, ist er ein gebrochener Mann. Johanna hat sich in der Zwischenzeit zu einer selbstbewussten Frau entwickelt, sie möchte den Betrieb mit biologischer Landwirtschaft erneuern, doch Karl hält an alten Anbaumethoden fest. Die Eheleute haben sich entfremdet und Rolf kommt mit seinem traumatisierten Vater nicht zurecht. Wie soll ihr Leben weiter gehen?

Das Örtchen Wollseifen liegt in der Nähe zu Vogelsang, einer Ordensburg der Nationalsozialisten, diese wurde dem Dorf zum Verhängnis. Von dieser Geschichte erzählt Anna-Maria Caspari in ihrer Trilogie.

Im letzten Band beschreibt die Autorin die Nachkriegszeit ab 1950 und erzählt sehr zeitgemäß die Lebensgeschichten ihrer fiktiven Protagonisten, die an reale Schicksale angelehnt sind. Die Schilderung erfolgt lebensnah und angefüllt mit vielen Facetten, die die Menschen auszeichnen und wiedererkennbar machen. Durch sie erlebt man das Zeitgeschehen aus nächster Nähe mit und kann sich die politischen und gesellschaftlichen Vorgänge gut vorstellen.

Johanna hat sich während der langen Zeit ohne ihren Mann verändert, sie ist selbständig und tatkräftig und bewirtschaftet den Hof mit Hilfe ihres Schwiegervaters Albert. Als ihr Mann Karl aus dem Krieg zurück kehrt, ist er traumatisiert und nicht mehr wie früher. Ihr Sohn Rolf hadert mit seinem Vater und hält sich eher an seinen Großvater. Rolfs Freund Horst lebt nun in Berlin, bei einem Besuch staunt Rolf über die Unterschiede zwischen der lebendigen Großstadt und der rheinischen Dorfprovinz.

Geschickt baut die Autorin Zeitgeschichte und gesellschaftliche Entwicklungen in ihre Handlung ein, wir erleben den Besuch Kennedys und die Mondlandung, erkennen Adenauers politische Grundsätze und werden auch in das Fernsehprogramm der Zeit eingeladen. Die Unterhaltungsshows locken die Bürger vor die Flimmerkisten.

Dieser fesselnde Roman ist wieder ein Lesegenuss, der die Hoffnungen und Probleme der Menschen in der Eifel der 50er und 60er Jahre aufzeigt und dabei lebendig geschilderte Zeitgeschichte sichtbar macht. Für alle Freunde von historischen Romanen der jüngeren deutschen Geschichte ein Muss!

Bewertung vom 17.04.2025
Palu, Daniele

Marconi und der verschwundene Wattschützer / Ein Italiener ermittelt an der Nordsee Bd.2


sehr gut

Gelungene Krimiunterhaltung mit einem sympathischen Ermittler
Im Rowohlt Verlag erscheint Daniele Palus neuer Krimi Marconi und der verschwundene Wattschützer. Es ist der zweite Band der Marconi-Reihe, der in St. Peter-Ording spielt.

Als der Naturschützer Piet Lorenzen verschwindet, bekommt seine Gegenwehr zur umstrittenen Ölbohrinsel «Mittelplate A» einen besonderen Stellenwert. Doch Massimo Marconi und sein Team haben auch andere Spuren zu verfolgen, gegen Lorenzen läuft eine Klage wegen Beleidigung und vor seinem Verschwinden hatte der Vermisste einen Streit mit seiner schwangeren Verlobten. Ein Erpresserschreiben wirft weitere Fragen auf.

Mitten im Naturschutzgebiet Wattenmeer sorgt der Betrieb einer Ölbohrinsel für gespaltene Meinungen. Die Gegner sind Aktivisten einer Umweltschutzorganisation und die friedliche nordfriesische Idylle wird jäh gestört, als sich herausstellt, dass eine Vermisstensache zum Mordfall wird. Wer tötet einen Lehrer auf so grausame Weise? Marconi ermittelt heimlich mit seinem Team in dieser Sache, denn für Mordfälle ist ja die Kripo in Flensburg zuständig. Die Diskussionen mit seinem Vorgesetzten wundern deshalb natürlich gar nicht.

Neben der Ermittlungen wird Marconi durch seine neue Aufgabe als Ersatzpapa Marconi auch privat gefordert. Teenie-Nichte Klara ist verliebt in einen Aktivisten der Umweltschutzorganisation GreenPlanet. Und dann klopft auch noch das Jugendamt an und möchte sehen, ob sich Marconi wirklich ausreichend um die Kinder kümmert. Er nimmt das Ganze mit fast schon friesischer Gelassenheit und erfindet mit dem Kindern neue Gerichte, die Nordsee und Italien verbinden. Denn das schweißt die kleine Familie wunderbar zusammen.

Erneut führt Daniele Palus flüssiger Erzählstil locker und beschwingt durch die Handlung. Dabei streift man mit Marconi durch die nordfriesische Natur und erlebt die Ermittlungen aus nächster Nähe mit.

Die Charaktere werden facettenreich beschrieben und die Aktionen wirken lebensecht und authentisch.

Der Krimifall wirft anfangs viele Fragen auf, die sich im Laufe der Handlung immer mehr auflösen. Die Spannung bleibt auf mittlerem Niveau und damit im Rahmen, alles andere würde zu diesem Cosy Crime auch nicht passen. Mir hat die Idee einer Mischung aus friesischer und italienischer Küche gut gefallen, damit klappt nicht nur die Annäherung der Kinder mit ihrem Ersatz-Papa, die Gerichte schmecken bestimmt auch lecker.

Sehr unterhaltsamer Krimi mit friesischem Setting und durch den Bezug zum Naturschutz sehr aktuell, deshalb kann ich diesen Krimi wärmstens empfehlen!

Bewertung vom 16.04.2025
Brown, Helen;Scully, Claire

Der Natur-Erklärer


ausgezeichnet

Großartiges Buch zum Entdecken und Staunen über die Natur!
Im Prestel Verlag erscheint das Sachbilderbuch Der Natur-Erklärer von Helen Brown und Claire Scully.

Dieses Sachbuch für Kinder ab 5 Jahren stellt vielfältige Fakten und Zusammenhänge über Bäume, Blätter, Blumen, Samen, Pilze und die Jahreszeiten vor, die die Vorgänge in der Natur näher erklären.

Die Natur unterliegt einem ständigen Wandel und jeder Wandel gehört zu einem Kreislauf. Dabei passen alle Kreisläufe der Natur wie Puzzleteile ineinander. Sie bilden die Lebensgrundlage unserer einzigartigen Welt.

Aber wie funktioniert eigentlich die Natur? Woraus besteht ein Baum, wie viele Arten gibt es und wie vermehren sich Bäume. Wie entsteht aus einem kleinen Samenkorn ein mächtiger Baum? Was benötigen Samen, um zu keimen und was versteht man unter Photosynthese? Wie wachsen Pilze und viele weitere interessante Sachverhalte werden in klaren Texten und mit vielen anschaulichen Illustrationen Kindern näher gebracht. Die Bilder zeigen einzelne Details näher, bilden aber auch ganze Landschaften, Obstgärten, Wälder und Tiere inmitten von Sonnenblumen, Dschungeldickicht und Blumenwiesen ab. Die farbenfrohen Abbildungen sind naturnah und verlocken mit ihrer Vielfalt zum Ansehen und Entdecken.

Das optisch sehr ansprechende Buch ist in sechs Kapitel aufgeteilt: Bäume, Blätter, Blüten, Samen, Pilze und Jahreszeiten.

Die Themenbereiche werden interessant und umfassend aufbereitet und so erklärt, dass auch fünfjährige Kinder ihnen folgen können. Das Verstehen mancher Fachbegriffe ist sicher noch problematisch, doch Kinder lernen schnell und die Beschreibungen erläutern die Sachverhalte. Zusätzlich sind auch die detailgenauen Illustrationen hilfreich, die von Bakterien, Würmern, Tieren und diversen Insekten alles naturgetreu abbilden und mit erläuternden Texten die Zusammenhänge erklären.

Dieses Buch weckt das Interesse für die Natur und lässt Kinder und Erwachsene in spannende Vorgänge eintauchen, die zeigen, wie die Kreisläufe unserer Umwelt ablaufen und wie wunderbar die Vorgänge in der Natur zusammen spielen. Kommt und staunt mit über unsere wunderbare Welt!

Ein buntes, interessantes, wissenreiches Buch zum Entdecken und Staunen über die Natur!

Bewertung vom 14.04.2025
Schmidt, Joachim B.

Ósmann


ausgezeichnet

Ein Buchhighlight dank großer Erzählkunst!
Im Diogenes Verlag erscheint der Roman Ósmann von Joachim B. Schmidt.

Im hohen Norden Islands bringt Jón Magnússon als Fährmann mit einer Seilwinde Mensch und Vieh über den Ós, die Flussmündung im Skagafjord. Er wird liebevoll Ósmann genannt, ein Hühne von Mann, kraftstrotzend und gesellig, ein Menschenfreund und Robbenjäger, Trinker und Poet. Seine Fährhütte dient vielen Menschen als Schutz vor Wetterkapriolen, sie wird zur Herberge, denn Ósmann ist gastfreundlich und teilt warme Speisen und Getränke. Das macht ihn zu einem beliebten Zeitgenossen, auf den man bauen kann. Dabei hat sich das Schicksal gegen ihn verschworen, im Land der Geister und Elfen war zu dieser Zeit die Kindersterblichkeitsrate hoch.

In dieser ergreifenden Geschichte erzählt Joachim B. Schmidt vom Leben des 1914 verstorbenen isländischen Fährmanns Jón Magnússon Ósmann und lässt uns eintauchen in die isländische Landschaft und in die Seele der Menschen.

Obwohl das Buch nicht chronologisch aufgebaut ist, gelingt die zeitliche Einbindung durch die vorangestellten Angaben der einzelnen Kapitel. Neben der Jahreszahl, den teilweise extremen Wetterbedingungen und und dem jeweiligen Alter Ósmanns enthalten sie auch Informationen zu Ernte, Krankheiten und Lämmersterben. Damit bekommt man einen Gesamteindruck unter welch schwierigen Bedingungen die Menschen im isländischen Norden ihr Leben fristen mussten.

Ende des 19. Jahrhunderts zog es viele Isländer nach Amerika und Kanada, die langen, extremen Winter, Nahrungsmittelknappheit und die hohe Sterblichkeitsrate ließen ihnen oft keine andere Wahl.

In dieser Zeit dient Ósmann fünf Jahrzehnte als Fährmann, pflichtbewusst, zu jeder Tages- oder Nachtzeit einsatzbereit, seine einzigen Freuden sind die Robbenjagd, gesellige, branntweinseelige Treffen mit Freunden und seine Familie. Er ist ein sympathischer Kerl, teilt seine Nahrung und hilft, wo er kann. Er spricht nicht viel, doch erzählt gerne Geschichte und seine etwas mystischen, unheilvoll klingenden Gedichte zeigen, dass er ein Poet ist.

"Es lockt die Grabesstille,
um Fried und Ruh bemüht.
Der letzte Funken Lebenswille,
in den Ós fällt und verglüht. "
Zitat Seite 215

Die hervorragende Erzählweise Joachim B. Schmidts enthält bildhafte Schilderungen, zeigt allgegenwärtigen Aberglauben, düstere Witterungsbedinungen und lässt tief in die Seele seines Protagonisten Ósmann blicken. Dieses großartige Buch hatte auf mich eine Sogwirkung und zog mich in den Bann dieses Fährmanns, zeigte mir die karge Landschaft der isländischen Einöde und erzählte aus einer vergangenen Zeit, die den Menschen viel abverlangte. Interessant sind auch die Einschübe über den Besuch des dänischen Königs und die Tradition des Ringkampf, ein Erbe der Wikinger.

Dieser einzigartig, berührender Roman macht das selbstbestimmte Leben des Fährmanns sichtbar. Mein Buchhighlight im April!

Ein ergreifender, wunderbar erzählter Roman mit einer tollen Hauptfigur und isländischem Flair.

Bewertung vom 12.04.2025
Saunders, Chris

Der Maulwurf auf großer Reise


sehr gut

Seid achtsam und dankbar für euer Leben!
Im Midas Verlag erscheint das Bilderbuch Der Maulwurf auf großer Reise von Chris Saunders für Kinder ab vier Jahren.

Der Maulwurf lebte in seinem gemütlichen Bau unter der Erde, wo es ihm an nichts fehlte. Doch der Traum nach Abenteuern und fernen Orten liess ihn nicht los, also schnürt er sein Bündel, verlässt sein Zuhause und macht sich auf den Weg. Während er so wandert, folgen ihm immer mehr Tiere: Maus, Fuchs, Dachs, Hase, Rotkehlchen und Schnecke. Nachdem sie ihm lange gefolgt sind, fängt es an zu schneien und die Tiere fragen sich, welches Ziel der Maulwurf erreichen möchte. Jedes Tier hat eine andere Idee, die den eigenen Interessen möglichst nahe kam. Bis sie ihn gemeinsam fragen, was sein Ziel sei. Der Maulwurf lächelte sie an und antwortete: Nirgendwo! Nicht das Ziel ist entscheidend, sondern der Weg und die Möglichkeit mit anderen gemeinsame Momente zu erleben und zu teilen. Die Gemeinschaft der Tiere ist durch die erlebte Natur gewachsen und sie sind Freunde geworden.
Die wie mit Weichzeichner geschaffenen Illustrationen sind einfach ein Traum, so zauberhaft und in zartem Pastell erscheint die Natur in den schönsten Farben und wirkt sehr harmonisch.
Mit viel Liebe zum Detail besitzen die Tiere alle eine Persönlichkeit und haben eigene Vorstellungen von dem bestimmten Ziel ihres Weges, das ist einfach schön anzusehen. Der Fuchs trägt bunte Kleider, der Dachs wirkt wie ein englischer Lord und trinkt auch gerne Tee.

Dieses Buch kommt mit wenig Text aus, der ein wenig philosophisch wirkt und dennoch für kleine Kinder verständlich ist. Die Botschaft hinter der Geschichte ist die Achtsamkeit für die Natur, die die Tiere auf ihrem Weg erleben und der Gemeinschaftssinn füreinander, indem sie gegenseitig aufeinander aufpassen.

Achte auf die Umgebung und auf deine Mitmenschen, schätze die Natur und Umwelt und geh deinen Weg. Diese Geschichte ist sehr philosophisch und lässt uns über die Schnelllebigkeit unserer Gesellschaft nachdenken. Diese Botschaft ist für kleine Kinder vielleicht nicht gleich erkennbar, man sollte sie ihnen näher erklären. Dazu bietet sich diese Textstelle besonders gut an:

"Du kannst dir im Leben viele Ziele setzen. Streng dich an und lass dir Zeit, dann kannst du sie erreichen. Doch vergiss die Pausen nicht. Nimm dir Zeit für das, was es unterwegs zu sehen gibt ... und vor allem für die, die diesen Weg gemeinsam mit dir gehen." Zitat S. 32


Dieses zauberhafte Bilderbuch feiert die Achtsamkeit für Mensch und Natur und enthält traumhaft schöne Illustrationen! Seid dankbar für euer Leben!

Bewertung vom 09.04.2025
Frank, Rebekka

Stromlinien


ausgezeichnet

Dieser großartig erzählte, atmosphärische Roman entwickelt einen Lesesog!
Im Fischer Verlag erscheint der Roman Stromlinien von Rebekka Frank.

Die 17-jährigen Zwillinge Enna und Jale leben bei ihrer Großmutter am Deich der Elbe, ihre Tage verbringen sie in der Natur der Elbmarschen, befahren den Fluss mit ihrem Holzboot "Sturmhöhe" und kennen das Spiel von Ebbe und Flut und den gefährlichen Sog. Beide Schwestern zählen die Wochen und Tage, bis ihre Mutter Alea endlich aus der Haft entlassen wird, doch als der Tag gekommen ist, verschwindet nicht nur die Mutter spurlos, sondern auch Jale. Es bleiben quälende Fragen, Enna macht sich verzweifelt auf die Suche und entdeckt ein dunkles Geheimnis, das ihre bisherige Welt auf den Kopf stellt und ihre Sichtweise auf ihr Leben verändert.

"Niemand auf dieser Welt kannte Jale schließlich so gut wie ich. Sie war ein Teil von mir. Und die Marsch ein Teil von uns." Zitat S. 71

In diese Familiengeschichte bin ich schnell eingetaucht, sie hat mich gepackt und einem Strudel gleich in einen Lesesog gezogen. Auf dieser Familie lastet ein schwerwiegendes Geheimnis, das die Großmutter den Enkelinnen bisher bewusst verschwiegen hat. Doch als Alea und auch Jale verschwinden, stellt Enna Nachforschungen an und ungeahnten Vorgängen auf die Spur.

Rebekka Eder lässt ihren fesselnden Roman aus verschiedenen Perspektiven ihrer Figuren und in mehreren Zeitebenen erzählen, das macht die Gedankenwelt der Figuren und das Zeitgeschehen sichtbar und lässt besonders fesselnde Spannung aufkommen, während dramatische Vorgänge das Schicksal vieler Menschen für immer verändern. Stück für Stück werden fehlende Informationen ergänzt, die Licht ins Dunkel bringen, sodass sich ein klares und verständliches Gesamtbild ergibt.

Die Erzählung ist eingebettet in die wunderschön geschilderte Kulisse der beeindruckenden Natur der Elbmarsch. Sehr bildhaft und absolut atmosphärisch werden Vögel, Tiere und Pflanzen und das Spiel von Ebbe und Flut der Elbe beschrieben, allein dafür sind fünf Sterne angebracht. Rebekka Eder hat für mich ihr Talent für Naturschilderungen bewiesen, die mich sehr an den Roman "Der Gesang der Flusskrebse" erinnert haben.

Die Figuren werden lebensnah gezeichnet und tragen alle besondere Facetten, die sie auszeichnen.

Dieser Roman ist mehr als eine Familiengeschichte, in der es um Herkunft und Identität geht. Geschickt in die Handlung eingebettet, sorgen alten Verbrechen der RAF und ein schreckliches Schiffsunglück im Atlantik für atemlose Lesespannung, die ich so gar nicht erwartet hätte. Wie die Dinge miteinander zusammenhängen, ist großartig durchdacht und gut umgesetzt und es werden Emotionen, Dramen und Hoffnungen sichtbar, die den Roman so wunderbar lesbar machen.
Bei diesem Roman erzeugen Naturschilderungen, Familiengeheimnisse und Krimihandlung ein Lesevergnügen mit beeindruckenden Szenen!
Ein atmosphärischer, packender Roman, den ich allen ans Herz legen möchte, besonders den Fans von "Der Gesang der Flusskrebse"!

Bewertung vom 07.04.2025
Unterlehberg, Mascha

Wenn wir lächeln


sehr gut

Freundinnenschaft am Puls der Zeit
Wenn wir lächeln ist das Debüt von Mascha Unterlehberg, das im Dumont Verlag erscheint.

Jara und Anto lernen sich auf dem Fußballplatz kennen, Anto spielt nicht gut, ist mit Abstand die mutigste Spielerin auf dem Platz. Ihre Freundschaft wächst über die Jahre zu einer Schwesternschaft, sie teilen Lipgloss, Alkohol und Zigaretten miteinander, sind füreinander da und jeden Abend auf Achse. Doch irgendwann entgleitet ihnen die Kontrolle über ihre Gemeinsamkeiten und das enge Gefüge zerbricht.

Das Buch zeigt die Frauenfreundschadt zwischen Jara und Anto, es beginnt mit einem einschneidenden Ereignis und springt in die Vergangenheit zurück, um die Entwicklung der Figuren, die beide bei ihrer Mutter aufwachsen, näher zu beschreiben. Wir tauchen ein in ihr Leben, sehen, welch unterschiedlichen Milieus beide entstammen und begleiten sie bei ihren gemeinsamen Aktionen, ihren Streifzügen in der Nacht mit Einbrüchen, Alkoholexzessen und ihren Gewaltfantasien. Das mag verstören, doch man kommt den Freundinnen ganz nah, manche Themen werden aber nur angedeutet und es bleibt der Erfahrung oder Fantasie der Leserin überlassen, wie sie diese Lücken füllt oder auslegt. So deutet die Autorin beispielsweise einige Gewaltszenen an, bei denen man nicht genau weiß, wie sehr es die Figuren getroffen hat. Man kann es nur ahnen! Solche Stilelemente mögen gefallen, ich mag es lieber klar, auch wenn es auch hart zu lesen und zu ertragen ist. Auch habe ich lange das Gefühl gehabt, dass Jara in Anto verliebt ist, doch das wurde nie ausgesprochen oder näher thematisiert. Sicher ist aber, dass Neid und Eifersucht eine Rolle spielen.

Die Erzählweise ist besonders, mit kurzen, manchmal recht rohen Sätzen werden Dialoge und Erlebnisse beschrieben, es wird aber auch poetisch, sobald die jungen, schönen Frauen lächeln und es wird eindringlich, sobald die Abwehrfähigkeit im Raum steht.

Für mich stellte sich beim Lesen die Frage, müssen Frauen immer nur lächeln und zeigt dieses Lächeln auch das wahre Empfinden hinter einer schönen Fassade? Nein, denn tief in den Frauen brodelt es und selbst wenn sie lächeln, können sie gegenhalten und kontern. Dieses Rollenbild steckt in uns und lässt sich nicht so leicht abschütteln, es sei denn, man trägt einen Baseballschläger, um auszuteilen, in der Gefahr des Übergriffs.

In ihrem Roman zeigt die Autorin auch die Kampf- und Verteidigungsbereitschaft der neuen Generation von Frauen, sie sich wehren wollen, falls es nötig wird.

Mascha Unterlehberg spiegelt in ihrem Gegenwartsroman durch Anto und Jara die Rolle der Frau. Beide symbolisieren auf moderne Weise den femininen Charakter in einer patriarchalischen Welt, in der Frauen zusammen halten müssen. Sie entwickeln sich zur Frau, lehnen sich gegen das typische Rollenbild in der Gesellschaft auf, wollen auffallen, sind miteinander wie Schwestern verbunden, um sich dann wieder zu verlieren.

Eine bewegende Geschichte über das Einfinden in die Frauenrolle und ein Buch, das nachdenklich macht.

Bewertung vom 05.04.2025
Behm, Martina

Hier draußen


sehr gut

Schein und Wirklichkeit des Dorflebens!
Bei DTV erscheint das Debüt von Martina Behm, ihr Roman trägt den Titel "Hier draußen".

Lara und Ingo ziehen mit ihren beiden Kindern aus Hamburg ins (fiktive) holsteinische Örtchen Fehrdorf auf einen renovierungsbedürftigen Hof, sie wünschen sich mehr Ruhe für die Familie. Doch so schön es hier auch ist, schon bald ergeben sich Probleme. Denn Ingo fährt auf seiner Pendelstrecke zur Arbeit nach Hamburg eine weiße Hirschkuh an, laut Jäger Uwe ist der Tod des Tieres ein schlimmes Omen. Der Aberglaube besagt, wer sie tötet, stirbt innerhalb eines Jahres. Gemeinsam erlösen sie das verletzte Tier.

In ihrem Roman stellt uns Martina Behm auf unterhaltsame Weise die ländliche Szenerie, sowie die unterschiedlichen Menschen aus Fehrdorf vor und lässt uns an ihren Erlebnissen, Lebensgeschichten und Gedanken teilhaben. Bei vielen Figuren erfahren wir die Wünsche und Pläne, die sie sich für ihr Leben erhoffen und bekommen im Laufe der Handlung mit, wie sich ihr Leben entwickelt und was aus den Träumen geworden ist. Das erhoffte friedliche Landleben ohne den Stress der Großstadt ist am Ende häufig ebenfalls problembelastet. Es ist ein Trugschluss, dass man hier die heile Welt vorfindet.


Bei diesem Roman habe ich etwas gebraucht, um mich einzulesen und die vielen Figuren musste ich erst einmal richtig einordnen können, um dem Fluss der Geschichte gut folgen zu können. Doch dann hat mich die Story immer mehr interessiert, denn die Figuren hauchen dem Ganzen Leben ein.

Lara wurde mir sympathisch und immer vertrauter. Sie arbeitet kaum noch als Grafikerin und kümmert sich statt dessen um die Kinder und die Renovierung des Hofs. Das Leben auf dem Land ist eintöniger, aber häufig genauso problembelastet wie in der Stadt. Neue Bewohner werden nicht gleich akzeptiert, bei Dorffesten lernt man sich näher kennen und gewinnt nähere Bekanntschaften.

Wir lernen den alleinstehenden Jäger Uwe kennen, der abergläubisch ist und den Hof seiner verstorbenen Eltern weiter führt.

Schweinezüchter Enno führt den Betrieb nach alter Tradition, seine Frau Tove hat ganz andere Vorstellungen vor der Zukunft des Hofes. Söhnke und Maggie mästen Hähnchen, ihre Tochter studiert, fühlt sich aber doch als Landwirtin wesentlich wohler. Jutta und Armin sind die Letzten der einst großen Kommune im Dorf, sie sind hier heimisch geworden.

Der Erzählton ist eher sachlich gehalten, die Beschreibungen der Figuren und Schwierigkeiten im ländlichen Raum wirken authentisch und verbergen nicht, welche Nachteile das Landleben mit sich bringt. Denn auch die Alteingessenenen haben mit Schwierigkeiten zu kämpfen, Kleinbauern fürchten um ihre Existenz, die Jugend zieht es in die Städte, die Hofnachfolge steht in den Sternen.


Im Ganzen wirkt die Geschichte auf mich recht düster und beklemmend, wobei daran besonders die Paarprobleme, Unfälle mit Tieren und Gefahr durch Güllegruben ihren Anteil haben. Der Autorin ist es gelungen, durch die ständigen Wechsel der Perspektive viele interessante Aspekte des Landlebens sichtbar zu machen und mit den Figuren zu einer runden Geschichte zu verflechten.


Ein authentischer Blick auf das Landleben und ein aussagekräftiger Roman über die Dorfgemeinschaft!

Bewertung vom 01.04.2025
Schünemann, Christian

Bis die Sonne scheint


ausgezeichnet

Eine Familie zwischen schönem Schein und Pleite!
Der Familienroman Bis die Sonne scheint von Christian Scheunemann erscheint bei Diogenes.

1983: Daniel Hormann freut sich auf seine Konfirmation und den Schüleraustausch nach Frankreich. Doch die finanzielle Situation der Eltern sieht schlecht aus. Das lassen die Eltern aber nicht offen erkennen, sie wahren den Schein und trotzen selbst dem Gerichtsvollzieher. Ihr Motto ist: Selbst ohne Geld muss man sich noch etwas gönnen.

Christian Scheunemann blickt auf seine Jugendzeit und das Leben seiner Familie zurück. Die Handlung spielt in den 80er Jahren, eine Zeit, die ich selbst sehr intensiv erlebt habe. Das weckt Erinnungen und nostalgische Momente, ich konnte mich wunderbar in die bildhaft beschriebene Szenerie einfühlen und hatte viele Erinnerungsmomente, die sich mit dem Zeitgeist der Geschichte decken. Die Familie besteht aus Eltern und vier Kindern, sie wohnen in einem großzügigen Bungalow, den der Vater selbst entworfen hat.
In Rückblenden tauchen wir in das Leben in der Nachkriegszeit der Großeltern ein, erfahren, wie sich Daniels Eltern kennen lernen, Nachwuchs bekommen, ein Haus bauen, eine Firma gründen, gut leben und finanziell in einer Abwärtsspirale enden.

Die Geschichte wird zu keiner Zeit langweilig und die liebenswürdigen Charaktere sind ein entscheidender Faktor, dass ich dieses Buch so gern gelesen habe. Ich habe mit Daniel gehofft, dass er die gewünschte Hose bekommt und mit ihm gelitten, als das Konfirmationsgeld flöten geht. Durch den lockeren, ruhigen Erzählstil werden die Erlebnisse der Hormanns lebendig und bildhaft genau geschildert und entwickeln sich durch das Familienleben und den lockeren Umgang mit Geld zu einer packenden Geschichte, die mit etwas Situationskomik durchzogen ist, authentisch fühlbar wird und richtig gut zu lesen ist. Sparen ist für die Hormanns ein Fremdwort und einer Pleite wird ausgewichen, indem man einfach in Richtung Süden der Sonne entgegen fährt. Ist doch ganz einfach, nur dass die Gläubiger sich damit nicht zufrieden geben. Beim Lesen tauche ich in wechselnde Emotionen ein, die Handlung springt zwischen Tragik, Witz und dem hilflos scheinenden Ansinnen, neue finanzielle Möglichkeiten zu entwickeln.
Der Bungalow steht von Anfang an für die Pleite, er ist noch nicht alt, doch das Wasser bahnt sich seinen Weg durch das Dach, eine grundlegende Renovierung ist unausweichlich. Christian Scheunemann beschreibt diesen Umstand sehr bildhaft, dass es schon fast grotesk und humorös erscheint. Vielleicht ist Lachen in dieser schwierigen Lage die beste Medizin.

Die Geschichte zeigt den Familienalltag in den 80er Jahren, sie macht die Wünsche, Sorgen und Hoffnungen des Protagonisten sichtbar, spiegelt den Bankrott der Eltern mit dem gleichzeitigen Verdrängen der Probleme.

Ein Leseerlebnis, das nachhallt und mich gespannt in seinen Bann gezogen hat. 4,5 Sterne, die ich gerne aufrunde!